Befreiung aus tyrannischer Gefangenschaft

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Erschienen in: Archiv für Kulturgeschichte 90, Heft 2 (2008), S. 351-378
Befreiung aus tyrannischer Gefangenschaft
Der Trinitarierorden in der Habsburgermonarchie und die
Rückführung christlicher Sklaven aus dem
Osmanischen Reich und seinen Vasallenstaaten (1688–1783)
von Elisabeth Pauli
Der Ordo Sanctissimae Trinitate de redemptione captivorum (OSST), zu
Deutsch „Orden der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zur Erlösung Gefangener“, kurz allgemein Trinitarier-Orden genannt, wurde 1198 in Cerfroid
in Frankreich von Johannes de Matha (1154–1213) und Felix von Valois
(1127–1212), einem Einsiedler, die beide später heilig gesprochen wurden,
gegründet.1 Er war im Zusammenhang mit der mittelalterlichen Kreuz1
Der vorliegende Aufsatz basiert auf der Diplomarbeit der Verfasserin: Elisabeth PAULI,
Die Trinitarier in Österreich von 1688 bis 1783, Graz (geisteswissenschaftliche Diplomarbeit) 2004, sowie Ergebnissen weiterer Forschungstätigkeit zu diesem Thema im Rahmen
des FWF-geförderten Projekts „Karitative religiöse Orden im frühneuzeitlichen Mitteleuropa“ an der Universität Graz und eines ROM-Stipendiums der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Istituto Storico Austriaco in Rom. Die wichtigsten Übersichtswerke zur Geschichte der Trinitarier sind: Anthony O. D’ERRICO, The Trinitarians,
o.O. o.J. [Rom 2002], Thierry KNECHT, Les Trinitaires. Huit siècles d’ histoire, SaintMichel 1993; die Befreiungstätigkeit speziell behandelt umfassend: Bonifacio PORRES
ALONSO, Libertad a los cautivos. Actividad redentora da la Orden Trinitaria, CórdobaSalamanca 1997/1998 (2 Bände), zwei aufschlussreiche Sammelbände sind weiters: Giulio
Cipollone (Hg.), La Liberazione dei ‚Captivi‘ tra Christianità e Islam. Oltre la Crociata e il
¢ihád. Tolleranza e servizio umanitario, Città del Vaticano 2000 (Collectanea Archivi
Vaticani 46), Marisa Forcina, Nicola Rocca (Hg.), Tolleranza e convivenza tra Cristianità
ed Islam. L’Ordine dei Trinitari (1198–1998), Lecce 1998. Die wichtigste Literatur zur
Geschichte des Trinitarierordens in der Habsburgermonarchie ist: Moritz GMELIN, Die
Trinitarier oder Weißspanier in Österreich, in: Österreichische Vierteljahresschrift für
katholische Theologie 10 (1871), S. 339–406; Richard von KRALIK, Geschichte des Trinitarierordens. Von seiner Gründung bis zur seiner zweiten Niederlassung in Österreich,
Wien–Innsbruck–München o.J. (um 1920); Quirin DE LEEUW, Die Trinitarier. Ein alter
Orden mit jungem Herzen, Mödling 1984; Ruth KOBLIZEK, Die erste Niederlassung des
Ordens der unbeschuhten Trinitarier in Wien, Wien (geisteswissenschaftliche Diplomarbeit)
1995; Franz BUHL, Die Wiederkehr der Trinitarier nach Österreich, Wien (theologische
Diplomarbeit) 1997.
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zugsbewegung entstanden und zugleich ein Teil jener christlichen Erneuerungsbewegung, die im 12. und 13. Jahrhundert Europa erfasst und auch
so bedeutende Reformorden wie die Franziskaner, Dominikaner oder
Zisterzienser hervorgebracht hatte.2
Der Trinitarierorden und seit 1223 auch der Mercedarierorden widmeten sich dabei von ihrer Gründung an dem aufgrund der „Kreuzzüge“
verstärkt auftretenden Problem der Gefangennahme von Christen durch
Muslime bei kriegerischen Auseinandersetzungen, indem sie sich um die
Befreiung der Betroffenen, im Allgemeinen durch Lösegeldzahlung oder
Gefangenenaustausch, bemühten. Vor ihrer Existenz waren zwar auch
schon immer wieder Gefangene, besonders Personen von höherem Rang
und Ansehen freigekauft oder ausgetauscht worden, aber es hatte, zumindest im christlichen Bereich, keine Organisationen gegeben, die sich
vorrangig dieser Aufgabe angenommen hätten. Die bis ins Hochmittelalter relativ geringe Beachtung dieser Problematik, die lange auch die
Muslime betraf, steht dabei in auffallendem Gegensatz zur Entwicklung
im Judentum, wo, wohl schon aufgrund der Minoritäten-Situation und
der daher stärkeren inneren Solidarität, die Befreiung von gefangenen
Glaubensgenossen aus der Gewalt von „Ungläubigen“ seit der Antike
eine bedeutende Tradition hatte.3
Die Entwicklung des Trinitarierordens
bis ins 17. Jahrhundert
Für alle drei „Religionen des Buches“ scheint der Hauptgrund der Befreiung „ihrer“ Gefangenen in der Absicht zu liegen, sie vor der Apostasie,
dem Abfall vom jeweiligen eigenen Glauben im Feindesland zu bewahren. So ging es vorrangig darum, die Seelen jener Gefangenen zu retten,
und erst zweitrangig um die „irdische“, körperliche Befreiung der Betrof-
2
Vgl. Peter Dinzelbacher, James Lester Hogg (Hg.), Kulturgeschichte der christlichen
Orden in Einzeldarstellungen, Stuttgart 1997.
3
Vgl. Yvonne FRIEDMANN, The „Great Precept“ of Ransom. The Jewish Perspective,
in: Cipollone (Hg.), Liberazione dei ‚Captivi‘ (wie Anm. 1), S. 161–165. Die Autorin verweist auch auf die besondere Stellung der kollektiven „Gefangenschaft“ als traumatische
Erfahrung in der jüdischen Geschichte.
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fenen und ihre Rückführung in die eigene Gesellschaft.4 Denn der
Umstand der Unfreiheit allein galt noch nicht als ein ausreichender
Grund, jemanden „erlösen“ zu müssen, lebte doch der Großteil der Bevölkerung in den mittelalterlichen Gesellschaften in verschiedenen Varianten und Graden der Abhängigkeit. Dem Trinitarierorden ging es so
auch nicht darum, den europäischen Sklavenhandel insgesamt in Frage zu
stellen, der seit dem 8. Jahrhundert wieder zugenommen hatte und vorwiegend Menschen aus Osteuropa betraf, die über die reichen Handelszentren des südlichen und westlichen Europa nach Ägypten und den
Nahen Osten weiterverkauft wurden.5 Denn obwohl es seit dem Konzil
von Venedig im Jahr 1179 Juden verboten war, Christen als Sklaven zu
halten oder an Muslime zu verkaufen, galt dieses Verbot nicht für die
lateinisch-katholischen Christen selbst, und mit versklavten, meist slawisch-orthodoxen Christen wurde ein schwunghafter Handel in den Vorderen Orient und nach Nordafrika betrieben.6
Der neu gegründete Orden beschränkte sich als römisch-katholische
Gemeinschaft zunächst auf die Befreiung katholischer Gefangener,
wobei bald die einzelnen Ordensprovinzen für die Zurückholung von
Verschleppten aus ihrer Gegend hauptverantwortlich wurden. Sehr
rasch, nämlich noch im Jahr 1198, geschah mit der Bulle „Operante divinae dispositionis“ die päpstliche Approbation der neuen geistlichen
Gemeinschaft.7 Die dabei bestätigten Regeln waren vom Bischof von
Paris, Odo von Sully, und dem Abt von St. Victor in Paris, Absalon, verfasst worden, was darauf hinweist, dass von Beginn an erhebliche Unterstützung der hohen Geistlichkeit für dieses neue, der caritas gewidmete
Projekt vorlag.8 Aufgrund enger Beziehungen zu den Augustiner-Chorherrn von St. Victor wurden die Trinitarier zunächst auch den Augustiner-Chorherren zugerechnet, schon bald aber war ihr Status der eines
Mendikanten-Ordens.9 Johannes de Matha wurde nach der Bestätigung
4
Vgl. hierzu, für den christlichen Bereich, Joannes a S. FELICE, Triumphus Misericordiae, id est Sacrum Ordinis SSS. Trinitatis Institutum Redemptio Captivorum [...], Wien
1704, S. 116.
5
Vgl. Uwe WESEL, Geschichte des Rechts, München 22001, S. 310 f.
6
Vgl. WESEL, Recht (wie Anm. 5), S. 311.
7
Vgl. BUHL, Wiederkehr (wie Anm. 1), S. 5.
8
Vgl. Georg DENZLER, Carl ANDRESEN, Wörterbuch Kirchengeschichte, München
1997, S. 593.
9
Vgl. Kurt Galling (Hg.), Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 6, Tübingen
3
1962, S. 1041.
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des Ordens sogleich mit Aufgaben im Kirchenstaat betraut, sodass nicht
er, sondern die beiden englischen Trinitarier John Anglik und William
Scot die erste „Redemption“ (also „Erlösung“), wie die konkreten Unternehmungen zur Gefangenenbefreiung genannt wurden, durchführten.
