Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit Herbstsemester 09 Zusammenfassungen Gruppe 7: Miriam Ezbiri (08-911-372) Amanda Hüsler (08-916-231) Philippe Knüsel (08-913-873) Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Text 1 Weingart, Peter (2001): Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft? Diagnosen zum Wandel von Wissenschaft und Gesellschaft Peter Weingart setzt sich in seinem Text „Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft? Diagnosen zum Wandel von Wissenschaft und Gesellschaft.“ mit dem Thema der „Verwissenschaftlichung“ der heutigen Gesellschaft auseinander. Dabei zitiert er zahlreiche Personen, wie z.B. Robert E.Lane, Daniel Bell, Nico Stehr, die von der Wissensgesellschaft reden und dessen Merkmale erläutern, z. B. dass sich die „Mitglieder“ der Wissensgesellschaft auf wissenschaftliches Wissen verlassen und dass Wissen dazu da ist, Ziel und Wertvorstellungen zu erreichen. Im Text werden aber nicht nur solche, eher positive, Aspekte erläutert, sondern auch die negativen Seiten dieser Verwissenschaftlichung thematisiert. Und zwar dass die Wissenschaft immer mehr auf die Politk, auf die Wirtschaft und auf die Medien angewiesen ist. Die Medien machen die Wissenschaft publik und verschaffen ihr so Ansehen und Bekanntheit. Die Politik und die Wirtschaft sorgen für deren Mittel und Anwendung. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass durch dieses grosse Mitspracherecht anderer Personen (Nicht- Wissenschaftler) das Wissen nicht mehr objektiv bleibt und ein Verlust der sozialen Distanz der Wissenschaft eintritt. Sicher ist, dass die Wissenschaft das in sie gesteckte Vertrauen nicht durch Gier nach Profit und Bekanntheit verlieren sollte und ihre Objektivität so weit wie möglich wahren sollte. 1 Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Text 2 Gibbons, Michael; Nowotny, Helga; Limoges, Camille; Trow, Martin; Schwartzman, Simon; Scott Peter (1994): The New Production of Knowledge. The Dynamics of Science and Research in Contemporary Societies. Die Menschen haben schon früh versucht, die Welt zu erkunden und so Wissen anzusammeln und zu verbreiten. Im 21. Jahrhundert hat aber eine starke Veränderung in der Art, wie dies geschieht, eingesetzt. Die Autoren unterscheiden zwischen zwei Modi. Modus 1 wird die wissenschaftliche Arbeitsweise aus der Zeit Isaac Newton genannt. Dieser Modus gilt vielen auch heute noch als das, was sie „Wissenschaft“ nennen. Charakteristisch dafür sind verschiedene Normen, die definieren, was Wissenschaft ist, wer forscht und welche Fragestellungen wissenschaftlich sind. Nur Forschung, welche diesen Kriterien genügen, gilt als „Wissenschaft“. Daraus folgt, dass eine relativ kleine Gruppe von Menschen entscheidet, was geforscht wird. Dabei geht es meistens um wissenschaftliche Neugier, es wird aber nicht mit einem bestimmten Ziel geforscht. Im Gegensatz dazu beschreibt Modus 2 eine Art der Forschung, die anwendungsorientiert ist. Typisch ist, dass in diesem Modus interdisziplinär gearbeitet wird. Es sind also nicht mehr einzelne Spezialisten eines Fachgebiets, die eine Fragestellung bearbeiten, sondern vielmehr eine grosse Gemeinschaft von Forschern verschiedener Gebiete, die Probleme zu lösen versuchen. Die Forschungsschwerpunkte sind hier nicht mehr durch die Forscher selber, sondern zu einem grossen Teil von der Gesellschaft bestimmt. Ein weiterer wichtiger Unterschied zu Modus 1 ist die Tatsache, dass nicht mehr Universitäten alleine Forschungsanstalten sind, sondern auch private Institutionen und staatliche (nicht-universitäre) Stellen an der Forschung beteiligt sind. Heute findet eine Veränderung von Modus 1 zu Modus 2 statt. Gründe dafür sind einerseits die heutige Mobilität der Menschen sowie Technologien, die rasche Informationsübertragung ermöglichen. Andererseits haben sich die Probleme der Gesellschaft verändert, so dass eine anwendungsorientierte, aber auch interdisziplinäre Arbeit nötig wurde. Beispiele sind der Klimawandel oder erneuerbare Energien, die verschiedene Fachbereiche wie Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Soziologie, aber auch Politik und Gesetzgebung betreffen. 