Der Run auf die Start-ups

VKU Verlag München/Berlin
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Ausgabe 02/16, Seite 9
Der Run auf die Start-ups
INNOVATION Die großen Energieversorger forcieren die Zusammenarbeit mit innovativen Jungunternehmen. Nun beteiligt sich die Thüga erstmals an einem Start-up. Aber
auch für einzelne Stadtwerke besteht hier noch einiges an Potenzial
Von HANS-PETER HOEREN, München
D ie Thüga hat die Beteiligung an
Start-ups zum strategischen Geschäftsfeld erklärt. Der Erwerb
einer Minderheitsbeteiligung an
der auf Solaranlagen spezialisierten Eness
GmbH aus München ist für die Stadtwerkegruppe eine Premiere. Im Rahmen der
Innovationsplattform der Thüga haben
die zwei Firmen seit 2015 das Produkt »daheim Solar« entwickelt. Dieses besteht aus
einer Photovoltaikanlage mit Stromspeicher. Zielgruppe sind Einfamilienhäuser
mit einer Solardachanlage mit weniger als
10 kW Leistung.
Thüga
scoutet
Start-ups |
»Die
Thüga-Start-up- Strategie sieht Beteiligungen vor, die einen gewissen Reifegrad erreicht haben«, teilt
Dr. Matthias Cord, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Thüga AG, auf
Anfrage mit. Dies sei bei Eness Ende 2015
der Fall gewesen. »Erste Markteinführungen waren erfolgreich und in der Thüga-Gruppe bestand eine hohe Nachfrage
an daheim solar«, so Cord. Deshalb habe
sich die Thüga finanziell beteiligt und stelle finanzielle Ressourcen für das deutschlandweite Wachstum zur Verfügung.
Sieben Mitgliedsunternehmen hätten
das Produkt bereits im Einsatz, zahlreiche weitere stünden vor der Einführung.
Zudem gebe es erste Interessenten außerhalb des Thüga-Verbundes. Mit dem
Geschäftsmodell erziele man bereits heute einen positiven Deckungsbeitrag, versichert Cord. Grundsätzlich suche die Thüga
Start-ups, die das »energiewirtschaftliche Kerngeschäft der Stadtwerke« weiterentwickelten. Potenzial sieht Cord vor
allem im Vertriebs- und Netzbereich (bei
Themen wie Smart Meter oder Smart Grid).
Im Start-up-Bus zur E-World | Ungeachtet dieser vielfältigen Kooperationsperspektiven der Thüga mit Start-ups gibt es
Innovationskultur erlebbar machen: Die Stadtwerke Gießen unterstützen Start-ups mit einem
eigenen Programm. Im Bild: SWG-Vorstand Matthias Funk und Jungunternehmerin Julia
Althen .
Bild­­­: Stadtwerke Gießen
grundsätzlich immer noch Matching-Probleme zwischen den innovativen und
dynamischen Jungunternehmen und
den vielen anderen Akteuren des Energiesektors. Davon ist Andreas Kuhlmann,
Vorsitzender der Geschäftsführung der
Dena, überzeugt. »Wir sollten Start-ups
mehr Aufmerksamkeit schenken. Diesen
kommt insbesondere in der zweiten Phase
der Energiewende, der Digitalisierung, eine sehr wichtige Rolle zu«, sagt Kuhlmann.
Um den Austausch mit der Energiebranche
zu fördern, organisiert die Dena eine zweitgägige Busfahrt für Berliner Start-ups zur
Energiemesse E-World in Essen. Die Nach
frage der Start-ups war laut Dena weit größer als die Zahl der angebotenen Plätze.
Die eingereichten Geschäftsideen stammen aus Bereichen wie Energiedienstleistungen, Energiemanagement und
Energieberatung sowie E-Mobilität.
Gerade bei kleineren Stadtwerken gebe
es vergleichsweise wenig Kooperationen
mit Start-ups, bestätigt auch Yüksel Simarsac, CEO des auf Smart-Home-Lösungen
spezialisierten Start-ups RocketHome aus
Köln. »Von den rund 800 Stadtwerken in
Deutschland hat sich in den vergangenen
Jahren vielleicht bisher eine Handvoll aufgemacht in Sachen Digitalisierung und
ZEITUNG FÜR KOMMUNALE WI RTSCHAFT
Ausgabe 02/16, 9
Innovation und übernimmt hier eine Vorreiterrolle«, so Simarsac.
Gasag zahlt Lehrgeld | Auch Beteiligungen von Stadtwerken an Start-ups seien
aktuell eher die Ausnahme. Diese Domäne
ist eher großen Energieversorgern wie Eon,
RWE oder EnBW oder auch EWE vorbehalten. Doch selbst wenn ein Energieversorger
die Mehrheit an einem Start-up erwirbt, ist
das noch lange keine Garantie dafür, dass
sich die vermeintlich dynamischere Unternehmenskultur auf Dauer behaupten
kann. Diese Erfahrung hat man bei der
Berliner Gasag gemacht. »Wenn man ein
Start-up nur integriert, dann ist von der
Kultur nichts mehr übrig«, berichtete Vera
Gäde-Butzlaff, die Vorstandsvorsitzende
der Gasag, auf der Handelsblatt-Energietagung.
Chancen bei Smart Home | Die großen
Energieversorger investierten im Rahmen
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ihrer Digitalisierungsofffensive aber auch
zunehmend in interne Start-ups, ergänzt
Yüksel Simarsac. »Zusätzlich wird von
den großen Energieversorgern die Zusammenarbeit mit kleinen Start-ups offensiv
forciert, um unkompliziert Innovationen
in Produkte mit konkretem Mehrwert
voranzutreiben«, so Simarsac. Wenn diese digitalen Energieprodukte in den lokalen Markt der Stadtwerke drängten,
entstehe ein enormer Konkurrenzdruck.
Hier könnten und müssten die Stadtwerke sehr wohl über Kooperationen mit
Start-ups punkten und Zugang zu neuen
Produkten bekommen. »Stadtwerke sollten genau analysieren, was ihre größten
Stärken vor Ort sind, und in ihrem Verbreitungsgebiet innovative Lösungen entwickeln«, sagt Simarsac. Beispielsweise mit
Installationsdienstleistern oder aber Speicherherstellern oder -händlern. Chancen
für Stadtwerke sieht Simarsac bei der intelligenten Haussteuerung und bei Smart
Home.
SW Gießen fördern Start-ups | Einen
anderen Weg, um mit Start-ups in Kontakt zu kommen, gehen die Stadtwerke
Gießen (SWG). Diese haben mit der »GründerWerkStadt« ein Pilotprojekt ins Leben
gerufen, bei dem junge Unternehmensgründer finanziell bei der Entwicklung
ihrer Geschäftsideen unterstützt werden.
Kommt es zur Unternehmensgründung,
erhalten die SWG im Gegenzug Anteile an
den Start-ups. »Unser wichtigstes Ziel ist
es, mit der GründerWerkStadt, die Innovationskultur in unserem Unternehmen
weiter zu fördern und zu entwickeln«,
sagt Unternehmenssprecherin Ina Weller.
Jedem Unternehmensgründer werde ein
Mentor von den Stadtwerken Gießen zur
Seite gestellt. »Wir erhoffen uns dadurch
ein Überschwappen der Innovationskultur
des Start-ups in unser Unternehmen«, ergänzt Weller.
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Ausgabe X/XX