Fragwürdige Jagd auf Meister Reineke

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Fragwürdige Jagd auf
Meister Reineke
Das Tragen von Echtpelz ist dank der «Stopp Pelz!»-Kampagne von ProTier und Aktivitäten von weiteren Tierschutzorganisationen wieder zur Gewissensfrage geworden. Nun glaubt die hiesige Modeindustrie, in Fuchspelz aus Schweizer Jagd eine
«ethisch korrekte» Alternative gefunden zu haben. Ist Fell vom einheimischen Rotfuchs
(k)eine Alternative zu Zuchtpelz?
Von Helen Weiss
Die Fuchsjagd bleibt fragwürdig.
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anschetten, Kragen und
Gürtel: Das Zürcher Modelabel Asandri gestaltet aus grün, rot, schwarz oder blau
gefärbtem Pelz zahlreiche modische
Accessoires. Schick sieht die neue
Winterkollektion aus – und sie ist, angeblich, erst noch ethisch korrekt, wie
Inhaberin und Designerin Alexandra
Pfister betont: «Der Pelz stammt von
einheimischen Füchsen, weshalb er
ohne schlechtes Gewissen getragen
werden kann.» Sie sei eine Tierfreundin und Pelz von Zuchtfarmen komme
für ihre Modekollektionen deshalb
nicht in Frage. «In Fuchspelz, der aus
der Jagd anfällt, haben wir deshalb
eine tolle Alternative gefunden», freut
sie sich. Auch Modissa setzt neben
dem Zuchtpelz auf ein eigenes Label
mit Schweizer Rotfuchs.
Der Pelz der jährlich rund 30'000
geschossenen Rotfüchse landete
bisher in der Verbrennung. «Das ist
eine Verschwendung», ist Pfister
überzeugt. «Lieber verarbeiten wir
den Pelz.»
Mit dem sogenannten «ethisch
korrekten Pelz» will die Modebranche
ihren Kundinnen und Kunden ermöglichen, guten Gewissens Pelz zu tragen. «Die Frage ist jedoch, ob Fuchspelz aus der Jagd tatsächlich ethisch
vertretbar ist», sagt Nathalie Dubois,
Geschäftsführerin von ProTier – Stiftung für Tierschutz und Ethik.
Überdenkt man die Thematik kritisch, stellt sich bald einmal die Frage, ob es überhaupt noch angebracht
ist, den Rotfuchs hierzulande zu bejagen. Ja, meint Hanspeter Egli, Präsident von Jagd Schweiz: «Nimmt
die Population lokal überhand, kann
der Fuchs als Prädator die Bestände
an Bodenbrütern, Hasen und Rehkitz
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übermässig reduzieren, lokal teil­
weise sogar ausrotten.» Die Jagd leiste deshalb einen Beitrag dazu, dass
die Fuchsbestände nicht zu gross
würden. «Bei der sogenannten natürlichen Regulierung gehen die Tiere bei Überbeständen an Räude oder
anderen Krankheiten elendiglich zu
Grunde.» Stabile Population auch
ohne Jagd
Die Argumente für oder gegen die
Jagd auf Meister Reineke sind zahl-
Modissa sieht im Schweizer Rotfuchs eine Alternative zu
Zuchtpelz aus Farmhaltung – den sie aber ebenfalls anbietet.
reich. «Die Frage, mit welchen Folgen man rechnen müsste, wenn die
Fuchsjagd in der Schweiz eingestellt
würde, ist nicht leicht zu beantwor-
Rund 30'000 Rotfüchse jährlich werden in
der Schweiz von der Jägerschaft abgeschossen.
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Marion Theus, Präsidentin von Wildtierschutz Schweiz WTSS, findet,
dass der Fuchs nicht bejagt werden
muss. Er sei ein wichtiger Teil des
Ökosystems: «Der Fuchs ist ein hervorragender Mäusejäger.» Dass es
auch ohne Jagd gehe, sehe man im
Schweizerischen Nationalpark, der
seit 100 Jahren jagdfrei ist.
«Die Prognose aus Jägerkreisen, dass sich der Rotfuchs extrem
vermehrt und seine Beutetiere aussterben, hat sich nicht bestätigt», so
Theus.
