Emotionale Belohnung muss stimmen

MARKENARTIKEL 7/2015
TITELTHEMA: KOSMETIK
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Emotionale Belohnung
muss stimmen
Gesichtscremes versprechen in ihren Werbespots ewige Jugend und
Attraktivität. Doch treffen sie damit den Nerv ihrer Kundinnen? Ein
Blick ins Unterbewusstsein zeigt, dass sich die Spots zu wenig unterscheiden und manchmal ungewollt negative Assoziationen wecken.
Quelle: L´oreal AgePerferct Screenshot
DAS GESCHÄFT mit der Schönheit boomt. Attraktivität ist
ein Erfolgsfaktor – und ein Milliardenmarkt. Nach Angaben des US-Marktforschungsinstituts BCC Research
setzte die Anti-Aging-Industrie 2013 weltweit über 260
Milliarden Dollar um. Entsprechend hoch sind auch
die Ausgaben für Marketing. Kaum ein Werbeblock,
indem nicht irgendein Mittel ein Mehr an Jugendlichkeit, Attraktivität und Schönheit verspricht. Doch wie
wirksam sind die Werbespots wirklich? Ratingagentur
Advertising hat drei aktuelle TV-Spots der Produkte
Nivea Q10 Plus (Beiersdorf), Diadermin Cellular Expert 3D (Henkel) und Age Perfect (L’Oréal) auf ihre
unterbewusste Werbewirkung hin analysiert. Steigern
die aufwendig produzierten Filme beim Zuschauer den
Wunsch, das Produkt zu kaufen?
Entscheidend dafür sind nicht etwa rationale Überlegungen des Kunden. Die moderne Gehirnforschung
hat nachgewiesen, dass fast alle Entscheidungen im
Gehirn vom sogenannten limbischen System und damit dem Unterbewusstsein maßgeblich gesteuert werden. Kunden treffen ihre Kaufentscheidungen in der
Regel nicht bewusst – auch wenn sie es selbst glauben. Die Frage, ob beispielsweise die Inhaltsstoffe einer
Creme den aufgerufenen Preis rechtfertigen, mag manchen Kunden als nachträgliche Rechtfertigung dienen
– für ihre Kaufentscheidung aber spielte sie in Wahrheit keine Rolle.
Unterbewusstsein entscheidet
Das hat Auswirkungen auf das Marketing. Wer wissen
möchte, wie seine Werbung wirkt, muss herausfinden,
was sie im Unterbewusstsein auslöst. Denn während
wir scheinbar noch überlegen, hat unser Unterbewusstsein die Entscheidung über den Kauf längst getroffen.
Herkömmliche Messmethoden erfassen jedoch nur bewusste Einkaufvorgänge. Die American Marketing Association veröffentlichte jüngst eine Studie, die Messungen der Gehirnströme im Kernspintomographen
(fMRT) eine deutlich höhere Vorhersagequalität für
Wirksamkeit einer Werbemaßnahme attestiert als klassische Methoden wie etwa Fragebogen, Eye-Tracking
oder EEG. Die Forscher wiesen nach, dass der stärkste Indikator für einen Markterfolg von Werbung der
Nachweis von Aktivität im ventralen Striatum ist. Das
ist der Bereich des Gehirns, in dem Teile des Belohnungssystems angesiedelt sind.
Die Erkenntnisse der Neurowissenschaft sind Basis des
'Subconscious Decision Marketing Index' (SDMI) von
Ratingagentur Advertising. Dabei handelt es sich um
ein Analyseinstrument, das die für die Kaufentscheidung maßgeblichen Prozesse im Unterbewusstsein der
Kunden erfasst und in ein Wirkmodell integriert. Die
Untersuchung der drei TV-Spots zeigt dabei, dass diese
ihre Sache gut machen. Alle vermitteln ihre Botschaft
klar und für das Unterbewusstsein gut verständlich.
Julianne Moore berichtet aus ihrer Perspektive und Erfahrung. Die Werbebotschaft ist so für das Unterbewusstsein positiver aufzunehmen
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Die Gehirnforschung hat nachgewiesen, dass fast alle Entscheidungen vom Unterbewusstsein maßgeblich gesteuert werden
Dabei lösen sie überwiegend positive Impulse aus, was
unter dem Strich zu einer verkaufsfördernden Wirkung
im Unterbewusstsein führt. Am besten gelingt dies dem
Spot von L’Oréal Age Perfect, der 42 von maximal 100
Punkten erzielt. Dahinter liegt Nivea Q10 Plus mit 27
Punkten, Diadermin Cellular Expert 3D landet mit 20
Punkte knapp auf Rang drei.
