ASYL HASS

~
Krieg
Tod
Schlepper
ASYL
Leid
Hilfe
Ärzte
Mittelmeer
Aufnahmeeinrichtung
Einsamkeit
Migration
IS
Syrien
Angst
Irak
Missbrauch
Terror
Kosovo
Zeltstadt
Integration
Afghanistan
Rassismus
Sprache
Hilflosigkeit
Frontex
Wirtschaftsflüchtling
Planlosigkeit
Refugee
Grenzen
Europa
Zäune
Hunger
Registrierung
HASS
besorgte Bürger
Nazis
Brandanschläge
Notunterkunft
Hilfsaktion
Flüchtlinge
Pegida
Asyltourismus
Bootsflüchtlinge Durst
Ertrinken
Das Straßen
in-draussen.de
| www.strassenmagaz
Ersticken
und das Münsterland
magazin für Münster
10 | 15
¤ 1,60
1
Editorial
Ihr ~ - Verkäufer hat die Nummer:
Liebe Leserinnen
und Leser,
zum großen Thema „Flüchtlinge“ können wir wohl als Monatsmagazin leider nie ganz aktuell sein. Täglich gibt es neue
Nachrichten. Grenzen auf, Grenzen zu, Proteste, Anschläge auf
Unterkünfte, Hilfsaktionen von Zivilbürgern… Als wir Anfang
September begonnen haben, diese besondere Füchtlingsausgabe
zu machen, fanden wir die Zahlen schon immens. Inzwischen
erreichen fast jedes Wochenende mehrere 10.000 Hilfesuchende
zumindest die österreichische Grenze. Die Europäischen Länder
streiten weiterhin über Zuständigkeiten, Gelder und Aufnahme.
Die ehrenamtlichen Helfer sind am Rande ihrer Kräfte.
nicht berücksichtigt, da sie nicht als Leistungsempfänger erfasst
sind. Und doch sind sie da. Suchen für sich und ihre Kinder einen
Weg aus Diskriminierung und Armut.
Beinahe alle haben eine Meinung zur Migration und meist eine
dezidierte. Es ist schwierig, den Polarisierungen zu entgehen.
Gerne verdächtigt man gerade finanziell Schwache, Fürsorgeabhängige oder Asylsuchende, auf dem Rücken der Steuerzahler ein
Leben wie Gott in Frankreich zu führen. Das kennen auch unsere
sozial benachteiligten ~-Verkäufer. Unsere rumänischen
Verkäufer z.B. erhalten keinerlei Unterstützung, kein Hartz4 und
keine Sozialhilfe. Sie sind in den offiziellen Statistiken überhaupt
Sabrina Kipp
2
Klar ist, selbst wenn die Situation in einem Land schrecklich ist,
sind der Aufnahme- und Integrationskapazität Grenzen gesetzt.
Nichts desto trotz können Mollies und Steine auf Flüchtlingsunterkünfte keine Lösung bringen. Und egal, mit wem man über
das Asylproblem ins Gespräch kommt, einen wirklichen Lösungsansatz hat niemand.
Redakteurin ~ e.V.
„meinKarneval“ zeigt jedem die
besten Örtchen des Karnevals.
Was ist eure Idee?
Bewerbt euch bis zum 18.10.2015
mit eurer Idee für euren Verein bei der
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erhalten 10.000 € bis 500.000 €.
g.co/EureIdee
3
DANKE
DANKE
DANKE
DANKE
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Wir brauchen ständig!
DANKE
#
Es gibt Dinge, die kann man immer gebrauchen – unabhängig von Jahreszeit und
besonderen Festen. So ist das bei uns auch. Unsere Verkäufer freuen sich zu jeder
Zeit über einen guten Kaffee mit Milch, benötigen rund ums Jahr Hygieneartikel,
ebenso Verpflegung für ihre Hunde. Wenn Sie etwas übrig haben oder uns
unterstützen möchten, haben wir ein paar Vorschläge aufgelistet mit Artikeln, die
immer gebraucht werden.
ƒƒ Kaffee, Zucker, Kaffeeweißer
ƒƒ haltbare Konserven oder Gläser: Wurst, Fisch, Marmelade, Honig,
Nusscreme, Eintöpfe, Heißwürste, Nudeln, eingemachtes Obst und Gemüse,
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ƒƒ Seife, Duschgel, Schampoo, Zahnpasta, Zahnbürsten, Rasierschaum,
Einwegrasierer, After Shave, Hand/Hautcreme
ƒƒ Tempotaschentücher, Toilettenpapier, Küchentücher
ƒƒ Schokoladentafeln, Plätzchen/Kekse, Bonbons, Weingummi
ƒƒ Tabak, Blättchen, Zigaretten, Feuerzeuge
ƒƒ Hundefutter, Hundedecken, Näpfe
äsche spenden!
te Unterw
Bitte keine gebrauch
So erreichen Sie uns
Direkt und persönlich zur Abgabe von
Spenden und zum Kennenlernen:
Im Internet zur Information:
www.strassenmagazin-draussen.de
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Von-Kluck-Straße 15
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Telefonisch: 0251 / 49 09 11 8
4
Impressum
Herausgeber
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Tel.: 0251 / 49 09 11 8
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Redaktionsteam
Horst Gärtner (V.i.S.d.P)
Sabrina Kipp
Jonas Lichtenstein
Rolf Meyer
Streetwork
Sabrina Kipp
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Internetseite
www.strassenmagazin-draussen.de
Administrator: Cyrus Tahbasian
Texte
Bianca Austin, Juliane Büker, Alex
Frederickson, Horst Gärtner, Doris Goez,
Hannes Hennemann, Michael Heß,
Benedikt Kern u. Julia Lis, Garance Martin,
Katrin Moser, Annette Poethke, Manuel
Schumann, Urs-Adrian von Wulfen
Fotos
Caner Akkaya, Casa Providenti, Alex
Frederickson ,Michael Heß, Saskia Konz,
Markus Lewe, Presse Omid Nouripour,
Pressestelle Bistum Münster, Marieke
Reichert, spdfraktion.de (Susie Knoll/
Florian Jänicke), Urs-Adrian von Wulfen
Inhalt
2Editorial
Flüchtlinge
6
ES SIND MENSCHEN…
Aber nicht alle sind menschlich.
8
Der Grünen-Politiker Omid Nouripour
„Wir brauchen einen Schulterschluss der Demokraten“
11Kirchenasyl
Prophetische Praxis und politisches Mittel
12
Niemand verlässt gerne sein Zuhause
Kinder auf der Flucht
14
Zwischen zwei Welten!
Kinder mit Migrationshintergrund
15
Humanitärer Einsatz
Interview mit Zahnarzt Dr. Hans-Wilhelm Rintelen
16
Titelfoto
Rolf Meyer
Die normative Kraft des Faktischen
In der Flüchtlingsfrage holt die Realität die Illusionen ein
Layout und Titelgestaltung
Jonas Lichtenstein
Rolf Meyer
[email protected]
17
Gestaltungskonzept
Lisa Schwarz/Christian Büning
18
Druck
Gutverlag Druck & Medien
Auflage 10 000
Unterstützt durch
Siverdes-Stiftung
Bankverbindung
Sparkasse Münsterland Ost
Konto-Nr. 34 205 427
BLZ 400 501 50
Spenden-Konto
Sparkasse Münsterland Ost
Konto-Nr. 33 878
BLZ 400 501 50
IBAN DE 4540 0501 5000 0003 3878
BIC WELADED1MST
Auch Flüchtlinge haben Rechte
Bitte beachten Sie unsere
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Rätsel und des Rätsels Lösung
Auflösung und neues Rätsel
20
Flüchtlinge in Deutschland
Regnet es in Münster, oder läuten die Glocken?
21
Endspurt bei den Baumscheiben!
Gärtnern auf kleinstem Raum
22
Wir sollten Roma nicht zurückführen
Interview mit Christoph Strässer
24
Hilfe ist nicht gleich Hilfe
Die Hilfen für Flüchtlinge fallen EU-weit sehr unterschiedlich aus
Wir danken allen Spendern!
Artikel, die namentlich gekennzeichnet
sind, geben nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion wieder.
Die Genfer Flüchtlingskonvention
26
Anschläge auf Flüchtlinge in Deutschland
Hass
27
Kontinuität und Verweigerung
Die Wahl des Oberbürgermeisters liefert zwei deutliche Antworten
28
Columne: „~ auf Cuba“
Christliche Trolle
#
29
Neues aus dem Familienrecht
Verwendung von Sparguthaben minderjähriger Kinder
30Lesen
Ulrich Burchert: Bunte DDR - Bilder aus einem lebendigen Land
31Rezepte
Kulinarische Vielfalt
32Schlussakkord
Können wir das schaffen?
5
Bericht | Text | Fotos: Alex Frederickson
ES SIND MENSCHEN…
Aber nicht alle sind menschlich.
Als ich eingeladen wurde, einen Beitrag
über Flüchtlinge zu schreiben, musste
ich dreimal überlegen, welches Thema
ich behandeln wollte. Es sind so viele,
dachte ich. Zu viele. Die Situation ändert
sich von Minute zu Minute. Mir war wirr
im Kopf.
Es war alles unnötig, diese Verwirrung. Es gibt hier eigentlich nur ein
Thema. Menschen. Es sind Menschen,
die vor der grausamen Verfolgung und
dem Tod fliehen. Es sind Menschen, die
ihnen Sicherheit versprechen und sie
ertrinken lassen. Es sind Menschen, die
mit jeder Art von Hilfe sie an den Bahnhöfen in Deutschland und Österreich
empfangen,und es sind Menschen, die
sie weiter versorgen.
Es sind auch Menschen, die Hasspostings im Internet schreiben. Menschen,
die Flüchtlingsheime niederbrennen.
Menschen, die „Ja, aber“ bis zum Überdruss wiederholen.
Es sind alle Menschen, aber nicht alle
sind menschlich.
Zwei Wörter, die sehr ähnlich klingen,
aber die sich himmelweit unterscheiden.
Der Unterschied? Empathie – die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen
(Duden).
Schon als Kind habe ich mich immer
mit denen angefreundet, die keine
Freunde hatten und streunende Tiere
mit nach Hause gebracht. Später wurde
ich Krankenschwester für Psychiatrie,und
jetzt schreibe ich über Menschen,die
sich am Rande unserer zunehmend ichbezogenen Gesellschaft befinden. Bin ich
so geboren, oder habe ich das gelernt?
Psychologen meinen, dass EmpathieFähigkeit angeboren ist, aber aufgrund
unserer (Kindheits)erfahrungen können
wir lernen, mehr oder weniger empathisch zu werden. Ich habe da Glück
gehabt: In der Schule in England wurde
ich mit zehn Jahren gemobbt, weil mein
Vater Deutscher ist und manche meiner
Mitschüler mich als Nazi bezeichnet
haben. Eine wertvolle Erfahrung, die
mir gezeigt hat, wie es ist, Außenseiter
zu sein und mit Sicherheit an meinem
Lebensweg bestimmend mitgewirkt hat.
Dass ich vertriebenen Menschen jetzt
helfen will, ist also klar. Ich würde sogar
soweit gehen zu sagen, dass jeder, der
stark engagiert ist, einen persönlichen
Grund dafür hat, auch wenn der Grund
unbewusst oder in der fernen Vergangenheit versteckt ist. Helfen tut uns gut.
Geben tut uns gut.
Wir sind alle ein Produkt unserer
Umwelt, die Hasser auch. Sie haben wohl
eher schlechte Erfahrungen gemacht, die
ihre Beziehungen zu anderen beeinflusst
haben. Konditionierung, Unwissenheit
und Angst spielen auch eine Rolle. Wer
sich über den Tod des kleinen Aylan Kurdi
oder das tragische Schicksal der 71 Opfer
eines unmenschlichen Schleppers freuen
kann, hat ein tief verwurzeltes Problem,
und einen großen Einstellungswandel
sollten wir nicht erwarten.
Ich interessiere mich für die Menschen,
die irgendwo in der Mitte stecken. Im
Niemandsland. Menschen, die unsicher,
schlecht informiert oder altmodisch
und etwas veränderungsresistent sind.
Empathie fähig sind die meisten, und
ihre Befürchtungen können mit der Zeit
und positiven Erfahrungen zerstreut
werden.
Ich habe selber so eine gute Freundin.
Sie ist alt, und obwohl sie sehr sozial und
freundlich ist, wird sie sehr nervös, wenn
sie ihre Komfortzone verlassen muss. Als
ich angefangen habe, mit den Bettlern
und Obdachlosen in Salzburg zu arbeiten,
war sie echt erschrocken. Wir haben ein
langes Gespräch darüber geführt, und
ich habe sie eingeladen, irgendwann
mit mir dahinzufahren. Sie war damals
nicht soweit, und ich habe ihr einfach in
den folgenden Wochen Fotos von meinen
neuen Freunden gezeigt und immer
wieder etwas über sie erzählt. Und dann
kam er. Der große Moment.
„Alex, wenn du das nächste Mal nach
Salzburg fährst, fahre ich mit.“
Ich habe nicht viel gesagt – ich wollte
keine große Sache daraus machen – und
wir haben einfach einen Tag in der
nächsten Woche vereinbart.
Und da stand sie, die Frau, die
wegen Unsicherheit und Angst jede Art
von Außenseiter vermeidet. Da in der
berühmtesten Straße Salzburgs, wo mein
Freund Daniel, der schwerbehinderte
6
Mann aus dem (ehemaligen) Jugoslawien, immer bettelt. Als wir langsam zu
ihm gelaufen sind, hielt sie sich fest an
meinem Arm und ich spürte, wie nervös
sie wirklich war. Ich legte meine Hand
auf ihre, und als er uns sah, holte sie
tief Luft. Sie erwiderte schüchtern sein
breites warmes Lächeln, und als er uns
mit seinem gewohnten Charme und den
Wörtern,
„Na Alex, wer ist denn diese schöne
Frau?“ begrüßte, schmolz sie wie Butter
in der Sonne.
Der Rest war ein Kinderspiel. Sie legte
sehr sorgfältig einen Zehner in den
üblichen Milchkarton, der zwischen
seinen atrophierten Füßen stand, und
als sie ganz normal mit ihm plauderte,
bemerkte sie die feindseligen Blicke der
Passanten gar nicht. Als wir uns ein wenig
später verabschiedeten, nahm sie ganz
behutsam seine deformierte Hand und
wünschte ihm alles Gute. Die Begegnung
war kurz, aber voller Bedeutung, und
ihr unsicherer Gang sprach Bände. Ich
schlug vor, dass wir Kaffee trinken gehen
sollten, und als ich ihr einige Minuten
später über den Rand meiner Kaffeetasse
einen Blick zuwarf, sah ich, dass ihre
Augen voller Tränen waren.
„Dieser arme Mann“ flüsterte sie.
„Dieser arme Mann.“
Das ist sechs Monate her, und jetzt
haben wir Flüchtlinge in unserem kleinen Ort in den Bergen. 17 Männer aus
Afghanistan, Syrien und dem Irak. 17
Männer, die unsere Hilfe brauchen.
Der Ort ist wie jeder andere Skiort –
hier kommen Skifahrer im Winter und
Wanderer im Sommer. Die überwiegende
Mehrzahl der Bevölkerung ist hier geboren, und der Nahe Osten und seine blutigen Konflikte sind weit weg. Es ist dann
nicht überraschend, dass das plötzliche
Erscheinen dieser 17 Männer, die kein
Deutsch sprechen und auch anders aussehen, viele Leute im Ort etwas unsicher
macht.
Für mich und alle anderen, die helfen,
ist es eine Herausforderung. Es sind
Menschen, die hier sind. Menschen, die
trotz des Traumas, trotz der Sprachbarriere, trotz der kulturellen Unterschiede
und obwohl sie so gut wie nichts haben,
sehr froh sind, hier bei uns zu sein.
Aber auch die Einheimischen sind
Menschen und unsicher. Irgendwie müssen wir Brücken schlagen. Einfach ist es
nicht.
Letzte Woche habe ich die Teamleiterin
von der Gemeinde gefragt, was noch
gebraucht wird. Hygieneartikel, sagte
sie. Hygieneartikel und Winterkleidung.
Winterkleidung wird erst im Winter
gebraucht, dachte ich, Hygieneartikel
brauchen sie aber sofort. Ich habe gleich
ein Schild gemacht, bin zum nächsten
Ort gefahren und stand drei Stunden vor
einem bekannten und gut besuchten
Geschäft. Die Reaktionen der Passanten
haben mich an Daniel erinnert. Viele
Leute haben mich entweder ignoriert
oder mir einen bösen Blick zugeworfen.
Einige haben großzügig gespendet und
eine Frau hat mir,
„Schäm dich, dass du diesen Leuten
hilfst!“ zugerufen.
„Nein“ habe ich ganz ruhig geantwortet, „Schäm du dich!“
Ich will ihnen sagen, dass ihre Wörter
und die böse Blicke mich nicht getroffen
haben. Es wäre aber nicht die Wahrheit.
Als ich nach Hause fuhr, kamen mir die
Tränen - für Daniel, für Ionela, für Doru
und für Obdachlose überall in der Welt,
die zum Betteln gezwungen sind um
zu überleben. Mein Gott! Das sind auch
Menschen!
davon erzählte, hat sie mich für einen
langen Moment nur angeschaut.
