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Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses Marzahn-Hellersdorf:
Bezirksetat reicht bloß für viereinhalb Einrichtungen von freien Trägern
Einen Vorgeschmack auf die künftige “Spargesellschaft” und die zusammenbrechende soziale Infrastruktur
gab die Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses am 29. Januar. Schwerpunkt der Tagesordnung war die
bezirkliche Weiterfinanzierung von maximal fünf Jugendprojekten freier Träger im Rahmen des neu
auszuarbeitenden Haushaltkonsolidierungskonzepts. Indessen gehen etwa 50 andere Projekte mit der
weiterhin verhängten Finanzsperre Sarrazins systematisch zugrunde, können die meisten der über 20
kommunalen Jugendeinrichtungen aus Finanzgründen nicht mehr bewirtschaftet werden.
Unter der Last des extrem verkürzten Finanzierungsrahmens im Haushaltsjahr 2003 sind fachliche
Standards im Jugendbereich oder Förderungen nach Priorität gar nicht mehr zu gewährleisten. Nach Abzug
aller bezirklichen Aufwendungen für kozufinanzierende Projekte aus dem entsperrten SenatsSonderprogramm “Jugend” (13 Projekte und zwei Schulsozialstationen) bleibt vorerst nach den
Vorstellungen des Finanzstadtrats und Bezirksbürgermeisters noch ein (umstrittener) Jahresetat von
301.245 Euro.
Obwohl der Verteilungsspielraum gegen Null geht, folgte der Jugendhilfeausschuss schließlich dem
Vorschlag seiner Arbeitsgruppe von Jugendamtsmitarbeitern, Abgeordneten und Bürgerdeputierten. Mit der
Beschlußempfehlung an die BVV sicherte er wenigstens die stadtteilübergreifenden Projekte: Mobile
Suchtberatung von BOA e.V., Familientreff von JAO e.V und die Straffälligenhilfe von pad e.V. Darüber
hinaus reicht das Geld nur noch zur Deckung der größten Defizite in den Stadtteilen Marzahn-Nord und
Marzahn-Biesdorf: den Jugendklub “Die Wurzel” des Verbands für sozialkulturelle Arbeit (reduzierte
Förderung bei 66.000 Euro Zufinanzierung aus dem AGAG-Programm gegen Rechts der Bundesregierung)
sowie das Jugend- und Familiecafé an der Wuhle in der Einrichtung des FIPP e.V. Garzauer Straße 31.
Der Senat bleibt auch nach der teilweisen Aufhebung der gesperrten Bezirkskonten im Bereich des
Sonderprogramms bei seiner harten Jahres-Zumessung von 2,3 Millionen Euro für die Arbeit der freien
Trägern in den Bereichen Jugend, Sport, Gesundheit, Soziales, Gleichstellung und Migranten. Im neu
vorzulegenden Haushaltskonsdolidierungskonzept des Bezirkes stehen ihnen Millionen Euro weniger zur
Verfügung als 2002. Obsolet ist der fachlich ermittelte Mindestbedarf für den Bereich Jugend in Höhe von
10,5 Millionen Euro, aufgestellt im Vorjahr in Form von Stadtteilbudgetierungsbudgets mit ProjektZurückstutzungen. Damit kann das Jugendamt seine gesetzlich zugewiesene “Wächterrolle” für das Wohl
der nachfolgenden Generation nicht mehr erfüllen. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz verpflichtet auf die
gesellschaftliche Querschnittsaufgabe, um "positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre
Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen” (§ 1).
Nicht zuletzt aus diesem Grund warfen Mitglieder des Jugendhilfeausschusses erneut die Frage nach intern
veränderten Umschichtungen der zugemessenen Mittel für die Finanzierung der sozialen Infrastruktur auf.
Für einen Ausgleich aus dem (variablen) A-Teil des bezirklichen Haushalts gibt es keinerlei Spielraum: Dort
mußten bereits die Mittel für Straßenunterhaltung, für Grünflächenbewirtschaftung und für die Einhaltung von
Hygienemaßnahmen in Kitas, für Rattenbekämpfung und die Beseitigung von Tierkadavern auf Null gesetzt
werden.
Nach dem Auslaufen des Berliner Sonderprogramms “Jugend” zum Jahresende ist für über 90 000 Kinder
und Jugendliche nicht klar, ob dann diesseits und jenseits der Wuhle auch jene 15 durch den Senat mit
finanzierten Projekte sterben müssen. Bleiben vielleicht ab 2004 noch ein paar kommunale und lediglich
viereinhalb Jugendeinrichtungen von freien Trägern übrig? Mit der Untersetzung eines finanziell
zugewiesenen “Erste-Hilfe”-Programms gibt sich der Jugendhilfeausschuss jedenfalls nicht zufrieden.
Seinem Mandat gemäß behält er die Diskussion um notwendige stadtteilorientierte Einrichtungen und um
eine weiterführende Prioritätenliste auf der Tagesordnung. Außerdem geht es um ein sinnvolles Konzept für
kostengünstigere Jugendhilfestrukturen mit jeweils paritätischem Trägeranteil. Da in Marzahn-Hellersdorf
Defizite höchstens verringert, doch nicht gänzlich abgebaut werden können, bleibt die Frage, ob das
leckgeschlagene Schiff 2004 die Reparaturwerft erreicht.
Hilmar Franz