Mit einem Empfehlungsschreiben von Papst Innozenz III. an „Miramolin“, den damaligen König von Marokko, machten sich die beiden schon
1199 auf den Weg nach Nordafrika und feierten einen großen Erfolg, als
sie wenig später mit 186 befreiten Christen wieder in Marseille an Land
gingen.10 Während sich Johannes de Matha in der Folge eher den Redemptionsaktivitäten widmete, organisierte Felix de Valois Seelsorge und
Krankenpflege für die Befreiten, indem er „Häuser der Barmherzigkeit“
gründete. Im Jahr 1209 existierten insgesamt bereits 30 Niederlassungen
des Ordens, wobei zehn davon mit einem derartigen Hospital ausgestattet waren.11 Die Rechtmäßigkeit des Ordens wurde durch Papst Honorius III. 1217 abermals bestätigt, außerdem wurde allen Bischöfen und
Prälaten geraten, seine Ausbreitung zu unterstützen, was dieselbe sicher
erleichterte. Der Höhepunkt der Ausdehnung war im 15. Jahrhundert
mit angeblich 800 Niederlassungen erreicht.12
Hierauf folgte ein gewisser „Niedergang“, wie er ja im Ordenswesen
jener Zeit generell zu beobachten war. Die Trinitarier zählten nun zu den
„etablierten“ Ordensgemeinschaften, und sowohl die konkreten Ziele der
Gefangenenbefreiung als auch die – wegen des Charakters als Bettelorden – strenge religiöse Disziplin wurden vielfach vernachlässigt. Im Spätmittelalter bestanden Ordensniederlassungen in Frankreich, Spanien,
Flandern, Luxemburg, Portugal, Italien, England, Schottland, Irland,
Griechenland und Palästina.13 In Frankreich hatte die Anteilnahme
König Ludwigs IX., des Heiligen, der 1250 von den Trinitariern aus muslimischer Gefangenschaft freigekauft worden war, zu einem besonders
großen Erfolg des Ordens beigetragen. 1259 stiftete Ludwig das berühmte Kloster Fontainebleau und schenkte den Trinitariern einen „Dorn aus
der Dornenkrone Jesu“; außerdem wurde er persönlich Mitglied des
10
Vgl. Max HEIMBUCHER, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche,
Bd. 1, Paderborn 31933, S. 450.
11
Vgl. KOBLIZEK, Niederlassung (wie Anm. 1), S. 16.
12
Vgl. Joseph HERGENRÖTHER, Franz KAULEN, Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon
[...], Bd. 12, Freiburg 1901, S. 84–90.
13
Vgl. GMELIN, Weißspanier (wie. Anm. 1), S. 345.
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Dritten Ordens der Trinitarier.14 Wegen des Trinitarierklosters zum Hl.
Mathurin in Paris nannte man den Orden in Frankreich im Übrigen auch
Maturiner. Aber auch der Name „Eselsbrüder“ war bis ins Spätmittelalter üblich, weil den Mönchen beim Sammeln von Spenden für ihre
Aktivitäten zunächst nur die Fortbewegung auf Eseln, nicht aber auf
Pferden gestattet war. Diese Einschränkung wurde aber bald durch einen
Dispens von Papst Honorius III. aufgehoben.15
Aus nahe liegenden Gründen trachteten die Ordensmitglieder schon
früh, direkt im Vorderen Orient sowie in Ost- und Südosteuropa Niederlassungen zu errichten. Während der Existenz der christlichen Kreuzfahrerstaaten bis zum Ende des 13. Jahrhunderts bestanden Stützpunkte der
Trinitarier in Jerusalem, in Nazareth sowie vielleicht auch in Bethlehem.
Danach gestaltete sich die Präsenz „vor Ort“ natürlich ungleich schwieriger. Auch im Einflussbereich der orthodoxen Kirche waren dauerhafte
Niederlassungen katholischer Geistlicher kaum möglich. Nach der Kirchenunion zwischen Papst Eugen IV. und dem byzantinischen Kaiser
Johann VII. im Jahre 1441 wurde die Gelegenheit dazu von den Trinitariern aber rasch ergriffen und ein Ordenshaus in Konstantinopel eingerichtet, das aber nur bis zur Eroberung der Stadt 1453 bestand.
Die Ordensorganisation der Unbeschuhten Trinitarier
Mit dem Konzil von Trient (1545–1563), das die zukünftige Gestalt der
römisch-katholischen Kirche für die konfessionelle Auseinandersetzung
festlegte, wurde auch ein Umgestaltungsprozess bei den Orden in Gang
gesetzt, der bei den meisten katholischen Ordensgemeinschaften Reformzweige entstehen ließ, welche die „älteren Oboedienzen“, also diejenigen
Teile der Ordensorganisationen, die am status quo festhalten wollten, oft
in den Hintergrund drängten, manchmal – so auch bei den Trinitariern –
fast gänzlich verdrängten.
Sowohl in Frankreich als auch in Spanien entstanden im 16. Jahrhundert Reformzweige des Ordens; in Frankreich verlor sich diese Reformbewegung aber in drei verschiedenen Richtungen und konnte daher
14
15
Vgl. KRALIK, Trinitarierorden (wie Anm. 1), S. 24–29.
Vgl. HEIMBUCHER, Orden (wie Anm. 10), Bd. 1, S. 452.
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außerhalb Frankreichs keinen Einfluss ausüben.16 Grundlegend anders
verlief die Reform des Ordens in Spanien, wo sie nach anfänglichen
Schwierigkeiten von großem Erfolg gekrönt war. Der spanische Reformzweig stieg rasch zum dominierenden Teil innerhalb Spaniens auf und
breitete sich ab dem späten 17. Jahrhundert auch außerhalb der Iberischen Halbinsel stark aus, insbesondere in Italien, Polen und der Habsburgermonarchie. „Motor“ der spanischen Reform war Juan Baptist de
la Concepcion (1561–1613); angeregt durch die allgemeine innerkirchliche Reformbewegung sowie bereits gegründete „Reformorden“ – wie
Jesuiten, Theatiner und Barmherzige Brüder – wollte er seinen Orden an
die „neuen Zeiterfordernisse“ anpassen, wobei dies vor allem durch eine
Rückkehr zur Befolgung der ursprünglichen hochmittelalterlichen Ordensregel erreicht werden sollte, die in der Zwischenzeit in zahlreichen
und wichtigen Punkten abgeändert worden war. Erst nach langen Auseinandersetzungen innerhalb des Ordens und mit Unterstützung der
schon „reformierten“ unbeschuhten Karmeliten sowie der Jesuiten gelang es ihm, seinen Reformansatz zumindest in einem Teil der bestehenden spanischen Trinitarierklöster zu verwirklichen. Der nach dem Verbot, andere Schuhe als Sandalen zu tragen, gleichfalls „unbeschuht“
genannte Reformzweig bestand beim Tod seines Gründers 1613 aus
23 Klöstern. Vor allem die Werbung von Novizen an den berühmten
Universitäten von Alcalá, Salamanca und Baeza sowie die Unterstützung
eines der mächtigsten Politiker im Spanien Philipps III., des Grafen Lerma, hatte den entscheidenden Erfolg gebracht.17 Der spanische Zweig der
Unbeschuhten Trinitarier wurde zunächst 1599 von Papst Clemens VIII.
mit der Bulle Ad militans ecclesiae regimen bestätigt; 1631 wurden neue
Statuten approbiert und dem Reformzweig auch ein eigener General
zugestanden, womit er kirchenrechtlich und administrativ vollständig
vom Trinitarierorden der alten Observanz getrennt wurde.18
Dieser neue „Ordo Sanctissimae Trinitatis de Redemptione captivorum excalceatorum“ (teils auch: „... discalceatorum“) beschränkte sich
zunächst auf Spanien, breitete sich bald aber auch in anderen katholischen Ländern aus. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts existierten
16
Diese Ordenszweige erloschen schließlich während der französischen Revolution.
Vgl. D’ERRICO, The Trinitarians (wie Anm. 1), S. 225–233.
17
Vgl. Juan PUJANA, Hl. Johannes Baptist von der Empfängnis, Rom 1975, S. 5–56.
18
Vgl. HEIMBUCHER, Orden (wie Anm. 10), Bd. 1, S. 452.
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schließlich sechs Provinzen, drei in Spanien, eine in Italien, eine in Polen
und eine in der Habsburgermonarchie. Alle Klöster, auch die des Reformzweigs, fielen aber – mit Ausnahme der Niederlassungen in Rom –
zwischen dem Ende des 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts den politischen und sozialen Veränderungen zum Opfer, in Österreich dem „aufgeklärten Absolutismus“ (1783), in Frankreich der Revolution (1792/93),
in Spanien den Säkularisierungsmaßnahmen durch die Liberale Partei
(1835), in Polen den Russifizierungsmaßnahmen unter Zar Alexander II.
(1863). Das einzige Ordenshaus, das durchgehend – bis heute – Bestand
hatte, ist das römische Kloster „San Carlo alle quattro fontane“.19
Die Unbeschuhten Trinitarier legten besonderen Wert darauf, dass
unter den Ordensmitgliedern möglichst Gleichheit herrsche; auf Titel
musste gänzlich verzichtet werden. Ein mönchisches Leben in Mäßigung,
in Armut, Keuschheit und Gehorsam, häufiger Kontemplation, aber
auch intensiver gelehrter Bildung sollte optimale Bedingungen für die
Durchführung des karitativen Ordensauftrags schaffen. Auch strikte
Disziplinierung im sozialen Umgang gehörte zu den Erfordernissen. Die
Trinitarier sollten sich – generell, und natürlich erst recht auf ihren
Befreiungsfahrten im ‚Feindesland‘ – neutral und zurückhaltend verhalten: „[Die Brüder sollen] niemanden schief oder fixiert ansehen oder mit
gerunzeltem Auge, [...] [sondern] ein ernstes, bescheidenes, freundliches
Gesicht zeigen, den Blick auf die Erde oder das Kreuz gerichtet [...] nicht
affektiert sprechen, [aber auch] keine Familiarität zeigen [...].“20
Insbesondere auch die zwischenzeitlich wenig beachtete, schon in den
ursprünglichen Regeln aber vorgesehene Dreiteilung aller Einkünfte
wurde bei den reformierten Trinitariern wieder beachtet,21 wie aus den
erneuerten Ordensregeln hervorgeht, die Papst Urban VIII. 1631 erlassen
hatte: „Alle Dinge, woher sie auch erlaubtermaßen kommen mögen, sind
in drei gleiche Teile zu teilen, und so viel zwei Teile davon ausreichen,
sollen davon Werke der Barmherzigkeit ausgeführt werden, wie auch der
mäßige Lebensunterhalt ihrer selbst [der Trinitarierbrüder] und der ihnen
notwendigen Gehilfen [bestritten]. Der dritte Teil aber muss für die Erlö-
19
Vgl. BUHL, Wiederkehr (wie Anm. 1), S. 15.