„Warum machst du das? fragte sie
empört. „Warum lässt du dich für
Menschen, die du gar nicht kennst, so
beschimpfen?“
Ich unterdrückte einen Seufzer und
schaute sie ruhig an.
„Erinnerst du dich an Daniel?“ sagte
ich leise.
Sie senkte den Blick und schwieg.
Zwei Tage später saß ich mit den
Männern zusammen. Sie haben für mich
gekocht, und nach dem Essen haben wir
geredet. Als Krankenschwester für Psychiatrie habe ich viel erlebt, gehört und
gesehen, was im normalen Leben selten
erlebt, gehört oder gesehen wird. An
diesem Abend aber habe ich Geschichten
gehört, Bilder und Videos gesehen, die
man nie sehen, geschweige denn erleben
sollte. Abscheuliche Grausamkeit ist ein
Teil der Konflikte in den Heimatländern
dieser Männer. Ich habe versprochen,
hier nicht darüber zu schreiben.
Während ich schreibe, arbeitet im
Haus meiner älteren Freundin schon zum
dritten Mal in dieser Woche ein Mann aus
dem Irak. Nervös ist sie immer noch, aber
es zeigt, dass die Menschlichkeit doch
stärker als die Angst sein kann! #
Als ich später meiner älteren Freundin
7
Bericht | Text: Manuel Schumann | Foto: Presse Omid Nouripour
Der Grünen-Politiker Omid Nouripour
„Wir brauchen einen Schulterschluss der Demokraten“
Der Grünen-Politiker Omid Nouripour
über Gewalt gegen Flüchtlinge, bundesweit vernetzte Extremisten sowie
Angela Merkels Krisenpolitik.
~: Herr Nouripour, wie beschreiben
Sie das derzeitige gesellschaftliche Klima
in Deutschland?
Nouripour: In einem Wort: gut.
~: Und in mehreren Wörtern?
Nouripour: Die jetzige Hilfbereitschaft ist
riesig und nicht vergleichbar mit jener
Anfang der 90er Jahre. Das Engagement
vieler Bürger ist beeindruckend. Dass es
allerdings auch einige wenige Leute gibt,
die dem Ansehen unseres Landes schweren Schaden zufügen, gehört ebenfalls
zur Wahrheit.
~: Laut der Amadeu-AntonioStiftung sind in diesem Jahr bislang
über 500 Angriffe auf Flüchtlinge verübt
worden - hätten Sie so etwas vor zwei
Jahren für möglich gehalten?
Nouripour: Auch wenn es traurig
klingt: All das kommt für mich nicht
überraschend. Denken Sie an die vielen
Anschläge auf Moscheen der vergangenen Jahre. Dass die rechten Brandstifter
auf die steigende Zahl der Flüchtlinge
ebenfalls mit Gewalt reagieren, passt da
leider ins Bild. In der Rolle als außenpolitischer Sprecher meiner Fraktion habe
ich häufig mit Menschen zu tun, die aus
dem Ausland auf Deutschland schauen.
Glauben Sie mir, vieler dieser Leute reiben sich verwundert die Augen.
„Sommermärchen 2006“, dieser großartigen Weltmeisterschaft, hat Deutschland
den Ruf eines gastfreundlichen, aufgeschlossenen und fröhlichen Landes. Dieselben Leute, die mich damals begeistert
anriefen, um mir mitzuteilen, wie
toll ihnen dieses Deutschland gefalle,
dieselben Leute fragten mich zuletzt
völlig überrascht: Was ist denn bloß los
bei Euch? Die TV-Berichte, in denen zu
sehen ist, wie Rechtsradikale vor Flüchtlingsheimen wüten, führen auch im
Ausland zu großer Verunsicherung. Die
berührenden Bilder der Hilfsbereitschaft
der letzten Tage haben aber zum Glück
einiges wieder gerade rücken können.
~: Inwieweit stecken organisierte
Rechte hinter den Brandanschlägen auf
Flüchtlingsunterkünfte?
Nouripour: Es ist sehr deutlich, dass
all das im Hintergrund organisiert und
gesteuert wird. Das gehört offenbar zu
einer neuen Strategie der NPD und deren
Ableger.
~: Dem Bundeskriminalamt liegen
nach eigenen Angaben keine Informationen vor, dass es sich bei den Attacken
um „vernetzte oder bundesweit gesteuerte Aktivitäten handeln könnte“.
Nouripour: Es ist frustrierend zu sehen,
dass diejenigen Informationen, die die
Antifa über rechte Strukturen darlegt,
deutlich aussagekräftiger sind als jene,
die unsere Sicherheitsdienste vorlegen.
Das sollte uns zu denken geben.
~: Und wie sieht sie aus, die neue
Strategie der rechten Szene?
Omid Nouripour ist ist außenpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Menschenrechtsausschuss
des Bundestages
vor Fremden eine besondere Angst vor
islamistischen Extremisten gibt. Auf
diesen Zug wollen sie aufspringen, um
ihre alte menschenfeindliche Ideologie
zu verkaufen. Deswegen müssen wir
zusätzlich zu den bewährten Instrumenten den Kampf gegen Rechtsradikalismus
kontextualisieren. Nazis und Islamisten
brauchen einander, deswegen müssen
wir sie beide bekämpfen.
~: Das heißt?
Nouripour:
Spätestens
nach
dem
Nouripour: Die Nazis haben erkannt,
dass es neben der allgemeinen Furcht
~: Was wollen Sie damit sagen?
Diese Seite wird gesponsert von Siegfried Kurz | www.wigbold-wolbeck.de
8
Dass die derzeitige Situation der NPD
die Chance gibt, bestimmte Bürger
auf ihre Seite zu ziehen. Ähnliches
sehen wir bei ISIS und den Salafisten.
Daher mein Appell: Wir brauchen einen
Schulterschluss der Demokraten. Es ist
wichtig, dass wir uns gegen die Feinde
der Demokratie stellen. Dabei sollten
wir weder den Osten gegen den Westen
ausspielen noch Ausländer gegen Deutsche. Nein, im Fokus sollte stets nur eines
stehen: Demokraten stehen auf gegen
Extremisten.
~: Die Polizei ist oftmals überfordert, Festnahmen gibt es während und
nach derlei Ausschreitungen nur selten
– ein Armutszeugnis für die Demokratie?
Nouripour: Ich bin vorsichtig mit schnellen Urteilen über die Arbeit der Polizei.
Richtig ist, dass zum Beispiel in Heidenau
spätestens nach der dritten Nacht klar
war, was da passiert und was zu tun
ist. Jeder sah: Die Vorbereitungen waren
nicht ausreichend. Das ist aber keine
Frage von einzelnen Polizeibeamten,
sondern hier geht es vorrangig um die
Rolle des Innenministers. Fakt ist: Herr
Ulbig ist seiner Verantwortung nicht
gerecht geworden.
~: Es ist noch nicht lange her, da
waren sich fast alle Politiker einig, die
NPD würde bald zerfallen - Geldnot,
interne Streitereien, rückläufige Mitgliederzahlen. Sehen Sie nun eine gegenläufige Entwicklung?
Nouripour: Die NPD befindet sich weiter
auf dem absteigenden Ast. Das liegt
allerdings nicht daran, dass weniger
Leute für deren Propaganda empfänglich
sind. Sondern zu einem großen Teil an
der Präsenz der AfD. Die Partei besetzt
Themen, die sonst nur für NPD und Konsorten infrage kommen. Wir benötigen
daher eine klare Sprache und zugleich
eine deutliche Verurteilung all der fremdenfeindlichen Aktionen.
~: Das wird vermutlich nicht reichen, oder?
Nouripour: Die Kommunen brauchen
unsere Hilfe. Zudem muss für die Menschen vor Ort spürbar sein, dass diese
Riesenaufgabe zu leisten ist. Schließlich
sind wir angewiesen auf die Zivilgesellschaft. Wir sollten die vielen engagierten
Bürger ermutigen – und sie auf keinen
Fall im Regen stehen lassen. Hier ist vor
allem die politische Führung gefragt.
Leider hat die sich in den vergangenen
Wochen nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
~: Im September rief Angela Merkel
zu Mitgefühl mit den Flüchtlingen auf,
warnte vor Rechtsradikalen und kündigte
zugleich ein hartes Vorgehen des Rechtsstaates gegen Gewalttäter an...
Nouripour: ...Ich habe in der Tat den
Eindruck, dass vieles sich zum Besseren
gewendet hat. Das hat auch damit zu
tun, dass die Frau Bundeskanzlerin
endlich die richtigen Worte findet. Es
ist mir allerdings ein Rätsel, weshalb
die Kanzlerin wochenlang geschwiegen
hat. Sie hat – mal wieder – erst reagiert,
als entsprechende Umfrageergebnisse
veröffentlicht wurden. Dieses Zögern ist
fahrlässig. Denn es gehört zur politischen
Verantwortung, bei solch wichtigen
Themen rechtzeitig die richtigen Worte
zu finden. Frau Merkel hat einiges laufen
lassen.
Nouripour: Die Frage ist doch: Kann eine
Person, die rechtes Gedankengut hegt,
sich durch Äußerungen von Politikern
bestätigt fühlen? Da zündet jemand ein
Flüchtlingsheim an und sieht anschließend im Fernsehen, dass ein Politiker
von guten und schlechten Flüchtlingen
spricht - na super! Kurzum: So etwas
verändert den Ton in der Debatte und
ist daher auch ein Anreizprogramm für
Verwirrte.
~: Würden Sie also sagen, Ihre
Kollegen von der CSU trügen eine indirekte Verantwortung für die Attacken auf
Flüchtlinge?
MS_Anz_draußen_42,7x126_sw_RZ.pd
Anzeige
~: Inwiefern?
Nouripour: Wenn ich mir die Aussagen
des bayerischen Innenministers Herrmann anhöre, wird mir schlecht. Und
ich meine jetzt nicht die unsägliche
C
„Neger“-Äußerung, sondern seine kruden Thesen zur Flüchtlingspolitik.
M
~: Zum Beispiel?
Y
CM
Nouripour: Wer in einer Talkshow
behauptet, es sei eine Beleidung der
deutschen Vertriebenen, würde manMYdie
jetzigen Flüchtlinge ebenso bezeichnen,
CY
der ist nicht tragbar. Da fallen mir
spontan derart viele Adjektive ein, dass
CMY
ich mir auf die Zunge beißen muss, eben
K
jene nicht auszusprechen.
~: Sie gehören also nicht zu denjenigen, die sagen, die Wirkung etwaiger
Aussagen in Talkshows wird überschätzt?
Nouripour: Nein. Bei solchen Sätzen wird
die Wirkung definitiv nicht überschätzt.
~: Was antworten Sie denen, die
sagen: Das rechte Gedankengut, all der
Hass, ist doch schon vorher in den Köpfen dieser Menschen gewesen, die nun
pöbelnd mit Bierflaschen in der Hand
Richtung Flüchtlingsheim ziehen?
9
Nouripour: Nein, derlei würde ich noch
nicht einmal meinen „Freund“ Joachim
Herrmann vorwerfen. Jede Gewalttat
steht für sich allein – und ist nicht durch
vorherige Aussagen von Politikern zu
begründen oder zu relativieren. CSUler
sind keine Nazis. Dennoch: Teile der
Union konterkarieren mit solch blödsinnigen Sätzen den Schulterschluss, von
dem ich eben sprach. Die CSU-Führung
trägt mit ihren teils unverantwortlichen
Aussagen zu einer Verschärfung der
Stimmung im Land bei. Und das ist, mit
Verlaub, nicht nur unnötig, sondern auch
dumm und gefährlich. Aber offenbar hat
die CSU Angst, rechte Wähler zu verlieren.
~: Ziehen Sie denn nicht in
Betracht, dass Herr Herrmann von all
dem überzeugt ist, was er in den Talkshows sagt?
Nouripour: Dann wollte ich keinen
Schulterschluss mit dem Mann; dann
wäre er nämlich kein Demokrat. Wer
allen Ernstes Vertriebene nach ihrer Herkunft klassifiziert, der hat offensichtlich
ein Problem. Denn das greift die Gleichheit aller Menschen an, die Grundpfeiler
unserer Demokratie ist.
~: Herr Herrmann sagt, er habe sich
nicht auf Flüchtlinge aus Syrien bezogen,
ihm gehe es um „Wirtschaftsflüchtlinge“.
Nouripour: Es geht darum, dass er
in seinen Aussagen absichtlich Dinge
unklar lässt, und sich dann hinterher
mit Erklärungen rauswindet. Wenn er
ernsthaft eine Lösung für Flüchtlinge aus
dem Balkan finden möchte, dann sollte
er klar sagen, dass es dort zum einen
Minderheiten wie die Roma gibt, die
ernsthaft verfolgt sind und die wir im
Sinne unseres Grundgesetzes aufnehmen
müssen. Und zum anderen, dass wir
dringend Zuwanderung brauchen. Und
deshalb brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, damit Menschen, die hier
arbeiten wollen, Zugang zum deutschen
Arbeitsmarkt bekommen.
~: In den vergangenen Wochen
wurde viel über die Wortwahl der Politiker und Medien diskutiert – es ging
unter anderem um die Wörter „Asylkritiker", „Pack", „besorgte Bürger“ oder
„Dunkeldeutschland“. Herr Nouripour,
wie bezeichnen Sie Bürger, die gegen die
Aufnahme von Flüchtlingen demonstrieren?
Nouripour: (überlegt) Das kann man
gut mit Pegida vergleichen. Auch das
sind ja zum Glück nicht alles Leute, die
Brandanschläge verüben oder eben jene
gutheißen. Trotzdem steht für mich fest:
Pegida ist Rassismus. Da sind zwar auch
Bürger dabei, die für berechtige Anliegen auf die Straße gehen, Stichworte
Altersarmut oder Rentenkürzungen. Aber
die Überschrift der ganzen Geschichte
lautet nun mal: Gegen die Islamisierung
des Abendlandes. Kurz: Ein Sündenbock
für alle Probleme. Das ist der Klassiker
dessen, was man Rassismus nennt.
~: Noch mal: Wie nennen Sie diese
Leute?
Nouripour: Rassisten. Es heißt ja immer,
wir müssten die Ängste der Menschen
ernst nehmen. Das klingt erst mal ganz
nett. Die entscheidende Frage lautet
allerdings: Wie berechtigt sind deren
Ängste? Und noch entscheidender: Auf
wessen Kosten werden sie ausgelebt?
Viele syrische Flüchtlinge sind gerade so
mit dem Leben davongekommen. Was
ist mit deren Ängsten, wenn deren Heime
brennen? Diese Familien sind verzweifelt
und haben Situationen erlebt, die sich
die meisten von uns gar nicht vorstellen
können. In einem Satz: Keine Angst
rechtfertigt Rassismus. #
Anita sucht Waschmaschine
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Seit 50 Jahren
Bericht | Text: Benedikt Kern, Julia Lis
Kirchenasyl
Prophetische Praxis und politisches Mittel
Das Thema Flucht und Migration bewegt
im Moment viele Menschen: Einerseits
erleben wir brennende Flüchtlingsunterkünfte und die immer wieder im
öffentlichen Diskurs auftauchenden
Unterscheidungen zwischen guten und
schlechten, nützlichen und unnützen,
gewollten und nicht gewollten Flüchtlingen, und andererseits beobachten
wir auch eine zunehmende Sensibilisierung für die Situation geflüchteter
Menschen in Teilen der Zivilgesellschaft,
auch etwa in den Kirchen. So fordert
das Thema Flucht und Migration Engagierte in kirchlichen wie in sozialen und
politischen Gruppen und Bündnissen in
vielerlei Hinsicht neu heraus.
Kirchenasyl zwischen Hilfe im Einzelfall
und politischer Praxis
Das Institut für Theologie und Politik in
Münster setzt sich schon seit Längerem
theologisch wie praktisch-politisch mit
der Frage nach Bleiberecht, Bewegungsfreiheit und der Überwindung des derzeitigen Asylsystems auseinander. Seit
einem Jahr geschieht das auch im Rahmen
des Bündnisses gegen Abschiebungen
in Münster, das die herrschende Praxis
der Abschiebungen in der Öffentlichkeit
anklagt. Aus diesem Bündnis heraus ist
das Netzwerk Kirchenasyl Münster entstanden. Unsere Idee dabei ist es, offensiv in Kirche und Stadtgesellschaft das
Thema Kirchenasyl als politische Praxis
in den Blick zu nehmen, um die strukturellen Konsequenzen der gegenwärtigen
Asylpolitik zu thematisieren. Diesem
Verständnis nach soll Kirchenasyl nicht
nur als humanitäre Hilfe dort dienen, wo
alle anderen Mittel ausgeschöpft sind,
sondern auch über den Einzelfall heraus
auf das generelle Problem einer Flüchtlingspolitik verweisen, die strukturell
Leid produziert und ein Leben in Würde
verhindert.
