DOSIERT, UM ZU BESTEHEN

ANLAGEN · APPARATE · VERFAHREN · MESSTECHNIK · UMWELTTECHNIK
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September 2015,
D 19066
www.chemietechnik.de
44. Jahrgang
unverb. Preisempfehlung
19,00 Euro
MARKT
Überangebot belastet den Ölpreis
TECHNIK FÜR ÖL UND GAS
Atex-konforme Pumpen
TECHNIK FÜR ÖL UND GAS
Ex-Motoren im MW-Bereich
ANLAGENBAU
Kooperationsmodell für Mittelständler
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ARMATUREN, ROHRE
Markierungen für Rohrleitungen 54
VERPACKUNGSTECHNIK
Verfahren im Vergleich 58
MARKTÜBERSICHT Ventil-Aktoren für PLT-Schutzfunktionen 62
MANAGEMENT
Sinnstiftend führen 70
DOSIERUNG VON STEUERADDITIVEN IN DER BAUCHEMIE
DOSIERT, UM
ZU BESTEHEN
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CHEMIE TECHNIK · September 2015
Anlagenbau
Chemie
Pharma
Ausrüster
Planer
Betreiber
Einkäufer
Manager
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Entscheider-Facts
Branche
Funktion
Profi-Guide
Titelthema
Für Betreiber
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Hersteller von Bauchemikalien müssen mit vielen verschiedenen Ausgangsstoffen arbeiten und diese in bestimmen Verhältnissen zusammenbringen. Dabei spielen sogenannte Steueradditive eine große Rolle.
Um diese Vorgänge zum einen zu vereinfachen, zum anderen aber auch reproduzierbar sicher zu machen,
setzen Betreiber mehr und mehr auf automatisierte Lösungen.
Der Beitrag beschreibt zwei Lösungsbeispiele unterschiedlicher Komplexitäts-Stufen, die exemplarisch die
Möglichkeiten für Betreiber und Anwender aufzeigen sollen.
Dosierung von Steueradditiven in der Bauchemie
Dosiert, um zu bestehen
Ob schützen, abdichten oder sanieren: Die Bauchemie
stellt die hierfür nötigen Chemikalien zur Verfügung.
Dies sind beispielsweise Anstrichmittel, Dichtungsstoffe
oder Kleber wie Epoxidharz. Mit ihnen ist es möglich,
Bauteile kraftschlüssig zu verbinden und mit Dichtungsmassen Risse zu sanieren. Mit bestimmten Anstrichen
oder Beschichtungen können Bauwerke vor Graffiti
oder einem frühzeitigen Verschmutzen geschützt werden. Aber auch hydrophobierende Putzbeschichtungen
auf Basis des Lotuseffekts gehören zur Bauchemie. Bei
den Herstellern solcher Produkte sind die Großmengen
weitestgehend automatisiert. Dabei stehen immer mehr
die Steueradditive (Beschleuniger oder Verzögerer) im
Fokus der Automatisierung, da sie die Qualität der Produkte entscheidend beeinflussen. Zwei Beispiele, eine
einfachere und eine sehr komplexe Lösung, zeigen, welche Automatisierungspotenziale hier noch möglich sind.
Die Keep-it-simple-Variante
Der Autor:
Walter Sonntag, freier
Fachjournalist für AZO
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Die Investitionsziele eines Produzenten von Spachtelmasse und Malerbedarf waren eine hohe Dosiergenauigkeit, das saubere Zusammenstellen von Rezepturen sowie ein einfaches Rohstoffhandling durch Big-bags und
eine nachvollziehbar dokumentierte Produktion. Der
von AZO entwickelte Lösungsansatz besteht im Wesentlichen aus einer Produktaufgabe für Säcke, Big-bags und
Container sowie einer Dosier- und Wiegeanlage zum
exakten Wiegen von Chargen, welche dann auf einen
Mischprozess gefördert werden.
Rohstoffe, die der Betreiber in Säcken angeliefert bekommt, stellt das System staubfrei über eine Einfülltrichter-Station der pneumatischen Mischerbeschickung
zur Verfügung: Durch das Öffnen des Einfülltrichterdeckels startet die Aspiration automatisch. Der Bediener
legt den Sack auf den Aufgabetisch, öffnet und entleert
diesen staubarm ins geschlossene System. Der Staub, der
beim Entleeren entsteht und den das Besaugungssystem
am Filter abscheidet, fällt nach dem Schließen des Einfülltrichter-Deckels bei der automatischen Filterabreinigung zurück in den Einfülltrichter. Dieser Trichter ist
mit einer Kombination aus Vibrationsboden und Dosierschnecke ausgestattet und ermöglicht so das Eindosieren des Produkts in die pneumatische Förderleitung
zum Saugwiegesystem mit einer Genauigkeit von ± 50 g.
