Bericht über das Pilotprojekt Mittelstufe plus mit Veränderung der

Bericht über das Pilotprojekt Mittelstufe plus mit
Veränderung der gymnasialen Struktur der letzten Jahre
Um die Einführung des Pilotprojektes Mittelstufe plus verstehen zu können muss kurz die
Entwicklung beschrieben werden.
Neuer Lehrplan für das neunjährige Gymnasium (G9-neu) 2003
Der Freistaat Bayern hatte im Rahmen eines langfristigen Erneuerungszyklus der Lehrpläne
einen neuen Lehrplan für das Gymnasium in einem neunjährigen Ausbildungsgang festgesetzt. Dieser wurde im Schuljahr 2003/04 beginnend für die Jahrgangsstufe 5 eingeführt.
Parallel dazu wurde auch die Stundentafel des neunjährigen Gymnasiums (geringfügig)
angepasst.
Dem Grunde nach war dieser Lehrplan und die daraus folgenden Änderungen der Stundentafel („G9-neu“) bereits vor der Einführung des Konnexitätsprinzips (s.u.) verabschiedet und
wäre im Folgenden die Basis für die Berechnung von eventuellen Mehrbelastungen der
Kommunen gewesen.
Einführung des achtjährigen Gymnasiums (G8)
Im Verlauf des Schuljahres 2003/04 wurde dann auf eine achtjährige Ausbildungsform
gewechselt und die Lehrpläne und Schulbücher sukzessive angepasst. Die Veränderung zu
einem G8 wurde auch von den meisten (West-)Bundesländern in etwa diesem Zeitraum
vorgenommen. Es ergaben sich mit der Einführung der sog. Intensivierung erhebliche Veränderungen in der bayerischen Stundentafel und es musste die bisher über die neunjährige
Schulzeit zu erbringende Anzahl von 265 Wochenstunden bis zum Abitur nun auf acht Jahre
verteilt werden. Dies hatte zur Konsequenz, dass die Unterrichtszeit auch deutlich auf den
Nachmittag ausgedehnt wurde.
Beispielsweise werden in der Jahrgangsstufe 8 im G9 30 Unterrichtsstunden (z.B. fünf volle
Vormittage je sechs Stunden) und im G8 dann 32 + 2 Intensivierung (also mindestens ein, oft
zwei belegte Nachmittage) erteilt.
Volksbegehren G9 (2005 und 2014)
Zur Wiedereinführung des G9 wurde zweimal versucht im Rahmen eines Volksentscheides
eine entsprechende Gesetzesgebung zu initiieren. In beiden Fällen wurde die in der zweiten
Stufe erforderliche Anzahl von Unterschriften nicht erreicht. Notwendig ist eine Beteiligung von
10% der Wählerschaft. Im Jahr 2005 trugen sich 2,4% und 2014 dann 2,9% der Wähler in
Listen bei den Gemeinden ein.
Individuelle Lernzeit
Zur Individualisierung der Belastung der Schülerinnen und Schüler hat das Kultusministerium
zum Schuljahr 2013/14 die sog. „individuelle Lernzeit“ ermöglicht. Hier wird innerhalb einer
Klasse einzelnen Schülerinnen und Schülern ermöglicht Teile ihrer Unterrichtsverpflichtung
von zwei auf drei Jahre zu strecken. Die individuelle Lernzeit ist an den Gymnasien in
Nürnberg mangels Nachfrage praktisch nicht umgesetzt worden.
Mittelstufe plus
Im Februar 2015 veröffentlichte das Kultusministerium dann Informationen zu einem Pilotversuch „Mittelstufe plus“.
http://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/3230/mittelstufe-plus-bietet-deutliche-entlastungund-zusaetzliche-foerderung.html
Dabei war ausdrücklich festgelegt, dass nur staatliche Gymnasien am Schulversuch teilnehmen dürften.
