Wertstromanalyse - i-tec consulting GmbH

Fitnesskur für die Produktion
Kosten senken mit Wertstromdesign
Prof. Dr. Jörg Niemann
Die Wertstrommethode ist ein modernes Instrument zur Optimierung der Materialflüsse in
der Produktion. Der Beitrag zeigt anhand eines Projektes, welche Potentiale schon mit
wenigen Maßnahmen erreicht werden können.
Der Wettbewerb fordert heute anpassungsfähige und marktorientierte
Fabrikstrukturen. In der Materialwirtschaft sind dazu sinkende Bestände sowie
kürzere Durchlaufzeiten in der Produktion erforderlich, um Kapazitätsspitzen
flexibel abfangen zu können. Das in den Materialbeständen gebundene Kapital,
stellt zudem eine nicht zu unterschätzende Finanzbelastung dar. Was liegt da
näher, als diesen Beständen „Beine zu machen“ und in der Produktion einen
kontinuierlichen Fluss zu erzeugen, mit dem neben einer Kostensenkung auch die
Lieferfähigkeit des Unternehmens gesteigert werden kann.
Toyota als Vorbild
Das Produktionssystem von Toyota basiert auf der Maxime, jegliche Verschwendung im
Unternehmen zu eliminieren. Dabei stellt die Überproduktion, die sich in Form von Beständen
zeigt, neben verschiedenen anderen Arten der Verschwendung einem bedeutenden
Kostentreiber dar.
Bisher galt, dass Produktionsläufe immer so lang wie möglich sein müssen, um Rüstzeit zu
sparen. Doch lange Produktionsläufe erfordern große Lose, und besetzen die Maschinen, so
dass andere Kundenbedarfe erst später erfüllt werden können. Dies führt zu erheblichen
Wartezeiten vor den Arbeitsschritten für die Lose und zu enormen Beständen. Heute jedoch
ist eine Flexibilität in der Produktion erforderlich, die nur mit kleinsten Losgrößen (Stichwort
„Losgröße 1“) erreicht werden kann. Für die Auftragsabwicklung haben sich daher
materialarme Kanbansysteme etabliert, wobei nur noch die kritischen Prozessstufen durch
Zwischenlager voneinander entkoppelt werden. Auf diese Weise entstehen selbstgesteuerte
Regelkreise, die einen gleichmäßigen Materialfluss nach dem Pull-Prinzip durch die
Produktion erzeugen.
Best Practise: Wertstromdesign in der Produktion eines Serienfertigers
Mit der Problematik hoher Bestände und den daraus folgenden Ineffizienzen in der
Auftragsabwicklung sah sich auch ein mittelständischer Serienfertiger im Bereich Automotive
konfrontiert. Daher wurde die Methode des Wertstromdesigns im Rahmen eines Projektes
eingesetzt, um einen gleichmäßigen Materialfluss innerhalb der Produktion zu erzeugen.
Gegenstand der Wertstromanalyse waren dabei alle Ressourcen, die zur Fertigung eines
Produktes erforderlich sind. Dazu wurden neben den technischen Anlagen und Prozessen
insbesondere auch die Materialflüsse und die erforderlichen Informationsströme auf
Ineffizienzen untersucht.
Schritt 1: Ist –Aufnahme
Da die Wertstromanalyse für die gesamte Produktion recht aufwendig ist, wurde als
Pilotprojekt zur Evaluation der Projektpotentiale zunächst die Materialflussoptimierung für ein
Kernprodukt als Referenzteil ausgewählt. Dazu wurden die Wertströme dieses Teils
aufgenommen und skizziert.
Im Ergebnis zeigte sich, dass die Teile zwischen den Prozessschritten ausschließlich gepusht
werden, da der Materialfluss durch die Planung bestimmt wird. Dadurch sind die Puffer vor
den einzelnen Maschinen enorm und übersteigen bei weitem die erforderlichen
Tagesbedarfe.
Die Erhebung der Ist-Durchlaufzeit und der tatsächlich wertschöpfenden Zeitanteile
beschreibt gleichsam die Qualität des Wertstromes. Die Visualisierung dieser Zeitanteile
zeigte dabei erste Einsparpotentiale auf.
Ein weiteres Augenmerk lag auf der Betrachtung der Informationsströme. Die Analyse
förderte dabei ineffiziente Kommunikationsstrukturen zutage, die sich in überlappenden
Kompetenzen und übersteuerten Abstimmprozessen niederschlagen.
Es zeigte sich aber auch, dass umfangreiche Anstrengungen erforderlich sind, um die
traditionellen Denkstrukturen unter den Mitarbeitern aufzubrechen und eine aktive
Unterstützung des Wandels zu erreichen.
