Die Wittelsbacher und die Jagd, Teil 2

Die Wittelsbacher und die Jagd, Teil 2
Die Jagd wird bürgerlich
Wie in allen großen Dynastien hatten auch die Wittelsbacher ein enges Verhältnis zur Jagd. Nicht zuletzt die
Jagdpassion seiner Herrscher hat Bayern geprägt. Prof. Dieter J. Weiß hat uns im ersten Teil unserer Zeitreise ins Mittelalter und die Barockzeit entführt. Im zweiten Teil lässt er das 19. Jahrhundert Revue passieren.
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Durch Säkularisation, die Aufhebung
der Reichsunmittelbarkeit und die
Montgelas‘schen Reformen veränderte
sich das alte Kurbayern grundlegend.
Es wurde um weite Teile Frankens und
Schwabens erweitert, während alte
pfälzische
Wittelsbacher-Territorien
verloren gingen. Dabei fielen auch die
landesherrlichen Jagdrechte – wie etwa
die ständischen Jagdrechte der Prälaten
als Vorsteher der landständischen Klöster – in den neubayerischen Territorien
an den König. Nun wurde zwischen der
Dynastie der Wittelsbacher und dem
Staat Bayern rechtlich unterschieden.
1804 wurden die landesherrlichen Jagden
in Staatsjagden umgewandelt, mit der
Aufhebung der Edelmannsfreiheit 1808
erlosch das ständische Jagdrecht auf
landgerichtlichem
Boden.
Foto: SZ Photo
Das bäuerliche Nutzungsrecht an Grund
und Boden wurde in Eigentum umgewandelt. Mit dem Gesetz vom 4. Juni
1848, das zum 1. Februar 1849 in Kraft
trat, wurde das Jagdrecht auf fremdem
Grund und Boden aufgehoben. Dieser
Schritt löste zunächst einmal eine starke Reduzierung der Wildbestände aus.
Viele Bauern haben ihr neues Jagdrecht
ausgeübt, nicht zuletzt um die Wildschäden zu minimieren. Allerdings nahm die
Zahl der Jagdunfälle mit tödlichem Ausgang rapide zu. In Folge dieser Entwicklung verabschiedete der Landtag am 30.
März 1850 das Gesetz zur Aufhebung
des Jagdrechts auf
fremdem
Grund
und Boden. Mit
diesem
Gesetz
wurde der Grundstein für das noch
heute gültige Reviersystem gelegt.
Die Jagd wurde
ohne ständische
Privilegierung an
Max I. Joseph erwarb
den Grundbesitz
die
säkularisierte
von
mindestens
Fürstpropstei Berch240 Tagwerk im
tesgaden und KlosFlachland und minter Tegernsee und
destens 400 Tagunternahm von dort
werk im Gebirge
Jagden im Gebirge.
gebunden.
Das war neu und er- Das Grab des Wildschützen Jennerforderte einen hohen wein auf dem Friedhof Westenhofen Doch auch weiterkörperlichen Einsatz in Schliersee
hin wurde die Jagd
vom Jäger. Die Jagd
fast ausschließlich
begann, sich von der Umgebung der Re- vom Adel ausgeübt, teils wegen des grosidenzstadt in das Gebirge zu verlagern. ßen Waldbesitzes, teils aus JagdleidenNoch immer bildete sie ein Privileg der schaft. Maximilian II. ließ sich bewusst
regierenden Dynastie und des Adels. in Landestracht und als Jäger darstelAllerdings hatte der wohl bedeutendste len. Diese inszenierte Volkstümlichkeit
Monarch Bayerns, König Ludwig I., an- sollte das bayerische Nationalbewusstdere Interessen als die Jagd.
sein stärken. So war auch die berühmte
Fußreise König Maximilians im Sommer
Als sein ältester Sohn, König Maximili- 1858 durch die bayerischen Alpen im
an II., den Thron bestieg, führte er eine Grunde eine Beschau der Gamsreviere.
