Opfer des Widerstandes in der NS-Zeit: Kufstein
Walter Caldonazzi
3.6.1916 Mals (Südtirol) - 9.1.1945 Wien (Hinrichtung)
Ing. Walter Caldonazzi gehörte seit seiner Gymnasialzeit in Kufstein der katholischen
Mittelschulverbindung Cimbria an. Während seines Studiums trat er der katholischen
Hochschulverbindung Amelungia bei. Vor 1938 war Caldonazzi Mitglied der Heimwehr. Er
engagierte sich führend am Aufbau einer Widerstandsgruppe in Wien, die das Ziel
verfolgte, Mitglieder aus allen politischen Lagern zu sammeln und einen selbstständigen,
monarchistisch regierten Staat Österreich unter Einschluss von Bayern und Südtirol zu
bilden. Caldonazzi initiierte eine Zelle dieser Widerstandsgruppe in Kramsach, die sich
aus Arbeitern und Angestellten des Messingwerkes Achenrain (spätere Raspe-Werke)
zusammensetzte. Auch sein Vater Rudolf betätigte sich aktiv. Caldonazzi beschmierte das
Haus eines Deutschen in Wien mit der Parole: «Österreich den Österreichern! Piefke
hinaus! Nazibonze!» Er besorgte Wehrmachtsangehörigen ein fiebertreibendes Mittel, um
so ihre Rückkehr an die Front zu verhindern. Darüber hinaus verfertigte Caldonazzi Pläne
von Rüstungsbetrieben, um den Alliierten lohnende Ziele für Bombardierungen zu
verraten. Er wurde am 25. Februar 1944 festgenommen. Der Volksgerichtshof verurteilte
Caldonazzi nach den Hauptverhandlungen am 27. und 28. Oktober 1944 wegen der
Vorbereitung zum Hochverrat, der Feindbegünstigung, der Spionage und der
Wehrkraftzersetzung zum Tode. Walter Caldonazzi wurde am 9. Jänner 1945 in Wien mit
dem Fallbeil hingerichtet.
Georg Gruber
16.1.1915 Kufstein – 30.6.1944 München-Stadelheim (Hinrichtung)
Georg Gruber trat schon als 14-Jähriger der Sozialdemokratischen Arbeiterjugend bei,
deren Kassier er war. Mitte Juni 1941 trat Anton Rausch, mit dem er schon seit 1935
bekannt war, an ihn heran, um ihn für die Gruppe ‹Roby› anzuwerben. Gruber beteiligte
sich an der Organisierung eines Treffens in Kufstein und warb selber weitere Mitglieder
an. Er nahm an mehreren Treffen teil, hob ab Anfang 1942 auch Beiträge ein. Obwohl die
Gestapo bereits im Februar 1942 mehrere Brixentaler Mitglieder der Gruppe ‹Roby›
verhaftet hatte, blieben die Kufsteiner Mitglieder offenbar noch einige Zeit unentdeckt.
Gruber und Adi Horejs, die organisatorisch die Kufsteiner Gruppe führten, stellten im
April ihre illegale Tätigkeit ein. Am 25. Juni 1942 wurden schließlich fünf Mitglieder aus
Kufstein verhaftet, darunter auch Gruber. Vom 8. Jänner bis 23. September 1943 war
Gruber im Konzentrationslager Dachau, anschließend in München-Stadelheim inhaftiert.
Der Prozess vor dem Volksgerichtshof fand am 13. und 14. April 1944 in München statt.
Der 28-jährige Kufsteiner wurde dabei zum Tod verurteilt. In einem Abschiedsbrief
schrieb er: «Mein Freund Hans Vogl und ich verbringen gemeinsam unsere letzten
Stunden. Ihr könnt mir glauben, der Tod schreckt uns nicht, ich sterbe nicht schwer.
Tausende sterben heute, die nicht wissen, warum – wir sterben wenigstens für unsere
Überzeugung.»
Ernst Ortner
1.9.1914 Innsbruck - 22.3.1945 Wien (Hinrichtung)
Ernst Ortner war seit seiner Gymnasialzeit in Kufstein Mitglied der katholischen
Mittelschulverbindung Cimbria. 1934 hielt er sich in Lienz auf und wurde noch im selben
Jahr Berufssoldat im Österreichischen Bundesheer. Zuvor gehörte er der Heimatwehr an.