L’Oréal punktet mit Julianne Moore
Das deutlich bessere Ergebnis von L’Oréal lässt sich
maßgeblich auf das gut gewählte Testimonial Julianne Moore zurückführen. Die Schauspielerin berichtet sympathisch aus ihrer eigenen Perspektive und
Erfahrung. Die Werbebotschaft ist so für das Unterbewusstsein positiver aufzunehmen als die sonst klar
als Werbeslogans zu identifizierenden Botschaften der
Mitbewerber. Die Reaktanz, also der implizite Widerstand gegen den Beeinflussungsdruck, ist dadurch beim
Betrachter deutlich geringer. Eine Szene wirkt besonders gut: Das Testimonial ist im Gespräch mit einem
Mann zu sehen. Sie lächelt und lacht, wirkt glücklich
und attraktiv. Die Platzierung dieser Szene nach dem
Auftragen der Creme visualisiert die emotionale Belohnung der Freude sowie der Anerkennung durch andere.
Dank des geschickten Aufbaus des Spots identifizieren
sich die Zuschauerinnen mit der Darstellerin und empfinden deren positive Emotionen nach.
Verantwortlich für diesen Effekt sind die sogenannten
Spiegelneuronen. Das sind Nervenzellen, die im Gehirn beim Betrachten eines Vorgangs das gleiche Aktivitätsmuster zeigen wie bei dessen eigener Ausführung.
Es entsteht ein Wir-Empfinden und dem zugrundeliegend eine Erhöhung der Oxitocin- und Serotoninspiegel. Dies sind zwei Neurotransmitter beziehungsweise
Hormone, die zuständig für positive Gefühle wie Liebe und Zuneigung, aber auch Ruhe und Gelassenheit
sind. Diese Veränderungen im Hormonhaushalt sind
zwar minimal, werden allerdings im Unterbewusstsein
mit dem Produkt assoziiert und begünstigen damit die
verkaufsfördernde Speicherung des Spots sowie Kaufimpulse am Point of Sale.
Spots ähneln sich zu sehr
Dennoch schafft es keiner der Spots, die Schwelle von
80 Punkten im SDMI-Ranking zu knacken. Ab diesem Wert gilt die unterbewusste Wirkung eines Werbespots als gut und sehr verkaufsfördernd. Es bestehen viele Chancen, um in diesem Markt mit besseren,
auf unterbewusste Werbewirkung fokussierten Werbespots höhere Marktanteile zu sichern.
Auffällig ist, wie wenig sich die Spots voneinander unterscheiden. Alle Spots zeigen eine für das Unterbewusstsein ähnliche Botschaft: Creme auftragen, besser aussehen. Sie nutzen sogar viele ähnlichen Worte
wie Zellerneuerung, vitalisierend, revitalisierend oder
strahlend. Dies ist eine nachvollziehbare Strategie und
bringt die Botschaft klar zum Ausdruck. Gleichzeitig liegt hierin großes Potenzial, im Unterbewusstsein der Kundinnen mit einer differenzierteren Botschaft eine loyale Bindung aufzubauen und sich damit
deutlich verkaufsfördernder zu positionieren als der
Wettbewerb.
Authentische Botschaften vermitteln
Das Unterbewusstsein strebt stets danach, Einfluss auf
möglichst viele Aspekte des Lebens zu nehmen oder einen als angemessen empfunden Status quo zu sichern.
Erlebt es das Gegenteil, also Kontrollverlust, so werden in Millisekunden unterbewusste Vermeidungsstrategien und Stressreaktionen ausgelöst. Stories, die
die aktiven Einflussmöglichkeiten der Kunden in den
Mittelpunkt stellen, wirken also deutlich verkaufsfördernder als solche, die auf die Angst vor dem Älterwerden abzielen.
Eine Story wird dann im Unterbewusstsein sehr wirkungsvoll, wenn es eine authentische und zugleich überraschende Wendung aufweist. Diese sollte geschickt die
Kernbotschaft vermitteln. Das Überraschungsmoment
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Für die Kaufmotivation ist es wichtig, die
gleiche, für das Unterbewusstsein attraktive Botschaft in jeder Story zu vermitteln.
