Interview NACHRICHTEN „Industrie 4.0 ist eine hervorragende Chance für unsere Branche“ Peter Lankes ist Chef der zur Tenova Gruppe gehörenden Business Unit HTC. Im Interview mit der ewi – elektrowärme international spricht er über technologische Trends, den diesjährigen HärtereiKongress und unternehmerische Herausforderungen. Seit zwei Jahren gehört die Metall Technologie Holding zur Tenova. Ist der Integrationsprozess nun abgeschlossen und wie treten die einzelnen Unternehmen IVA, Schmetz, Mahler, BMI und Huisen unter dem neuen Dach auf? Lankes: Die frühere MTH Gruppe ist nun eingebettet als eigenständige Business Unit (BU) in der Tenova Gruppe. Die Tenova befindet sich in Familienbesitz und ist Bestandteil des Techint-Konzerns. Mit unserer BU und der BU LOI Thermprocess in Essen und der BU Italimpianti in Genua, Italien, gehören wir sicherlich zu einer der größten Ofenbaugruppen weltweit. Die Zielsetzung der Tenova als strategischer Investor ist langfristig und nachhaltig geprägt. Schwerpunkte sind die Investition in Neuentwicklungen von Produkten und Verfahren und die gezielte Förderung und Qualifizierung von Talenten. Die einzelnen Firmen IVA, Schmetz, Mahler, BMI und Huisen werden ihren Charakter als mittelständische Firmen sowie als Spezialisten für die Herstellung und den technischen Support von Wärmebehandlungsanlagen behalten, weil dadurch die bewährte individuelle Kundennähe sichergestellt bleibt. Die einzelnen Firmen profitieren darüber hinaus besonders vom regen technischen Know-how-Transfer innerhalb und zwischen den jeweiligen BUs der Tenova. Sie präsentieren Ihr Produktportfolio auf dem HärtereiKongress (HK). Welche Bedeutung hat der HK für Ihr Unternehmen? Lankes: Der HärtereiKongress ist sicherlich die wichtigste Plattform, um die Leistungsfähigkeit unserer Unternehmensgruppe zu präsentieren. In diesem Jahr werden wir dort erstmalig eine neue Wärmebehandlungsanlage zeigen, die als „Weltneuheit“ 3-2015 elektrowärme international überraschen wird. Der InnoVA 4.0 wird sicher in unserer Branche einen neuen Trend einleiten. Wie beurteilen Sie die allgemeine Situation auf dem Weltmarkt – speziell mit Blick auf die Stahlstrukturkrise und die Entwicklung der Automobilindustrie? Lankes: Die weltweite Stahlstrukturkrise hat die Tenova dazu genutzt, sich im Stahlbereich ebenfalls neu zu strukturieren. Unsere BU ist nicht unmittelbar von der Stahlstrukturkrise betroffen und neben der Automobil- und Automobilzulieferindustrie beliefern wir viele andere Industrien wie z. B. die Luftfahrtindustrie. Sehr wohl sind wir jedoch von dem EU-Embargo für Lieferungen nach Russland betroffen. Auch die jüngsten Entwicklungen in China stimmen uns nicht zu optimistisch. Die dadurch verursachten geringeren Auftragseingänge konnten wir jedoch in anderen Bereichen kompensieren, sodass wir nach wie vor auf Wachstumskurs sind. Das Thema der Energie- und Ressourceneffizienz ist seit Jahren das Topthema der Branche. Auch Ihr Unternehmen setzt auf das Thema Nachhaltigkeit. Wird das Thema auch zukünftig die wichtigste Rolle in der Forschung und Entwicklung spielen? Lankes: Es ist sicherlich richtig, dass die Energie- und Ressourceneffizienz seit Jahren das Topthema ist, aber genau des- wegen ist es auch etwas abgegriffen. Ich glaube, dass dies Grundvoraussetzung für den Ofenbau schlechthin sein sollte, aber somit auch nichts Besonderes mehr ist. Ein ROI (Return on Investment) lässt sich bei dem derzeitigen niedrigen Ölpreis für neue Entwicklungen nur in diesem Bereich auch schwerlich darstellen. Sich nur auf Neuentwicklungen in diesem Bereich zu konzentrieren, wäre aus meiner Sicht nicht ausreichend. Wo sehen Sie unter diesen Gegebenheiten generell die aktuellen Herausforderungen für Anbieter und Betreiber von thermoprozesstechnischen Anlagen? Lankes: Industrie 4.0 wird in unserer Branche kontrovers diskutiert. Ich sehe dies jedoch als hervorragende Chance gerade für unsere Branche, denn Industrie 4.0 ermöglicht eine nahtlose Kommunikation vom