**SGRD** allgemeine fleischer zeitung | 25. November 2015 | Nr. 48 4 | Nachrichten Schöne vernetzte Welt INDUSTRIE 4.0 Wie die Digitalisierung und das Internet die Produktion verändern werden, darauf gab Moritz Hämmerle vom Fraunhofer- Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) einen Ausblick. Dabei gehe es darum, mehr Daten zu nutzen und zu überlegen, wie diese einen Beitrag zum eigenen Geschäftserfolg leisten können. Man spreche inzwischen von der dritten Industriellen Revolution. Die erste sei durch die Erfindung der Dampfmaschine entstanden, die zweite mit der Einführung der Fließbänder, die dritte durch die elektrifizierten Produkte. Heute werde zu 99 Prozent über das Internet kommuniziert, somit gehe es immer darum, nur möglichst kurz offline zu sein. Bis diese vernetzte Welt als Welle in die industrielle Produktion auch in der Fleischwirtschaft einziehe, sei nur eine Frage der Zeit, zeigte sich Hämmerle sicher. si | afz 48/2015 Alle Daten verfügbar am Produkt RÜCKVERFOLGBARKEIT Ein global einsetzbares System zur Rückverfolgbarkeit stellte Hans Jürgen Matern von der Metro AG vor. ProTrace funktioniere für alle Warengruppen und für alle Lieferanten. Basis sei das einst von Tönnies erstellte System f-Trace. Das System ist seit März im Einsatz und für den Verbraucher über eine App ansteuerbar. Anhand der so zur Verfügung gestellten Informationen könne der Kunde nun bewusst vor dem Einkauf entscheiden, ob er das Produkt möchte oder nicht. Derzeit sind bei Metro 1 600 Artikel in das Rückverfolgbarkeitssystem eingebunden. Andere Händler zeigten sich bereits interessiert, ein ähnliches Netzwerk zu nutzen. si | afz 48/2015 Preis- und Kostendruck begegnen WETTBEWERBSFÄHIGKEIT Um dem steigenden Preis- und Kostendruck zu begegnen, sah Klaus Martin Fischer von Ebner Stolz für die Unternehmen der Fleischwirtschaft nur drei mögliche Strategien: Kosten senken, Digitalisieren und Differenzieren. Nur durch diese drei internen Faktoren könne es gelingen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, so der Unternehmensberater. In der Kostenstruktur sah er den Hauptangriffspunkt in der Distributionslogistik und damit der Frage: „Make or buy“, selber machen oder zukaufen. si | afz 48/2015 Stimmung hält an Gute Nachrichten für die Unternehmen der Fleischwirtschaft. Deutschland wird nicht gleich zu einem Land der Vegetarier. DEUTSCHER FLEISCH KONGRESS 2015 BERND FEUERSTEIN, SANDRA SIELER N ahezu jeder Haushalt kauft Wurst.“ Mit dem Blick auf die Konsumstimmung im Bereich Fleisch und Wurst brachte Helmut Hübsch zum Kongressauftakt gute Nachrichten für die Unternehmer aus der Fleischwirtschaft. Trotz boomender Absatzzahlen im Bereich der Veggiewürste und -schnitzel entwickle sich Deutschland nicht gleich zu einem Land der Vegetarier, wie der Marktforscher von der GfK in Nürnberg an den Einkaufsdaten im bisherigen Jahresverlauf ablas. Dennoch wachse die Zahl derer im Land, die ihren Fleischkonsum reduzieren. Das führe dazu, dass die Segmente Fleisch und Wurst jährlich etwa 13 000 t an Absatz verlören, so Hübsch. Aber auch für die Analogprodukte werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen, prophezeite der Konsumforscher: „Wenn sich an einem kleinen Markt viele Anbieter tummeln, was bleibt dann für den einzelnen?