Arbeitsergebnisse

Arbeitsergebnisse Workshop
Differenzierung im kompetenzorientierten Unterricht:
Welche Möglichkeiten eröffnet der Lehrplan 21?
Ausgangslage für den Workshop bildeten sechs Aussagen zu Elementen des Lehrplans 21 welche
(optimistisch formuliert!) dazu beitragen werden, dass die Binnendifferenzierung durch die
Lehrpersonen unterstützt und gefördert wird:
1) Die Kompetenzstufen sind sehr konkret ausformuliert. Die Lehrperson verfügt damit über ein einfaches
Instrument, um den jeweiligen Lernstand zu erfassen und die Ansprüche bzw. die Aufgaben zu
bestimmen.
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten auf ihren jeweiligen Kompetenzstufen.
2) Die Festlegung einer Kompetenzstufe als Grundanforderung ermöglicht bei Bedarf eine klare
Fokussierung.
3) Eine kompetenzfördernde Didaktik geht von anforderungsreichen Situationen aus. Mit einem breiten
Repertoire an anforderungsreichen Situationen zu gleichen Kompetenzen kann gezielt auf die
Erfahrungen und die Lebenswelt der Lernenden Bezug genommen werden.
4) Die Strukturierung des Lehrplans in Zyklen erhöht die Flexibilität: Die (Kompetenz-)Ziele sind jeweils in
Vier- bzw. Dreijahreszyklus zu erreichen. Es gibt keine Ziele mehr, die nach einem bestimmten
Schuljahr erreicht sein müssen (Ausnahme 2. und 6. Klasse).
5) Der Lehrplan weist an den Übergängen Kompetenzstufen aus, die im jeweils tieferen Zyklus a)
abschliessend, b) teilweise oder c) gar nicht behandelt werden müssen.
So kann auf die individuellen Möglichkeiten besonders schulleistungsstarker Schüler-innen und Schüler
bzw. Kinder mit schulleistungsschwächen eingegangen werden.
6) Der Lehrplan formuliert Kriterien als Grundlage für die Beurteilung. Schülerinnen und Schüler werden so
individuell an fachlichen Ansprüchen gemessen und stehen nicht (mehr) in einem sozialen Vergleich.
Als Ergebnis der Diskussion können aufgrund der Gruppenergebnisse folgende Punkte
festgehalten werden, welche diese positive Sicht unterstützen würden („Vitamine für die
Umsetzung“):
Diese Elemente könnten einen positiven Einfluss auf eine zunehmende Binnendifferenzierung
haben, wenn…
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ein gute fachdidaktisches Verständnis aufgebaut wird.
die Lehrpersonen aktiv in der Schwerpunktsetzung unterstützt werden.
die Grundanforderungen von den Lehrpersonen richtig verstanden und als
Orientierungsrahmen akzeptiert werden.
erkannt wird, dass das Denken in Zyklen effektiv Druck von den Lehrpersonen, den Eltern
und den SuS nimmt.
die Individuelle Förderung effektiv mehr Raum erhält.
genug Zeit bleibt für den Dialog zwischen Lehrperson und SuS (weil die Individualisierung
anspruchsvoller wird).
auch die Kursleitungen/Dozierenden kompetenzorientiert und binnendifferenzierend arbeiten.
eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Normen und Beurteilung stattfindet.
in der Einführung mit guten Praxisbeispielen die didaktischen Möglichkeiten sichtbar gemacht
werden, wie die Überschneidungsbereiche zwischen den Zyklen gut gestaltet und genutzt
werden können.
die Lehrperson die Absprachen an den Übergängen wirklich sorgfältig machen.
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den Lehrpersonen wirklich vermittelt werden kann, dass eine (inhaltliche) Öffnung des
Unterrichts effektiv im Sinn des Lehrplans 21 ist (Legitimation).
die Lehrmittel eine (ausreichend grosse) Anzahl an unterschiedlichen Aufgabensets
bereitstellen.
Lehrpersonen effektiv Zeit haben, auf die Schülerinputs einzugehen.
die Lehrpersonen die Chance nutzen und sich immer wieder den Kompetenzaufbau über die
Zyklen hinweg ins Bewusstsein rufen.
die Lehrpersonen erkennen, dass das Konzept der Kompetenzorientierung anschlussfähig ist
an die Berufsbildung oder an die Weiterbildung.
auf der Basis der Kompetenzstufen klare Kriterien für die Beurteilung definiert werden.
die Kompetenzstufen effektiv genutzt werden als Gesprächsgrundlage zwischen den
Lehrpersonen, Lehrpersonen und SuS, Lehrpersonen und Eltern.
ein Fachgremium gute kompetenzorientierte Zeugnisse entwickelt.
der LP 21 nicht als Gesetz verstanden wird – sondern als Kompass (nicht nur von den
Lehrpersonen).
Diese Punkte werden von den Workshop-Teilnehmenden als Stolpersteine für die Umsetzung
gesehen. Sie sind während der Umsetzung gut im Auge zu behalten:
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Die Kompetenzstufen lassen immer noch grossen Spielraum (z.B. müssen 2 oder 10
Ereignisse gelernt werden, um über „die Kompetenz“ zu verfügen?).
Lehrmittel stehen für die Einführung nicht zur Verfügung (wenig konkretes, verbindliches
Material).
Das Vergessen ist im Konzept der Kompetenzstufen zu wenig mitgedacht.
Lehrpersonen haben zum Teil Schwierigkeiten, effektiv passende und wirkungsvolle
Aufgabenformen (z.B. um mit Anforderungssituationen zu arbeiten) zu bestimmen.
Lehrmittel müssen bewusst zyklenübergreifend konzipiert sein, sonst „vereinzeln“ die SuS.
Der Anspruch an die Lehrpersonen, den Überblick über den Lernstand der SuS zu haben,
wird der Binnendifferenzierung Grenzen setzen.
Die Vorgaben für die Beurteilung sind nicht kompatibel mit den Erwartungen zu Gunsten der
Binnendifferenzierung.
Übergänge und insbesondere Selektionsentscheide widersprechen der
Binnendifferenzierung.
Die Vielzahl an Kompetenzen bzw. Kompetenzstufen überfordert die Lehrpersonen.
Die Rahmenbedingungen (Klassensystem, summative Beurteilung, Gesellschaft und Politik,
Klassengrössen…) sind nicht auf Binnendifferenzierung angelegt.
Es ist noch nicht ausreichend geklärt, was eigentlich „Grundanforderung“ genau bedeutet.
Ein krampfhafter Anspruch, zu jedem Thema anforderungsreiche, lebensweltbezogene
Situationen zu finden, kann den Unterricht auch lähmen.
Es fehlen noch notwendige Instrumente zur Orientierung (Kompetenzraster,
Lernstandsübersichten etc.).
Im Lehrplan gibt es zu wenig kindergartenspezifische Kompetenzen.
Die Übertrittsgespräche und generell die Übergänge werden eine verstärkte
Binnendifferenzierung verhindern.
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Luzern, im September 2015
Prof. Dr.phil. Klaus Joller-Graf, PH Luzern ([email protected])