Von den ca. 317 staatlichen Gymnasien nehmen 47 am Modell teil. Die Presseerklärung des
Kultusministeriums vom 11.09.2015 beschreibt die bayernweite Konstellation:
„… 47 Gymnasien können ab dem Schuljahr 2015/2016 in einem zweijährigen Pilotversuch die Mittelstufe Plus
erproben. Sie bietet den Schülerinnen und Schülern mit pädagogischem Bedarf ein Jahr mehr Lernzeit. …
Die Pilotschulen haben im Frühjahr ihre schulspezifischen Stundentafeln erstellt und dabei pädagogisch und
profilorientiert Schwerpunkte gesetzt. …
Grundlagenfächer, z. B. Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen, werden in der Mittelstufe Plus durchgehend
vier Jahre unterrichtet. Der Stoff wird, wo immer möglich, von drei Jahren auf vier Jahre gedehnt. Einzelne Fächer
werden aus den Jahrgangsstufen 8, 9 und 10 in der Regel in die Jahrgangsstufe 9+ verlegt. Es kommt zu einer
Reduzierung der Fächer pro Jahr. In den ersten drei Schuljahren sind je 30 Wochenstunden vorgesehen, im 10.
Schuljahr 32 Wochenstunden. Nur in der Jahrgangsstufe 10 findet verpflichtend Nachmittagsunterricht statt.
… Im Durchschnitt besuchen etwa 60 Prozent der Achtklässler eine „Plusklasse“. Die Nachfrage differiert
erheblich – zwischen gut einem Viertel und rund 90 Prozent. An einem Gymnasium wurde aufgrund geringer
Nachfrage keine Plusklasse eingerichtet. …“
Mittelstufe plus in Nürnberg
Von den acht antragsberechtigten, staatlichen Gymnasien in Nürnberg hatten fünf Interesse
signalisiert, am Schulversuch teilzunehmen. Im Blick auf unterschiedliche Ausbildungsrichtungen, Stadt-Land, … wurde von der staatlichen Schulverwaltung in Nürnberg dann das
Pirckheimer-Gymnasium und das Neue-Gymnasium ausgewählt.
Die angemeldeten Schülerinnen und Schüler konnten in den Modellversuch aufgenommen
werden. Das Neue-Gymnasium bildet eine Klasse, das Pirckheimer-Gymnasium zwei Klassen
Mittelstufe plus. Die Schülerschaft ist in den Mittelstufe plus – Klassen genauso heterogen wie
in den Regelklassen (gute/ schwache Schülerinnen oder Schüler, Migration/ Nichtmigration).
Bis auf kleinste Randbereiche (Griechisch eine Schülerin und ein Schüler, Französisch drei
Schülerinnen) kann der Unterricht der Mittelstufe plus aktuell in eigenen Lerngruppen
organisiert werden. Allerdings machen die Schülerzahlen im Regelzug bzw. in Mittelstufe plus
(am PGN) mehr/ andere/ kompliziertere Kopplungen in den Regelklassen der 8.
Jahrgangsstufe nötig als bisher, da keine reinen NTG- bzw. SG-Klassen mehr gebildet werden
konnten. Dies ist stundenplantechnisch aufgrund der begrenzten Anzahl an Fachräumen
schwieriger umzusetzen. Solche Konstellationen werden wahrscheinlich zunehmen, sind aber
durchaus nichts Ungewöhnliches.
In der Planungsgruppe (am PGN) wurden von den Fachlehrern die Vorschläge des ISB für die
Verteilung des Lehrplans für die von der Schule erarbeitete Stundentafel entsprechend
angepasst.
Absehbar ist heute, dass der reguläre Jahrgang 8 des Schuljahres 2015/16 im Schuljahr
2019/20 die Abiturprüfung ablegen wird. Auf Grund der dann wohl sehr kleinen Anzahl von
Schülerinnen und Schülern wird das Unterrichtsangebot der Oberstufe wohl nur
eingeschränkte Wahlmöglichkeiten bieten können.
Konnexitätsprinzip (Lehrpersonal städt. Schulen)
Die Stadt ist aktuell nicht betroffen, da die städtischen Schulen nicht am Pilotversuch teilnehmen. Grundsätzlich ist aber anzumerken:
Durch Änderung der Bayerischen Verfassung wurde zum 01.01.2004 in Art. 83. Abs. 3 das
Konnexitätsprinzip in der folgenden Formulierung eingefügt: „ … stellt … [der Staat den
Gemeinden] besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender … Aufgaben, hat er
gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. 2 Führt die Wahrnehmung
dieser Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden, ist ein entsprechender finanzieller
Ausgleich zu schaffen.“
Dem Grunde nach wäre also erst einmal ein Vergleich der Kosten G9-neu (s.o.) und dem G8
erforderlich. Da G9-neu aber de facto nicht umgesetzt worden war, kam man damals überein
den Vergleich zwischen den alten Stundentafeln des G9 (Stand 2002) und dem G8 zu ziehen.
