Marie-Claire Kienscherf

Einmal Schweden und zurück – Mein Auslandsjahr in Uppsala
WS13 undSoSe14
Also erst einmal, um das direkt vorweg zu nehmen, wenn man mit dem Gedanken spielt, für ein oder auch zwei Semester
in Uppsala zu studieren, sollte man lieber gleich Nägel mit Köpfen machen. Eine bessere Zeit als in Uppsala wird man
wohl kaum irgendwo anders haben.
Vorbereitungen, Reise und Ankunft
Die Bewerbung für einen Erasmusplatz ist relativ unkompliziert, Lebenslauf, Motivationsschreiben und Anschreiben fristgerecht bei dem oder der jeweiligen Koordinatoren/in abgeben und dann heißt es abwarten und Daumen drücken. Nachdem ich die Zusage bekommen hatte, insgesamt 10 Monate in Uppsala studieren zu können, mussten erst einmal ein
paar Vorkehrungen getroffen werden: Transport, Krankenversicherung, Unterkunft, Sprachkurs etc. Klingt nach vielen
Formalien, ist aber überschaubar. Ich hatte bereits ein Konto bei der DKB, das heißt in ganz Europa kostenlos mit meiner
Kreditkarte Geld abheben - perfekt also fürs Auslandsstudium. Das Beantragen des Kontos ist auch keine große Sache,
einige Formulare ausfüllen und schon bekommt man ein Girokonto mit gekoppelter Prepaid-Kreditkarte. Meine Krankenversicherung hat auch keine Umstände bereitet, mehr Aufwand ist dann schon der Antrag fürs Auslands-BAföG, aber
wann ist ein BAföG-Antrag das mal nicht.
Von der schwedischen Uni bekommt ihr Formulare, mit denen ihr euch für Kurse, den 4-wöchigen Intensivsprachkurs (nur
für Studenten, die im WS ins Ausland gehen aber dann auf jeden Fall machen!) und für einen Wohnheimplatz bewerben
könnt. Die Internetseite der Uni ist relativ übersichtlich, sodass diese Formalien schnell abgehakt sind.
Als das alles geregelt war, ging es um die Frage, wie nach Schweden kommen - Auto, Bus, Zug, Flugzeug? Da ich das
Glück hatte, zusammen mit einer Freundin nach Schweden zu fahren, haben wir uns letztendlich für den Bus entschieden. Ausschlaggebend war die Möglichkeit, zwei Gepäckstücke mit unbegrenztem Gewicht mitzunehmen. Der Trip hat
dann 20 Studenten gedauert, inklusive illegaler Einwanderer, ausgiebiger Passkontrolle und Umwegen, weil wir Reisende
in Kopenhagen vergessen haben. Also solltet ihr niemanden haben, mit dem ihr darüber lachen könnt und euch mit einer
Standardgepäckmenge abfinden könnt, nehmt besser nicht den Bus, vor allem, weil Flüge auch mit zwei Koffern nicht viel
teurer gewesen wären. Wenn ihr fliegt, dann immer nach Arlanda und nicht nach Skavsta, von dort braucht man nämlich
noch einmal genauso lang, um nach Uppsala zu kommen. Von Arlanda sind es hingegen nur 45 Minuten mit Bus und 15
Minuten mit dem Zug zum Hauptbahnhof in Uppsala.
Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir dann in Uppsala angekommen. Je nachdem in welchem Semester man ankommt
hat man unterschiedliche Anlaufstationen, bei denen man seinen Zimmerschlüssel etc. bekommt. Wir mussten direkt zum
Housing Office. Auch wenn es nicht so weit vom Bahnhof ist, nehmt lieber ein Taxi. Uppsala ist überraschend hügelig, mit
schwerem Gepäck werden 1,5 Kilometer also doch ziemlich lang. Dann ging aber alles ganz schnell und nach einer weiteren Taxifahrt sind wir dann auch heil in Flogsta, meinem Wohnheim, gelandet.
Unterkunft
Die Universität in Uppsala besitzt mehrere Studentenwohnheime, die wichtigsten und beliebtesten sind Rackarbergsgatan, Kantorsgatan und Flogsta. Auch wenn die Wohnsituation in Uppsala für Studenten generell eher schwierig ist, garantiert die Uni Erasmusstudenten einen Wohnheimplatz, vor Ort dann noch ein Zimmer suchen fällt also hoffentlich auch
weiterhin für uns weg. Ich habe in Flogsta gewohnt, was ich auch wärmstens empfehlen kann, wenn man die meisten
seiner Freunde in direkter Reichweite, sowie die meistens Korridorpartys oder auch Rooftoppartys in den Sommermonaten haben möchte. Flogsta ist das größte Wohnheim und ähnelt einer kleinen Ghettosiedlung mit seinen elf Häusern, die
jeweils sieben Stockwerke besitzen. Auf jedem Stockwerk sind zwei Korridore mit jeweils 12 Zimmern, wovon im Durchschnitt drei an internationale Studenten vergeben werden (ca. 450€/Monat). Jedes Zimmer hat ein eigenes Badezimmer
mit Dusche. Das Zimmer selbst ist 19m² groß und standardmäßig eingerichtet (Bett, Schreibtisch, Regale, Stühle...), was
vollkommen ausreichend ist. Wem das Bett mit seinen 90cm zu klein ist, kann sich auch recht günstig ein zweites dazukaufen, vor allem lohnenswert, wenn man das ganze Jahr da ist. Wo und wie man sich am besten mit Möbeln, Küchenutensilien und auch einem Fahrrad (sehr wichtig!) eindeckt, beschreibe ich weiter unten (s. Tipps & Tricks).
