M A N A G E M E N T & A K T U E L L E S | I T- B U S I N E S S Welche Anforderungen ein APS-System erfüllen muss Viele Unternehmen richten ihre Fertigung auf individuelle Kundenanforderungen aus. Supply-Chain- und Produktionsplanungsprozesse werden dadurch immer komplexer. Mit dem richtigen Advanced-Planning-&-Scheduling-(APS-)System können dem Kunden dennoch verbindliche Liefertermine zugesagt werden. MARTIN HOFER D ie flexible Fertigung individualisierter Produkte als Gegenentwurf zur „dilettantischen“ Massenproduktion ist in vielen Branchen bereits Realität. Im Maschinen- und Anlagenbau sowieso, aber selbst in der Prozessindustrie und in der Serienfertigung müssen Materialflüsse und Fertigungskapazitäten auftragsbezogener und in engeren Terminrahmen geplant werden. Weil Die parallele Datenhaltung und der Wildwuchs individueller Excel-Tools Bei der Analyse der Praxis in Unternehmen, wie sie im Rahmen von SCM-Optimierungsprojekten vorgenommen wird, zeigt sich dies sehr häufig am deutlichsten durch einen Wildwuchs individueller Excel-Tools und einer daraus entstehenden parallelen Datenhaltung. Die Folge: Details der Planung werden dann nicht mehr im ERP-System gepflegt und die Stammdatenqualität sinkt kontinuierlich. Die Auswirkungen einer Entscheidung erst nach dem nächsten Batch-Lauf sehen? Für eine flexible Planung ist dies keine Option. Die wichtigste Fähigkeit, die ein Planungstool mitbringen muss, ist die Echtzeitfähigkeit. Ein In-Memory-System, das ohne externe Datenbank auskommt, kann genutzt Bild: www.kuka.com Martin Hofer ist Vorstand der Wassermann AG in 80686 München, Tel.: 089/57 83 99-0, [email protected] ERP-Systeme zur Erzeugung täglicher „Kontostände“ mit Batch-Processing arbeiten, eignen sie sich nur bedingt für Planungsaufgaben. Automatisierte Fertigung braucht optimal durchgeplante Supply Chains. Advanced-Planning-&-Scheduling-Software liefert dazu das jederzeit aktuelle Planungsbild. 30 MM MaschinenMarkt 30/31 2014 werden, um verschiedene Varianten zum Beispiel der Maschinenbelegung oder Materiallieferung durchzuspielen und sofort in den Auswirkungen zu überblicken. APSSysteme müssen komplexe Zusammenhänge simulieren können. Basis dafür sind die Stammdaten aus dem ERP-System, deren Qualität natürlich einen Einfluss auf die Genauigkeit der Planung hat. Gerade Durchlaufzeiten, die Dauer von Rüstwechseln oder Qualitätsprüfungsprozessen müssen hinterlegt sein, um zutreffende Terminplanungen machen zu können. Das Planungstool muss so unabhängig vom ERP sein, dass alternative Szenarien gepflegt werden können. Gleichzeitig muss es über eine Schnittstelle verbunden sein, die nicht nur den Import von Daten ermöglicht, sondern auch das Zurückschreiben der Planungsergebnisse. Für flexible Supply Chains, die beispielsweise die Produktions- und Lagerkapazitäten mehrerer Standorte umfassen, benötigt man Planer Tools, die helfen, die daraus entstehende Komplexität zu beherrschen. Die Visualisierungs- und Filtermöglichkeiten eines APS-Systems müssen den direkten interaktiven Zugriff in komplexen Auftragsnetzen ermöglichen. Details, die nicht zur aktuellen Fragestellung und Lösungsfindung beitragen, sollten systematisch ausgeblendet werden können. Umgekehrt muss es möglich sein, aus der Gesamtheit der Abläufe und Belastungen alle Prozesse herauszufiltern, die durch ein Ereignis beeinflusst werden. Das kann zum Beispiel einen Engpass bei einem bestimmten Material betreffen oder Arbeitsvorgänge, die terminlich von einer Betriebsruhe oder von erforderlichen Wartungsarbeiten betroffen sind. Belastungsspitzen oder Optimierungspotenziale müssen auf einen Blick erfassbar sein. Verschiedene Auftragstypen oder der jeweilige Status werden dabei meist über Farbschemata visualisiert. Ziel ist immer eine weitgehend automatisierte Planung, in der aber jederzeit sichtbar ist, wo individuelle planerische Entscheidungen nötig sind. APS-System optimiert werksübergreifende Planung Die