“ Teilnehmerrekord zum Jubiläum: Rund 350 Gäste aus der Fleischwirtschaft, dem Handel und den zuliefernden Branchen zählte der 10. Deutsche Fleisch Kongress am Frankfurter Airport. Fotos: Thomas Fedra Zogen ein erstes Fazit zur Initiative Tierwohl: Dr. Alexander Hinrichs (2.v.l.), Dr. Heinz Schweer (Mitte), Mahi Klosterhalfen (2.v.r.). Renate Kühlcke und Dirk Lenders (rechts) aus den Redaktionen von FleischWirtschaft und Lebensmittel Zeitung fragten nach. Global Player Den Blick von außen auf den europäischen Markt warf Roberto Banfi, CEO für Europa und Eurasien des brasilianischen Fleischkonzerns Brasil Foods (BRF). Dabei stellte er fest, dass die von Hübsch für Deutschland skizzierten Trends – weniger Fleisch, bewussterer Konsum, weniger Kochen im Alltag, mehr Konsum außer Haus – zugleich globale Strömungen widerspiegelten und somit auch die Herausforderungen für sein Unternehmen. BRF entstand im Jahr 2009 durch Fusion von Perdigao und Sadia. Der weltweit agierende Konzern liefert rund 2 320 Produkte – vor allem aus Geflügelfleisch – in 120 Länder. BRF steht für 14 Prozent des weltweiten Aufkommens an Putenfleisch und ist in 95 Prozent der brasilianischen Haushalte präsent. Banfi lieferte beeindruckende Zahlen, so kommen in den Schlachthäusern der vertikal voll integrierten Gruppe wöchentlich 32 Mio. Puten und 185 000 Schweine zur Schlachtung. 44 Produktionsstätten unterhält der Konzern, neun davon im Ausland. Innerhalb Europas ist Großbritannien der wichtigste Markt, gefolgt von Deutschland. Hier zählen Wiesenhof und Herta zu den wichtigsten Kunden. Der modernste Schlachtbetrieb steht in Abu Dhabi, von wo aus die Märkte in Nordost-Afrika, Iran und Pakistan bedient werden. „Egal wie groß ein Unternehmen ist, es muss seine Arbeit machen.“ Der nachfolgende Referent Josef Hempen führte die Teilnehmer des Vier Handwerker mit unterschiedlichen Vorzeichen (von rechts): Dirk Ludwig, Ralph Ehrentraut, Jens-Uwe Bünger und Michael Ebert diskutieren mit Moderatorin Renate Kühlcke. Fleisch Kongresses vom globalen zurück auf den deutschen Markt. In den Exportmärkten sei die Herkunft mit fünfmal D ein gutes Argument, wie der Geschäftsführer von Böseler Goldschmaus berichtete. Das niedersächsische Unternehmen setzt rund die Hälfte seiner Schweinefleischproduktion im Ausland ab. „Wir müssen lernen es wertzuschätzen, dass in China eine Pfote so wertvoll ist wie für uns das Filet“, legte er dar, dass für sein Unternehmen der Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette zähle. Als künftiger Kopf der Westfleisch SCE stellte sich Christian Leding den Zuhörern in Frankfurt vor. Bereits im Vorstand vertreten, wird er ab Januar 2016 die Nachfolge von Dr. Helfried Giesen an der Spitze des genossenschaftlichen Schlachtunternehmens in Münster übernehmen. Mit der Umfirmierung zur europäischen Genossenschaft „SCE“ sei bereits eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft erfolgt, mit Blick auf den Export, aber auch für die Anteilseigner, die Ka- pitalisierung und das Bankenrating. „Unsere Eigentümer sind die Landwirte“, machte Leding die Triebfeder allen Tuns der Westfalen deutlich. So sei man weder durch NGOs noch durch eine Maximierung des Shareholder values getrieben. „Wir sind Herr im eigenen Haus.“ Zwar habe man gemeinsam mit Danish Crown das Joint Venture Westcrown für die Sauenzerlegung gestartet, Gedanken zu einer näheren Kooperation erteilte der designierte Westfleisch-Chef aber eine klare Absage. „Jeder ist auf Sicht unabhängig.