150525-Wiebke Hansen Statement

Hamburg, 25.05.2015
Warum ich dagegen bin!
Eigentlich befürworte ich, dass die Bürgerschaft dem Volk einen Gesetzentwurf oder eine
Sachentscheidung zur Abstimmung vorlegen kann.
Ich habe allerdings den Antrag zur Verfassungsänderung von SPD, Grünen und CDU gelesen
und sage "NEIN!"
Kurz gesagt: Das beantragte Verfahren für "Bürgerschaftsreferenden" unterwandert von
BürgerInnen initiierte Volksabstimmungen und lässt keine Gegenvorschläge zu.
a) Unliebsame Volksinitiativen können per Bürgerschaftsreferendum nach der erfolgreichen
ersten Unterschriftensammlung von der Bürgerschaft niedergebügelt werden, feindliche
Übernahme sozusagen. Deshalb macht es für BürgerInnen sogar kaum noch Sinn, eine
Volksinitiative zu starten.
b) Wenn Bürgerschaft und Senat ein Bürgerschaftsreferendum beschließen, werden laufende
Bürger-Volksabstimmungen zum selben Thema nur als Gegenvorschlag in die Abstimmung
aufgenommen, wenn sie bereits die zweite Stufe der Unterschriftensammlung (das Volksbegehren)
erfolgreich absolviert haben. Volksinitiativen, die erst die erste Stufe der Unterschriftensammlung
geschafft haben, werden nur als Gegenvorschlag eingebracht, wenn die Initiative genau
zwischen dem 14. und 35. Tag nach dem Bürgerschaftsbeschluss für ein Referendum
die für ein Volksbegehren notwendigen Unterschriften sammelt, das sind derzeit ca. 65.000
in nur drei Wochen. Alle anderen bereits angelaufenen Volksinitiativen gehen unter. So ein
strenger und vor allem viel zu kurzfristiger Zeitplan geht an der planerischen Realität
von Volksinitiativen völlig vorbei und bringt sie fast zwangsläufig zum Scheitern.
Wer lässt sich auf so eine Unsicherheit ein?
Als wir von UNSER HAMBURG - UNSER NETZ 2011 die Unterschriften für das
Energienetze-Volksbegehren gesammelt haben, hatten wir einen Planungsvorlauf von 4 Monaten
und sehr genau ausgerechnet, wie wir die drei Wochen Sammelzeit legen.
2. "Bürgerschaftsreferenden", zu denen es noch gar keine Volksinitiative gibt, sehen keine Zeitspanne
vor, in der Bürgerinitiativen Gegenvorschläge erarbeiten und Unterschriften dafür sammeln
können, so dass keine von Bürgern eingebrachten Alternativen mit zur Abstimmung
gestellt und also auch nicht debattiert werden. Wozu die Eile und Exklusivität, wenn es
doch um "gesamtstädtische" und "grundsätzliche" Belange geht? Volksinitiativen von Bürgerinnen
dauern von der ersten Unterschriftensammlung bis zum Volksentscheid mitunter Jahre und die
Bürgerschaft kann einen Gegenvorschlag zur Abstimmung stellen.
3. Das Verfahren verletzt die Gewaltenteilung. Bürgerschaftsreferendenstehen unter dem Vorbehalt,
dass der Senat zustimmt. Dieser ist aber Teil der Exekutive, nicht direkt gewählt und hat auch
seine eigenen Interessen und "Verbindlichkeiten". Gesetze werden von der Legislative gemacht,
also vom Parlament oder den Bürgerinnen. Der Senat hat darin als "Verhinderer" nichts zu suchen.
4. Die Eile und Weise, in der SPD, CDU und Grüne Bürgerschaftsreferenden ohne
Beteiligung der BürgerInnen durchdrücken wollen, ist undemokratisch und diesem Instrument nicht würdig.
5. Ich lehne den Anlass dieser Eile ab: Im November 2015 werden die Planungen und vor allem die
Kostenschätzungen für Olympia 2024/2028 nicht soweit vorliegen, dass die BürgerInnen darüber informiert
abstimmen können.
Wiebke Hansen, ehem. Kampagnenleiterin UNSER HAMBURG - UNSER NETZ