Ein solches Anliegen stellt einen
schwierigen Spagat dar: Es gilt den
Einzelfall, die Situation der konkreten
betroffenen Menschen im Blick zu behalten und abzuwägen, was ihnen jeweils
am besten nützt, ohne dabei den Blick
für das große Ganze zu verlieren, dafür,
dass auch die beste Hilfe im Einzelfall
nichts daran ändern kann, dass eine
Politik weitergeht, die sich nicht nach
den Bedürfnissen und Rechten der Menschen, die auf der Flucht sind, ausrichtet.
Gerade deshalb erscheint es dringend
notwendig, dass diejenigen, die an der
Praxis des Kirchenasyls weiterarbeiten
und sich in diesem Bereich engagieren
wollen, sich organisieren und vernetzen,
vor allem auch lokal; einerseits um sich
über Schwierigkeiten zu beraten und
gemeinsam nach Lösungen zu suchen,
andererseits um in Fragen von Flucht
und Migration die Stimme zu erheben.
Umkämpfte Praxis: Staatliche Angriffe
auf das Kirchenasyl
Die Diskussion um das Kirchenasyl hat
vor einigen Monaten wieder verschärfte
Brisanz erreicht und Aufmerksamkeit
geweckt. So gab es einen massiven verbalen Angriff von Bundesinnenminister
de Maizière auf das Kirchenasyl, der
mit dem Versuch einherging, dieses zu
delegitimieren: Er hatte gesagt, er lehne
als Minister das Kirchenasyl fundamental und prinzipiell ab und verkündet, es
gehe nicht an, dass sich damit Kirchen
eigenmächtig über bestehende Gesetze
hinwegsetzen. Im Anschluss an diese
Äußerungen kam es zu Gesprächen zwischen Bundesinnenministerium und Kirchenvertretern, woraufhin eine Einigung
in Sachen Kirchenasyl verkündet wurde.
Bei genauerem Hinsehen offenbart sich
jedoch deren Haken: Die neue Regelung,
die nun erst einmal in einem sechsmonatigen Pilotprojekt, das im Herbst dieses Jahres ausläuft, erprobt werden soll,
besagt nämlich, dass potentielle Kirchenasyslfälle zuerst vom BAMF überprüft
werden müssen. Eine solche Überprüfung aber bedeutet de facto auch eine
Aushöhlung der kritischen Potentiale,
die das Kirchenasyl mit sich bringt: Dann
wäre das Kirchenasyl nur noch eine
Unterbringung auf Kosten der Kirchen,
die dann erfolgt, wenn die zuständige
Behörde selber einsieht, einen Fehler
gemacht und bestimmte Umstände nicht
ausreichend berücksichtigt zu haben, so
dass sich die Notwendigkeit einer neuen
Prüfung des Falles ergibt.
Parteiliche Solidarität als Auftrag der
Kirchen
Dem entgegen steht eine kritische
Funktion der Kirchen, die ihnen von
ihrem eigenen Selbstverständnis her
geboten ist: parteilich für die Unterdrückten und Schwachen einzutreten,
sich für die Würde aller Menschen einzusetzen. Aus dieser Tradition heraus sind
Protest und Einspruch dringend geboten. Denn um die Situation aller derer,
die unter der jetzigen Asylpolitik leiden,
dauerhaft zu verbessern, bedarf es des
politischen Stachels, auch seitens der Kirchen. So hoffen wir auf viele Gemeinden
und Ordensgemeinschaften, die sich den
staatlichen Versuchen, Kirchenasyle zu
behindern und sich gegen Kritik an der
menschenverachtenden
europäischen
Flüchtlingspolitik zu immunisieren, mutig
entgegenstellen und sagen: Jetzt erst
recht! #
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Bericht | Text: Katrin Moser | Fotos: Marieke Reichert
Niemand verlässt gerne sein Zuhause
Kinder auf der Flucht
Tagtäglich kommen hunderte Menschen
aus den Krisengebieten der Welt in
Deutschland an. Ihr Leben musste in
eine kleine Tasche passen, häufig sind
Eltern, Großeltern oder Geschwister der
einzige Halt, der in der Fremde bleibt.
Doch häufig landen auch Kinder in
Deutschland, ohne Eltern, ohne nähere
Verwandte, allein auf der Flucht.
~-Autorin Katrin Moser war in
Norddeich, um zu sehen, wie diese
Kinder betreut werden.
Aamihna (Name geändert) ist jung.
Anfang 20. Wenn man mit ihr in dem
Zimmer mit Blick auf den Deich sitzt,
dann glaubt man zu wissen, welche
Geschichte sie gleich erzählen wird. Vielleicht die von dem jungen Mann, den sie
kürzlich getroffen hat und der natürlich
die Liebe ihres Lebens ist. Oder von den
Träumen über ihre Zukunft, mit Arbeit,
Familie und Freunden. Aber Aamihna
erzählt eine andere Geschichte. Eine
ganz andere. Eine von Leid, Flucht, Krieg
und Tod. Eine Geschichte, in der es um
Angst geht. Nicht die Angst, die manche
vor Krabbeltieren haben. Sondern die
Angst um das eigene Leben. Aamihna
kommt aus Syrien.
17 Jahre ist es bereits her, dass Aamihna
als Kind mit ihren Eltern das Land und
ihren Heimatrot nahe Aleppo verließ.
Eines Tages waren einfach die Koffer
gepackt. „Es war wie Verreisen. Nur,
dass die Reise länger dauerte“, erzählt
Aamihna. Von heute auf morgen war
alles weg: Schule, Freunde, Familie, die
Heimat.
Tagtäglich werden neue Rekordzahlen
eintreffender Flüchtlinge gemeldet. Viele
sind schon Wochen unterwegs, sitzen
in festgehaltenen Zügen, wissen nicht
wohin. Die Auffanglager sind heillos
überlastet, und doch ist der vergangene
Schrecken in der Heimat so groß, dass
die Menschen dankbar für die chaotische
12
Hilfe in Deutschland sind. Immer wieder
sind unter den Flüchtenden Kinder, die
alleine unterwegs sind, die irgendwo auf
der Flucht ihre Familie verloren haben.
Diese kommen in spezielle Clearingstellen, in denen versucht wird, mehr über
ihre Hintergründe zu erfahren. In Norddeich an der ostfriesischen Küste ist eine
solche Clearingstelle.
Klaus Rinschede arbeitet seit 25 Jahren
im Sozialwerk Nazareth in Norddeich und
hat über tausend Jugendliche betreut.
„In den meisten Fällen sind die Kinder
unter widrigsten Umständen ins Land
gekommen und werden irgendwo von
der Bundespolizei aufgegriffen“, erzählt
er. Zehn Plätze hat die Clearingstelle für
die jungen Menschen, die aus Syrien, dem
Iran, Afghanistan oder Kenia kommen.
„Wir sind oft mit extrem misstrauischen
Kindern und Jugendlichen konfrontiert,
denen wir erst mal klar machen müssen,
dass wir nichts Böses von ihnen wollen.“
Aamihna hat sich im Norden Deutschlands ein Leben aufgebaut. Sie spricht
perfekt Deutsch, hat das Abitur gemacht
und eine Ausbildung abgeschlossen,
arbeitet in Vollbeschäftigung in einem
sozialen Beruf. Sie ist eine selbstbewusste, hübsche junge Frau. Und doch:
Der syrische Schatten weicht nicht. Als vor
gut fünf Jahren der Arabische Frühling
von Ägypten nach Syrien überschwappte,
lebten dort noch viele ihrer Verwandten.
Ein Cousin war zusammen mit anderen
Studenten aus der Uni geholt worden,
obwohl dort gar nicht demonstriert
wurde. Vorsorglich verhaftet – und verschwunden. Kein Lebenszeichen. Keine
Informationen. Nichts. Von Deutschland
aus und in Syrien sucht die Familie
verzweifelt über drei Monate, investiert
gemeinsam viel Geld, um den Cousin zu
finden. Dann endlich der Erfolg: Er sitzt
in einem Gefängnis. „Wobei man sich
das nicht wie ein Gefängnis hier vorstellen darf“, sagt Aamihna. „Im Grunde
sind das nur dreckige Erdlöcher, Wir
hatten unglaubliches Glück. Die meisten
Menschen verschwinden einfach und
tauchen nie wieder auf.“ Der Cousin lebt,
ist heute frei, hat Syrien zwischenzeitlich
verlassen. Wie auch andere Familienmitglieder. Sie verließen die Heimat teils nur
mit einer Plastiktüte – je weniger Gepäck
man hat, desto unauffälliger kann man
reisen. Eine schwere Entscheidung für
die Menschen. „Niemand verlässt gerne
sein Zuhause“, sagt Aamihna. „Wir gehen
im Moment davon aus, dass ein Großteil
der Häuser meiner Verwandten gar nicht
mehr steht.“ Ein Teil ihrer Familie kam
in der Türkei unter, um die Großmutter
bangte Aamihna lange. Der Großvater
starb an den Folgen von Assads Wüten in
dem Land zwischen der Türkei, Jordanien
und dem Irak. Die gesundheitliche Versorgung war zusammengebrochen, der
alte Mann fand schlicht keine ärztliche
Hilfe mehr.
Als sich die Lage in Syrien immer mehr
zuspitzte, ertrug Aamihna es nicht mehr,
die Nachrichten einzuschalten. Zu nah
war das Grauen und die Angst, die anonym verpackt und scheinbar so fern über
die Sender flimmerte. Viele der Flüchtlinge geben ihr letztes Erspartes, teils
auch das Geld von im Ausland lebenden
Verwandten, um Schlepper zu bezahlen,
die sie in Sicherheit bringen sollen.
Wobei „Sicherheit“ hier ein fataler Trugschluss ist, wie man an den zahllosen
ertrunkenen Menschen im Mittelmeer
oder den erstickten Flüchtlingen im LKW
in Österreich sehen kann. Auch Klaus
Rinschede vom Sozialwerk Nazareth weiß
das. „Einem Schlepper zu vertrauen, das
heißt, sein Leben aufs Spiel zu setzen.“
Eingepfercht zwischen Paletten auf LKW,
mit Booten und Schiffen oder als blinde
Passagiere kommen sie nach Deutschland. „Wenn sie Glück haben und der
Fahrer nett ist, dann dürfen sie nachts
mal raus und sich erleichtern“, erzählt
er. Meist aber geht es bei den Menschenhändlern nicht um die Menschen,
sondern um den Handel, um das Geld.
Wie ein Geschwisterpaar in Norddeich,
das ursprünglich mit den Eltern und zwei
weiteren Geschwistern unterwegs war.
Der Schlepper hatte das Geld eingesteckt,
dann aber die Familie getrennt und nur
einen Teil der Kinder nach Deutschland
gebracht. Die Eltern sitzen in der Türkei
fest.
Die jungen Menschen, die in der Clearingstelle eintreffen, sind meist krank
und verwahrlost, einige waren jahrelang
unterwegs. Viele sind erstaunt, dass sie,
wenn die Polizei sie aufgreift, freundlich
und höflich behandelt werden, Essen,
Trinken und einen sauberen Schlafplatz
bekommen. Neben den körperlichen
Entbehrungen sind auch viele Flüchtlinge psychisch angeschlagen. Der Krieg,
die Flucht, Misshandlungen, die oft
monatelange Ungewissheit und die Angst
hinterlassen Spuren. „Unsere Mitarbeiter
hier sind deswegen speziell geschult, um
Traumatisierungen zu erkennen“, betont
Rinschede. In der Clearingstelle erfahren
die jungen Menschen erstmals wieder so
etwas wie Sicherheit und Geborgenheit.
Die Mitarbeiter begleiten sie zu den
Behördengängen, die für das Asylverfahren nötig sind, schicken sie in die Schule,
finanzieren Deutschkurse und versuchen,
Aamihna. Grundnahrungsmittel sind
kaum vorhanden und falls doch, dann
überteuert. Es gibt keine Schulen, keine
Infrastruktur, keine Währung mit Wert. Es
würde Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis
sich das Land von den Folgen des Kriegs
erholte. Bis dahin wächst eine ganze
vom Krieg traumatisierte Generation
ohne Zukunftsperspektive heran. „Das
Land geht kaputt. Und das nur, weil es
eine Demokratie wollte.“
800.000 Flüchtlinge sollen bis Ende
des Jahres nach Deutschland kommen,
so waren erste Schätzungen. Zwischenzeitlich ist sicher, dass es wohl
viel mehr werden. Wie viele davon in
den Landkreis Aurich, in dem auch die
Clearingstelle liegt, kommen werden,
ist noch unklar. Erst vor kurzem wurde
die festgesetzte Zahl von 1.200 um noch
einmal die doppelte Menge erhöht – wie
überall in Deutschland. Der Status all
dieser Menschen ist dabei unklar. „In
Deutschland ist Integration erst mal nicht
erwünscht“, bemerkt Rinschede provokant. Immer wieder steht die Hoffnung
im Raum, dass diese Menschen schnell
wieder abgeschoben werden können.
Aber die Verfahren dauern teils Jahre, bis
überhaupt klar ist, was mit dem Einzelnen geschieht.
sie so schnell wie möglich zu integrieren.
„Nach einigen Wochen blühen viele
von ihnen auf und statt verängstigter,
verhärmter Menschen hat man dann auf
einmal ganz normale Teenager hier.“
Normal ist in Ländern wie Syrien schon
lange nichts mehr. Der Bürgerkrieg hat
das Land zermürbt. Verwaiste Kinder,
Entführungen, Raub, Plünderungen und
Missbrauch stehen auf der Tagesordnung. Aamihna erzählt von den kleinen
Tricksereien des Regimes, um das Volk
unter Kontrolle zu halten. Nachdem in
Ägypten die Revolution durch soziale
Medien wie Facebook und Twitter vorangetragen wurde, reduzierte man in
Syrien die Stromversorgung. Die Logik
dahinter: Mobiltelefone lassen sich so
nicht mehr aufladen. Kein Handy, kein
Video, kein Posting, kein Zeuge. So einfach war das. Schließlich ging man dazu
über, den Strom fast ganz abzudrehen.
Eine Stunde am Tag, das muss reichen
– Sommer wie Winter. Auch die gesundheitliche Versorgung ist katastrophal.
„Die Menschen, die heute noch in Syrien
leben, haben keine Chance“, resümiert
Aamihna hat erst seit wenigen Jahren
eine befristete Aufenthaltsgenehmigung
– trotz Vorzeige-Integration. Sie glaubt,
dass die Menschen kaum eine Wahl
haben, als illegal nach Deutschland zu
kommen. Sie hat es auf legalem Weg
versucht, bei ihrer Großmutter, die in
der Türkei festsaß. Die alte Frau bekam
weder in Syrien noch außerhalb einen
Pass. Syrische Botschaften gibt es nicht
mehr. Ohne Pass bekommt sie jedoch
auch kein Visum. Wer wiederum ein
Visum für Deutschland hat, muss sich
verpflichten, alle entstehenden Kosten
– Miete, Lebensunterhalt, Versicherung,
medizinische Versorgung – zu tragen.
Das können die wenigsten. Und selbst
dann ist es fraglich, ob ein Visum genehmigt wird.
Die hohen bürokratischen Hürden,
aber auch die teils offene Feindseligkeit,
denen Flüchtlinge in vielen Fällen ausgesetzt sind, macht Aamihna traurig. „Da
wird einfach vergessen, dass diese Menschen unglaubliches Leid erlebt haben.
Ein Leid, das wir uns hier in Deutschland
kaum vorstellen können.“ #
13
Bericht | Text: Garance Martin, Hannes Hennemann | Foto: Caner Akkaya
Zwischen zwei Welten!
Kinder mit Migrationshintergrund
Wenn ich nachfolgend über meine
Erfahrungen mit Kindern mit Migrationshintergrund schreibe, habe ich
nicht den Anspruch auf vollkommene
Richtigkeit. Vielmehr möchte ich meine
subjektiven Eindrücke schildern, in der
Hoffnung, einen Eindruck des Alltags
eines jungen Migranten in Deutschland
vorzustellen.
Vorstellungskraft eines Kindes wird ein
Spielzeug zu einem lebendigen Wesen.
Dass der Spielpartner nicht so viele Wörter
versteht, stellt hier keine Barriere dar, es
wird im Zweifel sich durch Gesten verständigt. Der Umgang der Grundschüler
untereinander zeigt, wie einfach soziale
Integration im Grunde ist.
Seit anderthalb Jahren gebe ich an
einer Münsteraner Grundschule Kindern
mit Migrationshintergrund und aus
einkommensschwachen Haushalten im
Rahmen des BuT-Programmes („Bildung und Teilhabe“) der Stadt Münster
Förderunterricht. Die meisten meiner
Schüler sind mit ihren Familien aus den
Balkanstaaten geflohen.
Erst einmal angekommen, unterscheidet sich das Leben der Flüchtlingskinder
in den Grundzügen kaum von dem der
deutschen Kinder; es findet hauptsächlich
zuhause und in der Schule statt. In der
Schule unter gleichaltrigen, gleichberechtigten. Kinder sind keine ausgereiften
Individuen, die die von Ihnen gewonnenen Eindrücke ihrer Umwelt großartig
abstrahieren und differenzieren. Dabei
unterscheiden sich die Migrationskinder
offensichtlich optisch von ihren Mitschülern. Sie sind ärmer gekleidet und
können zu Beginn meist nicht, anders
als ihre Spielgefährten, zwischen einer
größeren Auswahl verschiedenster Outfits
wechseln. Auch Schulsachen wie verschiedene Stifte oder organisierte Hefte
und Unterlagen sind oft nur sporadisch
vorhanden. Auf meine Frage nach seinen
Hobbies antwortete einer meiner Schüler
aus Mazedonien: „Sperrmüllsammeln“.
