Sturmsche Ketten

Sturmsche Ketten
Johannes Haas
23. Juni 2015
1
Einleitung
Die Sturmsche Kette wurde nach dem am 29. Februar 1803 in Genf geborenen und am 18. Dezember 1855 in Paris verstorbenen Mathematiker Jacques
Charles Francois Sturm benannt. Dieses Theorem (Sturmschen Kette) entwickelte er 1829 und dient seither als mathematisches Hilfsmittel, um die
Anzahl der Nullstellen eines reellen Polynoms in einem gegebenen Intervall
zu berechnen.
Der Nutzen der Sturmschen Kette findet sich in den Fragen: Wie viele
reelle Nullstellen besitzt dieses Polynom in den jeweils untersuchten Intervallen?
2
Was ist eine Sturmsche Kette?
Sei für folgende Ausarbeitung f ein reelles Polynom.
Definition 2.1. Eine endliche Folge p0 , p1 , ..., pn reeller Polynome heisst
Sturmsche Kette von f , wenn folgendes gilt:
(1) p0 = f , p1 = f 0 .
(2) Für jedes x ∈ R, für das pk (x) = 0, k = 1, ..., n − 1, sind pk−1 (x) 6= 0,
pk+1 (x) 6= 0 und pk−1 (x) = −pk+1 (x).
(3) Ausserdem hat pn keine reelle Nullstelle.
1
3
Hauptresultat
Satz 3.1. Jedes Polynom p, das mit seiner Ableitung p0 keine gemeinsame
reelle Nullstelle besitzt, besitzt eine Sturmsche Kette, die mit dem Algorithmus pk−1 (x) = qk (x)pk (x) − pk+1 (x) für k = 1, ..., n − 1 bestimmt wird.
Beweis: Zu Zeigen: Polynome p0 , p1 , ..., pn , n ≥ 2 bilden eine Sturmsche
Kette:
Eigenschaft (2.1.1) geht trivialerweise aus der Definition der Sturmschen Kette hervor, somit bleiben (2.1.2) und (2.1.3) zu zeigen.
Zeige:
Ausserdem hat pn keine reelle Nullstelle:
Da wir den Algorithmus pk−1 (x) = qk (x)pk (x) − pk+1 (x) für k = 1, ..., n − 1
so oft wiederholt anwenden, bis wir auf ein pn kommen, das keine reelle Nullstelle mehr besitzt, ergibt sich die Eigenschaft (2.1.3) automatisch aus dem
Algorithmus, mit dem wir die Sturmsche Kette berechnen. Haben wir dieses pn berechnet, brechen wir den Algortihmus ab und haben die Sturmsche
Kette vollständig berechnet.
Es bleibt (2.1.2) zu zeigen (Beweis mittels Induktion):
Induktionsanfang:
p0 , p1 , p2 erfüllen (2), dies gilt, weil:
p0 und p1 keine gemeinsame Nullstelle besitzen und daraus folgt, dass p2 (x) 6=
0 und falls p1 (x) = 0 dann muss p0 (x) = −p2 (x)
Induktionsvoraussetzung: Polynome p0 , p1 , ...., pk (m ≥ 3) bilden eine Sturmschen Kette.
Induktionsschritt:
p0 , p1 , ...., pk , pk+1 mit pk−1 (x) = qk (x)pk (x) − pk+1 (x) bilden eine Sturmsche
Kette:
Sei pk (x) = 0, dann gilt pk−1 (x) = −pk+1 (x) und pk−1 (x) 6= 0, −pk+1 (x) 6= 0.
Man kann hier annehmen, dass es solch ein x ∈ R mit pk (x) = 0 gibt. Andernfalls würde dies bedeuten, dass wir den Algorithmus bei pk (x) abbrechen
können, und die Sturmsche Kette bereits erhalten haben.
Damit ist nun auch des letzte Charakteristika (2.1.2) der Sturmschen Kette
gezeigt.
2
Definition 3.2. Sei f ein reelles Polynom mit einfachen Nullstellen. Für
jedes x ∈ R bezeichne S(x) die Anzahl der Vorzeichenwechsel in der Folge
(p0 (x), p1 (x), ...., pn (x)).
Beispiel 3.3. Die Null besitzt kein Vorzeichen. Deshalb hat die Folge (3,0,-3)
beispielsweise nur einen Vorzeichenwechsel.
Satz 3.4. Sei f ein reelles Polynom mit einfachen Nullstellen. Die Anzahl
der Nullstellen von f im Intervall [a, b] ist gleich S(a) − S(b).
Anmerkung: Bei reellen Polynomen kann mittels der Sturmschen Kette die
Anzahl der Nullstellen in einem gegebenen Intervall bestimmt werden. Dabei
können die Nullstellen durch Veränderung der Intervallgrenzen näherungsweise eingegrenzt werden.
Beispiel 3.5. Wie viele Nullstellen hat die Funktion f (x) = x3 − 3x + 1 im
Intervall [−3, 0] bzw. [0, 3]?
1. Bestimmung der Sturmschen Kette von f (x) (siehe Skizze):
p0 (x) = f (x) = x3 − 3x + 1,
3
p1 (x) = f 0 (x) = 3x2 − 3.
Um mit der Rekursionsvorschrift pk−1 (x) = q(x)pk (x) − pk+1 (x) zu arbeiten
müssen wir zuerst die Polynome p0 und p1 dividieren. Dadurch erhalten wir
p2 (x) = 2x − 1, da zusätzlich aufgrund der Algorithmusvorschrift die Vorzeichen geändert wurden. Da p2 immer noch reelle Nullstellen besitzt, setzen wir
den Algorithmus fort und dividieren p1 durch p2 . Somit erhalten wir p3 = 9/4
(beachte den Vorzeichenwechsel).
2. Nun können wir die Sturmsche Kette
p0 = x3 − 3x + 1, p1 = 3x2 − 3, p2 = 2x − 1, p3 = 9/4
ablesen.
3. Zunächst, bestimmen wir die Funktionswerte von pi (x) für x = −3, 0, 3 und
i = 0, 1, 2, 3. Jetz können wir die Anzahl der Vorzeichenwechsel bestimmen
und erhalten
S(−3) = 3, S(0) = 2, S(3) = 0.
Um die Anzahl der Nullstellen in den Intervallen [−3, 0] bzw. [0, 3] zu bestimmen, berechnen wir
S(−3) − S(0) = 3 − 2 = 1
und
S(0) − S(3) = 2 − 0 = 2.
Erkenntnis: Mit der Methode von Sturm kann man in einem gegebenen
Intervall die genaue Anzahl der Nullstellen eines Polynoms bestimmen. Durch
abändern der Intervallgrenzen ab Punkt 3. kann man die Nullstellen zusätzlich näherungsweise eingrenzen.
Literatur
[1] http://www.uni-graz.at/ baurk/lehre/SS2013-LAK-Seminar/V8.pdf
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Charles-Franc?oisSturm
[3] http://www.math.uni−duesseldorf.de/internet/Ana1W S1112/sturm.pdf
4