Also wie bereits gesagt, mit seiner Größe und der Vielzahl von internationalen Studenten ist Flogsta der Hotspot, wenn es
um Aktivitäten, Partys o. ä. geht. Auch preislich gehört es zu den günstigsten Wohnheimen. Dazu gehören noch eine
Pizzeria, ein kleiner Shop und ein Fahrradgeschäft. Der Supermarkt (ICA West) ist nur 5 Minuten entfernt und zudem
auch noch günstiger als die Supermärkte direkt in der Stadt.
Natürlich hat Flogsta seine Mankos. Es liegt nicht ganz zentral, das heißt mit dem Fahrrad dauert es etwa 15 Minuten in
die Stadt, gerade im Winter natürlich etwas nervig, aber es gibt ja glücklicherweise auch Busse und sonst findet man genügend Partys direkt vor der Tür, sodass man sich auch nicht unbedingt auf den Weg machen muss. Dadurch, dass die
Korridore recht groß sind und das "Wohnzimmer" oftmals eher einem Wartezimmer gleicht, sind sie oft recht anonym. Die
Schweden brauchen zudem häufig etwas länger bis sie auftauen und manche Korridore sind auch einfach nicht so an
sozialen Aktivitäten interessiert. Das variiert natürlich ganz stark - genauso wie die Sauberkeit der Küche im Übrigen,
generell sollte man da nicht so viel erwarten.
Rackarbergsgatan ist das Wohnheim, das am zentralsten liegt, wäre also meine zweite Wahl. Das Wohnheim ist deutlich
ruhiger und die WGs auch viel kleiner mit etwa fünf Studenten pro Korridor. Die Zimmer haben ein eigenes Waschbecken,
Dusche und Toilette hingegen teilen sich alle genauso wie die Küche. Die Zimmer sind sehr hübsch und allgemein ist
Racka familiärer als Flogsta. Je nachdem wo man studiert, ist man innerhalb 5 Minuten zu Fuß da. Da die meisten großen
Predrinks allerdings in Flogsta stattfinden, spart man sich gewöhnlich nur den längeren Nachhauseweg von den Clubs in
der Stadt.
Kantorsgatan ähnelt Racka ist jedoch etwa genauso weit vom Zentrum entfernt wie Flogsta, auf der gegenüberliegenden
Stadtseite. Das heißt mit Bus braucht man bereits 20 Minuten, um nach Flogsta zu kommen, ein Grund weswegen viele
Studenten dort eher unter sich bleiben.
Letztendlich muss man selbst überlegen, wie man seine Wohnprioritäten setzt. Ich würde mich immer wieder für Flogsta
entscheiden, einfach weil einem dort nie langweilig wird. Von allen Wohnheimen abgesehen von diesen dreien würde ich
abraten, da sie oft zu weit weg vom Geschehen sind und man dort ggf. mehr oder weniger allein ist. Da man sowieso drei
Prioritäten angibt, wenn man sich für einen Wohnheimplatz bewirbt, würde ich mich also auf Racka, Kantors und Flogsta
beschränken, in welche Reihenfolge auch immer.
Universität und Studium
Die Uppsala Universitet gilt als das Oxford Schwedens und man bemerkt schon recht schnell einige Unterschiede zu der
Uni Bielefeld. Die Kurse sind klein und der Kontakt zu den Dozenten sehr intensiv. Schöne Gebäude gibt es dann noch
dazu. Leider ist die Auswahl an Kursen, zumindest von der Geschichtsfakultät, eher überschaubar, es lässt sich aber
immer etwas finden, das passt. Dabei schließt man für gewöhnlich erst einen Kurs ab und beginnt dann die nächste Periode. Die Präsenzzeiten sind vergleichsweise gering, dafür wird ein entsprechend hohes Maß an Selbststudium erwartet.
Sowohl die Koordinatoren als auch alle Dozenten sind sehr einfach per Mail zu erreichen und durchweg kompetent und
hilfreich. In der Geschichtsfakultät werden dann meist Hausarbeiten bzw. Essays zur Erbringung der Leistung gefordert.
Manchmal kommen Gruppenarbeiten und Referate hinzu. Grundsätzlich ist das Universitätssystem schulischer als in
Deutschland. Es wird mündliche Mitarbeit erwartet und verpasst man ein Seminar, so werden Extraaufgaben vergeben.