Und doch werden die Migrationskinder
von ihren Mitschülern nicht großartig
anders behandelt. Grundschulkinder
erkennen Armut nicht als ein distinktives
Merkmal. Optische und sprachliche Unterschiede spielen im Sandkasten oder auf
dem Fußballfeld keine große Rolle. In der
14
Dennoch, wo interkulturelle Unterschiede auf dem Pausenhof nichts auszumachen scheinen, nehmen sie doch,
betrachtet man das Gesamtbild, einen
großen Einfluss auf die Kinder. Denn
der Alltag der Migrationskinder zuhause
unterscheidet sich zum Teil deutlich von
dem ihrer deutschen Mitschüler. Die
Migrationsfamilien leben u.a. mit drei
Generationen auf engstem Raum. Hier
gibt es keinen Platz für Privatsphäre,
geschweige denn für eine Lernatmosphäre.
Hinzu kommt auch zum Teil eine Erziehung, die kleinen jungen Frauen gegenüber ein anderes, abfälliges Verhalten
erlaubt. In einem Umfeld wie einer
Grundschule, in dem die Respektspersonen zum Großteil Frauen sind, ist dies für
die soziale, sowie sprachliche Integration
der Kinder enorm hinderlich.
Grade auf dem Balkan ist es zudem
üblich, an einem ausgeprägten Nachtleben teilzunehmen. Mehrere Familien
treffen sich, es wird gegessen, gelacht,
sich ausgetauscht. Was dem Grunde nach
harmonisch ist, kollidiert allerdings mit
dem Umstand, dass Schulunterricht um
8:00 Uhr Morgens beginnt. Nicht selten
erscheinen die Kinder daher völlig übermüdet in der Schule. Allgemein scheint
auch der komplette Förderapparat die
Kinder zu überfordern. Nicht nur, dass sie
den ganzen Tag von einer Fremdsprache
umgeben sind, sie müssen in dieser auch
für sie komplexe Sachverhalte verstehen
und anwenden lernen. Hinzu kommen
DaZ („Deutsch als Zweitsprache“) und
BuT, sowie Hausaufgabenhilfe in Schule
und Wohnheim. So endet der Schulalltag
eines Kindes teilweise nicht vor 17:00
Uhr. Gleichzeitig verarbeiten diese Kinder, wie alle anderen auch, alltägliche
Eindrücke aus Ihrer Umwelt.
Die Familie ist bezüglich der Hausaufgabenhilfe zudem meist hilflos, denn
oft sind die Kinder die einzigen Familienmitglieder, die Deutsch sprechen. Vor
allem ältere Geschwister tragen aufgrund
dessen meist mehr Verantwortung als
andere Gleichaltrige.
Verursacht ist die Problematik aus dem
Umstand, dass die Eltern viel weniger,
und vor allem schwieriger gesellschaftlich
zu integrieren sind als ihre Kinder. Was
unter Kindern ganz natürlich geschieht,
wird unter Erwachsenen nur zäh erreicht.
Ein möglicher Lösungsansatz wäre, dass
Eltern mit ihren Kindern gemeinsam
Förderunterricht erhalten. So würde den
Kindern eine Last von den Schultern
genommen und eine, im Vergleich zu
ihren deutschen Spielgefährten, vergleichbar normale Entwicklung ermöglicht. #
Bericht | Text: Horst Gärtner | Foto: Casa Providentei
Humanitärer Einsatz
Interview mit Zahnarzt Dr. Hans-Wilhelm Rintelen
Mein Zahnarzt Dr. Hans-Wilhelm Rintelen in Burgsteinfurt war eine Woche
nicht in der Praxis. Ich erfuhr, dass er
in der Republik Moldau ist und dass
er dort Menschen geholfen hat. Nach
seiner Rückkehr habe ich mich mit
ihm über seinen humanitären Einsatz
unterhalten
.
~: Ich kann mir unter der Republik
Moldau nichts vorstellen; wo liegt sie?
Rintelen: Die Republik Moldau liegt
zwischen Rumänien und der Ukraine.
Die Einwohnerzahl entspricht mit etwa
3,153 Millionen etwa der von Berlin und
die Größe mit 33.843 qkm etwa der des
Landes Nordrhein-Westfalen. Die Entfernung beträgt knapp 2.000 km, die ich in
3 Stunden (von Köln über München zur
Hauptstadt Chisinau) mit dem Flugzeug
geschafft habe.
Strecke bleibt. Seit zwei Jahren wird das
Sozialzentrum in der Hauptstadt von mir
finanziell gefördert. In diesem Jahr habe
ich mich mit einem kleinen Mitarbeiter/
innen-Team (u.a. Pfarrer Dördelmann)
auf den Weg gemacht, um praktische
Hilfe zu leisten.
~: Was haben Sie dort erlebt?
~: Wie kamen Sie dazu, Ihre gutgehende Praxis in Burgsteinfurt für eine
Woche zu verlassen und zur Republik
Moldau zu fliegen?
Rintelen: Ich habe seit Längerem Gespräche mit dem Pfarrer unserer Nikomedeskirche, Markus Dördelmann, der schon
seit über 17 Jahre eine Partnerschaft mit
dem Bistum Chisinau und darüber zum
Sozialzentrum Casa Providentei in der
Hauptstadt Chisinau hat. Die Einrichtung
wird von der katholischen Kirche unterhalten, ist aber zugänglich für alle.
~: Wie haben sich Ihre Kontakte zu
Ihrem Praxiseinsatz entwickelt?
Rintelen: Ich wusste aus Gesprächen mit
Pfarrer Dördelmann, dass die Menschen
dort Hilfe bitter nötig haben; die Republik Moldau ist das ärmste Land Europas.
Hier müssen alle zahnärztlichen Leistungen bar bezahlt werden. Klar, dass
bei der bitteren Armut der Menschen,
die dort leben, die Gesundheit auf der
Rintelen: Wir landeten auf dem Hauptstadtflughafen in einer Stadt mit über
700.000 Einwohnern – fast 25% der
Einwohnerzahl des Landes! Im Sozialzentrum Casa Providentei konnten wir
uns im Souterrain zwei Behandlungsräume auf die Schnelle provisorisch
einrichten.
Behandlungsinstrumente
und die erforderlichen Arzneien hatten
wir aus unserer Praxis mitgebracht. Das
Sozialzentrum hatte unsere Hilfsaktion
mit einem Aushang bekannt gemacht
und die Anmeldungen in einzelnen
Stufen organisiert; besonders dringliche
Fälle wurden vorrangig behandelt; die
Patienten waren auf die einzelnen Tage
eingeteilt. Die Menschen standen schon
in großer Zahl vor der Tür; es hatte sich
in Windeseile herumgesprochen, dass
ein Zahnarzt aus Deutschland kostenlos
helfen wollte. Wir wurden also erwartet.
Kaum hatten wir die Instrumente und
Arzneien aus der Praxis ausgepackt, saß
der erste Patient im Stuhl. Wir haben
jeden Tag 10 Stunden gearbeitet; Kinder,
Jugendliche, Erwachsene, Frauen und
Männer behandelt, immer wieder auch
Waisenkinder; die Kinder waren sehr
zutraulich, hatten keine Angst vor uns.
Es waren zusammen fast 200 Patienten.
Zwei Dolmetscher haben die Verständigung möglich gemacht; ohne sie hätten
die Patienten ihre Beschwerden gar nicht
vortragen können. Wir wurden herzlich
willkommen geheißen, und nach den
Behandlungen und bei unserer Abreise
erlebten wir ein von Herzen kommendes
„Dankeschön“. Ich war tief gerührt von
dem Charme der Menschen in Moldau,
die sich mit vielen Umarmungen, Blumen
(auch eine Rose), Weintrauben aus dem
Garten und Plätzchen herzlich bedankten. Eine hatte sogar eine Flasche Sekt
mitgebracht.
~: War Ihr Einsatz in diesem Jahr
eine einmalige Aktion?
Rintelen: Nein, ich bin von der Not der
Menschen und von ihrer Dankbarkeit tief
beeindruckt. Auf dem Rückflug haben
wir aufgrund unserer Erfahrungen uns
Gedanken darüber gemacht, wie man
das Projekt weiter ausbauen kann, welche Initiativen ergriffen werden müssen.
Wir möchten auf jeden Fall ab 2017 in
Kooperation mit drei oder vier anderen
Kollegen im Wechsel in die Republik
Moldau reisen, um wieder vor Ort zu
helfen. #
15
Bericht | Text: Michael Heß | Fotos: Saskia Konz/Caner Akkaya
Die normative Kraft des Faktischen
In der Flüchtlingsfrage holt die Realität die Illusionen ein
Es war am bösen Ende doch zu viel an Willkommenskultur und Flüchtlingen. Länder
und Kommunen können in der Flüchtlingsfrage einfach nicht mehr. Warum die
Bundesregierung zur Bankrotterklärung
ihrer eigenen Politik gezwungen war,
erläutert ~-Redakteur Michael Heß.
Es war das letzte Mittel. Am Abend
des 13. September ordnet die Bundesregierung die zeitweilige Einführung
von Kontrollen an der österreichischen
Grenze an, um der unkontrollierbaren
Einwanderung von Flüchtlingen Herr zu
werden. Die normative Kraft des Faktischen bremst die Willkommenskultur
aus. Auch Flüchtlinge könnten sich
nicht einfach ihr Zielland aussuchen sagt Bundesinnenminister Thomas de
Maiziere (CDU) in dem Zusammenhang.
Wochen zuvor bezeichnet der tschechische Präsident Milos Zeman das Verhalten der Flüchtlinge als Selbsteinladung,
die man nicht hinzunehmen gewillt sei.
Hierzulande haben Länder und Kommunen nun hoffentlich mehr Ruhe, sich um
die bereits Angekommenen zu kümmern.
Am 12. September strahlt der Deutschlandfunk in seinem Morgenprogramm
eine Reportage vom Wiener Westbahnhof
aus. Zu Wort kommt auch der arabischstämmige Wiener Merwan Massawi, der
im Bahnhof als Dolmetscher Hilfe leistet.
Er sagt, die meisten syrischen Flüchtlinge
seien keine. Es seien ihrem Dialekt
nach Algerier, Ägypter, Marrokaner oder
Pakistani. Höchstens ein Viertel der
Flüchtlinge stamme der Aussprache nach
aus der Levante. Papiere habe so gut
wie niemand, und wenn doch einmal
ein syrischer Pass auftauche, sei dieser
wahrscheinlich gefälscht. Tatsächlich
floriert der Handel mit gefälschten
syrischen Papieren, und die Preise für
einen gekrückten Pass dürften nochmals
nach oben geschnellt sein. „Jetzt oder
nie” habe ihm ein Algerier auf die Frage
nach seinen Asylwunsch in Deutschland
16
geantwortet. Jetzt oder nie - die fehlenden Kontrollen machten es möglich.
Allein in den ersten beiden Septemberwochen kommen auf dem Münchener
Hauptbahnhof 63.000 Flüchtlinge an.
Erfreut begrüßt mit Bratwurst, Tänzen
und Willkommen. Es sind Bilder, die per
Handy eine Stunde später im Nahen Osten
und woanders ankommen und dort sug-
gerieren, in Allemanija würden für und
mit den Flüchtlingen Parties gefeiert. Die
Nächsten machen sich auf den Weg und
garantieren der Schleppermafia weitere Milliardengewinne. Weil auch die
Schlepper integraler Teil des Problems
sind. Seeuntaugliche Seelenverkäufer,
Schrottkähne und Schlauchboote sind
das Verkehrsmittel der Wahl. Kein Wunder, wenn der Publizist Berthold Kohler
die Verhältnisse wie bekannt in der FAZ
als Konjunkturprogramm für die Schleppermafia bezeichnet. Auf den Landwegen
geht es nicht minder kriminell zu. Wie es
zum Beispiel jene jungen albanischen
Männer erfahren müssen, die in Tirana
Arbeitsverträge mit Firmen in Deutschland
unterschreiben und dafür sowie für den
Transport teuer bezahlen. Nur um hier zu
erfahren, dass es die Firmen überhaupt
nicht gibt und das Flugzeug zum Rückflug
nach Tirana schon wartet. Oder die Roma
aus Bosnien und dem Kosovo, die einen
Großteil ihrer empfangenen Leistungen
an das Clanoberhaupt irgendwo auf dem
Balkan abliefern. Jeder Euro zählt im
Geschäftsmodell Flüchtlingsverwertung.
Denn es stimmt nicht, dass Roma auf
dem Westbalkan pauschal diskriminiert
werden. Die dortigen Staaten legen
seit zehn Jahren ein von der EU massiv
unterstütztes Programm zur Integration
der Roma auf.
Die Frage steht im Raum, welche
Perspektiven die bisher Angekommenen
erwartet. Dass sie hier sind, ist das Eine.
Dass sie eine Perspektive brauchen, das
Andere. Laut Angaben der Nürnberger
Agentur für Arbeit ist nur jeder zehnte
jugendliche Flüchtling vermittlungsfähig
in eine Ausbildung. Der große Rest nicht
und die Alten, bar von Sprach- und
Landeskenntnissen, schon gar nicht.
Absehbar wird ein Großteil der Flüchtlinge bis ans Lebensende von Sozialleistungen leben müssen. Von einer Million
zusätzlicher Hartz IV-Bezieher unter den
Flüchtlingen geht Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) inzwischen
aus. Der benötigte billige Wohnraum
ist ebenso eine Illusion wie die Vorstellung, qualifizierte Flüchtlinge könnten
kurzfristig Facharbeiterplätze belegen.
Weitere Parallelgesellschaften dürften
statt dessen entstehen, und sie werden
das Land verändern wie nichts seit dem
Zweiten Weltkrieg. Wer es konkreter
mag mit der Zukunftsvision, der lese die
beiden Bücher des ehemaligen Berliner
Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky „Neukölln ist überall" (2012; in
der ~ Nr. 12/2012 rezensiert) und
„Die andere Gesellschaft” (2014). Diese
sowie „Die fremde Braut” der türkischen
Soziologin Necla Kelek (2005) werden
vom Autor ausdrücklich zur Lektüre empfohlen. #
www.bamf.de
Bericht | Text: Michael Heß | Foto: Saskia Konz
Die Genfer Flüchtlingskonvention
Auch Flüchtlinge haben Rechte
Heuer über Flüchtlinge nicht nur in
Münster zu schreiben hieße, Eulen nach
Athen zu tragen. Über die rechtlichen
Grundlagen des Problems ist dagegen
wenig bekannt. Immerhin haben
Flüchtlinge seit 1954 bestimmte Rechte.
Welche Rechte und weitere Aspekte
erläutert ~-Redakteur Michael
Heß.
Mehr oder wenige Flüchtlinge gebar
bisher wohl jeder Krieg. Die (neuartigen)
Massenkriege des 20. Jahrhunderts schufen
jedoch eine bis dahin unglaubliche Zahl
an Flüchtlingen. Weniger vor den unmittelbaren Kriegshandlungen, sondern mehr
in Begleitung des Krieges oder in dessen
Folge: die Armenier 1915 im Osmanischen
Reich, die Griechen 1922 aus der Türkei
sowie deutsche und polnische Flüchtlinge
in Folge des Zweiten Weltkrieges. Oder die
indischen und pakistanischen Flüchtlinge
in Folge der Trennung beider Staaten
1947. Deshalb verrechtlichte die Völkergemeinschaft den Status der Flüchtlinge,
um ihnen gewissen Schutz zu geben. Auf
einer Konferenz der Vereinten Nationen
wurde am 28. Juli 1954 das „Abkommen
über die Rechtsstellung der Flüchtlinge”
verabschiedet, allgemein als „Genfer
Flüchtlingskonvention” (GFK) bekannt.
Die Konvention trat im April 1954 in Kraft,
und der Bundesrepublik Deutschland
gereicht es zur Ehre, zu den ersten sechs
Unterzeichnern zu gehören. Die Millionen
Flüchtlinge aus den verlorenen Ostgebieten waren Lehre und Mahnung in Einem.