2 Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Text 3 Felt, Ulrike; Nowotny, Helga; Taschwer, Klaus (1995): Wissenschaft im öffentlichen Raum Die Möglichkeiten, an wissenschaftliches Wissen zu gelangen, waren wohl kaum jemals so gut wie heute. Trotzdem scheint die Kluft zwischen der Wissenschaft und Öffentlichkeit grösser zu sein als früher. Ein wichtiger Grund dafür ist die Institutionalisierung der Wissenschaft. Während früher die Wissenschaftler am selben Ort lebten und arbeiteten, haben sich Arbeits- und Lebensbereich immer weiter getrennt. Dadurch verloren auch wissenschaftliche Erkenntnisse und deren Diskussion in der Gesellschaft an Präsenz. Gleichzeitig wurde die Wissenschaft unabhängig(er) von anderen Institutionen wie der Kirche oder dem Staat, gewann umgekehrt aber an Einfluss auf gesellschaftliche und staatliche Entscheidungen. Die Autoren sprechen hier von einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses. Durch Wissenschaft mitverursachte Probleme sozialer und ökonomischer Art sowie die steigenden Kosten der Forschung, bedingte dies eine verstärkte Diskussion über die Interessen der Öffentlichkeit. Dadurch versuchten verschiedene Seiten, eine stückweite Popularisierung der Wissenschaft zu erreichen. Journalismus, insbesondere aber die Erfindung von Rundfunk und Fernsehen ermöglichten der Gesellschaft einen besseren Einblick in die Wissenschaft. Allerdings konnten Studien zeigen, dass die Berichterstattung über wissenschaftliche Themen weniger von den wissenschaftlichen Fakten als vielmehr von der Wahrnehmung der Journalisten abhängt. Eine andere Untersuchung wies zahlreiche fachliche Fehler in Tageszeitungen nach. Die Akzeptanz der Wissenschaft in der Öffentlichkeit wurde zu einem wichtigen Kriterium für (finanzielle) Unterstützung der Forschung. Dieser Vorgang kann aber auch in die andere Richtung ablaufen, etwa wenn Laien sich zusammenschliessen und Forschung auf einem bestimmten Gebiet anzuregen versuchen. Ein wichtiger Faktor in diesem Thema ist das öffentliche Interesse und das Wissen der Laien über wissenschaftliche Themen. Umfragen zeigten, dass das Interesse an diesen Themen relativ gross ist. Es wurde aber auch festgestellt, dass im technischen Bereich im Gegensatz zu politischen und sportlichen Themen Interesse nicht automatisch grösseres Wissen mit sich bringt. Fallstudien zeigten auch, dass die Rezeption von Wissenschaft in der Öffentlichkeit aber nicht nur vom Wissen und Interesse der Laien, sondern auch von sozialen Faktoren abhängt. So gaben Hilfskräfte einer britischen Aufbereitungsanlage unter anderem die Gefährdung des Vertrauensverhältnisses zum technischen Fachpersonal als Grund für ihr physikalisches Desinteresse an. 3 Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Text 4 Wynne, Brian (1996): Misunderstood misunderstandings: Social identities and public uptake of science Die Rezeption von Wissenschaft in der Öffentlichkeit wird in diesem Text anhand einer Fallstudie genauer untersucht. Konkret geht es um die Umgebung der Nuklearanlage in Sellafield (ehemals Windscale) im Norden Englands, wo das Haupteinkommen der Bevölkerung, abgesehen von besagter Anlage, aus der Schafzucht stammt. Dort ereignete sich 1957 ein