Vor dem Vergessen bewahren

TECHNIK
Leinendecks
Vor dem
Vergessen
bewahren
Fotos: Baykowski
Viele alte Bootsbautechniken werden kaum
noch angewendet. Prakt i s c h e K n i f f e u n d Tr i c k s
können deshalb nicht
weitergegeben werden,
wie beispielsweise das
Aufbringen eines Leinendecks. Bootsbaumeister
Uwe Baykowski aus
Strande schreibt wie
es geht.
Leinendecks, viele Jahrzehnte Standard im Bootsbau, neigen im Laufe der Zeit
zu Rissbildungen. Wie sie erneuert werden können, beschreibt Bootsbaumeister
Uwe Baykowski im Arbeitsheft „Pflege & Instandsetzung klassischer Yachten“.
E
ine der ältesten Arten des Decksbelages für Kajütdächer und Laufdecks ist das Leinendeck. Diese
klassische Methode mit einer ganz besonderen Anmutung wird heute aber nur noch selten angewendet.
Für solch einen Decksbelag wurde leichtes Nadelholz wie Fichte, Föhre oder feinjährige Lärche, seltener auch Spruce, auf die Deckbalken genagelt
und anschließend mit einem Leinentuch bespannt.
Die meisten Leinendecks sind mittlerweile in die
Jahre gekommen und neigen zur Rissbildung mit
darunter verborgenem Zerstörungswerk durch
Fäulnis. Besonders die mit „schwarzem Eisen“ vernagelten Decksleisten erleiden meist durch Feuchtigkeitseintritt verursachte Korrosionsschäden. Das
leichte Nadelholz weist hier häufig erhebliche Fäul-
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nisschäden auf. Vor der Neubeschichtung sind
schadhafte Hölzer auszutauschen und das gesamte Deck sollte konserviert werden.
Als Alternative zu einem Leinendeck wird auch
gern eine Beschichtung mit Glas und Epoxidharz
vorgenommen, was von Puristen als Frevel angesehen werden mag, bezüglich der Dauerhaftigkeit
und Erhöhung der Festigkeit dem Leinendeck jedoch überlegen ist.
Der Material- und Zeitaufwand für eine Epoxibeschichtung ist jedoch nicht zu unterschätzen, insbesondere die nachfolgenden Schleif- und Spachtelarbeiten sind sehr zeitraubend, will man ein befriedigendes Ergebnis erzielen.
Nicht zu vermeiden sind Abzeichnungen der Decksleisten, die irgendwann entstehen, auch wenn noch
Baykowski ist Bootsbaumeister
der Kieler Yacht Club-Werft.
so viel gespachtelt wird. Man mag selbst entscheiden, ob so ein GFK-Deckel dem Charakter seiner
Yacht entspricht.
Ist die Entscheidung aber für einen neuen Leinenbezug gefallen, geht es zunächst um die Materialbeschaffung: Es werden benötigt: Leinwandgewebe, Wachspapier und Kupfertekse. Beim Leinen
eignet sich am besten das Tuch „Cottonduck“ zehn
Unzen. Dies gibt es in Breiten bis zu 3,15 Meter,
was meist die Mittelnaht spart. Wachspapier gibt
es im Papierwarenhandel und Kupfertekse unter
anderem bei Toplicht.
Ist ein Kajütdach zu bespannen, ist es sinnvoll, die
Randleisten, Laufleisten für das Schiebeluk, Skylights, Handläufe u.s.w. zu entfernen. Dann wird
das Wachspapier ausgelegt und fixiert und mit der
Bespannung kann begonnen werden. Statt Wachspapier ist beim Bau alter Yachten häufig das Deckleinen auch mit Bleiweiß oder alter, dicker Farbe
als zusätzlicher Verklebung aufgespannt worden.
Ein Vorteil ist bei dieser Methode eigentlich nicht erkennbar, außer dass es zu einem schmierigen Desaster bei der Bespannung ausarten kann, und
dass sich die Decksleisten wie bei der Epoxidbeschichtung mit der Zeit abzeichnen.
Für die Bespannung selbst braucht es schon ein
paar Hände, allein ist es nicht zu bewerkstelligen.
Das Leinen wird über vier Ecken über dem Kajütdach ausgespannt (man kann es auch über eine
Leiste der Breite nach wickeln und vorachterlich
ausspannen, so spart man zwei Personen) und an
der Mitschiffslinie schon mal mit den Teksen angeheftet. Man kann auch Tacker verwenden, sollte
aber Klammern aus rostfreiem Stahl nehmen. Anschließend wird über die Breite gleichmäßig gezogen und außen mit Teksen dicht an dicht genagelt.
Danach werden die Ausschnitte für die Luken eingeschnitten, um die Kanten gezogen und ebenfalls
vernagelt. Als Hebelwerkzeug fertigt man sich ein
Holz mit feinen Nägeln ohne Kopf (einer Bürste mit
Handgriff ähnlich), das von unten in das überschüssige Leinen „gespießt“ wird und mit Hebelkraft gespannt werden kann.
Das Leinen muss nicht übermäßig stark gezogen
werden, wichtig ist, dass keine Falten verbleiben
und eine Spannung im Leinen erzielt wird. Nach
vollständiger Vernagelung und dem Abschneiden
aller Überstände kann die Leinwand gestrichen
werden. Hier eignet sich als Voranstrich ein PUProdukt sowie Grundierung. Der Endanstrich sollte
mit einem elastischen Schlusslack erfolgen. Spachtelarbeiten sind nicht nötig. Nach Aushärten der
Lackbeschichtung zeichnet sich die Struktur der
Leinwand ab, die dem Deck den klassischen Charakter verleiht. Klassiker!
Der Artikel erschien in Zusammenarbeit mit dem
Freundeskreis Klassischer Yachten (FKY) in „Pflege &
Instandsetzung klassischer Yachten“
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