KRALIK, Trinitarierorden (wie Anm. 1), S. 43.
21
Vgl. Oktavian SCHMUCKI, Die Regel des Johannes von Matha und die Regeln des
Franziskus von Assisi, in: Cipollone (Hg.), La Liberazione dei ‚Captivi‘ (wie Anm. 1),
S. 240.
20
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den Freikauf gefangener Heiden für einen späteren vernunftgemäßen
Austausch, wobei ein Christ gegen einen Heiden, gemäß den Verdiensten
und dem Stand der Personen, eingelöst werden soll.“22
Die Vorschriften der Regula Primitiva wurden im Jahr 1676 durch ein
Breve von Papst Clemens X. in Vielem ergänzt, wobei die detailreichen
Constitutiones generales auch einige in den Ordensregeln gänzlich unerörtert gebliebene Thematiken behandelten:23 So wurde, was die Sammlungstätigkeit betrifft, angeordnet, dass kein Ordensmitglied seine Stellung dazu nutzen dürfe, für Verwandte oder andere ihm nahe stehende
Personen Almosen zu sammeln. Im Falle des Eintretens besonderer
Bedürftigkeit von Familienangehörigen von Ordensleuten würde der
jeweilige Provinzial (der Vorsteher der betroffenen Ordensprovinz)
Unterstützungsleistungen veranlassen.24 Auch die „Freizeitbetätigungen“
wurden in den Constitutiones erörtert, wobei die vorgesehenen Beschränkungen – zumindest auf den ersten Blick – teils recht seltsam anmuten:
„Bei der Rekreation sollen sich alle mit Mäßigkeit und ehrbarer Würde
betragen. Es möge ein spiritueller Text gelesen werden, oder über eine
solche Sache gesprochen, aber nur über unanstößige Dinge, nicht aber
über Genealogien, Herkünfte, Nationen, Länder sowie Nachrichten und
Gerüchte, die zur Erbauung und Vervollkommnung der Seelen unnütz
sind. [...] Zu keiner Zeit dürfen unsere Religiosen Komödien oder andere
Schauspiele, seien es auch geistliche, aufführen.“25 Gerade der Hinweis
22
Antonius a Conceptione (Hg.), Regula Primitiva et Constitutiones Patrum Discalceatorum Ordinis SS. Trinitati Redemptionis Captivorum, Rom 1851, S. 14: „Omnes res
undecumque licite veniant, in tres partes dividant aequales, et in quantum duae partes sufficient, exequantur ex illis opera misericordiae, cum sui ipsorum, et eis necessario famulantium moderata sustentatione. Tertia vero pars reservetur ad Redemptionem Captivorum,
qui sunt incarcerati pro Fide Christi a paganis, vel dato pretio rationabili pro redemptione
ipsorum, vel pro redemptione paganorum captivorum, ut postea rationabili commutatione,
et bona fide, redimatur Christianus pro pagano, secundum merita, et statum personarum.“
23
Vgl. ebd., S. 25–225.
24
Vgl. ebd., S. 54.
25
Regula Primitiva (wie Anm. 22), S. 77: „In recreationibus omnes cum modestia et
honesta gravitate se gerant. Legatur ibi res aliqua spiritualis, vel de illa agatur, et saltem de
rebus indifferentibus; non vero de genealogiis, stirpibus, nationibus, patriis, nuntiis et
rumoribus inutilibus ad aedificationem, et profectum animarum; […] Nullo tempore Religiosi nostri comoedias, aliosve actus, tametsi spirituales, agant“.
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auf die Begriffe der „Genealogien“ und „Herkünfte“ kann aber die Intentionen dieser Vorschrift schon deutlich machen: Unnützes Gerede
oder eben gar „Vorrangstreitigkeiten“ zwischen Brüdern unterschiedlicher sozialer, ethnischer oder geographischer Herkunft sollten unterbleiben.
Auch über die vorgesehene Ausbildung der Ordensmitglieder machen
die Constitutiones generales nähere Angaben, aus denen hervorgeht, dass
für die Priester des Ordens eine insgesamt achtjährige Studiendauer vorgesehen war. Mit diesem „Rahmenprogramm“ für die Ausbildung der
Priesterbrüder war ein für die Maßstäbe der Frühen Neuzeit zweifellos
sehr hohes Anspruchsniveau gegeben. Die zentralen Anforderungen an
die Lehrenden der ordenseigenen Kollegien, die natürlich selbst Trinitarier sein mussten, wurden in den Konstitutionen wie folgt beschrieben:
„Der Pater General wähle die Lektoren der Philosophie wie der scholastischen, expositiven und moralischen Theologie, und dies möge ihnen
sechs Monate vor dem Kurs mitgeteilt werden, damit sie sich vorbereiten,
und er möge immer gelehrte, gehorsame und mit Liebe erfüllte Personen
dazu bestimmen, die Lehre des Heiligen Thomas [von Aquin] zu lehren,
und nicht unnütze oder gefährliche Fragestellungen.“26
Auch Zulassungsbedingungen für die Aufnahme in den Orden fanden
in die Konstitutionen Eingang, wobei hier besonders deutlich zum Ausdruck kommt, dass für die katholische Kirche der Frühen Neuzeit die
Zugehörigkeit zu Judentum oder Islam als „Verbrechen“ galt – und zwar
als so schwerwiegendes, dass sogar die Nachkommen derart „Unreiner“
von einer Aufnahme in Eliten-Formationen, wie sie geistliche Orden darstellten, ausgeschlossen blieben: „Es wird auch kein Neophyt zugelassen,
und keiner, der in direkter Linie (in welchem Grad auch immer) von
Juden, Mauren oder Maurisken abstammt, ebenso keiner, dessen Vorfahren in direkter Linie [...] wegen Verbrechen des Judaismus oder (Zugehörigkeit zu) Mohammedanischer Sekte von Inquisitoren [...] bestraft
worden waren.“27
26
Ebd., S. 121: „Pater Generalis eligat Lectores tam Philosophiae, quam Theologiae
scholasticae, expositivae et moralis, praeveniatque eos sex mensibus ante Cursum, ut se
praeparent, semperque deputet Personas doctas, observantes, amantes docere doctrinam
Sancti Thomae, non quaestiones inutiles, seu periculosas.“
27
Regula Primitiva (wie Anm. 22), S. 205: „Nec admittatur Neophytus; nec qui descenderit per lineam rectam (in quodlibet gradu) a Judaeis, Mauris, vel Mauriscis; nec ullus,
cuius Praedecessores per lineam etiam rectam [...] ob Judaismi, vel sectae Mahometanae
crimina puniti fuerint ab [...] Inquisitoribus.“
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Dass dieselbe Regelung prinzipiell auch für Angehörige christlicher
„Sekten“ und deren Nachkommen galt, geht aus einer Anmerkung hierzu hervor, und wurde in einem gesonderten Dekret von Papst Innozenz
XII. aus dem Jahr 1692 nochmals betont.28 Solche Beschränkungen galten im 17. und 18. Jahrhundert aber nicht nur für den Trinitarierorden,
sondern waren durch das Papsttum in dieser oder ähnlicher Weise generell für alle Ordensgemeinschaften festgelegt worden. Zulassungskriterien
betrafen nicht nur Aspekte der Konfession, sondern es gab auch eine
ganze Reihe anderer Ausschlussgründe, insbesondere ansteckende oder
schwere chronische Krankheiten, erhebliche Behinderungen sowie ehemalige oder bestehende Leibeigenschaft.
Die Etablierung der Trinitarier in der Habsburgermonarchie
Hintergrund der Niederlassung des Ordens in Österreich war der neuerliche Krieg zwischen dem Osmanischen Reich und der Habsburgermonarchie ab 1683. Während der Großoffensive des osmanischen Heeres,
welches in sehr kurzer Zeit die Reste des habsburgisch beherrschten
Westungarns sowie beträchtliche Teile des östlichen Österreichs überrannte, wurden zehntausende Einwohner der betroffenen Regionen getötet oder verschleppt, wobei insbesondere tatarische Hilfstruppen gezielt
„Sklavenjagd“ betrieben.29
Noch vor der Niederlassung der Trinitarier in Österreich gelang aber
ihre Etablierung in Polen; dort war die Bevölkerung im späten 17. Jahrhundert kontinuierlichen Überfällen aus den angrenzenden tatarischen
Gebieten ausgesetzt. Aus diesem Grunde wurde der Trinitarierorden
durch König Jan Sobieski III. selbst 1685 ins Land gerufen. Im Zuge der
Gründung des polnischen Ordenszweiges reisten zwei Trinitarier durch
Wien und sprachen hierbei den Wunsch aus, auch in Österreich eine Niederlassung errichten zu wollen. Nach der Fertigstellung der ersten trini-
28
Vgl. ebd., S. 226–235.