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Geschickter Mäusejäger­
ten», sagt Sandra Gloor, Wildtierbiologin beim Verein SWILD, einer
unabhängigen Forschungs- und
Beratungsgemeinschaft von Biologinnen und Biologen. «Die Fuchspopulation in der Schweiz wird nicht
systematisch erfasst.» Es könne also
niemand anhand konkreter Zahlen
aufzeigen, dass die heutige Fuchsjagd die Bestände reguliere. Nathalie Dubois von ProTier gibt zudem
zu bedenken, dass mit der aktuellen
Regulation des Rotfuchsbestandes
etwas nicht stimmen kann – wenn
das Bejagen in dieser Form greifen
würde, warum müssen dann jedes
Jahr erneut rund 30‘000 Füchse geschossen werden? Die Jagd vermag
den Bestand also offenbar nicht
nachhaltig zu regulieren, wie es die
Jäger behaupten.
Bisher ist wenig bekannt über die
indirekten Folgen der Jagd, also etwa die Scheuheit der Tiere oder der
Einfluss der Jagd auf die Alterspyramide der Fuchspopulation. «Vermutlich würde sich ohne Jagd in
den meisten Gebieten der Schweiz
an der längerfristigen Populationsdichte der Füchse nicht viel ändern»,
meint Gloor.
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Eine natürliche Regulierung des Bestandes müsste laut der Fachfrau
grundsätzlich möglich sein. «Allerdings treten heute mit den sehr hohen Fuchsbeständen auch Probleme auf, für die eine Lösung gesucht
werden muss.» So streifen etwa in
Siedlungsgebieten immer häufiger
Füchse herum, die gefüttert wurden
und dadurch ihre natürliche Scheu
völlig verloren haben. «Sie werden
dreist, dringen in Wohnhäuser ein,
belästigen Leute und schnappen
auch einmal zu», erzählt Gloor. Einen
Abschuss halte sie in solchen Situationen für eine angebrachte Lösung,
denn mit solch halbzahmen Tieren
könne es zu gefährlichen Situationen
kommen.
Ein gezielter, intensiver Fuchsabschuss könne auch in naturnahen
Gebieten helfen, in denen seltene
bodenbrütende Vogelarten leben.
Der Abschuss von Füchsen in Wohn-
gegenden ist Dubois von ProTier hingegen ein Dorn im Auge: «Es stimmt,
dass zahme Füchse lästig werden
können. Das Problem sind jedoch eigentlich nicht die Füchse, sondern
unvernünftige Menschen, die sie mit
Futter anlocken und sie so ihre natürliche Scheu verlieren lassen.»
Tierschutzkreise kritisieren nicht
nur die Fuchsjagd, sondern vor allem die Baujagd auf Füchse scharf.
«Zu Recht», meint Gloor, die dazu ein Fachgutachten erstellte. Sie
kommt darin zum Schluss, dass der
Fuchs bei dieser Jagdmethode in
Angst versetzt wird und Fuchs und
Hund sich nicht selten gegenseitig
verletzen. «Die Baujagd läuft damit
den geltenden Schweizer Tierschutzbestimmungen zuwider», so Gloor.
Aus der Sicht von SWILD sei darum
für die Ausübung der Baujagd ein
Nachweis für deren Notwendigkeit
und Effektivität erforderlich. «Dieser
Nachweis ist aktuell nicht erbracht.
Bei der Fuchsjagd fehlen heute in
Petition «Für ein
Baujagdverbot im Kanton
Zürich» eingereicht
Ende September wurde die von
ProTier und anderen Tierschutzorganisationen unterstützte
Petition «Für ein Baujagdverbot im Kanton Zürich» von
der Initiantin Tierpartei Schweiz
(TPS) der Kantonsratspräsidentin
Theres Weber-Gachnang (SVP)
übergeben.
Über 7'200 Personen hatten die
Forderung, die tierschutzwidrige
Praxis der Baujagd im Kanton
Zürich künftig zu verbieten,
unterschrieben.
der Schweiz sowohl eine Popula­
tionsschätzung als Grundlage für
konkrete, messbare Ziele als auch eine Evaluation der Abschussfolgen.»
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Foto © Rudolpho Duba/pixelio.de
Tierquälerische Baujagd
Aus Tierschutzsicht ist Rotfuchspelz keine Alternative zu Zuchtpelz.
Die Jagd, aus der er anfällt, ist zu umstritten.
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