schwerer Brandunfall. Erst nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl wurden der Handel mit Fleisch aus der Region aber eingeschränkt. Die Einheimischen verstanden dies als einen Versuch der Regierung, ihre eigene Verantwortung für die Kontaminierung der Region zu verheimlichen. Wissenschaftler, welche die Kontaminierung untersuchen sollten, wurden von den Einheimischen als ahnungslos wahrgenommen, weil diese ihr Wissen nicht zur Kenntnis nahmen und nicht auf ihre Bedürfnisse eingingen. Damit zeigt der Text verschiedene Faktoren auf, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft beeinflussen. Neu zeigt diese Untersuchung, dass auch die sozialen Identitäten und Beziehungen der jeweiligen Bevölkerungsgruppe, die in irgendeiner Form von wissenschaftlichen Erkenntnissen betroffen werden, zu diesen Faktoren gezählt werden können. In diesem Beispiel bedeutet das, dass die Rezeption der Expertenmeinungen womöglich anders ausgefallen wäre, wenn nicht die Existenz der Schafzüchter auf dem Spiel gestanden hätte. Ein weiterer Schluss aus dieser Untersuchung ist, dass die Wissenschaft ihre öffentliche Wahrnehmung selber verbessern kann, indem sie sich nicht von der Öffentlichkeit abhebt, sondern auch auf lokales Wissen zurückgreift und eine öffentliche Diskussion führt. 4 Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Text 5 Dahinden, Urs (2002): Zwiespältige Beurteilung von Gentechnologie durch die Bevölkerung- Eine Analyse von Argumentationsmustern mit Hilfe von Fokusgruppen Im Text von Urs Dahinden geht es darum, in welchen Bereichen der Wirtschaft (z.B. Lebensmittelindustrie, Landwirtschaft, Medizin) Gentechnologie akzeptiert oder abgelehnt wird. Dies wurde anhand von Studien mit 28 Teilnehmern ermittelt, die jeweils in vier Fokusgruppen eingeteilt wurden. Diese lehnten Gentechnologie in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelindustrie ab, mit der Begründung, dass die Natur auch ohne gentechnisch veränderte Pflanzen gesund bleiben kann (als gutes Beispiel hierzu die Biolandwirtschaft) und dass die Gentechindustrie gewinnorientiert ist und somit die globalen Ernährungsprobleme nicht wirklich zu lösen versucht. Im Medizinbereich ist man sich dagegen nicht wirklich sicher, da es stark auf die persönliche Betroffenheit ankommt. Um die Ergebnisse der Studie zu ordnen, wird die sogenannte Frame- Theorie verwendet. Im Fortschritts- und Orientierungs- Frame wird die Gentechnik als positiv erachtet, da sie die Erträge steigern und die Gesundheit fördern kann. Im Kontroverse- Frame jedoch wird sie als negativ wahrgenommen, da die Teilnehmer kein Vertrauen in Industrie und Staat haben. Beim Ohnmachts- Frame wird ausgedrückt, dass die Forschung unaufhaltsam ist und man sie sozusagen gar nicht mehr aufhalten kann. Die Meinungen waren hier ambivalent, neben negativen Erfahrungen (Atombombe) wurden auch positive angesprochen (Weltraumforschung). Im Fortschritts- und Popularisierungs- Frame waren die Meinungen negativ, da man sich zu wenig informiert fühlt, um wirklich eine eigene Meinung zu bilden. Und im letzten Frame, dem Betroffenheits- Frame, sind die Meinungen ambivalent, da hier eigene Interessen, Werte und Normen zählen. Somit sieht dies jede Person ein wenig anders. Allgemein ist zu sagen, dass die Meinungen über Gentechnik nicht gefestigt sind und die Debatte um Gentechnik noch lange nicht zu Ende ist. 5 Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Text 6 Weingart, Peter (2003): Wissen und Öffentlichkeit- Zum Verhältnis von Wissenschaft und Medien Peter Weingart beschäftigt sich in seinem Text mit dem Verhältnis zwischen der Wissenschaft, den Medien und der Gesellschaft. Für Aussenstehende