Im Kern schuf die Konvention für
Flüchtlinge einen Status, der in etwa dem
von Ausländern allgemein entsprach. Vor
allem der freie Zugang zu den Gerichten
(Artikel 16) und das Verbot der Abschiebung ohne Prüfung der Flüchtlingseigenschaft (Artikel 33) waren hilfreich. Als
Flüchtlinge anerkannt werden sollten
Personen, die aufgrund ihrer Rasse, ihrer
Religion, ihrer Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und/oder
einer politischen Überzeugung nachprüfbar verfolgt wurden. Die GFK war rechtlich
ein gewaltiger Erfolg, für den allerdings
die Dramen des Zweiten Weltkrieges Pate
standen. Zudem fehlten einige Fluchtgründe, die sechzig Jahre später, also
heute, eine Rolle spielen: Geschlecht,
Sexualität und wirtschaftliche Lage. Ferner
bezog sich die ursprüngliche GFK lediglich
auf Flüchtlinge, die „infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten
sind” flüchteten (Artikel 1). Unverkennbar
schwang hierbei die Überzeugung mit,
dass die Welt alsbald eine bessere sein
würde. Wurde sie aber nicht. Die (Bürger)
kriege der 50er und 60er Jahre wie in Irian
und dem ehemaligen Belgischen Kongo
(später in Zaire umbenannt) schufen noch
mehr Flüchtlinge. Die Vereinten Nationen
reagierten 1967 mit dem „Protokoll über
die Rechtsstellung der Flüchtlinge”, das
diesen noch mehr Rechte zubilligte. Was
dringend nötig war, wie der kurze Zeit
später ausbrechende entsetzliche BiafraKrieg zeigte (bis heute gilt dieser Konflikt
um die ölreiche ostnigerianische Provinz
Biafra als trauriger Höhepunkt menschlichen Leidens im Krieg). Von den knapp
200 Staaten auf der Welt haben rund 150
die Konvention von 1951 und das Protokoll
von 1967 anerkannt. Umstritten ist jedoch,
ob beide Werke auch außerhalb der Signatarstaaten gelten.
Es sind aber vor allem die Lücken
in den Texten selbst, die heute Probleme schaffen. Gilt Verfolgung aus
Geschlechtsgründen seit der Jahrtausendwende (stillschweigend) als anerkannt, ist
das bei der Sexualität und besonders bei
der wirtschaftlichen Situation anders. Der
Wortlaut der GFK schließt Personen, die
ihre wirtschaftliche Situation verbessern
wollen, als Flüchtlinge aus. In der Aufzählung der Fluchtgründe ist dies nicht dabei.
Was ist also zu tun mit den zehntausenden
Flüchtlingen vom Westbalkan? Die aus
Ländern wie Bosnien, Mazedonien oder
Serbien stammen, welche heute ohne
Ausnahme als gefestigte Demokratien im
westlichen Sinne gelten? Ferner besagen
die die GFK ergänzenden Verträge wie
das Dubliner Abkommen von 19xx, dass
Flüchtlinge nur im ersten Signatarstaat,
dessen Boden sie betreten, einen Asylantrag stellen können. Dort und nur dort. Das
mag man für gut oder schlecht befinden,
aber so ist sie nun mal, die auf dem Papier
gültige Rechtslage. Was mag man folglich
davon halten, wenn auf dem Kamm des
Erzgebirges täglich dutzende Menschen
ankommen und in der Bundesrepublik
um Asyl bitten? Nachdem sie mehrere EULänder wie Italien, Österreich, Ungarn und
Tschechien querten?
Zurück zur GFK. Die Welt ist größer als
die Europäische Union und schnell wird
vergessen, dass es Länder der Dritten Welt
sind, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Immerhin mildert die GFK für diese
rund 60 Millionen Flüchtlinge (nie zuvor
waren es weltweit so viele) ihr Leiden, so
gering es auch erscheinen mag. #
17
Rätsel: www.raetselschmiede.de
Rätsel und des Rätsels Lösung
Nebenstehend das neue Rätsel. Dieses Mal gibt es alles für die Schönheit zu gewinnen!
Schickt Euren Lösungsvorschlag bis zum 25.10.2015 an die ~ Viel Glück!
Aus allen richtigen Einsendungen, auch Mails, wird ein Gewinner gezogen.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen!
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Die Punk-CD hat gewonnen:
Marcel Lux
Münster
Herzlichen Glückwunsch!
Hier die Auflösung des Rätsels der
Septemberausgabe.
Der/Die Gewinner/n wird im
November bekanntgegeben.
Hand- Kohlen- ‚Irland‘
der
arbeits- wasser- in
Landesutensil stoffrest sprache
Kraut
in der
Pharmazie
amerikanischer
Bauernhof
Informationsaussage
5
Ferne
Bewohner der
Arktis
Teichpflanze
arabischer
Fürstentitel
eifrig,
zielgerichtet
Oratorium
von
Händel
röm.
Göttin d.
Morgenröte
Diskussionsgegenstand
Insektenpuppe
griech.
Vorsilbe:
gleich
Zeichen
in
Psalmen
genues.
Herrschertitel
Trick
in guter
Kondition
schottisches
Adelsgeschlecht
1
Juristentrachten
bei
Gericht
Waschwasserzusatz
getrocknete
Weinbeere
ein
Bindewort
großkernige
Frucht
2
3
4
5
6
7
Befehl
islam.
Herrscher
kurz für:
lecker
Rang
beim
Karate
Zeitalter
dafür,
für
Vertiefung
auf einer
CD
4
südafrik.
Partei
(Mandela)
Vorname
der
Derek
Wandbildteppich
Comicfigur
(‚... und
Struppi‘)
locker
deutsche
Vorsilbe
für
falsch
kleiner
Himmelskörper
kleines
Beiboot
rumänische
Währung
Vermittler
bei
Streit
in,
modern
beim
ersten
Versuch
(auf ...)
Wagenschuppen
1
franz.
Departementhptst.
faulende
Pflanzenreste
frech,
flott
Orgie
ein
Planet
brennbares
Gas
Denkschrift
(Kw.)
1. geauswählter Körperreichend Reichs- stellung
präsident
Tonerde
Fußballspielerposition
alte
Bühne v.
Innsbruck
Berliner
Boulevard
(Kw.)
verwesender
Tierkörper
franz.
Departementhptst.
glänzend
reiben
Traubenernte
eine
Jahreszeit
mittels,
durch
Seiltänzer
Gemisch
griechisches
Gebirge
dt.
Tennisprofi
(Tommy)
Tasteninstrumente
Teil der
Gitarre
Lösungsmittel
7
parlament.
Beratung
Vergnügen
Schutzdamm
am
Meer
undeutliches
Vorgefühl
haben
im Geschmack
wie
Zucker
eigensinnig
ein dt.
Bundespräsident
Kosename
e. span.
Königin
Präsentation
(Kw.)
Heil- und
Gewürzpflanze
westl.
Weltmacht
(Abk.)
Zyanwasserstoff,
Gift
Spielklasse
beim
Sport
Haft
persische
Teppichart
Keimträger
Früchte
fürchten
nicht
schwer
latein.:
in der
Eigenschaft als
Messestadt in
Sachsen
baumlose
Landschaft
enge
Schlafstellen
Stadt in
Benin
wasserdichte
Schutzdecke
zerstreut,
ungeordnet
geflügeltes
Wort
überglücklich
jedoch,
während
Kork,
Stöpsel
Weltfußballbund
(Abk.)
musikalischer
Halbton
persönlich
abschätzig:
Mann
Kreuzesinschrift
Behörde
Vergeltung,
Sanktion
Vorname
des
Autors
Follet
Bodensatz
zu dem
Zeitpunkt
auf dem
Totenneuesten
schrein
Stand
2
griech.
Göttin
(Gerechtigkeit)
Salzgewinnungsanlage
3
Oberhaupt d.
Tibeter
(... Lama)
Tanzlokale
(Kw.)
hochbetagter
Mann
unbedickstimmter
flüssig Artikel
(2. Fall)
Rabenvogel
Erinnerung
Stammvater
Kicherlaut
Postsendung
6
scheues
Waldtier
Wickelkleid
der
Inderin
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19
Bericht | Text: Doris Goez | Fotos: Pressestelle Bistum Münster
Flüchtlinge in Deutschland
Regnet es in Münster, oder läuten die Glocken?
Es geht um unser aktuellstes, unsere
Gesellschaft
einschneidendes
und
reichhaltigstes Thema, „Flüchtlinge in
Deutschland“. Es scheint ein Tsunami
an menschlichem Leid, an mitmenschlicher Hilfsbereitschaft, und aber auch
an vielen Problemen, die unser Land in
den letzten Wochen überflutet hat, zu
geben. Die Medien sind voll davon.
Läuten den die Glocken in Münster,
sprich – was machen denn die Kirchen
in unserer Stadt?
Dieser Frage wollten wir einmal nachgehen. Wir als Straßenmagazin ~
suchten nach den einzelnen Tropfen der
Barmherzigkeit. „Es ist der so oft zitierte
Tropfen auf den heißen Stein“ sagt Pfarrer Dr. Oliver Kösters, dessen evangelische
Gemeinden Havixbeck-Nienberge jetzt
für einige Zeit zwei Flüchtlingsfamilien
Unterschlupf bietet. Dieser „Tropfen auf
den heißen Stein“ ist im übertragenen
Sinn schon zum zögerlichen Nieselregen
geworden, wenn man sich die Aktivitäten
der christlichen Kirchenverbände und
Gemeinden unserer Stadt betrachtet.
Seit einigen Jahren arbeiten Caritas und
Diakonie mit den verschiedenen Ortsgemeinden beider Konfessionen in der
Flüchtlingshilfe eng zusammen. Es gibt
tatsächlich viele Aktivitäten der Kirchen.
Darauf kann und muss jetzt aufgebaut
werden. Ohne die vielen ehrenamtlichen
Helfer vor Ort wäre diese Hilfe aber auch
kaum denkbar.
Wenn man genauer hinschaut - „Ja
es regnet in Münster und die Glocken
läuten trotzdem!“ Aber man bekommt
den Eindruck, dass nicht nur Politik,
Gesetzgebung und Kommunen, sondern
auch der kirchliche Bereich von der
Flüchtlingsschwemme
hoffnungslos
überrollt wurden. Das mag wohl sein,
aber die Kirchen gehören tatsächlich
zu den Wenigen, die da schon lange
20
helfen und die jetzt ein gutes, vernetztes
Fundament besitzen. Bei dieser Masse
an Flüchtlingen bedarf es natürlich noch
verstärkter Feinabstimmung, was jetzt
auch schnell geschehen wird.
Wohltuend aber sind die schon bestehenden Projekte, die auch die berechtigte Hoffnung wecken, dass, wer als
Flüchtling in die „lebenswerteste Stadt
Deutschlands“ Münster kommt, Glück
hatte. Zugegeben, wir hier in Münster
können auf leer stehenden englischen
Wohnraum zurückgreifen, aber wie
viel Bürokratie (Denkmalschutz, Bauvorschriften etc) die Menschen, die nur
schnell und menschlich helfen wollen,
erleben müssen, ist manches mal haarsträubend. Da können sicherlich auch
die Hilfsorganisationen ein Lied von singen. Die im Hintergrund schwebenden
kommerziellen Interessen sind sicherlich
langfristig auch nicht zu verachten.
Um nur ein Beispiel der Problematik im
kirchlichen Bereich heraus zugreifen. Das
alte Pfarrhaus in Amelsbüren soll, wenn
der Denkmalschutz sein o.k. gegeben
hat, drei bis vier Flüchtlingsfamilien
beherbergen. Wie lange müssen diese
Menschen in Notunterkünften zubringen, fragt man sich? Jetzt brauchen wir
schlanke Lösungen der Bürokratie? Jetzt
muss ein frischer zeitgemäßer Wind durch
unsere preußische, mit manch` unnötigen Verordnungen und Bestimmungen
bestücke Gesetzgebung wehen, um den
Weg frei zu machen für angemessene
humanitäre Hilfe. Gesellschaftspolitisch
wird nicht nur dieses Problem eine
Herausforderung, aber es wird vielleicht
auch eine Chance für uns alle. Aber diese
Frage muss erlaubt sein. Wie viel können
all die zahllosen ehrenamtlichen Helfer
und Helferinnen noch aushalten, wo ist
ihre Belastungsgrenze, und wer fängt
sie dann auf? Auch diese unfiltrierte,
schnelle Zuwanderung von Menschen
hat auch diese Seite; gut gemeinte
Hilfe kann ins Leere laufen. Was nützt
es einem albanischen Kind z.B., wenn
es deutsche Verkehrsregeln puncto
Fahrradfahren in Münster kennt, wenn
es wieder nach Hause geschickt werden
wird. Da läuft einiges Engagement schon
jetzt ins Leere, hat man den Eindruck.
Die Kirchen können da nicht helfen,
das ist Sache der Politik, und es wäre
jammerschade, wenn das großartige
ehrenamtliche Engagement, vor allem
aus den Kirchengemeinden heraus,
verheizt würde. Verkürzte Asylverfahren
werden ja schon lautstark mit Recht
gefordert.
Viel ist trotzdem schon passiert. In
der ev. Friedensgemeinde und der kath.
Nikolausgemeinde in Wollbeck ist schon
einiges Großartiges gewachsen. Da leben
schon seit einiger Zeit Flüchtlinge in der
Gremmendorfer Kaserne, in Wollbeck und
in Angelmoode in ehemaligen englischen
Wohnhäusern. Da leben in Nienberge ca.
50 Flüchtlinge in einer Reihenhauszeile.
Hier hat sich ein wunderbar aktiver
Helferkreis etabliert. Mit Familien- und
Patenschaftsmodellen, Dolmetscherpool,
Fahrradkursen, Nachbarschaftskontakten, Gesprächskreis, und nicht zuletzt
wurde von der Caritas ein Auszugsmanagement entwickelt. D.h., es gibt
inzwischen ca. 400 Flüchtlingspersonen,
deren Asylantrag bewilligt wurden, und
die jetzt aktiv auf den überfüllten, kostbaren Wohnungsmarkt drängen. Wohin
mit diesen Menschen, wenn wir sowieso
schon über unzählige Obdachlose verfügen?
Da gibt es aber auch die Zusammenarbeit der kath. Überwasser- und der ev.
Lukasgemeinde, die nicht nur über eine
gemeinsame Webseite der Hilfe und zu
Spenden aufrufen.
In fast allen christlichen Gemeinden
gibt es Flüchtlingsbeauftragte, Spendenaufrufe und konkrete gemeinsame
Flüchtlingsbetreuung, Sprach- oder Nähkurse, die Liste ist beeindruckend lang.
Da wurde in Hiltrup z.B. ein Runder Tisch,
der die über-konfessionellen Aktivitäten
in den umliegenden Gemeinden koordiniert, etabliert. Manches steckt da aber
noch in den Kinderschuhen. Das Bistum
Münster hat z.B. insgesamt, nach eigenen
Aussagen, über 1.5 Millionen ¤ zur Verfügung gestellt, um notwendige Umbauten
in kirchlichen Einrichtungen vorzunehmen und ehrenamtliche Mitarbeiter zu
fördern und zu schulen. Das hört sich
nicht viel an, aber angesichts des dramatischen Anstiegs des Asylbedarfs wird da
bestimmt noch nachgebessert werden.
Die Superintendantin Frau Friedrich von
der ev. Kirche und der kath. Bischof
von Münster Felix Genn haben an ihre
Gemeinden appelliert, angemessenen
Wohnraum großzügig bereitzustellen.
Frau Friedrich schreibt in ihrem Rundbrief
an ihren Kirchenkreis:
„Raum für Flüchtlinge“, diese Menschen brauchen nichts dringender als
Raum. Vier Wände, ein Dach, fließend
Wasser.“
Aber diese Flutwelle der Menschlichkeit, die wir jeder Tag begeistert uns in
den Nachrichten, auch schulterklopfend
wie gut wir doch sind, ansehen können, hat bei näherem Betrachten auch
andere, langfristige Seiten. Aber auch
dies ist nicht Aufgabe der Kirchen. Dieser
Tsunami an hilfsbedürftigen Flüchtlingen, egal ob aus Kriegsgebieten oder
als Wirtschaftsflüchtlinge, wird unsere
Stadt, ja unser ganzes Land verändern.
Wir haben eine große Aufgabe zu bewältigen, und „Gott sei Dank“ helfen uns
auch die Kirchen als gesellschaftliche
Größe kräftig dabei.
„Es regnet in Münster, und ja, es läuten auch die Glocken!“ #
Endspurt bei den Baumscheiben!
Liebe Leserinnen und Leser,
unser im Mai gestarteter Wettbewerb zur schönsten Baumscheibe in unserer Domstadt biegt auf der Zielgeraden ein.
Im Oktober wollen wir die Einsendungen abschließen und
auswerten. Spätestens im Dezemberheft küren wir dann die
drei ersten Plätze.
Falls Ihnen also noch ein besonders schönes Arrangement ins
Auge sticht, brauchen wir Infos wie folgt:
- Wo genau befindet sich die Baumscheibe?
- Wer hat sie gestaltet (sofern bekannt)?
- Wie sieht die Baumscheibe aus (Bilder).
Die Infos senden Sie bitte an [email protected] mit dem Vermerk „Baumscheibe”. Danke im
Voraus schon einmal! Und wir sind selbst ebenso gespannt. #
21
Bericht | Text: Manuel Schumann | Foto: spdfraktion.de (Susie Knoll/Florian Jänicke)
Wir sollten Roma nicht zurückführen
Interview mit Christoph Strässer
Seit 2014 ist Christoph Strässer Beauftragter für Menschenrechtspolitik und
Humanitäre Hilfe der Bundesregierung.
Im Gespräch mit Manuel Schumann
erklärt der Münsteraner SPD-Politiker,
warum es nicht weitere Flüchtlingsgipfel braucht, was ihn an der Debatte
um sichere Herkunftsländer stört und
wie der Bund die Kommunen zusätzlich
unterstützen kann.