Allein in Hainburg wurden sämtliche über 8400 Einwohner entweder getötet oder
verschleppt. Die Gesamtzahl der aus Niederösterreich und der Steiermark in die Sklaverei
weggeführten Menschen wurde von Zeitgenossen auf über 80.000 geschätzt. Vgl. etwa
Walter Kleindel et al. (Hg.), Österreich. Daten zur Geschichte und Kultur, Wien 1995,
S. 153–155.
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tarischen Niederlassung im polnischen Lemberg wurde vom Orden auch
ein Prokurator für Ordensgründungen in der Habsburgermonarchie
bestellt. „Fürsprecher“ für die Ansiedlung des spanischen Reformzweigs
der Trinitarier in Wien waren der päpstliche Nuntius Francesco Buonvisi, Graf Ferdinand Bonaventura Harrach (1637–1706), der damalige
Botschafter Österreichs in Spanien, und dessen Gemahlin Johanna,
sowie Kardinal Leopold Karl Graf Kollonitsch (1631–1707), Erzbischof
von Kálocsa und Primas von Ungarn, der selbst bereits verschiedentlich
einen Gefangenenaustausch zwischen den Kriegsparteien initiiert hatte.30
Zunächst wurde auf Anraten von Kollonitsch erwogen, das Haupthaus im Habsburgerreich in Ungarn zu errichten und in Wien nur ein
kleineres Hospiz, damit sich die Zentrale einer künftigen Ordensprovinz
näher am Kriegsgeschehen befände; diese Idee wurde jedoch wieder verworfen.31 Obwohl das öffentliche Klima für die Trinitarier in Österreich
angesichts der geschilderten Umstände in den 1680er Jahren sehr günstig
war, verzögerten administrative Probleme und politische Gegnerschaften
die Etablierung des Ordens in Wien zunächst: Das erste Ansuchen um
Niederlassungserlaubnis in Wien wurde von den landesfürstlich-habsburgischen Behörden sowie vom Magistrat der Stadt Wien abgelehnt,
und zwar mit der Begründung, dass in der Hauptstadt schon eine zu hohe
Dichte an katholischen Orden bestünde. Allerdings war die Sache damit
noch nicht abgetan, sondern wurde von Seiten des Trinitarierordens dem
Fürstbischof von Wien, Ernest Graf Trautson (1633–1702), einem Befürworter der Ordensziele, vorgetragen, welcher daraufhin ein förmliches
Gutachten in dieser Sache von den bereits in Wien ansässigen Orden einholte. Hierbei waren es vor allem die Jesuiten, die Karmeliter-Barfüßer
und die Kapuziner, die sich für die Niederlassung der Trinitarier in
Österreich aussprachen.32
Am 19. November 1688 wurde schließlich der endgültige landesfürstliche Konsens erteilt. Auch die Suche nach einer geeigneten Lokalität für den
Orden gestaltete sich schwierig; ein Haupthindernis war dabei, dass die Trinitarier, die anfangs alle Spanier waren und noch kaum Deutsch sprachen,
die pfarrliche Seelsorge in einem Pfarrsprengel zunächst nicht übernehmen
30
Vgl. KRALIK, Trinitarierorden (wie Anm. 1), S. 58.
Vgl. ebd.
32
Vgl. Mathias FUHRMANN, Historische Beschreibung und kurz gefasste Nachricht
von der Römisch. Kaiserlich und Königlichen Residenz-Stadt Wien und ihren Vorstädten,
Wien 1766, Teil 2, Bd. 1, S. 514 f.
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konnten. Schließlich fanden die Ordensbrüder ein geeignetes Grundstück in
der Alßherr-Gassen (heute: Alsergasse).33 Schon im Jahr 1689 lebten 13 Ordensbrüder, allesamt Spanier oder Italiener, im neuen Ordenshaus. Aufgrund ihrer nationalen Herkunft und des auffälligen Ordenskleides wurden
die Trinitarier volkstümlich bald „Weißspanier“ genannt.34
In der Folge trachtete der Orden, rasch ein „Netz“ von – allerdings
kleiner dimensionierten – Ordenshäusern in der Habsburgermonarchie
anzulegen, wobei nahe liegender Weise vor allem an den zentralen Verkehrswegen Richtung Ost- und Südosteuropa ordenseigene Niederlassungen installiert wurden, zweifelsohne um für die zu unternehmenden
Gefangenenbefreiungsaktionen sichere und auch kostengünstige Reisestationen zu schaffen, denn bei den Rückreisen mussten eventuell ja nicht
nur die ausführenden Patres selbst, sondern auch dutzende oder gar hunderte befreite Gefangene versorgt werden.
Von den insgesamt 17 Ordenshäusern, die der „Deutschen Ordensprovinz“ des Unbeschuhten Trinitarierordens bis zu ihrer Auflösung
1783 angehörten, lagen neun, also mehr als die Hälfte, im Königreich
Ungarn, eines im 1718 bis 1739 „österreichischen“ Belgrad, eines in Konstantinopel, vier in Böhmen und Mähren und nur zwei in den „österreichischen Erblanden“. Im Jahr 1728, als das Generalkapitel des Ordens in
Rom beschloss, die Klöster im habsburgischen Gebiet zu einer eigenständigen Provinz mit dem Titel „St. Joseph“ zusammenzufassen, bestanden 12 Ordenshäuser;35 nach 1728 traten noch fünf weitere Niederlassungen hinzu.36 Abgesehen vom Konvent in Belgrad bestanden alle
33
Vgl. FUHRMANN, Historische Beschreibung (wie Anm. 32), Teil 2, Bd. 1, S. 517.
Vgl. GMELIN, Weißspanier (wie Anm. 1). Man kannte daneben auch die „Schwarzspanier“, womit der Orden der spanischen Benediktiner von Montserrat gemeint war.
35
Vgl. Joannes a S. FELICE, Annalium Provinciae Sancti Josephi Ordinis Excalceatorum Sanctissimae Trinitatis Redemptionis Captivorum Libri Decem, [...], Wien 1739, S. 814 f.
Die polnischen Ordenshäuser, die mit den österreichischen in einem engen Naheverhältnis
standen, wurden 1726 zur Provinz St. Joachim zusammengefasst. Im polnischen Königreich bestanden folgende Konvente und Klöster: Warschau, Krakau, Krotoszyn, Lublin
und Tomaszow im heutigen Polen, Lemberg, Lwow, Stanislaw, Luzk, Kremenec, Berestetschko und Kamenec-Poselski in der heutigen Ukraine, Brest, Witebsk, Orscha und
Mlodetschko im heutigen Weißrußland, sowie Vilnius im heutigen Litauen. Vgl. de LEEUW,
Trinitarier (wie Anm. 1), S. 21.
36
Kralik nennt noch eine Niederlassung der Trinitarier, welche in den 1780er Jahren
von Österreich aus in Preußen – nämlich in „Emmerich“ – etabliert worden sei. Vgl. KRALIK,
Trinitarierorden (wie Anm. 1), S. 69. Zur Grazer Niederlassung vgl. bes. Helga SCHULLER,
Das Kloster der Trinitarier zu Graz, in: Blätter für Heimatkunde 53 (1979), S. 77 f.
34
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diese – umseitig mit den jeweiligen Gründungsdaten aufgelisteten – Niederlassungen bis zur Aufhebung des Ordens in der Habsburgermonarchie im Jahr 1783.
Konvente und Residenzen des Trinitarierordens
in der Habsburgermonarchie 1688–1783
A
B
Ort
Region
heute in
Gründungsjahr
Status 1728
Wien
Österreich
Österreich
1688/89
Mutterhaus der
ProvinzA
Illava
Oberungarn
Rumänien
1695
Größerer Konvent
Pressburg/
Bratislava
Oberungarn
Slowakei
1697
Größerer Konvent
Prag/Praha
Böhmen
Tschechien
1707
Größerer Konvent
Tyrnau/Trnava
Oberungarn
Slowakei
1712
Größerer Konvent
Komorn/Komárom/Komárno
Ungarn
Ungarn/
Slowakei
1714
Konvent
Belgrad/Beograd
Nordserbien
Serbien
1718B
Konvent
Zaschau/Zasová
Mähren
Tschechien
1724
Konvent
Karlsburg/
Alba Julia
Siebenbürgen Rumänien
1716
Niederlassung
Erlau/Eger/Agria
Ungarn
Ungarn
1717
Niederlassung
Pera
(Konstantinopel)
Osm. Reich
Türkei
1723
Niederlassung
Sárospatak
Ungarn
Ungarn
1728
Niederlassung
Ofen/Buda
Ungarn
Ungarn
1738
(spätere
Niederlassung)
Holleschau/
Holesov
Mähren
Tschechien
1748
(spätere
Niederlassung)
Maria-Eich
Ungarn
Ungarn
1749
(spätere
Niederlassung)
Stienowitz/
Stfnovice
Böhmen
Tschechien
1753
(spätere
Niederlassung)
Graz
Steiermark
Österreich
1756
(spätere
Niederlassung)
Von Wien aus begannen die Redemptionen gewöhnlich und hier endeten sie meist auch
feierlich.
Der Konvent musste 1739, als die Stadt wieder an die Osmanen fiel, aufgegeben werden.
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Die Gefangenenbefreiungen durch die österreichischen
Trinitarier („Redemptionen“)
Über den konkreten Ablauf der von den Trinitariern durchgeführten
Befreiungsfahrten, der so genannten „Redemptionen“, haben sich betreffend den österreichischen Raum zwei zentrale Quellenbestände erhalten:
zum einen ausführliche Berichte über die Redemptionen der Jahre 1690
bis 1728, welche in den „Annales Provinciae St. Josephi“ des Trinitarierpaters Joannes a S. Felice (1676–1744), der selbst Redemptor war und
einen Teil dieser Befreiungsaktionen persönlich durchgeführt hatte, in
lateinischer Sprache publiziert wurden;37 zum anderen Redemptionsverzeichnisse, mit kurzen Begleittexten versehene „Rechenschafts- und Leistungsberichte“ über die einzelnen Befreiungsunternehmen, in denen die
jeweils „erlösten“ Christen mit Namen, bezahlter Lösegeldsumme und
Ort des Freikaufs, vielfach auch mit Angaben zu Herkunft, Stand, Alter,
u. ä. verzeichnet sind.38 Anhand dieser Redemptionslisten lassen sich
zwar nicht Details des Ablaufs der jeweiligen „Reisen“ rekonstruieren,
wohl aber deren Eckdaten – Redemptor (verantwortlicher Trinitarierpater), Zeitspanne, Zielorte, Zahl der Befreiten, Gesamtsumme des Lösegeldes –, und es lässt sich ein ziemlich genaues Bild der sozialen Merkmale der Befreiten zeichnen.39
Die Durchführung von Redemptionsreisen soll im Folgenden anhand
der in den „Annales Provinciae“ gut dokumentierten ersten zwölf Befreiungsfahrten der Jahre 1690 bis 1728 näher vorgestellt werden. In diesem
Zeitabschnitt wurden viele der aus den habsburgischen Ländern verschleppten Menschen in Konstantinopel und den türkischen Küstenstädten gefangen gehalten, wohl noch mehr aber in den tatarischen Khanaten
37
S. FELICE, Annales (wie Anm. 35).
Bislang systematisch ausgewertet werden konnten die Redemptionslisten der Jahre
1760 bis 1783: Giovanni Constanzo Caracciolo (Hg.), Catalogo de Christiani schiavi riscattati [...], Roma 1764, [Daniel a Resurrectione Domini], Verzeichniß der gefangenen
Christen [...], Wien o.J. [1768/69], [Benedictus a S. Felice], Verzeichniß der gefangenen
Christen [...], Wien o.J. [1771/72], [Bernardinus a Beata Virgine], Verzeichniß der gefangenen Christen [...], Wien o.J. [1773/74], [Bartholomeus a S. Nicolao], Catalogus Captivorum
Christianorum [...], Wien o.J. [1776/77], [Anselmus a S. P. Joanne de Matha], Verzeichniß
der Gefangenen Christen [...], Wien o.J. [1780/81], [Engelbertus a Matre Dei], Catalogus
Christianorum [...], Wien o.J. [1783].