Häufig werden auch wöchentliche Aufgaben gefordert, die abgegeben werden müssen. Mit einem guten Zeitmanagement
und eben durch die geringe Präsenzzeit ist aber auch das problemlos zu bewältigen.
Studentenleben und die Nations
Wenn mal keine Korridorparty oder ähnliches ansteht, hat man natürlich noch viel mehr Möglichkeiten, seine Freizeit zu
gestalten. Uppsala hat (genau wie Lund) traditionsreiche Nations. Diese sind eine Form von Studentenverbindungen/Clubs, die ursprünglich mit dem Ziel gegründet wurden, Studenten aus der gleichen Region eine Art zweites Zuhause zu
bieten, daher auch die Namen 'Stockholms Nation' usw. Ist man Mitglied einer Nation, dann kann man an allen Veranstaltungen aller Nations teilnehmen, der Unterschied liegt vor allem in preislichen Vorteilen, sprich man hat freien Eintritt oder
bekommt andere Rabatte. Die Nations sind unterschiedlich groß und bieten in verschiedenen Nächten Clubnights an und
haben ihre eigenen Restaurants und Pubs - zu studentenfreundlichen Preisen zur Abwechslung :). Man kann in so vielen
Nations Mitglied werden wie man möchte (um die 250 Kronen pro Semester), letztendlich ist es auch eine Rechenfrage.
Snerikes, Stockholms und Värmlands haben die besten Clubs, geht man also häufig feiern (Dienstag, Donnerstag, Frei-
tag), dann rechnet es sich sehr schnell zumindest Mitglied von zwei Nations zu sein. Für gewöhnlich bekommt man einen
Guest Pass für ein oder zwei Wochen, um sich in Ruhe ein Bild zu machen und sich dann zu entscheiden. Die Möglichkeit für eine Nation zu arbeiten besteht auch, die Bezahlung ist jedoch eher mittelmäßig oder entfällt ganz (für Essensgutscheine o. ä), die Arbeit ist also vor allem als soziale Aktivität zu sehen.
Tipps & Tricks
Simkarte
- gibt es von der Uni, falls euch das zu lange dauert, nehmt die von Comviq, die benutzen die meisten Studenten und
gäbe es auch von der Uni später im Welcome Package, bekommt ihr ganz einfach im Handyladen
Buy and Sell Items
- die Internetseite für alles was man braucht, deutlich günstiger als alles neu zu kaufen bzw. in einem Second Hand Laden in der Stadt (fürs Fahrrad am Anfang und die Ersteinrichtung vor allem)
Nollningen
- die Einführungswochen für schwedische Studenten. Am beliebtesten ist die Einführung neuer Wirtschaftsstudenten. Die
perfekte Möglichkeit schwedische Studenten kennen zu lernen, viele Mottopartys und Internationals sind gern gesehen,
von welchem Studiengang auch immer.
Buspass
- gibt's im Hauptbahnhof, aber erst besorgen, wenn man den Studentenausweis (bzw. die Nationcard) hat, sonst viel teurer
http://www.scanbaltexperience.com/
- auf jeden Fall frühzeitig den Trip nach Lappland buchen!! Dieser Trip ist magisch und ihr werdet es ansonsten bereuen!
(Die Balalaika and Vodka Tour soll auch noch sehr gut sein)
Boose Cruise
- Kurztrips mit dem Boot von Stockholm nach z. B. Helsinki, Riga oder Tallinn. Im Duty Free günstig Alkohol kaufen und
nachts wird gefeiert - am besten beim International Student Cruise
studentguiden.se
- Infos über alle Events der Nations
Fazit
Mein Jahr in Schweden war, auch wenn sich das jetzt kitschig anhören mag, wirklich eins der besten meines Lebens. Ich
habe großartige Menschen kennen gelernt und hatte unfassbar viel Spaß. Zu den besten Erfahrungen gehörten dabei der
Sprachkurs als perfekter Einstieg ins Auslandsjahr, in dem man schon direkt viele tolle Freunde gefunden hat und die
Reise nach Lappland, inklusive einer Tour mit Schlittenhunden, Nordlichtern und vielem mehr - Erfahrungen, die ich nie
vergessen werde. Viel Schlechtes gibt es eigentlich nicht wirklich zu berichten, außer dass mein Konto zum Ende des
Aufenthalts leer war. Schweden ist teuer und das bezieht sich auf alle Lebensbereiche, also spart lieber vorher genügend
Geld, damit ihr den Aufenthalt in vollen Zügen genießen könnt und informiert euch sonst rechtzeitig über finanzielle Hilfen,
für den Fall, dass ihr zum Beispiel kein Auslands-BAföG bekommen solltet. Alles andere klärt sich dann und ihr werdet
zweifellos eine tolle Zeit haben.
Marie-Claire Kienscherf