Rede des Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg

Rede des Ministerpräsidenten
des Landes Mecklenburg-Vorpommern,
Herrn Erwin Sellering,
anlässlich
der Einbringung des Doppelhaushalts 2016/17
in der Landtagssondersitzung
am 8. September 2015 in Schwerin
Sperrfrist: Ende der Rede.
Es gilt das gesprochene Wort!
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Anrede,
heute bringt die Landesregierung den Entwurf für den Doppelhaushalt 2016/17 in den
Landtag ein. Es ist ein Entwurf, in dem zwei Dinge besonders wichtig sind: MecklenburgVorpommern setzt seine solide Finanzpolitik fort, wir legen wiederum einen ausgeglichenen
Haushalt ohne neue Schulden vor. Und wir investieren zugleich in Bereiche, die für die
Entwicklung unseres Landes besonders wichtig sind: in wirtschaftliches Wachstum und
Arbeitsplätze, in Kitas und Schulen. Ich bin überzeugt: Das ist der richtige Weg, um
Mecklenburg-Vorpommern weiter voranzubringen.
Anrede,
unseren Kurs der soliden Finanzpolitik halten wir seit langem: Seit 2006 machen wir keine
neuen Schulden mehr. Und mehr noch: Wir haben die Verschuldung zurückgeführt, seit
2007 um insgesamt 840 Millionen Euro bzw. rund 8 %, allein im Zeitraum 2011 bis 2014
insgesamt um 500 Millionen Euro. Das ist ein Erfolg für Mecklenburg-Vorpommern, das ist
verantwortungsvolles Handeln im Interesse der Menschen in unserem Land.
Ich bin fest davon überzeugt: Wir müssen diese solide Finanzpolitik fortsetzen – die Mittel,
die Mecklenburg-Vorpommern aus dem Solidarpakt II erhält, gehen von Jahr zu Jahr weiter
zurück, die EU-Höchstförderung ist ausgelaufen. Und auch wenn die Wanderungszahlen
inzwischen positiver sind: Es werden bei uns im Land in Zukunft erheblich weniger
Menschen leben. Deshalb werden auch erheblich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung
stehen, zum Beispiel aus dem Länderfinanzausgleich.
Anrede,
der Weg solider Finanzpolitik hat uns in der Vergangenheit schwierige
Strukturentscheidungen abverlangt und wird uns auch weiter die Bereitschaft zur
Veränderung abverlangen. Unser Land zukunftsfähig zu machen bedeutet eben auch,
bestehende Strukturen an die Herausforderungen der Zukunft anzupassen. So, wie wir das
bei wichtigen Entscheidungen zur Organisation der Landesverwaltung getan haben, mit den
beiden Personalkonzepten oder mit der Verwaltungsreform, die diese Landesregierung in
der vergangenen Wahlperiode auf den Weg gebracht hat. Und genau so, wie wir das jetzt
bei der Gerichtsstrukturreform getan haben. Ich finde es gut, dass die Bürgerinnen und
Bürger sich dagegen entschieden haben, diese Reform zurückzudrehen.
Ich bin sicher, dass auch in Zukunft schwierige Entscheidungen zu treffen sind. Ich bin auch
überzeugt, dass es dann wieder Situationen geben wird, in denen einzelne Gruppen für ihre
Interessen kämpfen und Positionen vertreten, die eben nicht mit wirklich zukunftsfähigen
Strukturen in unserem Land in Einklang zu bringen sind. Ich bitte Sie alle sehr herzlich, das
verantwortungsbewusst zu bedenken und Ihr ganzes Engagement einer guten Zukunft
unseres Landes zu verschreiben, nicht kleinlichen Kampagnen für Einzelinteressen.
Anrede,
in diesem Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, war nicht leicht. Die
zurückgehenden Mittel aus dem Solidarpakt habe ich schon angesprochen. Hinzu kamen
dieses Mal Bereiche, in denen Ausgabensteigerungen unvermeidlich sind. Die
Finanzministerin hat dazu in ihrer Rede schon etwas gesagt. Das gilt auch bei den Kosten
für die wachsende Zahl an Flüchtlingen. Das stellt uns vor große und manchmal schwierige
Aufgaben, die wir gemeinsam gut lösen müssen, mit dem Bund, mit den Kommunen, mit den
Sozialverbänden und den Trägern der Flüchtlingsunterkünfte. Dabei ist vollkommen klar: Es
ist ein selbstverständliches Gebot der Menschlichkeit, Flüchtlinge, die in ihrer Heimat um
Leib und Leben fürchten müssen, nicht in ihr sicheres Verderben zurückzuschicken, sondern
ihnen ein menschenwürdiges Leben bei uns zu ermöglichen. Das gilt auch weiterhin für
unser Land, für ein weltoffenes Mecklenburg-Vorpommern.