~: Seit Wochen fällt immer wieder
das Wort „Überforderung“, wenn über
die Situationen in den Kommunen
berichtet wird. Welche Rückmeldungen
über die Zustände vor Ort haben Sie
zuletzt besonders beschäftigt?
Strässer: Insbesondere natürlich das Vorhaben, in vielen Städten und Landkreisen weitere Zeltlager zu errichten. Auf
die Schnelle, bevor der Winter kommt.
Davon halte ich wenig, um es vorsichtig
zu formulieren.
~: Herr Strässer, wann war
Ihnen klar, dass 2015 hunderttausende
Flüchtlinge nach Deutschland kommen
würden?
~: Ein Beispiel: In Hamburg leben
derzeit etwa 3000 Flüchtlinge in Zeltlagern, nur 400 dieser Menschen sind in
winterfesten Zelten untergebracht. Wie
kommentieren Sie derartige „Zwischenlösungen“?
Strässer: (überlegt) Das kann ich nicht
genau sagen. Dieser Moment liegt nun
schon länger zurück. Fest steht: Die Entwicklung kommt nicht überraschend. Ich
wäre verwundert, wenn gesagt würde,
man habe die Situation nicht schon vor
mindestens eineinhalb Jahren kommen
sehen. Lediglich die immense Dimension
war nicht absehbar.
~: Die Krisen und Konflikte in der
Welt sind seit Jahren bekannt. Hat die
Politik versagt?
Strässer: Auf fast allen politischen Ebenen sind die bevorstehenden weltweiten
Migrationsbewegungen schlicht unterschätzt worden. Angefangen bei den
Kommunen, über Bund und Länder bis
hin zu den EU-Institutionen in Brüssel.
Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir
jetzt die richtigen Entscheidungen treffen. Ich selbst war in Syrien und im Irak
unterwegs und habe dort viele Menschen
gesehen, denen es sehr schlecht geht.
Diese Leute wollen nur eins: das Land
verlassen, unbedingt.
~: Wie hätte sich Deutschland
besser vorbereiten können auf diese
dramatische Entwicklung?
Strässer: Die Fehleranalyse ist zwar
22
Christoph Strässer, Beauftragter
für Menschenrechtspolitik und
Humanitäre Hilfe der Bundesregierung
interessant, aber wir sollten unsere
Kräfte jetzt bündeln und in die Zukunft
schauen. Schließlich stehen wir vor
enormen Herausforderungen. Es fehlen
Unterkünfte, es fehlen Betreuer, es fehlen sanitäre Einrichtungen. Wir müssen
all die Probleme schnellstens lösen. So
wie zuletzt kann es nicht weitergehen.
In den vergangenen Monaten wurden
viele Absprachen getroffen, es gab einen
Flüchtlingsgipfel nach dem anderen,
doch: Umgesetzt wurde bislang nur
relativ wenig.
Strässer: Das vermittelt den fatalen
Eindruck, als wäre das wirtschaftlich
starke Deutschland überfordert und
könnte hilfsbedürftige Menschen nicht
angemessen unterbringen. Die hygienischen Mängel in einigen Erstaufnahmeeinrichtungen haben mich zuletzt sehr
betroffen gemacht. Oder denken Sie an
die Erstaufnahmestelle in Dortmund, die
wegen Überbelegung vorübergehend
geschlossen wurde. Es ist beschämend,
wenn Flüchtlinge ankommen und als
erstes hören, sie seien hier falsch und
müssten sich woanders melden. Ein
traumatisierter Mensch, der solch chaotische und teils menschenunwürdige
Zustände vorfindet, der hat womöglich
eine zweite Traumatisierung vor sich.
~: Die Kommunen sollen vom Bund
für die Unterbringung von Asylbewerbern
und Flüchtlingen zusätzlich drei Milliarden Euro bekommen. Was antworten Sie
denen, die sagen: Das reicht nicht?
Strässer: Drei Milliarden sind schon eine
gewaltige Zahl. Dennoch gehe ich nicht
davon aus, dass diese Summe reicht, um
die Probleme in den Griff zu bekommen.
Die Gelder müssen ja auch erst einmal
zur Verfügung gestellt werden. Klar
ist: Es handelt sich hierbei um eine
Gemeinschaftsaufgabe. Der Bund muss
daher auch ganz massiv eingreifen, die
Summen müssen schnell fließen. Wir
dürfen die Kommunen auf keinen Fall
hängenlassen.
~: Insgesamt soll die Versorgung
von Flüchtlingen dieses Jahr rund acht
Milliarden Euro kosten. Der Deutsche
Städtetag hat kürzlich drei Vorschläge
vorgelegt, welche Kosten der Bund übernehmen könnte: eine Pro-Kopf-Pauschale, die Übernahme aller Kosten für
einen Asylbewerber oder die Übernahme
der Gesundheitskosten. Was halten Sie
für sinnvoll?
Strässer: Die Pauschale ist aus meiner
Sicht das sicherste Modell. Für jeden
Flüchtling würde ein Betrag X bereitgestellt – zuletzt wurden, glaube ich,
etwa 7000 Euro errechnet. Das wäre die
sauberste und fairste Lösung, weil damit
letztlich auch die Verteilungsprobleme
über die Länder ein Stück weit relativiert
würden.
~: In den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Asylbewerber künftig statt
Bargeld Sachleistungen erhalten – was
halten Sie davon?
Strässer: Nichts. Eine solche Maßnahme
wird niemanden davon abhalten, sich
auf den Weg zu machen, wenn die
Lebensbedingungen vor Ort aus seiner
Sicht keine Perspektive für ein Leben in
Würde bieten.
~: Die Koalition hat sich zudem
darauf verständigt, dass Asylsuchende
aus den Ländern des westlichen Balkans
schneller abgewiesen werden können.
Kosovo, Albanien und Montenegro sollen
durch Gesetzesänderung zu sicheren
Herkunftsstaaten bestimmt werden. Ist
das auch Ihrer Sicht fahrlässig oder doch
angemessen?
Strässer: Ich tue mich schwer mit dem
Begriff „schneller“. Wir haben für alle
Menschen, die in unser Land kommen,
ein rechtsstaatliches Verfahren vorgesehen und zwar auf unterschiedlichen
Ebenen. Ich persönlich bin der Meinung,
diese Verfahren sollten auch weiterhin
auf die bewährte Weise abgewickelt
werden. Wenn der Sachbearbeiter am
Ende eines rechtsstaatlichen Verfahrens
zu dem Ergebnis kommt, dass es weder
einen Asylanspruch noch ein Bleiberecht
aus humanitären oder sonstigen Gründen
gibt, und dieses Ergebnis von Gerichten
bestätigt wird, dann muss die Rückführung in die Wege geleitet werden. Auch
das gehört zum Rechtsstaat.
~: Ein Drittel der Balkan-Flüchtlinge sind Roma. In Deutschland haben
sie praktisch keine Chance auf Asyl, da
Roma als Minderheit in ihrer Heimat
nicht politisch verfolgt werden. Sie sprachen sich Anfang des Jahres dafür aus,
diesen Menschen einen anderen Zugang
nach Deutschland zu ermöglichen - bleiben Sie dabei?
Strässer: Damit bewege ich mich nicht im
Mainstream der Debatte, das ist mir klar.
Ich habe aber meine Meinung dazu nicht
geändert. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Roma nicht zurückführen
sollten, solange sich die Situation vor Ort
nicht entscheidend verbessert.
~: Damit sind Sie in Ihrer Partei
eher ein Außenseiter, richtig?
Strässer: Mehr oder weniger. Die Mehrheitsmeinung ist bei diesem Thema eine
andere, damit muss ich leben. So etwas
kommt vor in der Politik (lächelt).
~: Und wie begründen Sie Ihre
Meinung?
Strässer: Im vergangenen Jahr, im Spätsommer, habe ich mir die Lage in einer
Roma-Siedlung in Bosnien-Herzegowina
angeschaut. Es ist in der Tat so, dass
die Volksgruppe dort nicht verfolgt
wird. Fakt ist aber auch: Roma werden
diskriminiert, und zwar auf eine Weise,
die äußerst bedrohlich sein kann. Derlei
zeigt sich zum Beispiel bei Sozialleistungen und der Unterbringung. Oder denken
Sie an das Konzept „Zwei Schulen unter
einem Dach“. Danach werden RomaKinder getrennt von bosniakischen
Kindern unterrichtet. Für sie gibt es
spezielle Eingänge, auch die Lehrpläne
unterscheiden sich. Insgesamt also in
vielen Fällen eine klare Diskriminierung.
~: Herr Strässer, wie lange kann
sich Europa leisten, in der Flüchtlingspolitik keine einheitliche Linie zu verfolgen?
Strässer: Das, was Europa ausmacht,
jenseits dessen, was zurzeit funktioniert,
sind aus meiner Sicht die gemeinsamen
Werte. Dazu gehört eben auch, dass
Flüchtlinge ihre Menschenwürde behalten. Diese Menschen haben meist alles
verloren, sie sollten in allen EU-Staaten
respektvoll behandelt werden. Wenn wir
das Thema nicht in den Griff kriegen, wird
das Projekt Europa scheitern. Kurzum: Es
braucht nicht weitere Gipfel, sondern
endlich Lösungen, Entscheidungen und
Taten.
~: Sind Sie trotz der dramatischen
Lage in Ungarn zuversichtlich?
Anzeige
„Was mich interessiert sind nicht bewegliche Körper,
sondern bewegliche Gehirne. Was mich interessiert
ist die Wiederherstellung der menschlichen Würde
in jeder einzelnen Form.“
Dr. Moshe Feldenkrais
Strässer: Ja. Andernfalls könnte ich
die politische Arbeit nicht machen, ich
müsste aufhören. In diesem Zusammenhang zitiere ich gern die Bundeskanzlerin: „Wir schaffen das!" #
Feldenkrais-Praxis Vera Lämmerzahl
Maximilianstraße 15 A
Tel.: 0251-796707
23
Bericht | Text: Michael Heß | Foto: Saskia Konz
Hilfe ist nicht gleich Hilfe
Die Hilfen für Flüchtlinge fallen EU-weit sehr unterschiedlich aus
Leistungen zwischen Flensburg und
Garmisch am nächsten kommen die in
Frankreich. Dort gibt es monatlich knappe
344 Euro pro Erwachsenen, doch ist die
Miete bereits inbegriffen. Danach fallen
die Geldleistungen stark ab über 320 Euro
in Österreich (ebenfalls mit Miete) und die
Niederlande (8.700 Bewerber) mit rund
235 Euro im Monat bis auf umgerechnet
2,50 Euro täglich in Schweden.
Über die Flüchtlingsproblematik an sich
brauchen keine Worte mehr verloren
werden. Doch auch hier steckt der Teufel
im Detail und erhalten die Flüchtlinge je
nach Zielstaat unterschiedliche Hilfeleistungen. ~-Redakteur Michael Heß
machte sich über die in der EU gewährten Hilfen für Flüchtlinge kundig.
Bei Einarbeitung in das Zahlenwerk
werden zwei Aspekte schnell klar. Dass
die Bundesrepublik die mit sehr großem
Abstand höchste Anzahl an Asylanträgen
aufweist und dass die Leistungen für
Asylbewerber hierzulande ebenfalls die
mit Abstand am höchsten innerhalb der
EU sind. Geregelt werden die Leistungen
durch das komplexe Asylbewerberleistungsgesetz von 1993, dessen letzte
Novelle ab März 2015 gültig ist. Seitdem
gibt es für einen Single zunächst 143
Euro monatlich und nach 15 Monaten
359 Euro. Plus der Unterkunftskosten
plus weiterer Leistungen für weitere
Familienangehörige. Hier sei noch der
Hinweis gestattet, dass im vorliegenden
Beitrag die Begriffe „Asylbewerber”
und „Flüchtlinge” synonym gebraucht
werden, obwohl das streng genommen
nicht der Fall ist. Nicht jeder Flüchtling
stellt einen Asylantrag. Von Januar bis
Juli 2015 wurden in Deutschland knapp
196.000 Asylanträge gestellt bei zuletzt
geschätzten 800.000 Einwanderern übers
gesamte Jahr.
Eine Zahl, von der andere Staaten meilenweit entfernt sind. Ohnehin nehmen
nur neun der 28 EU-Mitgliedsstaaten
Flüchtlinge in nennenswerter Größenordnung auf. Am ehesten sind hier noch
Ungarn (65.500 Anträge von Januar bis
Juni), Schweden (25.800), Italien (24.900)
und Frankreich (24.300) zu nennen.
Das reiche Österreich kommt auf 19.600
Anträge, was in der Relation aber in etwa
den deutschen Verhältnissen entspricht.
Kaum nennenswert ist dagegen die Zahl
in Großbritannien mit bisher knapp 9.300
24
Anträgen. Immerhin teilte der britische
Premierminister David Cameron Anfang
September mit, weitere 15.000 syrische
Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Andere
EU-Länder wie die baltischen Staaten,
Dänemark, Finnland, Irland, Polen oder
Tschechien bleiben praktisch außen vor.
Teil des Problems ist ebenfalls die Tatsache, dass die geografisch meistbetroffenen Länder wie Griechenland, Italien und
Spanien die Flüchtlinge stillschweigend
durchwinken in Richtung Norden, speziell
nach Deutschland und nach Schweden.
Ein Verfahren, dem sich seit September
auch Ungarn und de facto auch Österreich
anschlossen. Letzteres stellte klar, bis auf
die Flüchtlingszüge aus Budapest keine
weiteren Asylanträge mehr anzunehmen.
Ein stetiger Diskussionspunkt ist die
Art der gewährten Hilfen: Geldleistungen
versus Sachleistungen. Die vom Flüchtlingsstrom am meisten betroffenen Staaten Griechenland, Italien und Spanien
gewähren ohnehin nur Sachleistungen.
In diese Richtung geht auch der Beschluss
des Bundeskabinetts vom 7. September,
demzufolge in Erstaufnahmelagern primär
Sachleistungen zu gewähren sind zuzüglich eines Taschengeldes. Den finanziellen
Viele Flüchtlinge suchen Arbeit im
reichen Norden. In Schweden dürfen
Flüchtlinge nach der Antragstellung
sofort arbeiten, sofern sie natürlich
Arbeit finden. Am anderen Ende der Skala
steht Frankreich, wo frühestens mit dem
Abschluss des Antragsverfahrens nach
neun Monaten gearbeitet werden darf. An
der Aa und andernorts dürfen Flüchtlinge
nach drei Monaten ran, aber auch hier
stellt sich natürlich die Frage nach den
Sprachkenntnissen und der beruflichen
Qualifikation. Auch die durchschnittliche
Verfahrensdauer fällt sehr unterschiedlich
aus. Sie reicht von 15 Tagen in Ungarn bis
zu 13 Monaten in der Schweiz, die dafür
mit 71 Prozent die höchste Anerkennungsquote nach Schweden (77 Prozent)
aufweist. In der Bundesrepublik lag sie
für 2014 bei 42 Prozent, doch bleiben
viele abgelehnte Asylbewerber als sog.
„ausreisepflichtige Personen” trotzdem
im Land (in Münster sind das aktuell
rund 960 Personen laut Anfrage der AfD
bei der Stadtverwaltung). Dazu kommen
in allen EU-Staaten noch Personen, die
niemals einen Asylantrag stellten bzw.
sich registrieren ließen. Fachleute gehen
grob geschätzt von derselben Zahl wie
der für Asylanträge aus; vielleicht auch
etwas weniger. Insgesamt ergibt sich eine
unübersichtliche Situation, was EU-weite
Lösungsansätze sehr erschwert. #
www.bamf.de
Einen großen Spendenscheck und viele Hygieneartikel gab es vom Rotarier Club in Gronau.
400 ¤ konnte Sabine Sitte für uns entgegennehmen.
Vielen Dank dafür!
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Es ist nicht egal,
wie wir geboren werden. (M. Odent)
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Bericht | Text: Bianca Austin | Foto: Marieke Reichert
Anschläge auf Flüchtlinge in Deutschland
Hass
Es verkehrt kaum ein Tag, an dem in
den Nachrichten nicht über das Thema
Flüchtlinge berichtet wird. Jeder Mensch
nimmt diese Nachrichten anders auf.
Einige mit Mitleid, anderen ist es egal,
oder andere, die Hass empfinden. Aber
warum? ~-Autorin Bianca Austin
hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt.
an die Kinder denken. An die Rentner.
Und die ganzen Obdachlosen.“ Und
genau das ist der Punkt. Auf einmal sind
alle gute Mitbürger, die sich nur um das
Wohl von anderen sorgen.
Einige Parteien nehmen genau diese
Ängste auf von den Bürgern und machen
sich diese zunutze. Schließlich, so sind
sie und die Bürger der Meinung, geht es
uns ja schon schlecht genug und nun ist
ja genug! Jetzt gehen wir demonstrieren,
das ist ja schließlich unser Recht! Und
ehe man sich versieht, ist man mitten
drin, umgeben von Glatzköpfen. Was
das vielleicht für Ausmaße hat, darüber
denken in den Moment wenige nach.