angesprochene Kapazitätsplanung über Werksgrenzen hinweg ist ein gutes Beispiel für den Nutzen eines eigenständigen Planungstools. Verschiedene Möglichkeiten werksübergreifende Supply Chains im ERP abzubilden, bedingen unterschiedliche Nachteile: Werden die Werke getrennt behandelt, ist es zum Beispiel umständlich abzuklären, ob Fehlteile vielleicht in einem anderen Werk vorhanden und dort noch Bild: Wassermann I T- B U S I N E S S | M A N A G E M E N T & A K T U E L L E S Ein APS-System muss die Komplexität beherrschbar machen, um dem Planer eine Plattform für effiziente und effektive Entscheidungen bieten zu können. nicht verplant sind. Anstelle einer echten werksübergreifenden Planung werden dann in der Praxis oft externe Bestellungen als schnellere aber kostenträchtige Lösung genutzt. Werden getrennte Werke im ERPSystem dagegen als Einheit behandelt, gehen wesentliche Details für die Planung, wie der Zeitaufwand und die Transportkapazität für die Logistik zwischen den Werken, verloren. Die werksübergreifende Planung in einem APS-System bietet dagegen die Chance, durch den Echtzeit-Zugriff auf das Gesamtplanungsbild die Auslastung und das Bestandsmanagement im Werksverbund zu optimieren. Eine umfassende Planung, die unter anderem frühzeitig zu verbindlichen und erreichbaren Lieferterminen führt, muss auch für alle Beteiligten transparent sein. Nur wenn Abteilungen, die für verschiedene Arbeitsschritte in einem Fertigungsprozess voneinander abhängig sind, durch eine transparente Planung wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können, kann zum Beispiel die Unsitte von Angstbeständen beendet werden. Planungstools sollten auf jeden Fall Mehrplatzsysteme sein, die eine gemeinsame Arbeit an einem unternehmensweit gültigen Planungsbild erlauben. Als sinnvolle Ergänzung hat sich in vielen Fällen die Kopplung mit einem Manufacturing Execution System (MES) erwiesen, um die Planungsergebnisse weiterzugeben. Mit einem MES kann die Kommunikation mit Fertigung und Logistik vereinfacht werden – durch die Anzeige der Arbeitsvorräte für die Arbeitsplätze einerseits und der Echtzeitrückmeldung zu Prozesskennzahlen andererseits. Eine fortschrittliche Planung wird ständig an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst, sodass ein rückstandsfreies Planungsbild die Regel ist und nicht die Ausnahme. Es darf nicht verschwiegen werden, dass Advanced Planning & Scheduling neben einem Tool mit den beschriebenen Eigenschaften auch zwingend eine geeignete Organisation und definierte Prozesse benötigt. Eine umfassende Planung mit Terminhoheit einzuführen, bedeutet auch immer, lokale Kompetenzen zu beschneiden – seien diese echt oder nur gefühlt. Change-Management und uneingeschränkte Unterstützung durch die Geschäftsleitung sind hier sehr wichtig. Auch „frei schwebende“ Abteilungen müssen miteinbezogen werden In vielen Fällen ist es auch notwendig, Unternehmensbereiche in die Planung mit einzubeziehen, die zuvor „frei schwebend“ agierten. Beispiele wären hier Konstruktionsabteilungen, Prototypenbau oder Qualitätssicherung. Die Terminplanung für einen Sondermaschinenbau ist nicht möglich, wenn nicht klar ist, wie viel Entwicklungszeit vorgesehen werden muss. Ein in einem chemischen Verfahren erzeugtes Produkt kann erst für den Versand verpackt werden, wenn das Labor seine Qualität bestätigt. Für alle Glieder der Wertschöpfungskette müssen Prozesszeiten dokumentiert und die Stammdaten aus dem ERP-System angemessen gepflegt sein. Wer auf dieser Basis verbindlicher, konsensfähiger Daten und Verfahrensweisen umfassend plant und dank moderner In-Memory-Software mit einem jederzeit aktuellen Planungsbild arbeitet, erreicht auch ein Supply Chain Management, das den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht wird: flexibel, transparent und frei von überflüssigen Kosten und Beständen. MM 31 MM MaschinenMarkt 30/31 2014
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