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1: Bei der einfachen Lösung entleert das Personal die Säcke
händisch
2: Die zwei Waagen des Componenters fahren die jeweils
der Rezeptur entsprechenden Dosierstellen an
3: Über die zentrale Warte hat das Personal die gesamte
Produktion im Überblick
Durch den frequenzgeregelten Schneckenantrieb ist es
möglich, die Dosierleistung während der Feindosierung
stark zu reduzieren, was sich positiv auf die Genauigkeit
des Prozesses auswirkt.
Aufgabe von Big-bags
Für die Aufgabe von Big-bags ins geschlossene System
stehen insgesamt zwei Entleerstationen zur Verfügung.
Die Big-bags gelangen mit Transportfahrzeugen zu den
Entleerstationen, wo sie mit Hebezeugen aufgesetzt werden. Anschließend wird der Big-bag-Auslauf mit einem
speziellen Anschlusssystem angedockt. Sobald die Andockung erfolgt ist, öffnet der Bediener die Verschlussschnur und der Bag entleert sich in den nachfolgenden
Pufferbehälter. Diese Behälter sind ebenfalls mit Vibrationsböden und frequenzgeregelten Dosierschnecken ausgestattet und dienen gleichzeitig als Lagervorrat. Über
einen Bedarfsmelder erhält der Bediener sofort eine
Meldung, wenn er wieder Nachfüllen muss.
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Titelthema
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Container-Aufgabestationen für Vormischungen
In einem separaten Mischprozess entstehen Spezialmischungen, die anschließend in Wechselcontainer (Batchtainer) abgefüllt werden. Diese Container, ausgestattet
mit einer Abschlussklappe, werden auf Entleerstationen
aufgesetzt und dort mit einer Andockmanschette staubdicht angedockt. Auch hier besteht die Möglichkeit, die
Wechselcontainer in kleine Pufferbehälter zu entleeren,
um so eine unterbrechungsfreie Produktion beziehungsweise einen schnellen Rezepturwechsel zu ermöglichen.
Diese Behälter sind ebenfalls mit Vibrationsboden-Austragung in Verbindung mit Dosierschnecken ausgestattet. Die Container ermöglichen einen schnellen Rezepturwechsel und hohe Flexibilität.
Rezepturbereitstellung
Ein Saugwiegesystem fördert die Komponenten aus den
Einfülltrichtern, Big-bag-Entleerstationen und Container-Aufgabestationen – entsprechend der Rezeptur – in
die Förderwaage und wiegt diese gleichzeitig ab. Alle
Komponenten sind über eine Förderleitung mit der
Waage verbunden. Nach Start der Anlage erzeugt die
Gebläsestation einen Unterdruck, und die Produktzuteiler oder Dosierschnecken an den Aufgabestationen laufen an. Das System speist das Fördergut in die Leitung
ein und saugt es in die Waage. Die Förderwaage dient
hier gleichzeitig als Abscheider und ist zur Luft-Produkttrennung mit einem druckluftgespülten Filter aus-
gerüstet. Vor Erreichen des eingestellten Sollwertes
schaltet das frequenzgeregelte Dosierorgan von Grobauf Feindosierung. Dadurch verringert sich die Gutbeladung, was zu einem exakteren Wiegeergebnis führt.
Danach wird bei jeder Komponente die Förderleitung
leergesaugt und als Nachlauf in den Wiegevorgang einbezogen. Daher liegt die Durchsatzleistung etwas niedriger als beim Mehrrohrsystem. Das Prozessleitsystem
berücksichtigt dabei die unterschiedlichen Nachlaufmengen. Entsprechend der Rezeptur stehen nach dem
Prozess alle Komponenten in den geforderten Toleranzen in der Förderwaage zum weiteren Transport in die
Großmengen-Mischanlage zur Verfügung.
Die energieeffiziente Automatisierungs-Variante
Die Aufgabenstellung des zweiten Fallbeispiels war es,
für ein Unternehmen in der Bauchemie eine Anlage für
das automatische Rohstoffhandling zu realisieren. Das
Produktspektrum des Kunden reichte hier von Anwendungen für den Rohbau wie Betonspachtel, Estriche und
Vergussmörtel, bis hin zu Fliesen- und Natursteinkleber
sowie verschiedene Spachtelmassen. Der Auftrag lautete,
über 50 Rohstoffe von Großmengen über Mittel- bis hin
zu den Kleinmengen zu integrieren. Hohe Flexibilität bei
Produktumstellung sowie Produktionssicherheit und
Prozesstranzparenz standen dabei im Vordergrund. Seine Investitionsziele formulierte der Kunde wie folgt:
● Konstante Produktqualität mit zugesicherten Pro-
Bild: nb_factory – Fotolia
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Titelthema
len. Diese kann der Anwender dann als Wechselkomponenten auf den Componenter aufsetzen. Bei Produktwechsel kann das Personal die Container ohne hohen
Reinigungsaufwand einfach und schnell austauschen.
Farben und spezielle Steueradditive, die sich nicht pneumatisch fördern lassen, kann der Betreiber über Einfülltrichter direkt oberhalb des Componenters aufgeben.
Alle bereitgestellten Komponenten trägt das System aus
und kontrollsiebt sie in Wirbelstrom-Siebmaschinen.