39
Siehe dazu weiter unten.
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an der Schwarzmeerküste. Das lag daran, dass die meisten Betroffenen
nicht vom osmanischen Hauptheer, das ja mit den eigentlichen Kriegsaktivitäten beschäftigt war, gefangen genommen worden waren, sondern
von zu einem beträchtlichen Teil eben aus Tataren bestehenden Hilfstruppen von leichter Reiterei. Die Verschleppten wurden vor allem in die
Gebiete Budschak, Jedisan, und Krim gebracht.
Sowohl in den „Annales Provinciae Sancti Josephi“ als auch in dem
ebenfalls vom Trinitarierpater Joannes a San Felice verfassten „Triumphus Misericordiae“ von 1704 werden „Turcia“ und „Tartaria“ auch
sehr ausführlich topographisch und ethnographisch beschrieben.40 Die
dabei vorgenommene Beurteilung fällt für die Türken als „Erbfeinde
christlichen Namens“,41 noch mehr aber für die Tataren nicht gerade
günstig aus, sondern bestätigt die damals in Europa, insbesondere aber in
den von den wechselseitigen Kriegshandlungen direkt betroffenen Regionen Mittel- und Südeuropas, ohnehin vorherrschende Meinung, dass es
sich bei diesen Völkern um besonders grausame, skrupellose, unberechenbare, wollüstige Menschen handle; es gibt kaum einen Lebensbereich, zu dem ein abschätziges Urteil für die entsprechenden „Sitten“
der Türken und Tataren fehlen würde.42
Neben der ideologischen und politischen Konfrontationslage zwischen Habsburgermonarchie und Osmanischem Reich und den sie begleitenden Stereotypen ist bei der Frage nach dem Zustandekommen
dieser Sichtweise wohl auch in Rechnung zu stellen, dass die Trinitarierpatres auf ihren Reisen vor allem mit berufsmäßigen Sklavenhaltern und
Sklavenhändlern zu tun hatten, die schon aufgrund ihrer Profession wohl
nur selten jenem Ideal der Nächstenliebe verpflichtet waren, welches die
Geistlichen in ihrer Tätigkeit zu befördern trachteten. Für die Erhärtung
seiner Behauptung, dass die allermeisten Tartaren von „bösem“ Charakter wären, bedient sich Pater Joannes aber nicht nur moralischer Argumente, sondern auch der Kontrastierung von körperlichen Merkmalen:
„Ihre gesamte Physiognomie unterscheidet sich schließlich völlig von
jener der Christen; sie sind sehr ähnlich den amerikanischen Indern, die
40
S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. FELICE, Triumphus Misericordiae (wie Anm. 4).
Vgl. Maximilian GROTHAUS, Der ‚Erbfeindt christlichen Namens‘. Studien zum Türken-Feindbild in der Kultur der Habsburgermonarchie zwischen 16. und 17. Jahrhundert,
Graz (geisteswissenschaftliche Dissertation) 1986.
42
Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 157–168.
41
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am Fluss Maragonia wohnen, und jenen, die Kariben oder Kannibalen
genannt werden.“43
Auch die topographischen Gegebenheiten in der damaligen „Tartarei“
werden sehr ausführlich beschrieben, was insofern von besonderem Interesse ist, da den Trinitariern bei ihren Redemptionsreisen von osmanischen
und tatarischen Amtsträgern des Öfteren der Vorwurf gemacht wurde, dass
sie deren Gebiete auch für militärische Zwecke auskundschaften würden.
Angesichts der sehr detailreichen Schilderungen der „Annales“, die auch
Angaben zu Befestigungsanlagen, Häfen, der Anzahl der Häuser und Einwohner größerer Orte u. ä. beinhalten,44 kann die These, dass die Reisen
der Patres zumindest indirekt auch der „Spionage“ dienten, nämlich durch
die Weitergabe der von ihnen gesammelten Informationen an interessierte
Stellen im habsburgischen Staatswesen, wohl kaum entkräftet werden, und
dies umso weniger, als der Trinitarierorden ja enge Kontakte mit der österreichischen Botschaft in Konstantinopel, mit den Wiener Regierungsbehörden und insbesondere mit dem Hofkriegsrat unterhielt.
Am meisten und unmittelbarsten dienten diese Beschreibungen aber
sicherlich dem Orden selbst, besonders künftigen Redemptoren. Die
gefährlichen und beschwerlichen Reisen führte der „Pater Redemptor“
meist gemeinsam mit einem Begleiter und Helfer aus den Reihen des
Ordens, dem so genannten „Socius“ aus. Die Reiseroute führte gewöhnlich zuerst nach Osten über das relativ sichere, habsburgisch beherrschte
Oberungarn (am Weg befanden sich schon bald etliche Ordensniederlassungen), dann entweder in die Moldaufürstentümer, nach Jassy,
Fokschani u. a., und weiter ostwärts in den Budschak, oder aber zuerst
südwärts nach Siebenbürgen über Klausenburg, Karlsburg, Kronstadt,
und danach in die „Große Walachei“, nach Tergovist und/oder Bukarest
zum dortigen christlich-orthodoxen Großfürsten, der in politischer
Abhängigkeit zum Sultan stand. Der Großfürst der Walachei, Constantin II. Brankowan (reg. 1688–1714), war dessen ungeachtet einer der
größten Förderer der „österreichischen“ Trinitarier: Er unterstützte –
ab der Befreiungsreise von 1698 – die Trinitarier sehr und versah die
Redemptoren bei Bedarf mit Empfehlungsschreiben und Wachen, stellte
Unterkunft und Verpflegung und vermittelte vertrauenswürdige Über43
Ebd., S. 159: „Toto denique coelo physiognomia eorum a Christianis dissidet; similimi sunt Indis Americanis circa Maragonium fluvium habitantibus, hisque, qui Caraibes,
sive Cannibali appellantur.”
44
Ebd., bes. S. 148–158.
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setzer.45 Schon bei der ersten von Wien aus veranstalteten Redemptionsreise, jener von 1690/91, hatte in ähnlicher Weise der christliche Statthalter von Moldau zum Gelingen des Unternehmens beigetragen.46 In einem
moldauischen Grenzort konnte bei der ersten Befreiungsreise auch ein
erheblicher Teil des mitgeführten Lösegeldes deponiert werden, bis es zur
Gefangenenübergabe kam. Vor dem Betreten der tatarischen Gebiete
wurden meist durch Boten Erkundigungen eingeholt, unter anderem
darüber, ob es für die Redemptoren überhaupt ohne akute Lebensgefahr
möglich sei, sich zu Verhandlungen dorthin zu begeben. Während der
Kriegshandlungen des Jahres 1698 etwa hatten die osmanischen und
tatarischen Gesandten am Hof des walachischen Großfürsten explizit
von einer solchen Reise abgeraten, die über Mittelsmänner losgekauften
Gefangenen wurden den Patres in der Walachei übergeben.47
Wenn die osmanischen und/oder tatarischen Gebiete tatsächlich
betreten wurden, konnten die Befreiungsunternehmen auch über ein Jahr
dauern, da nur sehr vorsichtig und unter genauer Berücksichtigung der
politischen und sozialen Verhältnisse vorgegangen werden konnte. Insbesondere die Tartaren-Gebiete waren ein sehr schwieriges, undurchsichtiges Terrain, da sie zwar Vasallenstaaten des Osmanischen Reiches
waren, aber eine relativ eigenständige Politik betrieben, sodass für den
Umgang mit Fremden und Andersgläubigen dort weit weniger Verbindlichkeiten bestanden als im Osmanischen Reich selbst. Einen besonders
deutlichen Einblick in diese Umstände gibt die Beschreibung der dritten
Redemption der österreichischen Trinitarier in den Jahren 1692/93, die
die Ordensleute erstmals in die Krim führte. Dieses Befreiungsunternehmen entwickelte sich für den Redemptor, P. Maurus a Conceptione, und
seinen Socius, P. Michael a SS. Sacramento, zu einem wahren Labyrinth
von Korruption, Erpressung und Willkür, aus dem die beiden nach mehreren gegen sie gerichteten fremdenfeindlichen Angriffen und mehrmonatiger Gefängnishaft nur mit Müh und Not, unter Aufbietung diplomatischer Maßnahmen bis hin zur Einschaltung des polnischen Königs und
des Kaisers selbst, wieder entkamen, mit dem bescheidenen, aber doch
vorhandenen Ergebnis der Befreiung von 34 auf der Krim gefangen
gehaltenen Christen.48
45
46
47
48
Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 243–248.
Vgl. ebd., S. 100 f.
Vgl. ebd., S. 247 f.
Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 124–148.
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Die Rückreise der Trinitarier mit den befreiten Gefangenen erfolgte
üblicherweise über Siebenbürgen und Oberungarn. Die aus diesen Regionen stammenden Befreiten wurden gleich in ihre Heimatgebiete „entlassen“, die übrigen zogen mit den Redemptoren weiter nach Wien, wo
Trinitarier und Befreite stets „ingenti hominum applausu & laetitia“,
„unter riesigem Applaus und Freude der Menschen“, empfangen wurden.
Aus Anlass der gelungenen Befreiung wurde gemäß der Tradition des
Ordens in Wien eine große Dankprozession durchgeführt.49 Oft wurden
bei diesen spektakulären Feierlichkeiten die vom Orden Befreiten von als
Engel verkleideten Kindern flankiert, die als Symbol der ehemaligen
Gefangenschaft die Befreiten während des Umzugs mit goldenen Ketten
festhielten.