spricht die Wissenschaft oft in unverständlicher Sprache, sodass eine Kluft zwischen Gesellschaft und Wissenschaft entsteht. Jedoch herrscht auch Faszination seitens der Aussenstehenden gegenüber dem Wissen der Wissenschaftler. Hier treten die Medien als Vermittler auf, da sie, im Gegensatz zur Wissenschaft „real“ wirken. Dadurch wird die Gesellschaft über die Errungenschaften der Wissenschaft informiert. Ein Phänomen der heutigen Zeit ist die Massendemokratie der westlichen Welt. Die Partizipationsansprüche wachsen, wodurch sich Auseinandersetzungen bezüglich Risiken technischer Entwicklungen mehren. Seit der Demokratisierung im 20. Jahrhundert steht die Wissenschaft einer Gesellschaft gegenüber, die nicht alles einfach so hinnimmt und der sie Rechenschaft ablegen muss (z.B. die Einführung der Kernenergie in den 1970er Jahren). Die Wissenschaft, wie auch die Politik, muss Vertrauen in der Öffentlichkeit schaffen und glaubwürdig auftreten. Dabei spielen die Medien eine entscheidende Rolle, woraus eine Abhängigkeit der Wissenschaft von den Medien hervorgeht, da die Medien die Wissenschaft so präsentieren können, wie sie wollen. Jedoch bleibt diese Medienorientierung nicht ohne Auswirkungen für die Wissenschaft, da die Medien nicht die Wissenschaft an sich als wichtig erachten, sondern nach „Stars“ suchen, die eine imposante Figur haben und an einem attraktiven Forschungsthema arbeiten. 6 Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Gruppe 7 Leonarz, Martina (2002): Die Gentechnologie als kontroverses Zeitungsinhaltsanalyse von 1997 bis 1999 Medienthema. Eine Die Medien haben eine zentrale Rolle in der öffentlichen Meinungsbildung. Martina Leonarz hat durch eine inhaltliche Analyse von zwei grossen Schweizer Tageszeitungen (Tagesanzeiger und Neue Zürcher Zeitung) genauer untersucht, wie über die Gentechnologie berichtet wurde. Es zeigte sich, dass man die Berichterstattung in zwei Muster einteilen konnte. In einer ersten Phase wurde überwiegend aus Sicht der Forschung geschrieben. Im Vordergrund stand der wissenschaftliche Fortschritt, dementsprechend wurde eine relativ positive Haltung gegenüber der Gentechnologie eingenommen. Dies änderte sich, als das Thema zunehmend politische Bedeutung gewann. Neben den wissenschaftlichen Aspekten treten vermehrt moralische, ökologische und soziale Bedenken an der neuen Technologie in den Vordergrund. Die Beurteilung der Gentechnologie war in der Berichterstattung wesentlich davon abhängig, aus welchem Milieu die Akteure stammten. So wurde in dem Bereich der Universitäten und Wirtschaft eher positiv berichtet. Eher negativ berichtet wurde in ethischen Bereichen. Kaum neutral berichtet wurde in Leserbriefen. Deren Autoren bezogen grösstenteils klar positiv oder negativ Stellung zum Thema. Allerdings zeigte sich, dass Leserbriefe kein verlässliches Bild der öffentlichen Meinung widergeben. 7 Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Text 8 Weingart, Peter (2003): Wisssen und Macht- Zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik Peter Weingart behandelt in seinem Text die Frage, in welchem Verhältnis Wissenschaft und Politik zueinander stehen. Seit Ende des zweiten Weltkrieges gibt es Beratungsstellen, die der Politik ihr Wissen zur Verfügung stellt. Jedoch verfolgen die Politik und die Wissenschaft verschiedene Ziele. Die Politik muss Entscheide fällen und eine möglichst grosse Gruppe von Menschen zufrieden stellen. Somit übt sie Macht aus und möchte Interpretationsspielräume und nicht eine einzige Wahrheit. Die Wissenschaft dagegen ist auf der Wahrheitssuche, ohne auf andere Menschen zu achten. Somit ist Objektivität eines ihrer obersten Gebote. Von der Wissenschaft wird