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Anrede,
eine solide Finanzpolitik ist die eine Voraussetzung für eine Zukunft aus eigener Kraft. Die
andere Voraussetzung sind Investitionen in die Zukunft. Der wichtigste Schwerpunkt ist
dabei die weitere Stärkung der Wirtschaftskraft, ist die Schaffung und Sicherung von
Arbeitsplätzen bei uns im Land. Das gilt nach wie vor, auch wenn unser Land in den letzten
Jahren wirklich gut vorangekommen ist: Mecklenburg-Vorpommern steht wirtschaftlich
besser da als je zuvor, die Arbeitslosenzahlen befinden sich auf dem niedrigsten Stand seit
der Deutschen Einheit. Nehmen Sie nur die Augustzahlen: Weit über 5.000 Arbeitslose
weniger als vor einem Jahr, mehr als 3.000 Arbeitsplätze mehr. So geht das seit einiger Zeit
Monat für Monat. Die Grundlage dafür: Gute Entwicklungen in klassischen Branchen wie der
Land- und Ernährungswirtschaft, im Tourismus, im Handwerk oder im gewerblichen
Mittelstand genauso wie eine dynamisch wachsende Gesundheitswirtschaft und die Branche
der Erneuerbaren Energien. Und die Zugewinne in diesen Branchen überwiegen die Verluste
zum Beispiel im Schiffbaubereich, wo wir die aktuellen Entwicklungen mit großer Sorge
sehen.
Anrede,
so erfreulich die wirtschaftliche Entwicklung bei uns in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt
ist: Wir müssen noch weiter zulegen und den Abstand zu den westdeutschen Ländern weiter
verringern. Dafür brauchen wir zum Beispiel Investitionen in die Infrastruktur, in die Straßen,
in die Häfen und Hinterland-Anbindungen. Deshalb treiben wir wichtige Projekte wie die A 14
und den Ausbau der B 96n auf Rügen weiter voran.
Und wir brauchen Investitionen für den Breitbandausbau. Eine große Aufgabe für die
Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wir haben die Kompetenzen für diesen Ausbau im
Infrastrukturministerium gebündelt. Uns allen ist völlig klar: Diese riesige Aufgabe wird das
Land nicht allein stemmen können, das ist eine nationale Aufgabe, da ist der Bund mit in der
Verantwortung. Was da bis jetzt vom Bundesverkehrsminister vorgesehen ist, reicht bei
weitem nicht aus – auch nach den Ankündigungen der letzten Tage. Wichtig ist, den Bedarf
für den Breitbandausbau bundesweit zu vergleichen. Da wird man sehen, dass die
ostdeutschen Bundesländer überproportional betroffen sind, dass hier die größten Kosten
entstehen. Deshalb brauchen wir in dieser Frage auch mehr Unterstützung vom Bund. Und
wir müssen über Rahmenbedingungen reden, die zu einer möglichst weitgehenden
Reduzierung der Kosten führen. Wir brauchen Anreize, für möglichst wenig Geld möglichst
gute Ergebnisse zu erzielen. Das erfordert nach wie vor viel konkrete Planung und Arbeit.
Einfach mal eine riesige Summe rüberzureichen und zu hoffen, damit ist alles gelöst – das
wird nicht gehen. Allerdings sage ich zu, dass für gut geplante gezielte Umsetzung auch vom
Land erhebliche Mittel bereitgestellt werden. Was immer sich in der zukünftigen
Haushaltsentwicklung an Investitionsspielräumen ergibt – beim Breitbandausbau ist das
Geld gut angelegt.
Anrede,
wir wollen weiterhin die Wirtschaft in unserem Land fördern, Neuansiedlungen,
Erweiterungen und Existenzgründungen erfolgreich begleiten. Ich bin sehr froh, dass die
veranschlagten Investitionsausgaben trotz rückläufiger Solidarpaktmittel höher ausfallen als
in diesem Jahr: Für 2016 sind mehr als 1,2 Milliarden Euro veranschlagt, 128 Millionen mehr
als 2015. Und 2017 setzen wir dieses Engagement mit 1,15 Milliarden Euro auf hohem
Niveau fort – auch das sind noch 60 Millionen über dem Niveau von 2015. Dieses
Investitionsniveau entspricht mehr als dem Doppelten vergleichbarer westdeutscher
Flächenländer, wir liegen im Ländervergleich insgesamt an zweiter Stelle in Deutschland.