“ Historische Chance und Herausforderung zugleich Die Podiumsrunde zur Initiative Tierwohl zeigte deren Erfolg, aber zugleich die Herausforderungen auf. Geschäftsführer Dr. Alexander Hinrichs stellte die Fakten voran: Seit Jahresbeginn zahlt der beteiligte Handel vier Cent je verkauftem Kilo Schweinefleisch in einen Fonds. Das Geld kommt den in der Initiative organisierten Landwirten als Ausgleich für die höheren Tierwohlstandards in der Viehhaltung zugute. Derzeit sind elf Handelsketten beteiligt, „der Kreis soll sich aber gern vergrößern“, wie Hinrichs erklärte. Rund 85 Mio. Euro stehen so jährlich zu Verfügung, das sind 255 Mio. Euro bis 2017, denn die Initiative ist zunächst auf drei Jahre angelegt. „Wie geht es weiter?“, wollte Moderatorin Renate Kühlcke von der FleischWirtschaft wissen. Einer der Knackpunkte liegt darin, dass aufgrund der begrenzten Finanzmittel in der ersten Phase nur etwa die Hälfte der interessierten Landwirte teilnehmen durften. Daher gelte es, weitere Partner zu gewinnen. Hinrichs blickt dabei nicht nur in Richtung Handel, sondern zu allen, die Fleisch abnehmen, verarbeiten, verkaufen: Cash+Carry, Großhandel, Fleischerhandwerk und die Systemgastronomie. Über Markenführung informierte Karl-Georg Musiol. Der Geschäftsführer der Markendienst GmbH betonte, dass eine Marke ei- **SGRD** Nr. 48 | 25. November 2015 | allgemeine fleischer zeitung Nachrichten | 5 ne klare Haltung verkörpern müsse. Dabei sei der anthroposophische Hintergrund extrem wichtig, da aus einer Marke schnell eine Persönlichkeit werde. „Die Marken werden vermenschlicht“, war seine Meinung, daher müsse man mit der Markenführung höchst professionell umgehen. ANZEIGE Wie die Ernährung der Zukunft aussieht, erklärte Joachim Bacher von TNS Infratest. Laut einer Umfrage hat sich das Vertrauen der Bevölkerung in Lebensmittel tierischen Ursprungs in den letzten zwei Jahren gesteigert. Diese positive Stimmung wird auch in den nächsten Jahren anhalten, wie Bacher aus der vorgestellten Untersuchung schloss. In den nächsten 15 Jahren wird sich der Trend zum Außer-Haus-Verzehr verstärken. Die Mahlzeiten werden vermehrt geliefert und nicht mehr selbst gekocht, folgerte der Marktforscher. Die Ernährung wird zunehmend zum Statussymbol und damit Ausdruck des Lebensstils. Der Onlineeinkauf wird bis 2030 zunehmen, wobei die Lebensmittelgeschäfte nach wie vor die Beratung und die Verkostung übernehmen. Einen Einblick in sein FleischerFachgeschäft mit 33 Filialen gönnte Karl-Heinz Esser den Kongressbesuchern. Jede seiner Filialen, die er in 28 Fällen gemeinsam oder in Deutscher Fleisch Kongress 2015 Zum 10. Mal trafen sich beim Deutschen Fleisch Kongress in Frankfurt die Top-Entscheider aus Fleisch(waren)industrie, Lebensmittelhandel und Fleischerhandwerk. Hochkarätige Referenten stellten zukunftsweisende Konzepte vor, beleuchteten Märkte und Trends. Gemeinsam mit der dfv Conference Group bieten die führenden Fachmedien afz – allgemeine fleischer zeitung, FleischWirtschaft und Lebensmittel Zeitung (alle vier Unternehmen der dfv Mediengruppe) mit dem jährlichen Branchentreff mehr als 300 Besuchern eine Plattform für den Austausch unter Kollegen, Experten und Systempartnern der Fleischwirtschaft. Im Anschluss an den mit Informationen prall gefüllten ersten Kongresstag lud die dfv Conference Group mit Unterstützung von Weber Grills an den heißen Rost ein: Beim Branchentreff mit Winter-BBQ ließen die Teilnehmer den Tag mit fachlichen und lockeren Gesprächen ausklingen. Save the Date: Der 11. Deutsche Fleisch Kongress findet statt am 14. und 15. November 2016. Nachbarschaft mit einem Bäcker betreibt, sei anders gelagert, so der Fleischermeister aus dem niederrheinischen Erkelenz: „Jede Filiale hat andere Kunden und anderes Personal.