Über Dosierschnecken erfolgt das exakte Dosieren der
unterschiedlichen Komponenten in die fahrbaren Waagen des Componenters.
Bilder: AZO
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4. Für eine gleichbleibende Qualität müssen
Betreiber die angelieferten Rohstoffe korrekt dosieren
duktfunktionen, wie leichte, effiziente und schnelle
Verarbeitung.
● Eine hohe Flexibilität bei den eingesetzten Rohstoffen und den hergestellten Rezepturen.
● Laufende Verbesserung und Optimierung der Produkte.
● Problemlose Produktion von Neuentwicklungen.
● Zukunftssicherheit mittels Automatisierung sowie
Prozessleit- und Visualisierungstechnik.
Vormischungen und Spezialprodukte
Zur Produktion von Vormischungen entnimmt der Betreiber verschiedene Gipssorten aus den Großmengensilos und dosiert sie in die entsprechende Behälterwaage.
Hier wird mit Grob-/Feinumschaltung bei der Dosierung und einer Kontrollsiebung gearbeitet. Weitere an
Schneller Produktwechsel
Der Componenter ist mit zwei fahrbaren Waagen ausgestattet, die entsprechend der Rezeptur die jeweiligen
Dosierstellen anfahren. Hier stellt das System eine staubdichte Verbindung her und schließt automatisch eine
Aspiration an. Damit ist es möglich, die Komponenten
exakt in die als Container ausgebildeten Waagen einzudosieren. Rieselschutzschieber verhindern ein Nachrieseln aus den Dosierstellen. Da Hersteller Steueradditive
und Farben sehr genau zuführen müssen, kommen für
diesen Bereich Azodos-Dosiergeräte als Negativ-Waagen zum Einsatz. Diese haben einen kleineren Wiegebereich als die fahrbaren Waagen und können deshalb
kleine Produktmengen exakt wiegen (± 5 g). Sobald ein
Rezept abgearbeitet ist und sich alle Komponenten in
der Waage befinden, fährt diese über eine Entleerstation.
Mittels einer Andockvorrichtung und der Andockmanschette wird eine staubdichte Verbindung hergestellt
und die komplette Charge in den darunterliegenden
Mischer für Fertigmischungen entleert. Um bei Produktwechsel Zeit zu sparen, kann der Anwender die
Container auf den fahrbaren Waagen entnehmen und durch frisch gereinigte ersetzen.
Eine Kombination aus Vibrationsboden und Dosierschnecke ermöglicht das Eindosieren des Produkts
mit einer Genauigkeit von ± 50 g
der Rezeptur beteiligte Rohstoffe gelangen vorgewogen
direkt über einen Einfülltrichter mit integriertem Kontrollsieb in den Mischer. Nach dem Herstellen einer homogenen Mischung kann der Anwender diese sowohl in
Big-bags als auch in Dositainer, das sind Container mit
integrierter Dosierschnecke, abfüllen und dann im
Componenter als wechselnde Komponenten wieder in
den weiteren Prozess einschleusen.
Bereitstellungsebene für Säcke und Big-bags
Auf der ebenerdigen Materialbereitstellungsebene werden die Mittelkomponenten aufgegeben, die der Betreiber in Säcken oder Big-bags erhält. Die Sackware wird
staubarm in Einfülltrichter gefüllt und mittels Saugförderung schonend und staubfrei in Tagessilos über dem
Componenter gefördert. Über einen Kupplungsbahnhof
kann der Anwender die Verteilung auf die jeweiligen
Vorratsbehälter vornehmen. Angelieferte Big-bags dockt
das Personal staubdicht an Entleerstationen an. Diese
Rohstoffe fördert das System ebenfalls über pneumatische Saugfördersysteme in die Tagessilos. Eine separate
Station ermöglicht es, Sackware in Dositainer umzufül-
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Prozessleit- und Visualisierungstechnik
Von der zentralen Schaltwarte aus haben die
Bediener die gesamte Produktion im Überblick; die Prozessvisualisierung gibt jederzeit
Auskunft über den Stand der Dinge. Das Personal kann
beispielsweise Informationen wie Füllstände, Parameter
oder den Mischerstatus auf einen Blick erfassen. Durch
das Anbinden an den Host-Rechner ist ein schnittstellenfreies Arbeiten möglich. Die Bediener in der Produktion bekommen an übersichtlich gestalteten farbigen
Monitoren genaue Instruktionen, welche Produkte sie
wo einfüllen müssen. Ein Barcodesystem verhindert,
dass es innerhalb der Herstellung zu Verwechslungen
kommt. Des Weiteren besteht über Bedienterminals die
Möglichkeit, in den automatischen Prozess einzugreifen.
So kann der Anwender auf Wunsch aus dem automatischen Prozess in einen halbautomatischen Semiprozess
oder in einen Einzelsteuerungsprozess wechseln. Entsprechende Protokolle für die Rezepturdokumentation
werden ausgedruckt. Dies gilt auch für Warenbegleitscheine, Etiketten etc.
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