Sensor bis hin zur Produktions- und Unternehmenssteuerung mit einer entspre- 37 NACHRICHTEN Interview chenden Schnittstelle zu uns als Anlagenbauer. Die Nutzung und die Möglichkeiten des Internet sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft und ich sehe hier einen enormen Nachholbedarf. Welche technologischen Sprünge erwarten Sie in der Branche? Welche Forschungsthemen werden zukünftig im Mittelpunkt stehen – jenseits der Energieeffizienz? Welche Materialien werden in den Fokus rücken? Lankes: Die Stahllegierungen zum Beispiel bei den Getriebeherstellern werden sich auch in der Zukunft nicht wesentlich ändern, die Anforderungen aber sehr wohl. Die Vorgabe „immer leichter, immer leiser und immer leistungsfähiger“ stellt besonders an die Wärmebehandlung dramatisch ansteigende Anforderungen. Dieser Trend setzt sich sicherlich weiter fort. Welche Rolle die Entwicklung der Elektroautos, die ja ohne Getriebe auskommen, spielen wird, ist wegen der infrastrukturellen Problematik noch nicht abzusehen. Das Thema „one peace flow“ und die Integration in die Fertigung werden in der Industrie seit nunmehr 30 Jahren diskutiert. In unserer Branche gab es immer mal wieder Ansätze und Ideen, die vielversprechend erschienen. Jedoch scheiterten diese immer an einem ganz entscheidenden Faktor und zwar an den Wärmebehandlungskosten pro Kilogramm, wobei die sehr hohen Investitions- und Verbrauchskosten einen wirtschaftlichen Betrieb meistens nicht sinnvoll machen. Ich bin der festen Überzeugung, dass thermochemische Verfahren wie das Einsatzhärten und das Nitrocarburieren nach wie vor in der Massenproduktion von Bauteilen die maßgeblichen Verfahren bleiben werden. Das Unterdruckaufkohlen hat sich zwar bei einigen Bauteilen zu Recht eine Nische erkämpft, jedoch wird es nie in Gänze das Gasaufkohlen ersetzen können. Wo sehen Sie Handlungsbedarf, damit Deutschland auch zukünftig als Exporteur von Maschinen und Anlagen eine wesentliche Rolle spielen kann? Lankes: „Made in Germany“ hat in vielen Ländern immer noch einen hohen Stel- lenwert, dieser wurde aber leider von uns selbst verschuldet in den letzten Jahren immer mehr verwässert. Das TCO (Total Cost of Ownership) sollte tatsächlich mehr Beachtung finden und honoriert werden. De facto wird es meistens nur als PseudoThematik berücksichtigt und spätestens bei den Einkaufsverhandlungen oft gänzlich außer Acht gelassen. Aber genau hier ist unsere Chance. Dass wir durch höhere Lohn- und Lohnnebenkosten im internationalen Vergleich nicht die „billigsten Öfen“ bauen können, liegt auf der Hand – dass wir aber das beste Paket anbieten können hinsichtlich der Kosten pro Bauteil, ist unsere Herausforderung und unsere Chance. Dabei werden Energieeffizienz und Schonung von Ressourcen quasi automatisch berücksichtigt, denn je weniger Energie pro Bauteil verbraucht wird, desto besser. Speziell für unsere Branche spielt die Verfügbarkeit einer Anlage eine ausgesprochen wichtige Rolle. Das bedeutet, dass die Verringerung von Stillstandzeiten bei Störungen ein wichtiger Baustein ist, um die „Total Cost of Ownership“ entscheidend zu reduzieren. Mit unseren Neuentwicklungen verfolgen wir genau diesen Weg. Wo sehen Sie zukünftig Ihre wichtigsten Kundensegmente – national wie international? Lankes: Die wichtigsten Kunden sind und bleiben unsere „Stammkunden“ und die, die wir überzeugen können, es zu werden. Herr Lankes, wir bedanken uns für dieses Gespräch. Vita ■■ Geboren am 10. April 1958 Ausbildung: ■■ Studium des Allgemeinen Maschinenbaus mit Schwerpunkt Thermodynamik Abschluss: Diplom-Ingenieur ■■ Studium der Betriebswirtschaftslehre Abschluss: Diplom-Wirtschaftsingenieur 38 Beruflicher Werdegang: ■■ Leitende Tätigkeit bei der GKN ■■ Leitende Tätigkeiten und Geschäftsführer bei der Firma Ipsen ■■ Chef der Business Unit „Heat Treatment Components“ (HTC) bei der Tenova ■■ CEO bei IVA, Schmetz, Mahler, BMI, Huisen, Riva elektrowärme international 1-2015
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