“ Um die Kunden mit Qualitätsware zu bedienen, stimmt er sich mit den Bäckern ab. Er liefert in den Kombiläden die Wurst an die Bäcker und verzichtet im Gegenzug auf den Verkauf von Wurstbrötchen. In diesem Zusammenhang betonte er, wie wichtig klare Regeln beim gemeinsamen Betreiben eines Ladens sind. Die Ausbildung junger Menschen liegt Esser besonders am Herzen. „Wir müssen anders ausbilden als früher“, betonte er und brach eine Lanze für die heutigen Auszubildenden: „Junge Menschen wollen arbeiten, aber sie wollen auch Feierabend haben.“ Esser hat in diesem Jahr 20 Azubis eingestellt und betonte mit Stolz, dass die meisten Filialleiterinnen bei ihm gelernt hätten. Fachkompetenz: Renate Kühlcke (FleischWirtschaft), Richard Lohmiller (Schwarz), Heike Leonhard (dfv Conference Group) Medienprofis: Thomas Wulff (dfv Mediengruppe), Christian Leding (Westfleisch) Kunden aktiv begleiten Den Schwerpunkt auf gut geschultes Personal legt auch Michael Durst aus Hamburg. Der Landesinnungsmeister der Hansestadt und Vizepräsident des DFV erklärte, dass gerade gute Mitarbeiter einen entscheidenden Einfluss auf den Durchschnittsbon und damit auf den Geschäftserfolg haben. Zudem seien Aktionen ein wichtiger Faktor, um Leben in die Geschäfte zu bekommen. Dabei versuche er zu vermitteln, dass das Fleischerhandwerk für jeden das Richtige bietet. Besuche in Schulklassen seien zudem ein Instrument der Aufklärung. „Wir können nicht mehr in den Läden auf die Kunden warten, wir müssen sie aktiv begleiten“, meinte Durst. Bei der abschließenden Podiumsdiskussion stellten sich Dirk Ludwig, Ralph Ehrentraut, JensUwe Bünger und Michael Ebert den Fragen von Moderatorin Renate Kühlcke. Dirk Ludwig, der im hessischen Schlüchtern ein FleischerFachgeschäft betreibt, legt den Schwerpunkt auf die Fleischveredlung. Mit einer eigenen Kochschule geht er in die Offensive. Ludwig: „Der Metzger wird immer mehr zum handwerklichen Entertainer.“ Der Geschäftsführer der Dürrröhrsdorfer Fleisch- und Wurstwaren GmbH stärkt seine Fleischerei durch eine Kooperation mit Bauern. Ralph Ehrentraut ist mit seiner Familie in einen Mutterkuhbetrieb in Sachsen eingestiegen und bezieht nun von dort sein Rindfleisch. Rindfleisch hat Jens-Uwe Bünger schon immer nach dem DryAged-Verfahren gereift, es aber nie so genannt. Durch die neue Bezeichnung sieht er jetzt die Chance, sich zu profilieren. Vor allen Dingen steige der Anteil der kochenden Männer merklich, so der Berliner Fleischer – und die bevorzugten das Hochwertige. Ebenfalls auf den Verkauf von Rind- und Lammfleisch ist Michael Ebert spezialisiert. Der Frankfurter Fleischer, der sein Geschäft in einer der frequentiertesten Lagen in der Mainmetropole betreibt, verzichtet auf die Filialisierung. Er setzt auf das über lange Jahre erworbene Kundenvertrauen am angestammten Platz in der City. | afz 48/2015 Impressionen im Web: www.fleischwirtschaft.de/bilder Branchenführer: Josef Tillmann (Tönnies), Tobias Weber (Weber Maschinenbau) Handwerker: Werner Vogelmann (BESH), Jens-Uwe Bünger (Fleischerei Bünger), Michael Ebert (Metzgerei Ebert), Ralph Ehrentraut (Dürrröhrsdorfer), Dr. Wolfgang Lutz (Deutscher Fleischer-Verband) Tim Hrach und Roberto Banfi (BRF, Brasil Foods) Wurstspezialisten: Andreas Rode, Bernd Semelink (beide Kleinemas) Siegfried Sauer (Globus B-Warenhaus), Michael Durst (Durst Genuss-Factory) Dienstleister: Günter Schätzle (Willmann), Mehtap Acer (dfv Conference Group), Atilla Karka (Birgroup) Filialisten: Alexander Brandl (vinzenzmurr), Karl-Heinz Esser (Wurstspezialitäten Esser) Strategen: René Maillard (VLAM), Sönke Reimers (dfv Mediengruppe)
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