Aktuell wird von einem Anschlag in
Heidenau berichtet. Eine Gruppe von
Menschen hat sich versammelt, randaliert, sie sind stinksauer. Viele Außenstehende verstehen nicht warum. Warum,
das ist eine gute Frage. Die Menschen
sind frustriert, sauer. Auf wen oder was
genau, ich glaube, das kann man nicht
pauschal beantworten.
dem Mauerfall. Es wurde nicht besser.“
Aber es gibt einiges, was den Bürgern
dort auf den Magen schlägt. Denken wir
alle mal ein paar Jahre zurück. Es ist die
Zeit, als es noch die DDR und die BRD
gibt. Die Menschen in DDR, alle hatten
Jobs, die Infrastruktur war ausreichend.
Es gab Menschen, die so voll zufrieden
waren. Doch das Blatt wendete sich, alles
änderte sich mit dem Mauerfall. Es gab
Menschen, die arbeitslos waren. Ihr Chef
war nicht mehr vertrauter Freund, sondern vielleicht ein „Fremder Wessi“, der
vielleicht noch arrogant daher kam. Die
Infrastruktur änderte sich gewaltig, viele
DDR Bürger kehrten ihrer Heimat den
Rücken und zogen in den Westen. Die
ehemalige DDR stirbt aus, und die Bürger
können es nur mit ansehen. Die Menschen werden zunehmender frustrierter.
Viele sind seit dem Mauerfall arbeitslos,
leben von Hartz 4. Oder der Ort, in dem
sie wohnen, stirbt aus, vorbei sind die
Zeiten, an denen man sich abends traf in
der Dorfkneipe.
„Scheiß Wessis, die kommen her und
nehmen uns die Jobs weg!“
„Viel geändert hat sich ja doch nicht seit
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So sehen es viele Bürger. Viele Jahre
ging der Frust gegen die Bürger aus
Westdeutschland. Doch nach der heutigen Zeit, in der über alles und jeden
im Internet berichtet wird, schlägt die
schlechte Stimmung gegen die Ausländer.
„Ausländer nehmen uns die Jobs weg!“
„Flüchtlinge kommen her und kriegen
alles!“
Doch woher stammen nun die Vorurteile? Viele Gerüchte entstehen heutzutage im Social Media wie Facebook.
Ständig sieht man dort fragwürdige
Schlagzeilen von fragwürdigen Seiten.
Aber die Schlagzeile zählt. Dort liest man
so was wie „Flüchtlinge bekommen 2.000 ¤
Begrüßungsgeld!“ oder „Deutsche müssen
in ihrem Zuhause Asylanten aufnehmen!“.
Dies ist nur eine kleine Auswahl von dem,
was man ständig liest. Viele denken jetzt:
„Sowas kann man doch gar nicht glauben?“, aber doch, es gibt Menschen, die
so,was glauben und teilen. Mit dem Satz
„ich bin ja kein Nazi, aber … Man muss
Und dann müssen Flüchtlinge, die fertig sind von der Reise, miterleben, dass
sie nicht willkommen sind. Sie werden
lauthals beschimpft, es brennt und sie
haben Angst. Was in solchen Menschen
vorgeht, das weiß niemand. Aber es
muss schrecklich sein.
Der Krieg zwingt viele Menschen zu
flüchten. Oder einfach die Umstände, die
in deren Land herrschen. Sie nehmen die
letzten Geldreserven, kaufen das Ticket
für das Schiff, besorgen sich Smartphones. Das ist später überlebenswichtig.
Sie verlassen Freunde, Familie, ihr altes
Leben. Nach einer langen Reise, mit
Schiff, Bahn, zu Fuß, sind sie z.B. in
Deutschland. Ihre letzte Hoffnung.
Ich will und möchte nichts pauschalisieren. Man kann nicht sagen, dass alle
Menschen aus Deutschland frustriert und
fremdenfeindlich sind. Es gibt Anschläge
überall in Deutschland. Aber es gibt
auch genug Menschen, die das Gegenteil
beweisen. Doch leider gehen genau
diese Menschen unter. Die Menschen, die
es verdient hätten, im Fernseher aufzutauchen und gefeiert zu werden, weil die
die brutale Arbeit auf sich nehmen und
auch den Hass aushalten müssen. #
Bericht | Text: Michael Heß | Foto: Markus Lewe
Kontinuität und Verweigerung
Die Wahl des Oberbürgermeisters liefert zwei deutliche Antworten
Anderthalb Jahre nach der Kommunalwahl rief die Politik die Wähler in Nordrhein-Westfalen erneut an die Urnen,
um Bürgermeister und Landräte zu
wählen. An der Aa bestätigten die Wähler nicht nur den Amtsinhaber, sondern
gaben zugleich zwei deutliche Voten an.
Ein Kommentar von ~-Redakteur
Michael Heß.
Der Amtsinhaber hat es bereits im ersten Anlauf geschafft. Mit 50,59 Prozent
der abgegebenen Stimmen sicherte sich
Markus Lewe (CDU) am Abend des 13. Septembers das Amt des Oberbürgermeisters
an der Aa für die kommenden fünf Jahre.
Herzlichen Glückwunsch auch von der
~, denn der Sieg war deutlich.
Lewe vereinte faktisch genau so viele
Stimmen auf sich wie die anderen vier
Bewerber zusammen. Zugleich holte er
die absolute Mehrheit, wenn auch nur
knapp. Aber dicht drüber ist halt auch
drüber. Man darf das Ergebnis getrost als
Wunsch aus der Bürgerschaft nach Kontinuität werten. Beziehungsweise danach,
die zerfaserten politischen Verhältnisse
in der Kommunalpolitik nicht noch
weiter zerfasern zu lassen. Noch weiter
gedacht ist es ein Warnschuss für die
Hahnenkämpfer im Stadtrat. Die in den
anderthalb Jahren nach der Kommunalwahl im Mai 2014 vor allem eines zeigten:
mit den Problemen an der Aa überfordert
zu sein.
Zwei große Probleme prägen die Stadt
seit Jahren. Ein großes Problem kam in
den letzten Monaten hinzu. Ein viertes
großes Problem soll von interessierter
Seite geschaffen werden. Gemeint sind
die städtischen Finanzen, die Wohnungssituation speziell im unteren und mittleren Preissegment, die Flüchtlingsunterbringung und die Verkehrspolitik, Tempo
30 in Sonderheit. Die aktuellen Zahlen
aus der Kämmerei sind so trüb wie nur
denkbar. Ein ausgeglichener Haushalt
ist Makulatur; mittelfristig könnte das
Defizit mehr als 100 Mio Euro betragen.
Ob die Maßnahmen zur Bereitstellung
von bezahlbaren Wohnungen grundsätzlich greifen, wird sich erst noch zeigen.
Etwa 3.500 Flüchtlinge leben heute an
der Aa und benötigen nicht nur ein Dach
überm Kopf, sondern eine lebenslange
Perspektive statt lebenslangem Versorgungsfall. Mit sturer Penetranz, die am
Verstand zweifeln lässt, versuchen sich
die Grünen ohne Not in Tempo 30 in der
Stadt. Für keines der vier Probleme sind
überzeugende Lösungen ersichtlich, und
genau das nehmen die Bürger auch so
wahr. Dafür Hahnenkämpfe im Stadtrat
über Sitzordnungen, Protokollnotizen
und dergleichen mehr. Dazu der teure
Postenschacher um Dezernate und Sitze
in Gremien. Ob ein Theologe als neuer
Baudezernent überzeugt, muss vor allem
er selbst beweisen. Ob ein Abiturient
ohne Berufs- oder Studienabschluss als
Aufsichtsratsvorsitzender eines städtischen Unternehmens geeignet ist, darf
getrost bezweifelt werden. Beiden Fällen
ist Eines gemeinsam: Das Parteibuch hat
die richtige Farbe.
Der Bürger nimmt es wahr und noch
viel mehr, und er gab am 13. September
eine zweite klare Antwort. Deutlich mehr
als die Hälfte der Wahlberechtigten
gingen erst gar nicht zur Wahl, nahmen
ihr höchstes Recht zur demokratischen
Teilhabe erst gar nicht wahr. Die an
der Aa historisch einmalig niedrige
Wahlbeteiligung von 45 Prozent sollte
aber nicht über die Maßen überraschen.
Seit der Jahrtausendwende nehmen nur
rund 60 Prozent der Münsteraner an den
Kommunalwahlen teil. In der Zeit wurde
die Stadt größer und bunter, aber konstante 40 Prozent verweigern sich. Nun
sind nochmals 15 Prozentpunkte dazu
gekommen. Ein überdeutliches Zeichen
dafür, dass die Lokalpolitik in einer
Legitimationskrise steckt. Erst in zweiter
Linie die Stadtverwaltung, denn es ist
die erste Aufgabe der Lokalpolitiker, den
Rahmen vorzugeben und die Verwaltung
zu kontrollieren. Nicht umgekehrt! Zur
Kontrolle ist die Politik vor allem deshalb
nicht willens und in der Lage, weil die
oben genannten zerfaserten Verhältnisse
weniger politischen Differenzen geschuldet sind denn persönlichen Animositäten
und fehlender fachlicher Kompetenz.
In seiner ersten Amtszeit seit 2009
wirkte der alte und neue Oberbürgermeister Markus Lewe immer wieder
ausgleichend. Dafür setzte er sich gelegentlich sogar von seiner eigenen Partei
ab, was diese nicht immer goutierte.
Doch es ist der richtige Weg. Genauso wie
Lewes Slogan im Wahlkampf, er stehe für
ein Münster für Alle. Das überzeugte trotz
mancher Zweifel so viele Wähler, dass es
für den Sieg reichte. Wer künftig diesen
Weg nicht mitgehen mag, sollte sich
nach den Beweggründen dafür fragen
lassen. Die großen Probleme der Stadt
lassen sich nur mittels sachlich geprägter
Zusammenarbeit über Parteigrenzen
hinweg lösen, was auch keine Konsenssoße meint. Ohne Fachkompetenz und
persönliche Integrität der Akteure wird
das übrigens auch nichts. #
www.muenster.de
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Bericht | Text | Foto:
Columne: „~ auf Cuba“
Christliche Trolle
Sehr geehrte linke und atheistische
Leserschaft unserer geliebten ~
dieser Geringsten nicht getan habt, das
habt ihr auch mir nicht getan."
Zu ihrer Warnung und Sicherheit sei folgendes erwähnt. Ich bin aktiver Katholik
und bin sehr viel auf und bei Facebook
unterwegs. Beides tue ich auch noch
gerne. Ich denke, dieses Bekenntnis
meinerseits zu diesen beiden Dämonen
dürfte ausreichen, dass sie diese Seite
aus der aktuellen ~ rausreißen
oder gleich die ganze Ausgabe dem Feuer
übergeben.
Das bedeutet, dass wir mit jedem
Flüchtling, den wir nicht aufnehmen,
auch Christus immer wieder vor der Tür
stehen lassen. Daraufhin bekam ich
vom „Supertroll“* diese Antwort: „Die
Individualethik kann nicht einfach auf
staatlich-gesellschaftliche
Ordnung
übertragen werden.“ Bei Fragen wie
Abtreibung, Ehe für alle und Gleichberechtigung der Frau sehen diese Trolle
das allerdings ganz anders und möchten
da sehr wohl ihre „Individualethik“ auf
die „staatlich-gesellschaftliche Ordnung“ übertragen.
Allen, die jetzt noch hier bei mir sind,
sei gesagt, dass einem auf Facebook
eine Seite von Katholizismus bzw. vom
Christentum begegnen kann, von der ich
persönlich geglaubt habe, dass sie eine
Erfindung der Bildzeitung bzw. irgendwann im 14 Jahrhundert ausgestorben
ist. Es ist eine heimtückische, kleinliche,
unversöhnliche, chauvinistische Seite
meines Glaubens.
Ihre Anhänger gehen letztlich davon aus,
dass sie das Bekenntnis zu Jesus Christus
anderen Menschen gegenüber überlegen
macht und das die Pflege von Traditionen
wichtiger ist als z.B. solch störende Werte
wie Nächstenliebe und die Suche nach
Frieden. Mit solchen Leute im wahren
Leben zu diskutieren macht wenig Spaß,
aber auf Facebook kommt man sich vor,
als wäre man in die Fänge der spanischen
Inquisition geraten.
Bei dieser Art der individuelle Doppelmoral fällt es mir immer besonders schwer,
mich daran zu erinnern, dass auch diese
Trolle geliebte Kinder Gottes sind. Egal
wie tollwütig sie sind. #
nicht immer das erste Mittel der Wahl!“
Aha. Beeindruckend. Ich habe wirklich
sehr oft den Eindruck, dass besonders
rechst-katholische Menschen, vor allem
von Jesus Christus, in der Ausübung ihres
Glaubens gestört werden.
Wahrscheinlich sitzen diese Leute auch
mit Kardinalshut oder ganz in Purpur
gekleidet vor ihrer Tastatur und schreien
die ganze Zeit: „Bekenne oder Brenne!“.
Oder:„Wahrlich Ketzer! Die Tore der Hölle
stehen bereit, um dich zu verschlingen!“
Wenn Nächstenliebe nicht immer das
erste Mittel der Wahl ist, dann dürfte
sich Jesus ja gehörig mit seinen Aussage
vertan haben oder man muss ihn einfach
nicht so ernst nehmen. Er ist ja auch nur
der Juniorchef. Who cares!? Das wurde
mir auch bei einer ausgiebigen Diskussion rund um das Flüchtlingsthema klar,
wo ein „Mr. Fakeprofil Supertroll“* es
richtig fand, dass Polen keine muslimischen Flüchtlinge aufnehmen will,
weil es sonst seine christliche Identität
verlieren könnte.
Als ich einmal bei einer Facebookdiskussion im Sinne der christlichen Nächstenliebe um einen freundlichen Umgangston bat, bekam ich von einer älteren
Dame die Antwort: „Nächstenliebe ist
Ich hingegen sagte, dass man doch viel
eher seine christliche Identität verliert,
wenn man Flüchtlingen nicht hilft, da
Jesus im Matthäusevangelium sagte:
„Amen, ich sage euch: Was ihr für einen
28
(*Name von Autor geändert)
„~ auf cuba“ ist die die
Columne der offenen Kabarettbühne „Cubarett“ in der ~
Die Columne ist der Ort für die
Künstler des Cubarett, ihr gesprochenes Wort auch lesenden Augen
zu Gehör zu bringen.
Das nächste Cubarett steigt am
5.10.2015 um 20 Uhr im Cuba Nova.
Bericht | Text: Annette Poethke
§
Neues aus dem Familienrecht
Verwendung von Sparguthaben minderjähriger Kinder
Das OLG (Oberlandesgericht) Frankfurt a.M. hatte folgenden Fall
zu entscheiden:
Die nicht miteinander verheirateten Eltern Martha und Victor
leben voneinander getrennt. Zunächst hatte die Mutter Martha
das alleinige Sorgerecht bezüglich der minderjährigen Tochter
Zazie, da gegenüber dem Jugendamt keine Sorgerechtserklärung zugunsten des Vaters abgegeben worden war.
Im Jahre 2011 trennten sich die Eltern, und Martha nahm das auf
den Namen des Kindes Zazie von den Großeltern väterlicherseits angelegte Sparbuch mit und kaufte von dem Geldbetrag
diverse Gegenstände, die sie im Rahmen des Prozesses auch im
Einzelnen bezeichnete, nämlich Kindermöbel und Haushaltsgegenstände.
Inzwischen hatte der Vater Victor gerichtlich das alleinige
Sorgerecht über Zazie zugesprochen erhalten, und er stellte
den Antrag, die Kindesmutter Martha zur Rückzahlung des
Ruffy ist ein junger Kater von 3 Jahren. Sobald man mit dem kleinen
Fingern winkt, freut er sich über
die Aufmerksamkeit der Menschen.
Wahrscheinlich durch einen Kampf
sind die Nerven an Ruffys linker
Vorderpfote so stark geschädigt, so
dass er über diese keine Kontrolle
mehr hat. Aufgrund dieser Verletzung möchten wir ihn als Hauskatze
mit einem eingenetzten Balkon
bzw. einem eingezäunten Garten
vermitteln. Da die Wunde allerdings
gut verheilt ist, sieht man die Verletzung gar nicht mehr, und auch
abgehobenen Betrages von rund 2400,00 ¤ zu verpflichten.
Das zuständige Familiengericht hat die Mutter Martha verpflichtet, den abgehobenen Betrag zurückzuzahlen. Die Mutter
sei nicht berechtigt gewesen, die angelegte Summe zu verbrauchen. Sie habe pflichtwidrig und schuldhaft das Vermögen des
Kindes geschädigt. Der Rückzahlungsanspruch ergebe sich aus
§ 1664 BGB.
Die beim OLG eingelegte Beschwerde von Martha blieb erfolglos.
Auch das OLG ging davon aus, dass das für Zazie angelegte
Sparbuch, auf das der Vater nach Erhalt desselben noch als
Geburts-/ Taufgeld 1350,00 ¤ eingezahlt hatte, nicht von Martha
hätte verwendet werden dürfen. Martha habe pflichtwidrig
gehandelt, als sie das Zazie zustehende Geld einfach verbraucht
habe, denn es handele sich um eine fremdnützige Verwaltung.