Schritt 2: Reorganisation der Produktion
Aus den identifizierten Schwachstellen wurde dann das Soll-Konzept abgeleitet. Dabei wurde
versucht, die Komplexität in der gesamten Auftragsabwicklung zu reduzieren. Dazu wurden
Prozesse zusammengefasst, unorganisierte Puffer in mengenbegrenzende FIFO-Bahnen
umgewandelt und Prozesse durch Supermärkte entkoppelt.
Der Informationsfluss wird nunmehr ausnahmslos über Kanban durch die Maschinenbediener
gesteuert. Dazu wurden zwei Kanbankreise eingeführt, die durch einen Supermarkt hinter
dem unsicheren 3. Prozessschritt voneinander entkoppelt werden.
Der Kundenauftrag wird in der Montage eingesteuert, es wird somit auftragsspezifisch
montiert. Die Teile für die Montage können aus wahlfrei dem Supermarkt entnommen
werden, der wiederum zeitlich entkoppelt aus den vorgelagerten Prozessen befüllt wird.
Das bedeutet zugleich, dass Logistiker und Meister ihre Verantwortlichkeiten in der
Maschinenbelegungsplanung und Fertigungsplanung abgeben, da das System nunmehr
selbststeuernd ist. Durch die Integration der Lieferanten in die Kanbansystematik konnten
zudem die Bestände im Zentrallager am Standort enorm reduziert und wesentlich besser
kontrolliert werden.
Schritt 3: Potentiale messen – Ergebnisse absichern
Das Wertstromdesign zur hat gezeigt, dass durch den Aufbau von Pull-Systemen und des
gesteigerten Mitarbeiterverständnisses für die Prozessabläufe enorme Bestandssenkungen
und Durchlaufzeitverkürzungen erreichbar sind.
 Im Ergebnis der praktischen Umsetzung konnte durch die Reorganisation der
Produktion eine Durchlaufzeitreduzierung von über 70% erreicht werden.
 Durch die optimierten Bestell- und Auslieferprozesse können Sonderfahrten entfallen.
(~minus 92%)
 Durch die Reduktion der Rüstdauer verringern sich auch bei häufigerem Rüsten noch
die Rüstkosten gegenüber dem ursprünglichen Zustand. (minus 34%)
 Durch die bessere Auslastung der Kapazitäten und durch die gesteigerte Termintreue
konnten Überstunden weitgehend auf ein Minimum reduziert werden. (minus 84%)
 Durch die Einführung eines Lieferantenkanbans könnten zudem noch große
Kostenpotentiale bei den Bestell-, Dispositions- und die Materialbezugskosten
realisiert werden. (~5-15%)
Weiterhin zeigten sich die „weichen“ Benefits in der:
 Vereinfachte Produktionsplanung durch die konsequente Umstellung auf ein PullSystem
 Integration des Mitarbeiterpotentials: Die Mitarbeiter helfen Prozesse zu optimieren
und identifizieren sich mehr mit ihren Aufgaben.
 Mitarbeitermotivation: Die Mitarbeiter werden durch die Einbindung motiviert,
dadurch senken sich die Krankheitstage pro Mitarbeiter und die Fluktuation nimmt ab.
 Höhere Kundenzufriedenheit durch gestiegene Liefertreue und Lieferqualität
Hintergrund Wertstrommethode
Die Wertstrommethode fokussiert auf die Erfassung und ganzheitlicher Prozessketten. Dabei
kommt der Visualisierung der Materialflüsse eine besondere Bedeutung zu. Dazu werden die
Material- und Informationsflüsse erfasst und mit Bleistift und Papier „von Rampe zu Rame“
handschriftlich dokumentiert.
Über eine standardisierte Symbolik wird so der Ist-Zustand im Unternehmen erfasst und
visualisiert.
In einem weiteren Schritt werden dazu entsprechende Lager bzw. Zwischenlagerbestände,
sowie Personal und Bearbeitungszeiten an den Stationen erfasst.
Über einen methodischen Ansatz wird dann ein Konzept zur Reorganisation der Prozesse
entworfen, das sich an Pull-Prinzipien gemäß dem Ansatz des Lean Management orientiert.
Die
Potenziale
und
ggf.
erforderlichen
Investitionen
werden
über
eine
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung verifiziert, bevor dann die operative Umsetzung in den
Bereichen erfolgt.
Unternehmen
Zitat Prof. Niemann: Das Wertstromdesign der Produktion zeigt sofort,
wo die längsten Hebel für Prozessoptimierungen liegen"