Während der NS-Zeit diente er in der Deutschen Wehrmacht als Oberfeldwebel der
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Luftwaffe. Ab 1941 war Ortner nach seiner Bekanntschaft mit dem Unteroffizier der
Luftwaffe Eduard Pumpernig, der wie er in Klagenfurt stationiert war, Mitorganisator
einer Widerstandsgruppe. Im März 1942 kam es unter Beisein Ortners zu einer
Besprechung, bei der die Gruppe sich den Namen ‹Antifaschistische Freiheitsbewegung
Österreichs› (AFOe) gab. Dadurch sollten nicht nur monarchistische, sondern auch linke
Kreise angesprochen werden. Die Tätigkeit dieses Widerstandes erstreckte sich
besonders auf Klagenfurt und Wien, aber auch auf andere Orte in Österreich. Ortner
fungierte als Verbindungsmann zur Gruppe in Lienz. Er warb in Osttirol Mitglieder an und
reiste nach Lienz, um Flugzettel antinationalsozialistischen Inhalts zur Verbreitung zu
übergeben. Ferner besorgte Ortner ein russisches Militärgewehr mit 100 Patronen. Im
Juni/Juli 1943 wurde die Antifaschistische Freiheitsbewegung enttarnt, Ortner selbst am
20. Juli festgenommen und ins Wiener landesgerichtliche Gefängnis gebracht. Wegen
Vorbereitung zum Hochverrat im Sinne der Errichtung einer habsburgischen Monarchie,
Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung wurde er vom Volksgerichtshof aufgrund
der Hauptverhandlung vom 9. bis 11. August 1944 zum Tode verurteilt. Besonders
angeführt wurde bei ihm, dass er als Wehrmachtsangehöriger den Eid auf Hitler
«schmählich gebrochen» habe. Ernst Ortner wurde am 22. März 1945 in Wien
enthauptet.
Thomas Salvenmoser
6.2.1895 Scheffau - 15.9.1944 Innsbruck (Tod in Haft)
Thomas Salvenmoser war Eisenbahner und lebte mit seiner Familie in Kufstein. Er
gehörte zum Bekanntenkreis der Kommunistin Adele Stürzl, ohne sich selbst politisch zu
betätigen. Am 11. November 1942 wurde er vom Sondergericht Innsbruck gemeinsam
mit Stürzl und zwei weiteren Angeklagten des Vergehens der Wehrkraftzersetzung für
schuldig befunden und zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Salvenmoser hatte auf
Ersuchen Stürzls einen Brief an Adele Obermayr überbracht, in der diese um Hilfe bei der
Suche nach einer Fluchtmöglichkeit für einen Deserteur gebeten wurde. Aufgrund dieser
Verurteilung wurde er wenig später von der Deutschen Reichsbahn entlassen. Seine
Ehefrau Elisabeth Salvenmoser war im Juni 1942 im Zusammenhang mit der
Zerschlagung der Widerstandsgruppe um Anton Rausch und Adele Stürzl verhaftet und
im April 1944 zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt
worden. Im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen wurde auch gegen Thomas
Salvenmoser erneut Anklage erhoben und wegen fortgesetzten Abhörens ausländischer
Radiosender vom Oberlandesgericht Wien am 13. September 1944 eine Gesamthaftstrafe
von einem Jahr und zehn Monaten Zuchthaus verhängt. Zwei Tage später verstarb
Salvenmoser im Landesgerichtlichen Gefangenenhaus Innsbruck an einem Schlaganfall.
Adele Stürzl
23.11.1892 Wien - 30.6.1944 München-Stadelheim (Hinrichtung)
Adele Stürzl hatte eine schwere Kindheit erlebt, von der sie sich selbst schon als junges
Mädchen emanzipierte. Im Mai 1918 kam sie frisch vermählt nach Kufstein, wo ihr
revolutionärer Geist schnell zur Geltung kam, als sie eine Lohnerhöhung für die
Arbeiterinnen in der Munitionsfabrik durchsetzte. Sie engagierte sich zunächst in der
SPÖ, dann in der KPÖ. Auch nach dem Verbot der KPÖ durch die autoritäre Regierung
arbeitete Stürzl weiter und wurde erstmals im Sommer 1933 für kurze Zeit verhaftet;
1934 bereits für ein halbes Jahr und 1935 nochmals für zwei Monate. Da sie in Kufstein
als Kommunistin zu gut bekannt war, stellte sie die Parteiarbeit offenbar ein. Als Adele
Stürzl Ende Juni 1942 festgenommen wurde, wurde ihr gleich ein ganzer Strauß von
Widerstandshandlungen vorgeworfen – sie habe einen Deserteur außer Landes bringen,
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eine Hungerdemonstration am 1. Mai organisieren wollen und sei Mitglied einer
kommunistischen Widerstandsgruppe. Tatsächlich hatte Stürzl bereits vor dem Auftreten
Robert Uhrigs wieder Gelder für zurückgekehrte Spanienkämpfer gesammelt; illegale
Treffen von Kommunisten fanden in ihrem Haus statt, wurden aber von ihrem
Untermieter Georg Fae organisiert. Während Robert Uhrigs erstem Tirol-Aufenthalt wurde
eine Zusammenkunft bei Stürzl organisiert. Während sich Stürzl von organisatorischen
Aufgaben in dieser Gruppe zurückhielt, war sie aber an anderen Widerstandshandlungen
führend beteiligt: So versuchte sie noch im April 1942 einem Deserteur zur Flucht in die
Schweiz zu verhelfen, und schließlich versuchte sie für den 1. Mai 1942 eine
‹Hungerdemonstration› zu organisieren, bei der sich Hausfrauen mit leeren
Einkaufskörben am Kufsteiner Stadtplatz versammeln sollten. Am 11. November 1942
verurteilte das Sondergericht Innsbruck Adele Stürzl wegen der versuchten Fluchthilfe für
den Deserteur zu vier Jahren Zuchthaus; sie verblieb aber in der Innsbrucker Haftanstalt
bis kurz vor Beginn des Prozesses gegen die Gruppe ‹Roby›. Der Vorsitzende des 6.