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 28.05.2015
AZ: 5 UF 53/15 = BeckRS 2015, 12186 #
Ruffy geht mit ihr um, als gäbe es
sie gar nicht. Er benutzt die Pfote
einfach ab der Handwurzel und
nutzt so auch den Vorderteil von
ihr, um sich zu putzen, zu spielen
oder durch die Wohnung zu flitzen.
Er liebt jede Art von Kisten, Kartons
oder Decken, in denen er sich verstecken kann, um sich auf die Lauer
zu legen. Wenn dann auf einmal aus
einer Ecke ein weißer Blitz herausschießt, dann ist Ruffy wieder auf
Jagd nach einer Socke oder einem
imaginären Kaninchen. Aber Vorsicht: Der kleine Tiger ist unheimlich
intelligent und kann in kürzester
Zeit geschlossene Türen aufmachen.
Tel. 02 51 8 46 97 57 - [email protected] – www.katzenhilfe-muenster.de
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Bericht | Text | Foto: Michael Heß
Lesen
Ulrich Burchert: Bunte DDR - Bilder aus einem lebendigen Land
So viel vorweg: Dieser Bildband über
ein nicht mehr existierendes Land ist
zum Tag der Deutschen Einheit im
Osten ein Renner, und dafür gibt es
einige gute Gründe. Beginnen wir
mit dem Autoren, besser, dem Fotografen Ulrich Burchert. Die 230 Bilder
zeigen einen der besten deutschen
Fotografen, der seit den 60er Jahren
bis heute den Auslöser betätigte. In
der DDR war Burchert sowohl freischaffend tätig als auch im Auftrag
renommierter Zeitschriften wie die
„Für Dich” und die „Neue Berliner
Illustrierte” unterwegs. Nach der
Wende fotografierte er mit Unterbrechungen, promovierte zum Doktor
der Philosophie und ist bis heute als
freischaffender Fotograf unterwegs.
Daneben veröffentlichte er einige
Fachbücher zur Fotografie. Die Aufnahmen aus den Jahren 1970 bis 1990
sind ausnahmslos in Schwarz-Weiß
gehalten, sie sind sehr feinkörnig bei
vergleichsweise geringen Kontrasten.
Es ist Burcherts fotografischer Stil.
Und sie sind ausnahmslos dem prallen Leben entnommen. Nicht eines
der Fotos ist arrangiert, gestellt oder
nachträglich korrigiert. Dazu kommen
immer wieder kurze Kommentare für
den Betrachter zur besseren Einordnung des Abgelichteten.
Für die, welche nicht in der DDR
lebten, dürfte der Bildband eine
spannende Entdeckungsreise werden. Mit Motiven, die bekannt sind.
Staatstragend und staatsnah. Sie
zeigen eine Facette des Lebens im
anderen deutschen Staat. Viel mehr
Bilder aber dürften überraschen. Sei
es der Punk in der Produktion oder
der Vertragsarbeiter aus Mosambik.
Oder der Weihnachtsmann, der mit
Sack und Rute in eine Dienststelle
der Volkspolizei marschiert. Oder die
Aufnahmen auf einer Hochzeit zweier
Südafrikaner, die Afrikaner und
30
Deutsche beim überschwänglichen
Feiern zeigen. Und manches überraschende Motiv mehr. Die meisten
Szenen stammen aus dem beruflichen und häuslichen Alltag, und bei
manchem Bild könnte die Szenerie
im Osten oder im Westen spielen,
wüsste man es nicht genauer.
Verlag Neues Leben Berlin 2015,
256 Seiten, Preis 24,99 EURO
ISBN 978-3-355-01829-6
Ulrich Burcherts Bilder dürften im
Westen auch deshalb überraschen,
weil sie andere, weil lebendige
Bilder der DDR und ihrer 17 Millionen
Bewohner zeigen als in den meisten
Medien üblich. Sie sind unverfälscht,
sie zeigen keine graue Tristesse, sondern die bunte Vielfalt des Alltags in
einem Land, das nach dem Zweiten
Weltkrieg unter sehr viel schwierigeren Umständen eine Identität
finden musste als westlich von Elbe
und Werra. Da sind nicht Anklage
und Voyerismus, sondern Teilnahme
und Würdigung, und das immer
mit Respekt vor den abgelichteten
Personen. Es sind selbstbewusste
Menschen, stolz und glücklich über
das Erreichte, und doch schimmern
immer wieder auch Sorgen durch und
Skepsis, wie es der Alltag erzwingt.
Burcherts Menschen arbeiten, feiern,
faulenzen, sie lieben sich, sie haben
Spaß und sie haben Sorgen. Genauso
wie zur selben Zeit im deutschen
Westen. Unterm Strich versteht sich
Ulrich Burchert ein weites Stück weg
von der effektheischenden Arbeit
vieler Bildreporter. Burchert, der sich
selbst bescheiden einen „Bildjournalisten” nennt, ist Dokumentarist,
nicht Papparazzi.
Vielleicht der am tiefsten schürfende Aspekt aber ist: Burcherts
Bildband dokumentiert das sensible
Innenbild eines Volkes, das die Kraft
fand, seine Obrigkeit abzusetzen als
diese es verdient hatte. Ohne einen
einzigen Schuss, geschweige einen
einzigen Toten. Besonders die Bilder
aus den späten 80er Jahren dürften
manchen Helden der Wende in spe
zeigen, ohne den die heutige Bundesrepublik niemals das geworden
wäre, was sie heute ist. „Bunte DDR”
ist ein ebenso eigenständiger wie
selbstbewusster Beitrag zum Tag der
Deutschen Einheit. #
Rezepte | Text: Juliane Büker
Kulinarische Vielfalt
Syrien, der Kosovo oder Nigeria sind nur einige der Regionen,
aus denen Flüchtlinge stammen, die nach Deutschland kommen in der Hoffnung auf ein friedliches Leben. Was sie mitbringen ist materiell nicht viel, manchmal nur das, was sie am
Leibe tragen. Aber Köpfe, Seelen und Herzen sind randvoll von
Erfahrungen bewegter Leben. Und von kulturellem Reichtum.
Dieser schmeckt übrigens köstlich. Wer Lust hat, kulinarische
Vielfalt zu entdecken, ist herzlich zum Nachkochen eingeladen. Vielleicht ist noch Platz am Tisch?
Waraq Ainab: Gefüllte Weinblätter aus dem Orient
Fli: Herzhafter Schichtkuchen
aus dem Balkan
Zutaten
ƒƒ Weinblätter
ƒƒ 500g Langkorn-Reis
ƒƒ Pinienkerne
ƒƒ 3-4 große Tomaten
ƒƒ 2 Zwiebeln
ƒƒ 1 Bund glatte Petersilie
ƒƒ ½ Bund frische Pfefferminze
ƒƒ ½ TL Zimt
ƒƒ ½ TL Piment
ƒƒ Salz und Pfeffer
ƒƒ Olivenöl
Zutaten für den Teig
ƒƒ 1 kg Mehl
ƒƒ 1 L Wasser
ƒƒ 1 EL Salz
Zubereitung
Gefüllte Weinblätter sind eine typisch arabische Vorspeise. Zum Einwickeln können
selbstgeerntete Weinblätter verwendet
werden. Diese sollte man vorher für fünf
Minuten in kochendes Wasser legen.
Tomaten, Petersilie, Minze und Zwiebeln
pürieren. Den Reis für etwa 5 Minuten
kochen. Danach das Wasser abgießen
und die Tomaten-Zwiebel-Kräutermasse
mit dem Reis vermischen. Der Menge mit
Gewürzen, Salz, Pfeffer und Pinienkernen
einen kräftigen Geschmack verleihen.
Weiche Weinblätter mit der glänzenden
Seite nach unten legen. Mit dem gewürzten
Reis befüllen und einrollen. Der Trick: Bis
zur Hälfte einrollen, Enden einklappen,
zu Ende rollen. Einen Topf mit einigen
losen Weinblättern auslegen, die gefüllten
Weinblätter darauf stapeln. Den Topf mit
etwas Wasser und ca. 5 EL Olivenöl füllen,
so dass die Rollen bedeckt sind. Einen Teller
auf die Weinblätter legen um zu vermeiden,
dass sie aufgehen. Bei mittlerer Hitze für
60 Minuten köcheln lassen bis das Wasser
verdunstet. Problemlos lässt sich in die
Reismischung auch gewürztes und angebratenes Rinderhackfleisch einarbeiten. Als
Dip passt Auberginenpüre. #
Zutaten für die Form
ƒƒ 400 g Sahne
ƒƒ 400 g Schmand
ƒƒ 100 g flüssige Butter
ƒƒ 200 g Naturjoghurt
ƒƒ 2 EL Salz
Zubereitung
Fli ist eine kosovarische Delikatesse und
wird als Hauptgericht serviert. Die Zutaten für den Teig verrühren. Die Konsistenz sollte so fest sein, dass der Teig auf
einem Untergrund nicht ganz zerfließt.
Für die Füllung ebenfalls alle Zutaten
vermischen und abschmecken. Nun eine
runde Backofenform, zum Beispiel eine
Tarte-Form oder eine Springform, mit
Butter auspinseln. Den Teig löffelweise
strahlenförmig vom Rand zur Mitte streichen, sodass eine „Sonne“ entsteht. Auf
die freien Flächen zwischen den „TeigStrahlen“ wird gleichermaßen mit einem
Löffel vorsichtig die Füllung gestrichen.
Der ganze Boden der Form ist bedeckt.
Den Schichtkuchen bei 250°C (Oberhitze)
auf die oberste Schiene in den Backofen
schieben. Nur einige Minuten backen, bis
der Teig bräunlich wird. Der Vorgang wird
wiederholt. Nun vertauscht man jedoch
die Teig-Füllung-Kombination. Das heißt
jetzt wird an der Stelle Teig aufgetragen,
wo im vorherigen Vorgang Füllung war
und die ausgesparten Felder erneut mit
Füllung bedeckt. Die strahlenförmige
Form wird beibehalten. Wieder kurz
backen, wie oben beschrieben. Dies kann
so häufig wiederholt werden, bis der Fli
so hoch ist wie gewünscht. Abschließend
eine dicke Schicht der Füllung auf den
Schichtkuchen streichen, mit einem
Küchentuch abdecken und 15 Min. stehen
lassen. Warm servieren. Leichtes Gemüse
passt gut zu dieser deftigen Speise. #
Nigerianischer Bananen-KokosPudding
Zutaten für den Teig
ƒƒ 2 kleine Kokosnüsse mit Kokosmilch
ƒƒ 4 Eier
ƒƒ 2 EL Zucker
ƒƒ 4 reife Bananen
Zubereitung
Diese süße Nachspeise stammt von der Elfenbeinküste und zaubert Sonne auf die Zunge.
In abgewandelter Form ist sie übrigens auch
in Asien bekannt. Kokosnüsse öffnen und
den Saft daraus auffangen. Das Fruchtfleisch
mit einer Raspel raffeln. Eier mit Zucker vermengen und schaumig schlagen, dann die
Kokosmilch dazu gießen. Die Bananen mit
einer Gabel fein zerdrücken und mit Kokosraspeln sowie der Eiermischung vermengen.
In einer feuerfesten Form bei mittlerer Hitze
(etwa 170°C) backen, bis der Pudding fest
ist. Der Pudding kann heiß oder kalt serviert
werden. Besonders gut passt frisches Obst
dazu. #
31
Bericht | Text: Horst Gärtner
Schlussakkord
Liebe Leserinnen und Leser,
sind Sie schon einmal die Autobahn von Nürnberg nach München gefahren? Ist Ihnen bei einem Blick nach rechts und links
aufgefallen, dass die Häuser einzeln, in Gruppen, in Dörfchen
und in kleinen Städtchen – fast alle – weiß verputzt sind; einige
wenige etwas gelblich bis zu hellorange. Ich habe keinen roten
Klinker gesehen, die bei uns die Bilder beherrschen. In Österreich und Italien/Südtirol an der Autobahn das gleiche Bild.
Nun weiß man, dass am Anfang von Neubau- oder Fassadenrenovierung immer die Frage steht: „Wie soll eine Hausfassade
aussehen“? Wenn ganze Landstriche sich derart einheitlich
entscheiden, dann stellt sich für mich die Frage: „Was steckt
dahinter?“. Wollen die Menschen mit dieser fast einheitlichen
Gestaltung etwas ausdrücken, etwa: „Wir gehören zusammen“,
„Wir sind eine Gemeinschaft Gleichgesinnter“.
Flüchtlingsproblems wieder. Und Deutschland, das stark wegen
der Vorkommnisse im Osten und teilweise auch im Westen in
„die falsche Ecke geraten war“ holt plötzlich tief Luft, man
spricht von einer neuen „Willkommenskultur“, ja, sogar von
einem „neuen Deutschland“. Nachdem die Bundeskanzlerin
vorübergehend den Weg für syrische Flüchtlinge aus Ungarn,
die dort unter menschenunwürdigen Umständen wochenlang
festgehalten wurden, freigemacht hatte, kamen Tausende in
Deutschland an. Die Bilder zeigen, dass sie glücklich sind. Sie
heben die Arme und rufen „Thank you Germany“ und werden
von Hunderten von Einwohnern der Städte willkommen geheißen. Es gibt reichlich Spenden, vor allem für die Kinder; was
muss das für ein Gefühl für die Flüchtlinge sein, nach einer
solchen Odysee so empfangen zu werden!
Für mich wird seit Wochen immer deutlicher, dass wir hinter
die Fassaden schauen müssen und dass es in dieser Zeit unsere
wichtigste Aufgabe ist, unsere humanitären Wurzeln und
Inhalte freizulegen.
Und was muss das für ein Gefühl für die Bundeskanzlerin sein,
die wochenlang in Griechenland am Pranger gestanden hat.
Wenn sie dann sieht, wie dankbar tausende Menschen sind,
dass sie endlich hier gastfreundlich aufgenommen werden.
Und wenn sie hört, dass sie fast wie eine Schutzpatronin verehrt wird.
Wenn wir unsere Realität sehen, dann wissen wir, dass diese
von der oft staatlich egozentrischen Wirklichkeit überrollt wird.
Flüchtlinge verlassen in Scharen afrikanische Mittelmeerstaaten, Syrien und den Irak und die Balkanstaaten, wo Krieg und
Elend oder einfach fehlende Lebensperspektive zur Flucht
zwingen, Schleuserbanden bereichern an den Fliehenden.
Wenn man das sieht, dann drängen sich Fragen auf. Was ist das
für eine EU, in der 510 Millionen Menschen leben, in der eine
Reihe von Staaten immer da ist, wenn Geld verteilt wird, aber
vor humanitären Problemen die Augen verschließen.
Und immer wieder wird Deutschland vorgeschickt; das war
bei Griechenland so und ist es jetzt bei der Bewältigung des
Latua ist ein fröhliches und gut
gelauntes Hundemädchen. Mit ihren
Hundefreunden spielt sie ausgelassen und genießt ihre Zeit im Tierheim. Neugierig hüpft sie bekannte
Menschen an und freut sich über
Leckerchen und Streicheleinheiten.
Ein bisschen üben muss die knapp
Wenn man die Flüchtlingsströme täglich sieht, dann weiß man
auch, dass die Öffnung der Grenzen nur eine Momentaufnahme
sein kann. Wir werden das nicht durchhalten können.
Liebe Leserinnen und Leser, wir wünschen uns für die Flüchtlinge eine gesamteuropäische Lösung.
Freundliche Grüße
Horst Gärtner
zweijährige Hündin allerdings noch.
Fremde Menschen und neue Situationen überfordern sie manchmal. Ihre
neuen Menschen sollten ihr daher
nicht nur die erforderliche Sicherheit
vermitteln, sondern auch viel Zeit
haben ihr alles beizubringen, was sie
für ein erfülltes Hundeleben braucht.
Tel: 02 51 32 50 58 – [email protected] – www.tierfreunde-ms.de
32
tion 1981
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Friedens im 21 Jahr
Zur Aktualität des
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Sonntag, den 11.10
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Alle Veranstaltungen im Online-Kalender „Friedensstadt Münster“ unter:
www.muenster.de/termine sowie WWW.FRIEDEN-MUENSTER.DE
Förderverein Friedensinistiativen in Münster e.V.
33
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Eine von 101 sauberen
Lösungen für Münster.
Wussten Sie, dass Ihr Grünabfall für blühende Gärten
sorgt? Denn die AWM gewinnen daraus gütegesicherten
Kompost. Und das geht so: Etwa 23.000 t Grünabfälle
und 6.000 t Gärreste aus der Bioabfallvergärung wandern in die Kompostierungsanlage. In der Vergärung
entsteht Biogas, in der Kompostierung Blumenerde. Sehr innovativ, und das bereits seit 1995.
Mehr unter: www.awm.muenster.de
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Redaktionsschluss
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10. Oktober 2015
Alles, was sauber macht
Annette Poethke
Fachanwältin
für Familienrecht
Tätigkeitsschwerpunkte:
Eherecht
Miet - und Pachtrecht
Verkehrsrecht
Interessenschwerpunkte:
Arbeitsrecht
Erbrecht
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