HISTORIE Ihr Ansprechpartner Nico Wendt Tel. 03421 721052 [email protected] DONNERSTAG, 4. FEBRUAR 2016 | SEITE 16 Geschäfte und ihre Werbung um 1915 Torgauer Hafenbrücke – ein Wahrzeichen TORGAU. Da wäre zum Beispiel Richard Gansauge, der Mechaniker aus der Leipziger Straße 32 in Torgau: Er besaß ein „reichhaltiges Lager für Nähmaschinen für Familien und Industrie, Fahrräder – nur erstklassige Fabrikate, Vertreter der Neckarsulmer Motorfahrzeuge.“ Gansauge installierte auch elektrische Schwach- und Starkstromanlagen. Er hatte eine gut eingerichtete Werkstatt für mechanische Werke, elektrische, physikalische, medizinische Apparate und Instrumente sowie eine Spezialwerkstatt für Nähmaschinen, Fahrräder und Motorfahrzeuge. Richard Gansauge war auch stolz auf eine „Ermächtigung vom Königlichen Regierungspräsidenten in Merseburg zur Ausbildung von Kraftradführern.“ An der Ecke Bäckerstraße/Paradeplatz 1 besaß Max Hollender ein Juwelier-Geschäft. Er hatte ein „reiches Lager moderner Juwelen, Gold-, Silber- und Alfenidewaren, Brillantringe, Kolliers, Armbändern, Broschen und Ohrringen in allen Preislagen.“ Die Firma Holländer fertigte Trauringe an, gravierte sie nach Wunsch und verkaufte „silberne und versilberte Obst-, Dessert-, Fisch- und Tafelbestecke.“ In der Scheffelstraße 4 handelte Carl Anton Rößler (Inhaber Georg Wasmuth) mit Porzellan- und Glaswaren. Es war das „älteste und größte Spezialgeschäft am Platze“. Willi Saare, der seine Garage beim Hotel „Goldenes Schiff“ hatte, verfügte über einen öffentlichen Kraftdroschken-Betrieb in Torgau. In einer Annonce hieß es: „Empfehle meine Kraftdroschke gegen mäßige Taxe zu allen Fahrten von und nach der Bahn, engeren und weiteren Umgebung, Spazierfahrten, Visiten, Hochzeiten, Kindertaufen usw.“ In der Fischerstraße 10 war Fleischermeister Franz Birkholz und in der Spitalstraße 16 seit 1889 Franz Böttger mit seiner Wurstfabrik und dem Versandgeschäft angesiedelt. Herr Böttger inseriert: „Sämtliche Waren werden unter meiner Aufsicht gefertigt.“ Quelle: Führer durch Torgau und UmgeGünther Fiege bung von 1914 TORGAU. Dieses historische Foto zeigt die Bauarbeiten an der Torgauer Hafenbrücke. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und danach wieder hergerichtet. Die 800 Zentner schwere Brücke ist ebenfalls ein Wahrzei- chen der Kreisstadt und wird gerade im Sommer von Hunderten Radfahrern auf dem Elberadweg genutzt. Foto: TZ/Archiv Jeder Hügel, der sich halbwegs anbot, wurde zum Schlittenfahren genutzt Winterfreuden in vergangenen Zeiten: Kinder und Jugendliche übten sich im Wintersport / Auch kleinere Verletzungen blieben nicht aus DOMMITZSCH. Wieder hat sich ein Winter angemeldet. Da gehen manchmal die Gedanken zurück an die eigene Jugend. Was tat die Jugend früher im Winter? Es gab doch noch kein Fernsehen. Auch der Winter, wenn er nicht zu kalt war, wurde früher von uns Kindern viel im Freien verbracht; es wurde Wintersport getrieben. Jeder größere Hügel der sich dazu eignete, wurde benutzt zum Schlitten fahren. Kinder aus den „Ellern“ und der Grünen Straße fuhren zum Beispiel von Hartmanns Mühle bis zum Grenzbach. Eine ehemalige alte Sandgrube machte es möglich. Heute ist diese verfüllt und das Altenheim darauf erbaut. Die Seebergabfahrt, schon steiler und länger, war ebenfalls eine Schlittenabfahrt. Sie war aber gefährlicher. Der Verkehr war zwar bei weitem nicht so groß wie jetzt, aber Autos und vor allem Pferdefuhrwerke schätzten den glatt geschliffenen Weg am Berg nicht. Der Ortspolizist war jedenfalls schnell dabei, die Rodler zu vertreiben. Und dann wurde auch noch gestreut. Die beste Rodelstrecke im Ort befand sich am Weg zum Osterberg. Hier wurden 3 ver- schieden schwere Strecken gefahren. Kleinere Kinder fuhren vom ersten Absatz. Da war es nicht so lang, aber auch nicht so steil. Die Abfahrt vom Osterbergweg zum Bienengraben war schon etwas schwieriger, noch schwerer zu schaffen war die Abfahrt von der Ecke an dem Weg zum Pumpenhaus der Molkerei. Gleich der Beginn der Strecke war sehr steil und erforderte schon Mut und Wagnis. Jahrelang wurde diese Abfahrt genutzt, bis eines Tages ein großer Betonmast für Stromkabel am Auslauf der Strecke errichtet wurde. Gab es