Nach der ersten Redemption wurden in einer Broschüre „zur Nachricht an die Nachwelt“ Namen, Alter, Herkunft, Geschlecht, Stand und
Lösegeld der Befreiten in drei Sprachen, nämlich Latein, Deutsch und
Spanisch, beschrieben, eine Maßnahme der „Öffentlichkeitsarbeit“, die
in der Folge fortgesetzt wurde. Leider konnten bislang nicht für alle
Befreiungsfahrten der österreichischen Ordensprovinz Redemptionslisten aufgefunden werden. So liegen für die ersten fünf Redemptionen, die
in den 1690er Jahren stattfanden, bislang nur die zusammenfassenden
Angaben vor, welche in den Annales Provinciae enthalten sind: Die
Anzahl der freigekauften Christen war hierbei durchwegs noch relativ
gering und belief sich auf insgesamt etwa 150 Personen; darunter waren
mehrere Dutzend im Krieg in Gefangenschaft geratene Soldaten des kaiserlichen Heeres, aber auch andere Verschleppte, einschließlich Frauen
und Kinder, aus den verschiedensten Teilen der Habsburgermonarchie
und – was vor allem Soldaten betraf – des Heiligen Römischen Reiches.50
Besonders erfolgreich in quantitativer Hinsicht waren aber in der Folge gemeinsame Unternehmungen österreichischer Gesandtschaftsdelegationen und der Trinitarier. Anlässe dazu waren die beiden Friedensschlüsse von Karlowitz 1699 und Passarowitz 1718. Das hinsichtlich des
Rechtsstatus von Kriegsgefangenen in den Auseinandersetzungen zwischen dem Osmanischen Reich und den christlichen Staaten Bahn bre49
Vgl. ebd., S. 101.
Explizit genannt werden die Regionen: Böhmen, Bayern, Belgien, Brandenburg,
Franken, Mähren, Österreich (im engeren Sinn des Erzherzogtums), Sachsen, Steiermark,
Schwaben, Ungarn, Vogtland und Westfalen. Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 96,
S. 116, S. 146 f.
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chende Vertragswerk von Karlowitz enthielt erstmals auch klare Vereinbarungen für eine verpflichtende wechselseitige Entlassung der Gefangenen gegen Lösegeldzahlung oder durch Gefangenenaustausch nach
Abschluss eines Friedensvertrags.51 So konnten bei den „großen Redemptionen“ der Jahre 1699/1700 und 1719/20 durch die Trinitarier
allein etwa 1000 Menschen – diese Male vor allem in Konstantinopel –
freigekauft werden, die „staatlichen“ österreichischen Gesandten befreiten etwa ebenso viele Gefangene.52
Große Schwierigkeiten bereitete dabei aber die Befreiung von Galeerensklaven, die in den Küstenstädten der Türkei einschließlich Konstantinopels die Mehrzahl der Gefangenen ausmachten. Trotz der gegenseitigen Verpflichtungen durch den erwähnten Friedensvertrag und der
Bereitschaft der Österreicher zur Bezahlung hoher „Verkaufspreise“
weigerten sich die zuständigen osmanischen Flottenbefehlshaber, eine
größere Anzahl derselben freizulassen, denn Rudersklaven waren schwer
zu ersetzen, und es herrschte Mangel an Gefangenen, die zu diesen
schwersten körperlichen Arbeiten einsetzbar waren. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass gerade die „deutschen“ (die deutschsprachigen) Gefangenen bei ihren „Besitzern“ anscheinend sehr „beliebt“ waren;
jedenfalls berichtet Joannes a S. Felice, dass man dieselben noch weniger
als christliche Gefangene anderer Nationen wieder verkaufen wollte, da
sie in jeglichen Arbeitssparten (Galeerendienst, Feldarbeit, Handwerk
usw.) als „mäßiger, willfähriger und zu Mühen bereiter den Gefangenen
anderer Nationen vorgezogen“ würden.53 Nichtsdestoweniger gelang sowohl 1700 als auch 1720 schließlich die Befreiung jeweils mehrerer hundert Gefangener durch die österreichischen Trinitarier; auch in den drei
dazwischen liegenden „kleineren“ Redemptionen verbesserte sich die
„Leistungsbilanz“ auf jeweils zwischen 100 und 130 Befreite, wobei aber
höhere Lösegeld-Summen bezahlt werden mussten, und zwar nicht nur
absolut, sondern auch pro Kopf.
In den 1720er Jahren, als der Autor der Annales Provinciae, Joannes
a. S. Felice, selbst Redemptor war, gelangen dann zwei weitere Redemptionsfahrten in den Budschak, an die Krim und nach Konstantinopel mit
51
Vgl. ebd., S. 279.
Vgl. ebd., S. 292–294, S. 661–705.
53
S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 327: „quos Germanos tanquam modestiores
magisque morigeros & ad labores prompiores cunctis aliarum Nationum mancipiis praeferre.“
52
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jeweils über 200 Befreiten; der „Preis“ pro Freigekauftem lag nun aber im
Durchschnitt bei 250 Gulden, während er bei der ersten Redemption
1690/91 noch ziemlich genau die Hälfte betragen hatte. In den 1720er
Jahren gelang auch die Gründung einer eigenen Trinitarier-Niederlassung in Konstantinopels Vorstadt Pera; dieser Stützpunkt erlaubte es, in
der osmanischen Hauptstadt kontinuierlich nach Gefangenen aus der
Habsburgermonarchie oder dem Heiligen Römischen Reich Ausschau zu
halten und entsprechende Freikaufaktionen gezielt vorzubereiten. Der
Niederlassung war sogar eine Lateinschule angegliedert, die von Christen
verschiedener Konfessionen frequentiert wurde. Aufgrund ihrer vielfältigen Sprachkenntnisse, die auch oft das Türkische einschlossen, erfreuten
sich die Trinitarierpatres ebendort sowohl als Lehrer, als auch als Seelsorger für Angehörige der mit Rom unierten Kirchen großen Ansehens.54
Die überraschende Niederlassungserlaubnis für die österreichischen
Trinitarier durch die osmanische Regierung war im Zusammenhang mit
einer kulturellen Öffnung des Osmanischen Reiches während der kurzen,
sogenannten „Lale-Zeit“ („Tulpenzeit“) unter der Regierung Sultan
Ahmeds III. (reg. 1703–1730) erfolgt. Seit dieser Phase wurden die politischen Beziehungen zwischen der Hohen Pforte und den christlichen
Mächten aber auch langfristig stärker durch die Regeln des europäischen
Völkerrechts bestimmt; Gesandtschaften, Handels- und Freundschaftsverträge gewannen neben den fortbestehenden Konflikten und gegenseitigen Kriegshandlungen an Wichtigkeit.55
Die Verbesserungen der diplomatischen Beziehungen zwischen der
Habsburgermonarchie und dem Osmanischen Reich, von denen auch die
Trinitarier in der Verfolgung ihrer Ziele sehr profitierten, bedeutete letztendlich aber auch, dass der Austausch und die Rückholung von (Kriegs-)
Gefangenen immer mehr zu einer Aufgabe des Staates wurde, der im
Laufe des 18. Jahrhunderts im Zuge der Aufklärung zudem ja generell
sehr viele Agenden übernahm, die bis dahin Ordensgemeinschaften und
andere kirchliche Institutionen inne gehabt hatten.56 Erste Kompetenzstreitigkeiten zwischen Trinitariern und staatlichen Behörden lassen sich
schon im frühen 18. Jahrhundert, also nur kurz nach der Etablierung des
54
Vgl. ebd., S. 762.
Vgl. Josef MATUZ, Das Osmanische Reich, Darmstadt 31996, S. 191–198.
56
Vgl. zu mentalitätsgeschichtlich-kulturellen Veränderungen im Habsburgerreich des
18. Jahrhunderts: Karl VOCELKA, Glanz und Untergang der höfischen Welt, Wien 2004,
bes. S. 235–247, S. 374–380.
55
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Ordens in Österreich, beobachten: Anlässlich der Rückkehr der neunten
Redemption im Jahr 1710 forderte die österreichische Regierung, dass
die Trinitarier alle ehemaligen Gefangenen, die nicht unmittelbar den
österreichischen Erblanden entstammten, nicht bis nach Wien zur feierlichen Prozession mitnehmen sollen. Obwohl auch bei früheren Redemptionen, zum Beispiel bei Knappheit der materiellen Ressourcen, befreite
Siebenbürger und Ungarn schon verschiedentlich während der Durchreise durch ihre Heimatländer entlassen worden waren, entsprach dies
nicht den Wünschen der Trinitarier, die ja dem „Publikum“ in Wien eine
große Menge von Befreiten als Resultat ihrer Bemühungen präsentieren
wollten und den großen öffentlichen Empfang, der den Befreiten in der
Hauptstadt bereitet wurde, wohl als Genugtuung für befreiten „Mitchristen“ und als „Lohn“ für den Orden selbst betrachteten.57
Ein nicht unwesentlicher Aspekt war dabei sicher auch die „Werbung“ für den katholischen Glauben. Auch aus diesem Grund legte der
Orden im frühneuzeitlichen Österreich besonderen Wert darauf, nicht
nur Katholiken, sondern auch Angehörige protestantischer und orthodoxer Kirchen, die aus der Habsburgermonarchie oder dem Heiligen
Römischen Reich stammten, zu befreien.58 Natürlich wurde in diesem
Zusammenhang versucht, die Betroffenen für den „wahren“, katholischen Glauben „zurück zu gewinnen“, was angesichts der oft sicher
erheblichen Dankbarkeit der Befreiten und des engen Kontakts bei der
monatelangen gemeinsamen Rückreise mit den Trinitarierpatres auch oft
gelang. Muslime wurden insbesondere in der Habsburgermonarchie
selbst freigekauft, wenn sie hier als Kriegsgefangene festgehalten wurden.
