Jesus Christus und die mündige Welt

Jesus Christus und die mündige Welt
Informationen zur Bonhoeffer-Veranstaltung
am 25.9.2015 um ca. 18.30 Uhr
in der NRG Wuppertal
mit Cornelius Bormann
Die Bonhoeffer-Veranstaltung wird nach
der Eröffnung des Gedenksteins (X) für Bas
Benner auf dem Friedhof am Feld B um
18.00 Uhr stattfinden. In der Nähe befindet sich das Grab von Hermann Friedrich
Kohlbrügge (4). Bonhoeffer hat einige
Schriften von Kohlbrügge gelesen und zitiert ihn in seinem Buch „Nachfolge“. Im
Zitat freut sich Kohlbrügge als von Gott
geheiligter Mensch, der – obwohl er in der
Welt der Sünde als Sünder lebt – von aller
Schuld befreit aufatmen kann.
X
In direkter Nähe liegt auch die Grabstelle von Hermann Albert Hesse (5), an den wir auf dem Weg
zum Gemeindehaus erinnern möchten. Hermann
Albert Hesse (1877-1957, s. Foto) war vom 1. bis
nach dem 2. Weltkrieg eine führende Figur der
deutschen Reformierten. Im 1. Weltkrieg sah
Hesse Deutschland noch auf Seiten der gerechten
und guten Sache Gottes und wütete er publizistisch gegen die Kriegsfeinde.
Die Niederlage 1918 und die Auseinandersetzung
mit Karl Barth ließen ihn aber umdenken. Seit 1916 Pfarrer in Elberfeld, übernahm
er 1929 nebenamtlich die Leitung des dortigen Reformierten Predigerseminars.
Von 1934 bis 1946 war er Moderator des Reformierten Bunds.
Hermann Albert Hesse war einer der wenigen führenden Personen in den Kirchen,
die sich von Anfang an gegen die Nazi-Diktatur wandten und keine Kompromisse
mit den Deutschen Christen machen wollten, die die evangelische Kirche mit der
NS-Ideologie zu vermischen suchten. Durch seine kompromisslose Haltung wurde
er selbst innerhalb der Bekennenden Kirche, deren Barmer Synode 1934 Hesse
noch mit organisiert hatte, zu einem Außenseiter. Im Sommer 1939, kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs besuchte Dietrich Bonhoeffer ihn in Elberfeld, um sich über
die Lage der Kirche auszutauschen.
Während eines Gottesdienstes in Elberfeld im Juni 1943 – Bonhoeffer war bereits
seit 3 Monaten im Gefängnis – bezeichnete Hesse die Bombardierung Wuppertals
als Gericht Gottes und rief zu Buße und Fürbitte auf, auch für die verfolgten Juden.
Darauf wurde er mit seinem Sohn, dem Vikar Helmuth Hesse, von der Gestapo verhaftet und am 13. November 1943 ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert. In
Dachau starb Helmuth Hesse nach wenigen Tagen, Hermann Albert Hesse wurde
im April 1944 aus dem KZ entlassen. Noch im KZ wurde er von seiner Rheinischen
Landeskirche „mit den besten Wünschen für einen gesegneten Lebensabend“ in
den Ruhestand versetzt. Nach dem Krieg erhielt Hesse kein Pfarramt mehr. Er starb
1957 in Velbert und wurde auf seinen Wunsch hin auf dem Friedhof der NRG beigesetzt.
Cornelius Bormann (*1939) studierte zunächst Germanistik und Geschichte und dann evangelische Theologie an den Universitäten Hamburg und Bonn, darunter 1963 ein Semester als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes an der Hebräischen Universität Jerusalem. Nach dem Ersten Theologischen Examen vor der Kommission der Evangelisch-Lutherischen
Kirche im Hamburgischen Staate 1965 konnte er seinen Berufswunsch Journalismus verwirklichen. Er war
ARD-Korrespondent in Westafrika, Washington und
Warschau, moderierte 1979-1980 die Tagesthemen
und baute als WDR-Chefredakteur 1991-1998 die Lokalberichterstattung stark aus. Im Ruhestand nahm er
die Theologie wieder auf und promovierte 2014 in
Bonn über „Dietrich Bonhoeffers Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft vor dem
Hintergrund der erinnerten Jugendzeit“.
Über das Buch
Berlin im Sommer 1944: Dietrich Bonhoeffer
sitzt bereits seit über einem Jahr im Wehrmachtsgefängnis in Tegel. Bonhoeffer weiß, dass
der geplante Staatsstreich, der am 20. Juli
schließlich unter von Stauffenberg fehlschlägt,
unmittelbar bevorsteht. Gerade in diesen Wochen macht Bonhoeffer sich zahlreiche Notizen
und schreibt er etliche Briefe, in denen er theologisch in die Zeit nach dem erhofften Ende des
Nazi-Regimes und des Krieges hinaus denkt.
