VKU Verlag München/Berlin Redaktion: Neumarkter Str. 87 81673 München Ausgabe 02/16, Seite 9 Der Run auf die Start-ups INNOVATION Die großen Energieversorger forcieren die Zusammenarbeit mit innovativen Jungunternehmen. Nun beteiligt sich die Thüga erstmals an einem Start-up. Aber auch für einzelne Stadtwerke besteht hier noch einiges an Potenzial Von HANS-PETER HOEREN, München D ie Thüga hat die Beteiligung an Start-ups zum strategischen Geschäftsfeld erklärt. Der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an der auf Solaranlagen spezialisierten Eness GmbH aus München ist für die Stadtwerkegruppe eine Premiere. Im Rahmen der Innovationsplattform der Thüga haben die zwei Firmen seit 2015 das Produkt »daheim Solar« entwickelt. Dieses besteht aus einer Photovoltaikanlage mit Stromspeicher. Zielgruppe sind Einfamilienhäuser mit einer Solardachanlage mit weniger als 10 kW Leistung. Thüga scoutet Start-ups | »Die Thüga-Start-up- Strategie sieht Beteiligungen vor, die einen gewissen Reifegrad erreicht haben«, teilt Dr. Matthias Cord, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Thüga AG, auf Anfrage mit. Dies sei bei Eness Ende 2015 der Fall gewesen. »Erste Markteinführungen waren erfolgreich und in der Thüga-Gruppe bestand eine hohe Nachfrage an daheim solar«, so Cord. Deshalb habe sich die Thüga finanziell beteiligt und stelle finanzielle Ressourcen für das deutschlandweite Wachstum zur Verfügung. Sieben Mitgliedsunternehmen hätten das Produkt bereits im Einsatz, zahlreiche weitere stünden vor der Einführung. Zudem gebe es erste Interessenten außerhalb des Thüga-Verbundes. Mit dem Geschäftsmodell erziele man bereits heute einen positiven Deckungsbeitrag, versichert Cord. Grundsätzlich suche die Thüga Start-ups, die das »energiewirtschaftliche Kerngeschäft der Stadtwerke« weiterentwickelten. Potenzial sieht Cord vor allem im Vertriebs- und Netzbereich (bei Themen wie Smart Meter oder Smart Grid). Im Start-up-Bus zur E-World | Ungeachtet dieser vielfältigen Kooperationsperspektiven der Thüga mit Start-ups gibt es Innovationskultur erlebbar machen: Die Stadtwerke Gießen unterstützen Start-ups mit einem eigenen Programm. Im Bild: SWG-Vorstand Matthias Funk und Jungunternehmerin Julia Althen . Bild: Stadtwerke Gießen grundsätzlich immer noch Matching-Probleme zwischen den innovativen und dynamischen Jungunternehmen und den vielen anderen Akteuren des Energiesektors. Davon ist Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Dena, überzeugt. »Wir sollten Start-ups mehr Aufmerksamkeit schenken. Diesen kommt insbesondere in der zweiten Phase der Energiewende, der Digitalisierung, eine sehr wichtige Rolle zu«, sagt Kuhlmann. Um den Austausch mit der Energiebranche zu fördern, organisiert die Dena eine zweitgägige Busfahrt für Berliner Start-ups zur Energiemesse E-World in Essen. Die Nach frage der Start-ups war laut Dena weit größer als die Zahl der angebotenen Plätze. Die eingereichten Geschäftsideen stammen aus Bereichen wie Energiedienstleistungen, Energiemanagement und Energieberatung sowie E-Mobilität. Gerade bei kleineren Stadtwerken gebe es vergleichsweise wenig Kooperationen mit Start-ups, bestätigt auch Yüksel Simarsac, CEO des auf Smart-Home-Lösungen spezialisierten Start-ups RocketHome aus Köln. »Von den rund 800 Stadtwerken in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren vielleicht bisher eine Handvoll aufgemacht in Sachen Digitalisierung und ZEITUNG FÜR KOMMUNALE WI RTSCHAFT Ausgabe 02/16, 9 Innovation und übernimmt hier eine Vorreiterrolle«, so Simarsac. Gasag zahlt Lehrgeld | Auch Beteiligungen von Stadtwerken an Start-ups seien aktuell eher die Ausnahme. Diese Domäne ist eher großen Energieversorgern wie Eon, RWE oder EnBW oder auch EWE vorbehalten. Doch selbst wenn ein Energieversorger die Mehrheit an einem Start-up erwirbt, ist das noch lange keine Garantie dafür, dass sich die vermeintlich dynamischere Unternehmenskultur auf Dauer behaupten kann. Diese Erfahrung hat man bei der Berliner Gasag gemacht. »Wenn man ein Start-up nur integriert, dann ist von der Kultur nichts mehr übrig«, berichtete Vera Gäde-Butzlaff, die Vorstandsvorsitzende der Gasag, auf der Handelsblatt-Energietagung. Chancen bei Smart Home | Die großen Energieversorger investierten im Rahmen Seite 2 ihrer Digitalisierungsofffensive aber auch zunehmend in interne Start-ups, ergänzt Yüksel Simarsac. »Zusätzlich wird von den großen Energieversorgern die Zusammenarbeit mit kleinen Start-ups offensiv forciert, um unkompliziert Innovationen in Produkte mit konkretem Mehrwert voranzutreiben«, so Simarsac. Wenn diese digitalen Energieprodukte in den lokalen Markt der Stadtwerke drängten, entstehe ein enormer Konkurrenzdruck. Hier könnten und müssten die Stadtwerke sehr wohl über Kooperationen mit Start-ups punkten und Zugang zu neuen Produkten bekommen. »Stadtwerke sollten genau analysieren, was ihre größten Stärken vor Ort sind, und in ihrem Verbreitungsgebiet innovative Lösungen entwickeln«, sagt Simarsac. Beispielsweise mit Installationsdienstleistern oder aber Speicherherstellern oder -händlern. Chancen für Stadtwerke sieht Simarsac bei der intelligenten Haussteuerung und bei Smart Home. SW Gießen fördern Start-ups | Einen anderen Weg, um mit Start-ups in Kontakt zu kommen, gehen die Stadtwerke Gießen (SWG). Diese haben mit der »GründerWerkStadt« ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, bei dem junge Unternehmensgründer finanziell bei der Entwicklung ihrer Geschäftsideen unterstützt werden. Kommt es zur Unternehmensgründung, erhalten die SWG im Gegenzug Anteile an den Start-ups. »Unser wichtigstes Ziel ist es, mit der GründerWerkStadt, die Innovationskultur in unserem Unternehmen weiter zu fördern und zu entwickeln«, sagt Unternehmenssprecherin Ina Weller. Jedem Unternehmensgründer werde ein Mentor von den Stadtwerken Gießen zur Seite gestellt. »Wir erhoffen uns dadurch ein Überschwappen der Innovationskultur des Start-ups in unser Unternehmen«, ergänzt Weller. ZEITUNG FÜR KOMMUNALE WI RTSCHAFT Ausgabe X/XX
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