auch sonst schon leichtere Unfälle, wurde die Gefahr jetzt noch größer und verboten wurde das Schlittenfahren auch noch. Es gab im Ort noch einige andere kleine Abfahrten, aber keine war wie diese. Eine andere Wintersportart war das Schlittschuh fahren. Der Bienengraben staute im Winter sein Wasser und ließ große Eisflächen unterhalb des Seeberges entstehen. Dort konnten sich die Schlittschuhläufer austoben. Für die Jungen war das eine Möglichkeit, Eishockey zu spielen, wobei zwar zwei Parteien aufgestellt wurden, aber die Anzahl der Mitspieler nicht begrenzt wurde; so viel wie vor Ort waren, spielten mit. Jeder brachte seinen meist schon im Herbst hergestellten Hockeyschläger mit; gekaufte Schläger sah man selten. Leichte Verletzungen traten bei diesen Spielen öfters auf. Man brach auch mal ein, wobei außer Erkältungen wenig passierte, denn das Wasser unter dem Eis stand nicht hoch. Schwieriger wurde es, wenn auch der Anger mit Eis belegt war. Hier gab es meist einen höheren Wasserstand, was bei Einbrüchen sehr erschwerend wirkte. Bei festem Eis hatte man die Möglichkeit, bis zur Einmündung des Schwarzen Wassers in die Elbe zu fahren. Das war jedoch meist gefährlich. Ich erinnere mich, dass zwei Schüler, in den 30 iger Jahren das Eis der Elbe betreten hatten, das sich im Aufbruch befand. Sie wurden auf einer Eisscholle elbabwärts mitgerissen und konnten erst vor Pretzsch von der Scholle geholt werden. Solche Unarten wurden früher bestraft, nicht nur zu Hause sondern auch in der Schule. Einige Lehrer nutzten hierzu einen Rohrstock, der beschafft beim Korbmacher, immer vorrätig war. Auch im März 1916 war der Eis auf der Elbe 1982. Foto: Archiv Hermann Förster Anger , durch Hochwasser, zu einer schönen Eisfläche gefroren die fast bis zum „Schwarzwasser“ reichte. Die blitzende Fläche verführte einige Jungen, das Eis zu testen. Die 6-jährigen Jungen St. und P. befanden sich unter der Meute und probierten die Eisdicke bis zum Schwarzwasser, wo sie so dünn war, dass sie Einbrachen und unter die Eisdecke gerieten. Auf ihr Schreien und das ihrer Freunde eilten zwei Soldaten, die auf Urlaub waren und sich in der Nähe befanden, herbei und zogen die zwei bewusstlosen Knaben aus dem nassen Element. Sofort vorgenommene Wiederbelebungsversuche hatten zum Glück Erfolg. Die Familien waren den Soldaten O. Döbelt und W. Korge, wie sie sich denken können, sehr dankbar. Für die dritte Sportart, Skifahren, gab es hier weniger Möglichkeiten. Zeitweise nutzten einige Dommitzscher den Weinberg zur Abfahrt, während Langlaufmöglichkeiten selbst im Labaun und Gränigk genutzt wurden. Und jetzt? Wenn die Kinder schon wollten, wo finden sie die Möglichkeiten für diese Sportarten? Quellen: Chronik, Kirchenbücher. Hermann Förster Vom originalen Bestand beeindruckt Nur mit einem Taschengeld begnügt Buchpräsentation „Lutherstadt Wittenberg, Torgau und der Hausbau im 16. Jahrhundert“ Von den Nöten des Audenhainer Pfarrers Karl Jentzsch WITTENBERG/TORGAU. Am Dienstag, dem 9. Februar, findet um 17 Uhr in Wittenberg, im Audimax der Leucorea Collegienstr. 62, im Rahmen einer Gemeinschaftsveranstaltung des Arbeitskreises für Hausforschung, der Stiftung Leucorea und des Torgauer Geschichtsvereins die Buchpräsentation des 62. Bandes der Jahrbücher für Hausforschung statt. Vorgestellt wird der umfangreiche Band mit über 630 Seiten, der der Lutherstadt Wittenberg, Torgau und dem Hausbau der Renaissance gewidmet ist. Die hier veröffentlichten Beiträge sind im Ergebnis einer Jahrestagung des Arbeitskreises für Hausforschung auf der Basis dort gehaltener Vorträge entstanden. Ein Tag war als Tagesexkursion ganz der Stadt Torgau gewidmet und erwies sich als viel zu kurz, um alle herausragenden Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Zahlreiche Wissenschaftler und Mitglieder des Vereins waren von Torgau so angetan, dass sie einen erneuten Besuch versprachen. Im vorliegenden Band wird in einem Beitrag von Jürgen Her- zog die Renaissancestadt Torgau vorgestellt und dabei auf baugeschichtliche Aspekte besonders eingegangen. Angelika Dülberg hat einen Beitrag zu Wand- und Deckenmalereien in Torgauer Bürgerhäusern und im Schloss Hartenfels geliefert. Der Bedeutung