Auch bei ihnen wurden dann Bekehrungsversuche unternommen, der
Hauptzweck ihres „Erwerbs“ bestand aber darin, dass sie als künftige
„Tauschobjekte“ für christliche Gefangene dienen sollten. Zum katholischen Glauben konvertierte Muslime – was gelegentlich vorkam – wurden
aber natürlich nicht mehr ausgetauscht; bei ihnen handelte es sich ja fortan um Mitglieder der „Christenheit“, die in Freiheit zu entlassen waren.59
Wie die Redemptionen nach 1728, dem Jahr, als die Niederlassungen
der Trinitarier in der Habsburgermonarchie zu einer eigenen Ordensprovinz zusammengelegt wurden, abgewickelt wurden, ist leider nicht in
57
58
59
Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 473–477.
Vgl. ebd., S. 117.
Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 207.
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jener Detailliertheit bekannt wie die erste Phase der Ordenstätigkeit, da
der über 800 Seiten starke Bericht der Annales Provinciae 1728 endet. Für
die 1730er und 1740er Jahre fehlen auch noch nähere Bearbeitungen der
erhaltenen Redemptionslisten; klar ist aber, dass sich die Befreiungsfahrten jener Jahrzehnte weiterhin hauptsächlich nach dem Osmanischen
Reich richteten – die Habsburgermonarchie lag 1735 bis 1739 erneut im
Krieg mit der Hohen Pforte –, nun aber stärker auf den osmanisch regierten Balkan und vereinzelt bereits nach Nordafrika. In den insgesamt
sieben Redemptionsfahrten zwischen 1734 und 1750 wurden zusammen
etwas mehr als 1.000 gefangen gewesene „kaiserliche Untertanen“ befreit, zu einem Preis von durchschnittlich etwa 230 Gulden pro Kopf.60
Danach nahm die Zahl der von österreichischen Trinitariern aus muslimischen Ländern „erlösten“ Christen deutlich ab, was zweifellos in
Zusammenhang mit dem kontinuierlichen Friedenszustand zwischen
Habsburgermonarchie und Osmanischem Reich in der Zeit von 1739 bis
1787 zusammenhängt. Dementsprechend verlagerten sich die Tätigkeiten der Ordensleute immer mehr in den Mittelmeer-Raum, wo angesichts
der fortdauernden Piraterie der „Barbareskenstaaten“, der in einem
beträchtlichen Ausmaß auf Seeräuberei und Sklavenhaltung gegründeten
muslimischen Staatswesen in Nordafrika, weiterhin Bedarf für die karitativen Dienste der Trinitarier bestand.61 Auch Konstantinopel als ein
Zentrum des mittelmeerischen Sklavenhandels im 18. Jahrhundert blieb
natürlich weiterhin Reisedestination.
In den 1750er Jahren wurden insgesamt etwas mehr als 250 gefangen
gehaltene Christen durch die „Deutsche Provinz“ der Trinitarier losgekauft, in den 1760er Jahren knapp 200, im folgenden Jahrzehnt aber wieder deutlich mehr, fast 270. Auch kurz vor seiner Auflösung in Österreich
war der Orden durchaus noch sehr aktiv: In den vier Jahren von 1780 bis
1783 kaufte der letzte Redemptor Engelbertus a Matre Dei, in Konstantinopel, Tripolis und Algier 135 Menschen frei. Insgesamt hatte der
österreichische Zweig des Trinitarierordens während der nicht ganz hundert Jahre seines ersten Bestandes62 knapp 4000 Menschen aus der
60
Nach der Zusammenfassung in: PORRES ALONSO, Libertad (wie Anm. 1), S. 597–617.
Vgl. Robert DAVIES, Christian Slaves, Muslim Masters. White Slavery in the Mediterranean, the Barbary Coast and Italy, 1500–1800, New York 2004.
62
Um 1900 wurde der Orden in Österreich neu begründet; heute bestehen Häuser in
Wien und Mödling.
61
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Gefangenschaft freigekauft, eingetauscht oder – in sehr seltenen Fällen –
geschmuggelt; an Lösegeldern hatten die Fratres hierfür über 1.000.000
Gulden aufgewandt.63
Für die Finanzierung des Gefangenenfreikaufs sah die Ordensregel
der Trinitarier ja die Verwendung eines Drittels aller Einkünfte vor; neben
dem Drittelertrag aus allgemeinen Einkünften, wie zum Beispiel aus
Arbeits- und Kapitalerträgen und den regelmäßigen Almosensammlungen, bemühte man sich aber auch um „Sondereinnahmen“ für diesen
Zweck. Gezielt wurden vermögende Kreise, insbesondere das Herrscherhaus selbst und der katholische Hochadel, um „Großspenden“ gebeten,
deren Bewilligung sich dann auch in den gedruckten Redemptionsverzeichnissen in Form von Hinweisen und Widmungen niederschlug. Teils
wurden sogar gesonderte Stiftungen für den Zweck der Gefangenenbefreiung zugunsten des Trinitarierordens eingerichtet, so nennen die
Redemptionsverzeichnisse der 1760er und 1770er Jahre neben dem – nur
aus hochadeligen Mitgliedern bestehenden – Sternkreuzorden Stiftungen der Adelsfamilien der Batthyány, Christalnig, Decorei, Harrach,
Kohary, Nemay, Rottal, Spork, Savoy-Liechtenstein, Szeszeny, Szirmay,
Thauszy, Zadolsky und Zichy – also vornehmlich ungarische Geschlechter – als „Sponsoren“ für die Lösegelder von insgesamt 363 Gefangenen; im selben Zeitraum konnten mit staatlichen Hilfsgeldern lediglich
50 Menschen freigekauft werden, mit den „Almosen der Provinz“, also
den Ergebnissen der allgemeinen Sammeltätigkeit, immerhin 120.
Weiters gab es in mehreren Orten in Österreich, aber auch in anderen
katholischen Reichsterritorien, trinitarische Bruderschaften, die dem
Orden verbunden waren, und sich nicht zuletzt durch Sammelaktionen
an dessen Aktivitäten beteiligten. In der breiteren „Öffentlichkeit“ wurde durch besondere Redemptions-Predigten vor geplanten Befreiungsreisen gesammelt.64 Wenn die Destinationen der Redemptionsreise feststanden, erging sogar per öffentlichem Anschlag in größeren Städten der
Habsburgermonarchie die Anfrage, ob jemandem über christliche Gefangene in dieser Region etwas Näheres bekannt sei, und wenn Nachrichten
63
Vgl. PORRES ALONSO, Libertad (wie Anm. 1), S. FELICE, Annales (wie Anm. 35)
sowie die in Anm. 38 genannten Redemptionslisten.
64
Als Vorlagen für die Predigten dienten hauptsächlich die populären Schriften und
die Reiseberichte der Trinitarier, welche mit Schilderungen der furchtbaren Lebensbedingungen der Christensklaven nicht sparten. Vgl. hierzu: GMELIN, Weißspanier (wie Anm. 1),
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über dort konkret gefangen gehaltene Personen vorlagen, versuchten die
Ordensleute auch gezielt, von deren Verwandten, Nachbarn, Obrigkeiten
usw. Beiträge zum Lösegeld zu erhalten.65 In jeder Provinz wurden pro
Redemption zwei Prokuratoren bestimmt, welche die Almosensammlung
zu organisieren hatten; kurzfristig konnten zur Durchführung von
Sammlungen gemäß den Ordensregeln auch Laien als zusätzliche Mitarbeiter angestellt werden, wobei sowohl Haussammlungen veranstaltet
wurden, als auch an zentralen öffentlichen Plätzen um Almosen gebeten
wurde; in Wien wurden dafür Sammelbüchsen beim Stephansdom, beim
Schottenkloster und bei den Klöstern der Jesuiten, Barnabiten, Hieronymiten und Minoriten aufgestellt.66
Wie schon erwähnt wurde, enthalten die Redemptionslisten vielfach
Daten zum sozialen Status der Gefangenen (Geschlecht, Alter, Stand,
Beruf) und über die Gefangenschaft selbst. Im Folgenden soll eine Übersicht über die bisherigen Ergebnisse statistischer Auswertungen dieser
Informationen gegeben werden, welche für die Redemptionen des Zeitraums von 1760 bis 1783, also die letzte Phase der Ordenstätigkeit in der
Habsburgermonarchie, vorgenommen werden konnten.67
Die sieben Redemptionen jener Jahrzehnte richteten sich immer noch
nach Konstantinopel, Kleinasien, Südosteuropa und zur Schwarzmeerküste, in größerem Ausmaß nun aber auch nach Nordafrika, wo die
Städte Algier (jedes Mal), Tripolis, Salé (mindestens zwei- oder dreimal),
Tunis und Mascara (je mindestens einmal) angesteuert wurden. Von den
insgesamt genau 600 in den Redemptionsverzeichnissen genannten Gefangenen wurden dabei über 350 an zwei Orten erlöst, nämlich Algier
(über 200) und Konstantinopel (ca. 150). Keine andere der angefahrenen
Städte war demgegenüber – im späten 18. Jahrhundert – auch nur annähernd so bedeutsam für den Sklavenfreikauf von Mitteleuropäern. Die
bei den Redemptionen der Jahre 1765 bis 1783 bezahlten Lösegelder
waren gegenüber denen der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eklatant
angestiegen, und zwar auf durchschnittlich 715 Gulden pro Kopf. Hierbei müssen aber starke „Preisunterschiede“ in den einzelnen Regionen
festgestellt werden: Die „Sklavenpreise“ in Nordafrika waren mit Ab65
Vgl. BUHL, Wiederkehr (wie Anm. 1), S. 10.
Vgl. hierzu: GMELIN, Weißspanier (wie Anm. 1), S. 369.
67
Die Redemptionslisten für diesen Zeitraum (wie Anm. 38) sind im Archiv des Trinitarierkonvents in Mödling vorhanden, und konnten dort eingesehen werden, wofür die Verfasserin auch an dieser Stelle nochmals herzlich danken möchte.
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stand am höchsten; hier mussten die Redemptoren mit durchschnittlich
862 Gulden pro Gefangenem drei- bis viermal so viel Lösegeld bezahlen
wie im Osmanischen Reich oder der „Tartarei“.