zudem immer mehr Sicherheit gefragt, was angesichts der immer komplexeren Probleme ein Problem darstellt (z.B. Vorhersage der Temperaturentwicklung angesichts des Klimawandels). Die Politik ihrerseits ist stark auf die Wissenschaft angewiesen, da sich ihre Aufgabenbereiche differenziert und weiter entwickelt haben (z.B. Umweltschutz, Energieversorgung). Um das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik einfach zu veranschaulichen, wurden lineare Beratungsmodelle erstellt, die jedoch scheiterten, da es keine klare Beziehung zwischen Wissen und politischer Entscheidung existiert. Was heute zu beobachten ist, dass mit fortschreitender Forschung nicht nur neues Wissen zunimmt, sondern auch die Erkenntnis darüber wächst, was man alles nicht weiss. Somit muss die Forschung fortgesetzt und Wissen möglichst sicher gemacht werden. 8 Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Text 9 Stichweh, Rudolf (1994): Differenzierung von Wissenschaft und Politik: Wissenschaftspolitik im 19. Und 20. Jahrhundert Es geht ausschliesslich um Wissenschaftspolitik, die von Wissenschaftlern als eine Art politische Steuerung des Wissenschaftssystems betrieben wurde. Im 19. Jahrhundert fand man kaum eine Unterscheidung zwischen Wissenschafts- und Hochschulpolitik, denn im Grunde wurde die Wissenschaftspolitik von Berufungsvorgängen geleitet. Laut Niklas Luhmann gab es vier Ebenen der Fixierung von Entscheidungsprämissen, nämlich Personen, Rollen, Programme und Werte. Anfänglich wurden nur auf den Ebenen Personen und Rollen operiert, was zu einem Teil zum Zusammenfall von Wissenschafts- und Hochschulpolitik beitrug und insofern dafür verantwortlich war, dass man auf organisatorische Innovationen verzichtete. Im 20. Jahrhundert kam jedoch der fundamentale Umbruch, indem sich die Wissenschaftspolitik gegenüber neuen, zielorientierten Organisationen offen verhielt. Zudem wurde von der Ebene der Personen und Rollen auf die Ebene der Programme und Werte gewechselt und eine Differenzierung von Wissenschafts- und Hochschulpolitik wurde politisch realisierbar. Damit eine Politik, basierend auf Programmen und Werten existieren konnte, musste sie sich auf die Geldabhängigkeit wissenschaftlicher Forschung als politische Einflusschance stützen. Ein entscheidender Punkt waren die Kapitalsammelstellen für private Mittel. Für ein reibungsloses Funktionieren wurde die Technik der Stückelung der Mittel und der begutachtungsabhängigen Zuweisungen an einzelne Antragsteller angewendet. Zur Umstrukturierung des Wissenschaftssystems trugen ebenso die Elementarisierung wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion und die Elementarisierung der Arbeitsform der wissenschaftlichen Forschung in der Form wissenschaftlicher Projekte bei. Das erstgenannte ermöglichte eine wissenschaftliche Kommunikation in Form von Publikationen und die Projekte implizierten eine geldähnliche Stückelung des Arbeitsprozesses. Den Ausgangspunkt der Wissenschaftspolitik der Nachkriegszeit markierte Vannevar Bush mit dem wichtigsten Vorschlag der Errichtung einer „National Science Foundation“ (NSF). 9 Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Text 10 Felt, Ulrike; Nowotny, Helga; Taschwer, Klaus (1995): Universitäten – Staat – Industrie: das wissenschaftspolitische Dreieck Es bestehen Interdependenzen zwischen Wissenschaft und Staat, zudem kommt es immer mehr zu Verflechtungen zwischen Wissenschaft, Staat und Wirtschaft. Von der Wissenschaft wird erwartet, dass sie zum Wohle der Gesellschaft beiträgt und wichtige Probleme angeht. Um diese Anforderungen zu erfüllen, benötigt die Wissenschaft finanzielle Unterstützung, welche öffentlich vom Staat als wichtigster Geldgeber (insbesondere für Grundlagenforschung) und privat von Industrien erbracht wird. Aufgrund dieser engen Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Staat ist die Frage nach der Planbarkeit bzw. Steuerbarkeit von Forschung zentral. Ob es einem Staat wirtschaftlich gutgeht bzw. ob er konkurrenzfähig ist, hängt unter anderem von den technologischen Entwicklungen ab, die wiederum erst zustande kommen, wenn Finanzierungsmittel verfügbar sind. Um diese finanzielle Unterstützung langfristig zu ermöglichen, wurden Forschungsfördereinrichtungen gegründet. Im deutschen System gehören die Verbundforschung, Frauenhofer-Gesellschaft und Stiftungen zu den drei innovativsten Formen der Förderung. Die wissenschaftlichen Fortschritte, wie auch die Öffnung des Bildungsbereichs für weite Teile der Bevölkerung führten unter anderem zu einem neuen Wissenschaftssystem. Aus dem zweitgenannten jedoch folgten Interventionen des Staates im Hochschulbetrieb, was dessen Autonomie langfristig schwächte. Vor allem aufgrund der Verschlechterung der finanziellen Rahmenbedingungen wurden Reformen immer notwendiger. Als Konsequenz fand vielmehr eine Verschiebung von der Prozesskontrolle zur Produktkontrolle, die die Qualitätserfassung und –kontrolle umfasst, statt. Diese Evaluation basiert auf wirtschaftsinternen und –externen Entscheidungsgrundlagen und wird grundsätzlich in zwei Modelle geteilt; das Peer-Review-Verfahren und szientometrische Methoden. Um die Problematik der Evaluation im Bereich der Forschung besser zu verstehen, führte Martin Trow vier Typen der Bewertungsmechanismen ein. 10 Miriam Ezbiri, Amanda Hüsler, Philippe Knüsel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit HS 09 Text 11 Abels, Gabriele; Bora, Alfons (2004): Demokratische Technikbewertung Im 19. Jahrhundert gab es einen tief greifenden Wandel, bei dem die Gesellschaft mit neuen Technologien, welche nicht risikofrei waren, konfrontiert wurde. Dies führte zu einer Abschätzung der Gefahren und folglich spürten immer mehr Personen einen Drang aktiv bei Diskussionen mitzuwirken. Die Beteiligung von Personen, welche ursprünglich nicht in Prozesse der Technikbewertung involviert waren, nennt man partizipatorisches Verfahren. Im Zusammenhang mit der Technikbewertung spielten die Technikfolgenabschätzung und – bewertung (technology assessment, kurz: TA) eine zentrale Rolle. Sie dienten als Möglichkeit der Beratung zwischen Öffentlichkeit, Wissenschaft und Politik. Der Sinn dieses partizipativen Verfahrens bestand darin, die Sach- und Sozialdimension zu verknüpfen und anhand dessen Möglichkeiten eine Politikberatung zu schaffen. Die Sachdimension befasste sich mit der Produktion des Ereignisses und dessen inhaltlicher Begründung. Für die Sozialdimension war das Herstellen einer Einigkeit ausschlaggebend. Nebst diesen beratenden Verfahren gab es auch das Konfliktverfahren, bei dem die Mediation ein wichtiges Beispiel darstellt. Bei diesem Verfahren wurde ein unbeteiligter Dritte zu den streitenden Parteien gestellt. Häufig wurde Partizipation mit Demokratie gleichgestellt, denn Partizipation ist eine Form der Inklusion (Adressierbarkeit von Menschen) und der massgebende Punkt für die Demokratie war die Bürgerbeteiligung. Drei wichtige Theorien formten den Rahmen der Demokratie, nämlich die pluralistische, partizipatorische und deliberative Theorie. Diese Demokratietheorien unterschieden sich dadurch, welche Seite des Politikprozesses sie als die entscheidende für die Legitimationsgewinnung erachten (Input oder Output). Gemeinsam war allen, dass die Beteiligung der Bürger am Prozess und Entscheidung von höchster Priorität war. 11
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