Das ist ein großes Engagement im investiven Bereich, eine wichtige Voraussetzung dafür,
dass das Land wirtschaftlich weiter vorankommt.
Anrede,
einen zweiten Schwerpunkt setzen wir in diesem Doppelhaushalt in den Bereichen Kita und
Schule. Die Kitas sind seit langem ein Schwerpunkt der SPD-geführten Landesregierungen
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in Mecklenburg-Vorpommern: Wir wollen gute Chancen für alle Kinder, von Beginn an. Wir
haben die Landesausgaben für die Kinderbetreuung in den letzten zehn Jahren praktisch
verdoppelt. Darauf bin ich sehr stolz.
Wir haben diese Gelder eingesetzt, um die Kitas im Land Schritt für Schritt zu verbessern.
Vor einigen Wochen, zum 1. August sind wir den nächsten Schritt gegangen und haben den
Betreuungsschlüssel in den Kindergärten weiter verbessert. Der lag vor einigen Jahren noch
bei 1:18. Jetzt liegt er bei 1:15. Was sich im ersten Moment vielleicht etwas technisch anhört,
bringt eine sehr konkrete Verbesserung: Denn das bedeutet, dass die Erzieherinnen und
Erzieher mehr Zeit für jedes einzelne Kind haben. Eine weitere Verbesserung für Kinder in
Mecklenburg-Vorpommern. Das heißt mit Blick auf den Haushalt: Die Ausgaben für die
Kinderförderung in Kitas und in der Kindertagespflege steigen weiter an, auf knapp 194
Millionen Euro 2016 – 11 Millionen mehr als in diesem Jahr – und 2017 kommen dann noch
einmal 6 Millionen Euro zusätzlich hinzu.
Anrede,
was in der Kita begonnen wird, muss in der Schule fortgesetzt werden. Wie bei den Kitas gilt
bei den Schulen: Sie sind ein wichtiger Baustein für mehr Chancengleichheit in unserem
Land. Ein wichtiger Baustein dafür, dass jede und jeder Einzelne seine Talente und
Begabungen entfalten kann, den bestmöglichen Beitrag für die Gemeinschaft leisten kann.
Wir haben zu Beginn der Wahlperiode ein 50-Millionen-Euro-Paket für die Schulen aufgelegt.
Und das nicht einmalig, sondern Jahr für Jahr, auch im vorliegenden Doppelhaushalt.
Wichtigste Ziele waren dabei, den Lehrerberuf attraktiver zu machen, den Unterrichtsausfall
zu reduzieren und die Qualität der Schulen, die Qualität des Unterrichts weiter zu
verbessern. In all diesen Bereichen haben wir sehr erfolgreich gearbeitet, haben wir schon
spürbare Verbesserungen erreicht. Ich will bei dieser Gelegenheit einmal ganz deutlich
sagen: Großes Kompliment an den Bildungsminister Mathias Brodkorb.
Jetzt gehen wir über diese Regelungen sogar noch hinaus. Die Ausgaben des Landes
wachsen noch einmal deutlich an. Mit diesen Mitteln wollen wir zum Beispiel die
Ganztagsschulen im Land ausbauen, die Situation an den Berufsschulen weiter verbessern,
wollen wir kostenfreie Abschlüsse an den Volkshochschulen ermöglichen und zusätzliche
Lehrerstellen finanzieren, die wir in Zukunft brauchen. Mit Blick auf die große gemeinsame
Aufgabe der Inklusion will ich sagen: Wir sind parteiübergreifend auf einem guten Weg, der
Schulfrieden hat sich bewährt, ein breiter Konsens braucht natürlich Zeit. Ich bin aber sicher,
dass der Bildungsminister noch in diesem Jahr ein Konzept dazu vorlegen wird, für dessen
Umsetzung im vorliegenden Doppelhaushalt gute Voraussetzungen geschaffen wurden.
Also: Ein insgesamt großes Engagement für den Schulbereich, das für eine gute Zukunft
unseres Landes unverzichtbar ist.