Die Ursachen für diese so großen Unterschiede müssten noch näher
untersucht werden; sicher spielte aber die „Abgelegenheit“ der „Barbareskenstaaten“, die noch im späten 18. Jahrhundert sowohl eine Flucht
der Gefangenen als auch politisch-militärische Interventionen der europäischen Mächte vergleichsweise schwierig machten, hierfür eine wichtige Rolle. Außerdem basierte die Wirtschaftstätigkeit in jenen nordafrikanischen Gebieten zu jener Zeit viel stärker auf Sklavenarbeit, als
dies im Osmanischen Reich der Fall war.68 Innerhalb der „Barbareskenstaaten“ herrschte aber keineswegs ein „Einheitspreis“; wie eine detaillierte Auswertung zeigt, waren die in Tripolis bezahlten Lösegeldsummen
denen im Osmanischen Reich ähnlich (im Durchschnitt 325 Gulden),
während in Algier, wo die meisten Befreiungen stattfanden, im Mittel
882 Gulden bezahlt werden mussten, in Maschera über 1.000, und in den
„Piratenstaaten“ Salé und Marokko (von wo aber nur 12 Personen
„erlöst“ wurden) sogar über 1.600 fl. pro Person! Hinsichtlich der Dauer
der Gefangenschaft ist vor allem bemerkenswert, dass von den 522 Betroffenen, für die entsprechende Angaben überliefert sind, 127, also etwa
ein Viertel, „schon“ nach einigen Monaten, spätestens aber nach einem
Jahr freikam. Maximal drei Jahre waren insgesamt 295 dieser Verschleppten in Gefangenschaft. Diese Zahlen sprechen für eine gewisse
Effizienz der karitativen Bemühungen des Trinitarierordens, wenn auch
sicher manche Versklavte niemals mehr freigekauft werden konnten, und
andere erst nach mehrjähriger, ja jahrzehntelanger Sklaverei: Etwa ein
Fünftel der Befreiten war länger als fünf Jahre gefangen gewesen, rund
10 % sogar länger als 10 Jahre. Einige Unglückliche hatten erst nach 25,
30 oder mehr Jahren die Freiheit wiedererlangt.69
Im Hinblick auf die sozialen Merkmale der Befreiten enthalten die
Redemptionslisten vor allem Angaben über die geographische Herkunft,
den Stand, das Alter und – anhand der Vornamen – das Geschlecht. Hinsichtlich des letzteren ist zu konstatieren, dass sich unter den 600 von
1760 bis 1783 befreiten Personen nur neun Frauen befanden, was wahr68
Vgl. Gustave von Grunebaum (Hg.), Die islamischen Reiche nach dem Fall von
Konstantinopel, Frankfurt am Main 2003, bes. Bd. 2, S. 398–410.
69
Redemptionslisten der Jahre 1760 bis 1783 (wie Anm. 38).
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scheinlich daran liegt, dass sich Frauen den Gefahren, die bei Schifffahrten oder auch an ungeschützten Küsten am Mittelmeer im 18. Jahrhundert noch lauerten, nur bei äußerster Notwendigkeit aussetzten.70 In
Bezug der Herkunft der Befreiten zeigt sich dagegen eine ziemlich überraschende Vielfalt:
Herkunft der von den „österreichischen“ Trinitariern
befreiten Gefangenen 1760–1783
I. Habsburgische Länder
ohne nähere Angabe
12
Italien o.n.A.
67
Bayern
15
Venedig
11
Österreich
17
Schwaben und Baden
8
Genua
17
6
Elsaß und Lothringen
3
Piemont
Tirol
33
Breisgau
4
Böhmen
19
Mähren
4
11
2
Parma
4
Westfalen, Berg,
Jülich
5
Kirchenstaat
9
Franken
2
Neapel und Kalabrien
2
Hessen
4
Korsika
2
41
Sachsen
6
Sardinien, Sizilien
3
Kroatien
30
Schlesien
7
Ragusa
3
Bremen, Lübeck,
Holstein
3
Malta
4
5
Transsilvanien
14
BrandenburgPreußenB
4
Spanien
24
öst. Niederlande
14
Bst. Fulda
4
Portugal
2
Mailand
62
Bst. Würzburg
8
Frankreich
3
Mantua
18
Bst. Konstanz
5
Schweiz
9
Toskana
16
Ebst. Köln
4
Polen
5
Ebst. Mainz
9
Russland, Georgien
2
Ebst. Trier
7
Osmanisches ReichC
Summe
C
Kurpfalz
13
Ungarn
Banat
B
III. Andere
öst. KüstenlandA
Steiermark und
Kärnten
A
II. Reich
350
Summe
117
Summe
Triest, Fiume, Görz, österreichisch Istrien
Preußen ist dem Reich zugerechnet
vor allem in Gefangenschaft geborene Kinder von Christen
70
Vgl. dazu: DAVIES, Christian Slaves (wie Anm. 62).
6
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Die Trinitarierprovinz der Habsburgermonarchie befreite, wie aus der obigen Tabelle zu ersehen, also keineswegs nur „Österreicher“ oder kaiserliche
Untertanen. Ihrer Herkunft nach sind in den Redemptionslisten nur
350 von 600 Befreiten (58 %) dem habsburgischen Herrschaftsbereich zugeordnet und weitere 114 (19 %) dem „Reich“ (den nicht-habsburgischen
Reichsterritorien). Mehr als ein Fünftel der Befreiten stammte dagegen aus
anderen Ländern, vor allem aus nicht-habsburgischen Teilen Italiens und
aus Spanien; aber auch Portugiesen, Malteser, Franzosen, Schweizer,
Polen, ja sogar jeweils ein Russe, Georgier und Perser waren unter den von
der österreichischen Trinitarierprovinz losgekauften christlichen Gefangenen. Dass unter den befreiten habsburgischen Untertanen Bewohner des
„Litorale“ (Triest, Grafschaften Görz und Istrien, Fiume), Italiener (Mailänder, Mantuaner, Einwohner der Toskana) und Einwohner der zur ungarischen Krone gehörigen Regionen (Ungarn, Kroaten usw.) besonders
große Anteile stellten, ist nicht weiter verwunderlich, da diese Regionen
durch ihre Nachbarschaft zum Osmanischen Reich oder durch starke
Beteiligung an der Mittelmeer-Schifffahrt besonders gefährdet waren.
Was das Alter der Befreiten angeht, ergibt die Auswertung der Redemptionslisten für das späte 18. Jahrhundert ein Überwiegen von Personen mittleren Alters – etwa zwei Drittel der gefangen gehaltenen Christen waren bei ihrer Befreiung zwischen 25 und 45 Jahre alt, nur 20 %
jünger und nur 17 % älter. Eine Betrachtung der angegebenen Berufsbzw. Standesbezeichnungen – diese sind nur in 237 der 600 Fälle bekannt – zeigt, dass (wenig überraschend für diese Periode) die Seeleute
einen ganz beträchtlichen Anteil der Verschleppten darstellten, nämlich
106 Personen (45 %), gefolgt von Militärangehörigen (Soldaten, Offizieren) mit 55 Befreiten (23 %), sowie 33 Handwerkern (14 %), 20 Handelsleuten (8 %) und acht Geistlichen (3 %). Weitere, selten vorkommende Bezeichnungen verweisen auf Neuansiedler im Banat, Bedienstete und Verwalter
(je zwei Fälle); als Adelige sind nur zwei Freigekaufte erkennbar.
Die jeweilige Standeszugehörigkeit schlug sich (soweit für die Verkäufer erkennbar) natürlich auch auf die Lösegeldsummen nieder, was ein
statistischer Mittelwertvergleich belegen kann: Die höchsten Lösegelder
mussten (sieht man vom Sonderfall der adeligen Gefangenen ab) allerdings nicht für Soldaten oder Seeleute, sondern für Handwerker gezahlt
werden, nämlich im Durchschnitt 860 Gulden (gegenüber 426 bzw. 595).71
71
Redemptionslisten der Jahre 1760 bis 1783 (wie Anm. 38).
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Die Aufhebung des Trinitarierordens
in der Habsburgermonarchie 1783
Wie schon erwähnt wurde, stand der Trinitarierorden der staatlichen Obsorge für verschleppte Untertanen immer mehr im Wege, sodass der
Orden trotz seiner zweifellos karitativen Tätigkeit von Joseph II. am
21. November 1783 durch ein Hofdekret aufgehoben wurde. Begründet
wurde diese Entscheidung mit dem Argument, dass die Befreiung von
gefangenen Christen auch auf andere, „zweckdienlichere“ Art geschehen
könnte. Schon am 25. Februar desselben Jahres waren die Trinitarierklöster in Galizien, das ja seit 1772 der Habsburgermonarchie zugehörte,
aufgehoben worden. Im Wiener Konvent befanden sich zum Zeitpunkt
der Aufhebung insgesamt 46 Personen, 32 Priester, zwölf Laienbrüder
und zwei Studenten. Die dem Wiener Trinitarierkonvent zugedachten
Stiftungen, mit Kapitalien im sehr beachtlichen Ausmaß von etwa
800.000 Gulden gingen auf den von der Regierung administrierten „Religionsfond“ über.72 Dabei waren bereits die letzten Jahre des Bestandes
des Trinitarierordens in Österreich – wie bei etlichen anderen Orden
auch – gekennzeichnet durch gezielte Diffamierung in der Öffentlichkeit,
was u. a. durch die staatlichen Behörden betrieben wurde, die damit die
Klosteraufhebungen vorbereiteten. In diesen Jahren entstanden etliche
Schmähschriften, die sich u. a. auch gegen die Trinitarier richteten. Besonders ein Zitat von einem Grazer Anonymus aus dem Jahr 1792 illustriert eindrücklich, auf welches Unverständnis die Trinitarier in manchen
Teilen der Bevölkerung gestoßen waren. Aus dem einfachen Grund, weil
die Ordensleute in der Ausübung ihrer Befreiungsaktivitäten mit den
„Türken“ in Beziehung traten, vermutete man eine Allianz mit denselben: „Sie [die Trinitarier] schleppten sogar unser bares Geld zu den türkischen Despoten und führten dafür ausländische elende Krüppel oder
abgefeimte Spitzbuben ins Land.“73
72
73
Vgl. KOBLIZEK, Niederlassung (Anm. 1) 61.
Zit. in: DE LEEUW, Trinitarier (Anm. 1), 26.