Aus Sicht der Verwaltung ist:
a) bei der Einführung des G8 durch den Parallelbetrieb G9/G8 ein erheblicher Mehrbedarf entstanden, der vom Freistaat im vollen Umfang auszugleichen wäre. Zwar wird vom Freistaat
hier der Konnexitätsanspruch dem Grunde nach anerkannt, aber hinsichtlich des von den
Kommunen geforderten Umfangs bestritten.
b) auch nach dem Auslaufen des G9 für das G8 ein höherer Aufwand vorhanden, der bisher
vom Staat noch nicht einmal dem Grunde nach anerkannt ist und deshalb auch nicht
ausgeglichen wird.
Die Förderbescheide zu den Lehrpersonalkosten sind seit 2004 also seit über 10 Jahren
vorläufig! Dies hat zur Folge, dass sie verwaltungsgerichtlich nicht angegriffen werden können.
Die kommunale Argumentation eines höheren Personalaufwands für G8 als für G9 bedeutet
im Umkehrschluss: Bei der Rückkehr von einem G8 zu einem verkappten G9 in der
Namensgebung „G8 mit Mittelstufe plus“ müssten die Lehrerbedarfe je Schüler und Schuljahr
wieder sinken. Dies würde aber nur dann gelten, wenn nicht zwei Systeme (G8 und G8 mit
Mittelstufe +) in einem Schulhaus bei der Bildung der Unterrichtsgruppen Sport, Religion,
Kunst/Musik, … und unterschiedlichen Ausbildungsrichtungen zu ungünstigen Konstellationen
führen. Auch die veränderten Klassengrößen werden in die Berechnung mit einfließen Kurz:
Eine Abschätzung ist aktuell nicht möglich. Verlässliche Aussagen wird man wohl frühestens
in etwa vier Jahren erwarten können.
Die gesamte Fragestellung kommunale Lehrpersonalkosten im G8 mit Mittelstufe plus ist
aktuell nicht einschlägig, weil die kommunalen Schulen am Pilotprojekt nicht teilnehmen
durften.
Konnexitätsprinzip (Raumversorgung)
Gem. Pressemitteilung des Kultusministeriums wählten im ersten Jahr des Pilotversuches ca.
60% der betroffenen Schülerinnen und Schüler an den 47 Pilotschulen die Mittelstufe plus. Bei
etwa 50 bis 60 Parallelklassen an Nürnberger Gymnasien würde eine solche Umsetzung des
Pilotversuches also schätzungsweise 30 bis 35 zusätzliche Klassen bedeuten. Selbst wenn
man wegen der besseren Schülerbeförderung in der Großstadt niedrigere Raten unterstellt
(z.B. 40%) ergäben sich ca. 20 bis 25 zusätzliche Klassen. Die Raumbedarfe würden relevant,
wenn die Schülerinnen und Schüler in ihr letztes, dreizehntes Ausbildungsjahr eintreten. Die
bestehenden Raumprobleme wurden in der Schulraumentwicklungsplanung thematisiert. Eine
solche Klassenzahlsteigerung kann im vorhandenen Raumbestand nicht untergebracht
werden. Dem Grunde nach ist auch hier das Konnexitätsprinzip einschlägig.
Für die beiden Pilotschulen hat die städtische Schulverwaltung ihre Zustimmung zum Versuch
gegenüber dem Freistaat mit der Formulierung verknüpft:
„Das Amt für Allgemeinbildende Schulen der Stadt Nürnberg will sich dem Schulversuch nicht
verschließen und ist deshalb bereit im Rahmen der vorhandenen Mittel an einem, vielleicht auch zwei
Gymnasien den Versuch jetzt, … befristet mitzutragen. Die in Nürnberg bestehenden Raumprobleme
sind aber allen bekannt und wir erwarten, dass die auszuwählende Schule im Rahmen ihrer
vorhandenen Räume mit dem Schulversuch umgeht. Geringe Mittel für zusätzliche Anschaffungen (z.B.
zusätzlicher Schulbüchersatz) sollten wir zur Verfügung stellen können. Die Bereitschaft den
Schulversuch befristet mitzutragen, bedeutet aber insbesondere keine Festlegung auf eine Ausweitung
an alle Gymnasien.“