Reihe von Reformen durch. Er beseitigte
die Reste der Grundherrrschaft und die Maximilian II. war selbst Jäger. In seigrundherrliche Gerichtsbarkeit. Die Po- nem Jagdgefolge fanden sich jedoch
lizei wurde nun dem Staat übertragen, auch immer Dichter und Gelehrte, wie
die Dienstleistungen und Abgaben der zum Beispiel Franz von Kobell, bis heuBauern entschädigungslos aufgehoben. te bekannt als Verfasser der „Gschicht
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Der Prinzregent unterwegs mit seinen Jägern
vom Brandner Kasper“. Er war häufiger
Jagdbegleiter des Königs und widmete
dem Monarchen sein Jagdbuch „Wildanger“ aus dem Jahr 1859 – eine Sammlung von Skizzen aus dem Gebiet der
Jagd und ihrer Geschichte mit besonderer Rücksicht auf Bayern. Noch lange
galt dieses Werk als die „Bibel“ der bayerischen Jäger.
Der Sohn und Nachfolger Maximilians
II., König Ludwig II., ist nicht als Jäger in
Erinnerung geblieben. Ganz anders sein
Onkel, Prinzregent Luitpold. Sein Bild
in einfacher Jägerkleidung hat sich im
kollektiven Gedächtnis Bayerns gehal-
Die Jäger warten auf den Jagdherrn.
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Jagdausrüstung im 19. Jahrhundert
ten. Zahlreiche Anekdoten erzählte die
Bevölkerung noch lange nach seinem
Tode. Dies trug wesentlich zu seiner Popularität bei.
Zu seinen bevorzugten Jagdrevieren
gehörten das Revier im Quellgebiet der
Iller im Allgäu, wo die Gams- und Hochwildbestände erst wieder aufgebaut
werden mussten, Reviere um Berchtesgaden, die alten Hofjagden um München und natürlich der Spessart mit
seinem Schwarzwild. Insgesamt bejagte Prinzregent Luitpold an die 130.000
Hektar.
Die Jagdsaison hat während seiner Regentschaft den Jahreslauf des Hofes bestimmt: Im Frühjahr begann das „Jagdjahr“ mit dem Schnepfenstrich und der
Spielhahnjagd in der Hirschau an der
Isar bei München, gefolgt von der Entenjagd an der Isar und der Schusszeit
des Rehwilds. Im August ging‘s auf
Gams und Hirsch in der Vorderriß und
bei Hohenschwangau, im September im
Allgäu. Nach dem Abschluss des Oktoberfestes wurde die Jagd nach Berchtesgaden verlegt, nach St. Bartholomä
oder an den Hintersee. Im Spessart war
ein etwa 5.000 Hektar umfassender
Saupark mit Gattern eingezäunt, um
Jagdgesellschaft kurz vor dem Aufbruch
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Anfang des 19. Jahrunderts verlagerte sich die Jagd ins Gebirge.
Wildschäden für das Umland zu vermeiden. Hier jagten der Regent und seine
Begleitung im späten November und Dezember, was für das arme Land durchaus einen merklichen Wirtschaftsfaktor
bedeutete.
Zahlreiche Bilder und Anekdoten halten
die Jagdszenen des Prinzregenten bis in
die Gegenwart lebendig. Der Jagd wurde
quasi sogar ein eigener kleiner Tempel
gebaut. Der Hubertusbrunnen vor dem
Bayerischen Nationalmuseum wurde
in Form eines Tempelchens über einem
Hirsch errichtet.
Prof. Dr. Dieter J. Weiß,
Lehrstuhl für Bayerische Geschichte
und Vergleichende Landesgeschichte
mit besonderer Berücksichtigung des
Mittelalters an der Ludwig-MaximiliansUniversität München, ist zweiter Vorsitzender der Kommission für bayerische
Landesgeschichte bei der Bayerischen
Akademie der Wissenschaften und
stellvertretender Wissenschaftlicher
Leiter der Gesellschaft für fränkische
Geschichte.
Der Prinzregent beendete das Jagdjahr im Herbst mit der Saujagd im Spessart.
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