Anrede,
lassen Sie mich noch auf ein Thema eingehen, das über diesen Doppelhaushalt hinausweist,
das aber von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unseres Landes ist. Sie alle wissen:
Ende 2019 läuft der Solidarpakt II, läuft die besondere Förderung für die ostdeutschen
Länder aus. Es ist klar: Einen Solidarpakt II wird es danach nicht geben. Und ich meine: Das
ist auch richtig so. 30 Jahre nach der Deutschen Einheit müssen Mecklenburg-Vorpommern,
Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen Bundesländer sein wie alle anderen
auch.
Aber natürlich wird es auch nach 2019 weiterhin einen Länderfinanzausgleich geben
müssen. Den Länderfinanzausgleich gab es schon in der alten Bundesrepublik. Und seit den
neunziger Jahren nehmen auch die ostdeutschen Länder daran teil. Es geht dabei um ein
wichtiges Ziel, nämlich um den Ausgleich zwischen den finanz- und wirtschaftsstarken
Ländern auf der einen und den schwächeren Ländern auf der anderen Seite. Es geht um die
Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland, so wie das auch im
Grundgesetz gefordert wird. Selbstverständlich wird es immer gewisse Unterschiede
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zwischen den Regionen geben. Aber es darf eben keinen grundlegenden Unterschied
machen, ob jemand in Rostock oder in Regensburg wohnt. Wir leben alle in einem Land.
Anrede,
bei den Verhandlungen, die wir derzeit in Berlin führen – unter den Ministerpräsidenten, aber
auch zwischen Bund und Ländern – geht es darum, wie dieser Landesfinanzausgleich nach
2019 ausgestaltet werden soll. Und da muss ich leider sagen. Bislang liegt da ein Vorschlag
auf dem Tisch, dem die ostdeutschen Länder so auf keinen Fall zustimmen können.
Der Bund hat sich zwar bereit erklärt, zusätzliche Gelder für die Länder zur Verfügung zu
stellen. 8,5 Milliarden Euro. Das ist erfreulich. Aber die weiteren vorgeschlagenen
Regelungen – insbesondere der Wegfall des so genannten Umsatzsteuervorwegabzuges würden dazu führen, dass davon vor allem die großen westdeutschen Länder profitieren.
Dieser Vorschlag würde bedeuten, dass Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu heute
pro Jahr 350 Millionen Euro weniger zur Verfügung hat. Auch die anderen ostdeutschen
Länder müssten ein klares Minus hinnehmen. Die finanzstarken Länder bekämen aber
mehrere Hundert Millionen Euro mehr, Nordrhein-Westfalen sogar 1,3 Milliarden Euro. Und
das alles finanziert aus dem Aufkommen des Solidaritätszuschlags, der ja mit dem Aufbau
Ost begründet wird. Das halte ich für ungerecht. Und ich glaube nicht, dass das
verfassungsmäßig ist.
Denn es ist doch völlig klar, wozu dieser Vorschlag führen würde. Die Schere zwischen Ost
und West würde sich nicht schließen, sondern sie würde wieder weiter aufgehen. Die
ostdeutschen Länder haben in den letzten 25 Jahren großartige Aufbauleistungen vollbracht.
Aber sie haben eben immer noch Rückstand bei der Finanz- und Wirtschaftskraft. Und da
geht es nicht, einen Länderfinanzausgleich zu schaffen, der die ostdeutschen Länder
benachteiligt. Wir brauchen einen fairen Ausgleich zwischen den Ländern, der allen gute
Chancen für weitere Entwicklung bietet. Am Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse muss
unbedingt festgehalten werden. Mit dieser klaren Haltung gehe ich in die weiteren
Verhandlungen, die schon morgen in Berlin fortgesetzt werden.
Anrede,
mit dem heute eingebrachten Doppelhaushalt setzt die Landesregierung ihre solide
Finanzpolitik sehr konsequent fort. Herzlichen Dank an die Finanzministerin für die
hervorragende Arbeit bei der Haushaltsaufstellung, für die gute Zusammenarbeit bei diesem
wichtigen Thema.
Ich bin davon überzeugt: Dieser Entwurf ist ausgewogen, er setzt klare Schwerpunkte in den
Bereichen, die für die Zukunft des Landes besonders wichtig sind – Wirtschaft & Arbeit,
Kitas, gute Schule. Ein wichtiger Beitrag für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.