Bonhoeffer fragt sich in seiner Zelle, was das
Christentum, wer Christus für die Menschen
heute ist. Der Aufbau einer neuen Gesellschaft
nach dem Krieg kann für ihn nur von Christus ausgehend erfolgen. Und auch für
Bonhoeffer ist das Kriegsgeschehen Ausdruck des Zorns Gottes: „Daß wir die grauenhaftesten Dinge des Krieges jetzt so intensiv erleben müssen, ist, wenn wir sie
überleben, für später wohl die notwendige Erfahrungsgrundlage dafür, daß nur auf
dem Boden des Christentums ein Wiederaufbau des Lebens der Völker im Inneren
und Äußeren möglich ist. Darum müssen wir das, was wir erleben, wirklich in uns
bewahren, verarbeiten, fruchtbar werden lassen und es nicht von uns abschütteln.
Noch nie haben wir den zornigen Gott so handgreiflich zu spüren bekommen, und
auch das ist Gnade…“
Allerdings ist das Christentum für Bonhoeffer nicht mehr das, was es bis dahin war.
Nachdem die Kirchen im 1. Weltkrieg völlig versagt hatten, hatten sie auch dem
verbrecherischen NS-Staat und dem 2. Weltkrieg wenig bis nichts entgegenzusetzen. Hatte man bis dahin geglaubt, durch Frömmigkeit und das Hören auf das innere Gewissen das Christentum leben zu können, so stellt Bonhoeffer nun fest,
dass „die Zeit der Innerlichkeit und des Gewissens, und d.h. eben die Zeit der Religion“ vorbei sei. Bonhoeffer sieht eine religionslose Zeit aufkommen. Damit meint
er jedoch weniger eine Welt der völligen Säkularisierung, die wir eher damit verbinden würden. Bonhoeffer sieht eine Zeit kommen, in der Jesus Christus in einer
mündig gewordenen Welt zu finden ist. Was meint Bonhoeffer aber mit der „mündigen Welt“? Dieser Frage ist Cornelius Bormann in seinem Buch nachgegangen.
Um diese Frage zu beantworten verfolgt Bormann den biographischen und theologischen Werdegang Bonhoeffers. Er macht mit dem Leser unter anderem eine Zeitreise in das Berliner Grunewald-Viertel, in dem die Bonhoeffers seit 1916 lebten.
Die eigene Familie und die Nachbarn in diesem Akademikerviertel prägten das Denken und den Glauben Dietrich Bonhoeffers:
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Dietrichs Vater Karl Bonhoeffer war Direktor der Uniklinik für psychische–
und Nervenkrankheiten, der Charité. Er setzte neue Maßstäbe in der psychotherapeutischen Arbeit und suchte Leiden seiner vielen Patienten in der
Uniklinik zu lindern. Karl Bonhoeffer war nicht kirchlich, er war ein Agnostiker (jemand der von sich aus nichts über Gott zu sagen weiß). An ihm
konnte Dietrich zuerst erleben, was „Religionslosigkeit“ bedeutet.
Dietrichs Mutter Paula Bonhoeffer war stark von der lebensnahen Frömmigkeit der Herrnhuter Brüdergemeinen geprägt. Selbstlosigkeit, Ehrlichkeit und Einfachheit waren ihre Leitlinien.
Dietrich wurde der einzige Theologe unter den acht Kindern. Gleich mehrere Brüder waren Juristen. Sie waren daran interessiert, wie das Recht auf
Erden zur Geltung kommen kann. Ein Bruder Dietrichs sowie zwei Schwager
wurden als Mitglieder des Widerstands ebenfalls zu Kriegsende getötet.
Unter den Nachbarn befand sich z.B. der Physiker Max Planck, der mit Albert Einstein die Grundlagen für die moderne Physik legte. Die moderne
Naturwissenschaft ließ keinen Raum mehr für Vorstellungen eines „himmlischen Vaters überm Sternenzelt“.
Ein weiterer Nachbar war der zu seiner Zeit berühmteste Theologe
Deutschlands, Adolf von Harnack. Als Freund des Kaisers schrieb von Harnack zu Kriegsbeginn noch die Vorlage für die Kriegsrede Wilhelms II. Als
der Krieg verloren war musste auch Harnack umdenken und erkennen, dass
die Gesellschaft mündig geworden sei und keine Herrscher „von Gottes
Gnaden“ mehr brauchte.
Das sind nur einige Menschen, die Bonhoeffer stark geprägt haben und deren Leben und Denken Cornelius Bormann vorstellt. Diese Menschen prägen Bonhoeffers
Weg, der Gott und Jesus Christus nicht in der Ferne, nicht im Himmel, nicht im Gefühl oder Gewissen sucht – sondern mitten in diese Welt führt, die aus Fleisch und
Blut und Tränen der Freude und des Leids besteht. In dieser Welt erkennt Bonhoeffer Jesus von Nazareth als den gekreuzigten und auferstandenen Herrn der Welt.
Auf die Begegnung und Diskussion mit Cornelius Bormann dürfen wir gespannt
sein!
JHW