entsprechend stehen dabei die Malereien im BürgermeisterRingenhain-Haus im Mittelpunkt. Albrecht Sturm aus Pirna stellt in einem weiteren Beitrag die Ergebnisse seiner bauarchäologischen Untersuchungen im Spalatinhaus und am Renaissancehaus Wintergrüne 4 vor. Erfreulich und bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der erwähnten Jahrestagung und bei der Publikation um eine Zusammenarbeit zwischen der Forschungsgruppe Ernestinisches Wittenberg und dem Torgauer Geschichtsverein handelt und so gemeinsam die beiden wichtigsten Reformationsstätten im kurfürstlichen Sachsen dem Arbeitskreis für Hausforschung vorgestellt werden konnten. Die Buchpräsentation am 9. Februar ist öffentlich. PI AUDENHAIN. Wie im Artikel vom 21. Januar 2016 über den Audenhainer Pfarrer Karl Jentzsch berichtet, wechselte er im Jahre 1864 von Audenhain nach Klitzschen. In einem Brief an Hochwürden Herrn Superintendenten Hauptmann in Torgau vom 3. Januar 1858 ersucht er diesen ganz ergebenst, sich beim hochwürdigen Consistorium in Magdeburg für eine Versetzung resp. Verbesserung seiner Einkünfte sich geneigtest verwenden zu wollen. So schildert er in diesem Brief seine Situation in Audenhain und die Nöte die ihn zu dieser Bitte veranlassten. Im einzelnen führt er dazu aus, dass er nun schon neunzehn Jahre in dieser Gemeinde im Amte ist, wovon er fünf Jahre als Substitus seines seligen Vaters tätig war, während welcher Zeit er sich zum Besten seiner Geschwister nur mit einem Taschengeld begnügt habe. Im weiteren schreibt er, ich werde nun bald mein fünfzigstes Jahr antreten und habe noch fünf unerzogene Kinder, drei Söhne und zwei Töchter, die beiden ältesten Söhne sind elf und neun Jahre alt. Meine Stelle gehört, wie Eurer Hochwürden bekannt ist, zu den geringst dotierten in Ihrer Ephorie, obgleich das Dorf das größte und wohl auch reichste derselben ist und die Ein- künfte derselben mit der Zeit auch nicht besser werden wie bei anderen Pfarrern sondern geringer, weil der Weidenutz nur aus 36 Morgen Ackerland geringer Qualität besteht, welche bei der jetzt zu Ende gehenden Separation noch verkürzt und zum Teil in wüstem Lande gegeben werden sollen, während andere Pfarreien das doppelte und dreifache an Feld besitzen und durch erhöhte Pächte immer einträglicher werden. Mein Einkommen beläuft sich, je nach Getreidepreisen auf 600 Taler – 700 Taler, wobei die Wohnung zu 40 Taler veranschlagt ist. Ganz genau läßt sich der Betrag bei derlei Stellen beim besten Willen und der größten Gewissenhaftigkeit nicht angeben, weil was die Familie aus Garten, Feld und der Kuhnutzung verbraucht, mir genau berechnet werden kann und dies durch Fleiß, Betriebsamkeit und Anstrengung der Familienmitglieder genommen wird und daher nicht zum Amtseinkommen gehört. Ich habe bisher eine Schwester in Leipzig zu unterstützen gehabt und eine andere unverheiratete noch bei mir im Hause. Wir sind mit den Dienstboten täglich elf Personen zu Tische, es bleibt daher bei größter Sparsamkeit von Seiten meiner und meiner Frau, wenn das Jahr um ist, nichts übrig und ich habe bis jetzt weder, was ich von meinen Geschwistern zum Studium geborgt, noch was ich bei der Übernahme der Pfarre meiner unversorgten Schwester herauszugeben hatte, abzahlen können. Wenn nun meine beiden ältesten Söhne im nächsten Jahr auf das Gymnasium gebracht werden sollen, sie mögen künftig einem Stand sich widmen, welcher es auch sei, so müssen sie doch etwas lernen, so weiß ich nicht wie ich die Kosten erschwingen soll und es erfüllt der Gedanke daran mein Herz oft mit banger Wehmut. Aus diesen Gründen ersuche ich Eurer Hochwürden nochmals inständig, obwohl ich mit schwerem Herzen von der mir so lieb gewordenen Gemeinde gehen werde, beim Hochlöblichen Consistorium auf eine Versetzung für mich wieder aufs Land, womöglich in die Nähe einer Parochialstadt, gütigst anzutragen. Nach diesem Gesuch sind dann noch einmal sechs Jahre vergangen ehe Pfarrer Karl Jentzsch im Jahre 1864 vom Consistorium die Zustimmung zum Wechsel nach Klitzschen erhielt, wo er dann nur noch wenige Jahre tätig war. Im Jahre 1872 beendete eine unheilbarere Krankheit sein Leben. Harry Liebmann
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