Senats des Volksgerichtshofes warf ihr, so ein Augenzeuge, vor, «sie sei eine alte,
fanatische Kommunistin mit dem einzigen Bestreben, die Arbeiter aufzuhetzen und
unzufrieden zu machen. Das Motiv ihrer politischen Tätigkeit sei der Haß gegen Ordnung
und Eigentum.» Adele Stürzl verwies dagegen «auf ihre soziale Einstellung, denn ihr
ganzes Trachten ging dahin, den Armen und Ärmsten zu helfen.» Der Volksgerichtshof
verurteilte Adele Stürzl am 14. April 1944 zum Tod. Derselbe Augenzeuge berichtet
weiter: «Das große Leid hat ihren Geist während der Kerkerzeit verdunkelt – trotzdem
blieb ihr das Schafott in Stadelheim nicht erspart.» Sie wurde vermutlich am 30. Juni
1944 – andere Quellen nennen auch den 16. August 1944 – in München
hingerichtet. Eine Straße in Kufstein erinnert heute an sie.
Franz Wurzenrainer
13.11.1892 Häring - 14.6.1944 Straubing (Tod in Haft -Zuchthaus)
Franz Wurzenrainer stammte aus einfachen Verhältnissen und verdiente seinen
Lebensunterhalt nach Abschluss der Volksschule als Hilfsarbeiter. Im Ersten Weltkrieg
geriet er in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1918 fliehen konnte. Nach seiner
Rückkehr lebte er in Kufstein und trat dort zunächst der SPÖ bei. Ab 1930 war Mitglied
der KPÖ und gehörte zum Umfeld von Adele Stürzl. Er nahm immer wieder an den
Sitzungen der Gruppe teil, die sich nach 1938 um sie und Georg Faé gebildet hatte und
war über den Besuch Robert Uhrigs in Kufstein informiert, offenbar jedoch ohne ihn
persönlich kennenzulernen. Seine Verhaftung erfolgte im September 1942, gemeinsam
mit zwei weiteren Kufsteinern, die ebenfalls der Widerstandsgruppe um Stürzl und Anton
Rausch zugerechnet wurden. Im April 1944 stand er in München-Stadelheim vor dem 6.
Senat des Volksgerichtshofes, angeklagt der Vorbereitung zum Hochverrat. In der
Verhandlung reduzierte sich der konkrete Tatvorwurf auf das wiederholte Abhören von
Feindsendern und die Bezahlung eines Mitgliedsbeitrages für die KP. Vor dem Todesurteil
bewahrte ihn die überaus günstige Beurteilung seiner Persönlichkeit durch den
ermittelnden Gestapobeamten, der sich das Gericht anschloss und eine Zuchthausstrafe
von sieben Jahren verhängte. Zur Verbüßung seiner Strafe wurde Wurzenrainer am 20.
Mai 1944 nach Straubing überstellt. Einer Eintragung im dortigen Gefangenenbuch
zufolge verstarb er wenige Wochen später aus nicht näher geklärter Ursache im
Spitalstrakt des Gefängnisses.
Texte:
Dr. Gisela Hormayr, Bad Häring
Den für die Freiheit Österreichs Gestorbenen. Das Befreiungsdenkmal und die
Erinnerung. Eine Intervention, Innsbruck 2011.
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