James Miller, Ratingagentur Advertising
bewirkt eine bessere Speicherung des Spots. Die Kunst
hierbei ist, die Wendung in der Geschichte maximal positiv zu gestalten, um das Belohnungszentrum der Kunden punktgenau zu aktivieren. Idealerweise findet diese Umsetzung in einer Serie von Spots zu dem Produkt
mit unterschiedlichen Wendungen der Stories statt. Für
einen hohen Impact auf die Kaufmotivation ist es wichtig, die gleiche, für das Unterbewusstsein hoch attraktive Botschaft in jeder Story zu vermitteln. Um die Wirkung noch weiter zu steigern, können ähnliche Stories
und Wendungen produktübergreifend eingesetzt werden, um die Marke und alle Produkte stärker und verkaufsfördernder zu positionieren.
Negative Assoziationen vermeiden
Negative Assoziationen bleiben haften. Das hat Auswirkungen auf die Art, wie die Geschichte erzählt werden sollte. Logisch wäre es, zunächst die Ausgangslage – in diesem Fall Hautalterung, die es zu verbessern
gilt – zu zeigen oder anzusprechen. Allerdings werden
in diesem Fall in tausendstel Sekunden negative, verkaufshemmende Emotionen und Vermeidungsreaktionen geschaltet, die sich anhand einer erhöhten Aktivität in der Insula nachweisen lassen. Die Aktivität dieses
Gehirnareals wird mit dem Produkt assoziiert und gespeichert. Ist die Insula einmal in einem Spot aktiviert,
bleibt sie auch nach einer positiven Wendung der Story weiter aktiv und mindert deutlich die verkaufsfördernde Wirkung der Botschaften und Bilder.
Auch der Begriff Anti-Aging ist problematisch, besteht
er doch aus zwei negativ besetzten und stark assoziierten Wörtern: Anti und Aging. Beide Begriffe lösen in biometrischen Tests Stressreaktionen aus, die mit einem
Hautwiderstandsmessgerät nachweisbar sind. Wörter
James Miller ist Geschäftsführer von
Ratingagentur Advertising, einem
Institut zur Messung, Analyse und
Optimierung von Werbung. Zudem
ist er Executive Consultant an der
International University of Applied
Sciences Bad Honnef – Bonn, Director
am Institut für Sales und Marketing
Exzellenz sowie als Consultant,
Trainer und Coach tätig.
und Botschaften, die Stressreaktionen im Körper auslösen, erhöhen neben der Aktivität in der Insula auch den
Spiegel zweier Hormone: Adrinalin und Kortisol. Der
Körper bereitet sich unbewusst auf einen möglichen
Kampf oder Flucht vor. Diese Körperreaktionen werden gespeichert und bei der unterbewussten Entscheidungsfindung vom Gehirn mit berücksichtigt. Lässt ein
Hersteller diesen Begriff weg oder ersetzt ihn durch etwas Positives, fallen die negativen Assoziationen und
Körperreaktionen weg und die USPs und verkaufsfördernden Teile des Spots wirken deutlich stärker.
Vor allem aber gilt es, das Nutzenversprechen stärker
auf die wirklichen Ziele hin zu fokussieren. Die USPs
der drei Cremes sind sich sehr nah: Vitalisierung, Zellerneuerung oder Schutz. Diese sind allerdings für das
Unterbewusstsein nur Mittel zum Zweck, um sein eigentliches Ziel zu erreichen: emotionale Belohnung.
Erst wenn die Frau beim Blick in den Spiegel erkennt,
dass sie schöner aussieht, werden durch die Freude
darüber Glückshormone freigesetzt. Noch stärker ist
der Effekt, wenn sie Bewunderung, Anerkennung oder
Komplimente von anderen Frauen oder Männern erhält. Stories, an deren Ende dieses Ziel erreicht wird,
haben folglich die größte positive Wirkung auf das
Unterbewusstsein.
Insgesamt schöpfen die Hersteller die Möglichkeiten
für eine optimale verkaufsförderndere Positionierung
im Unterbewusstsein der Kundinnen noch nicht aus.
Erst durch Entdeckungen der Neurowissensschaften
in den vergangenen zehn bis 20 Jahren werden diese Potenziale jetzt erschließbar. Wer sie am geschicktesten nutzt, wird am Ende im Wettbewerb die Nase
vorn haben.
James Miller, Elke Schwarz
Elke Schwarz ist Gründerin, Geschäftsführerin und Chefanalystin
von Ratingagentur Advertising.
Zudem ist sie Gründerin und
Geschäftsführerin des Instituts
für Sales und Marketing Exzellenz.
Zuvor war sie bei Point Consulting
tätig.
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