Von Pilot zu Pilot - Schweizer Versicherung

MANAGEMENT & BERUF Serie Berufsporträts
Von Pilot zu Pilot
WALTER SCHNEIDER Trotz seiner 73 Lenze denkt der ehemalige
Generalagent noch lange nicht daran, sein Steckenpferd, die
Luftfahrtversicherung, an den Nagel zu hängen. Dasselbe gilt
im Übrigen auch für sein Hobby, das Motorfliegen.
VON JASMINE ALIG, FOTO: PETER FROMMENWILER
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SEPTEMBER 2015 | SCHWEIZER VERSICHERUNG
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Koryphäe der Lüfte:
Walter Schneider mit dem
Modellflugzeug
DHC-1 «Chipmunk».
ie sorgfältig aufbewahrten Flugbücher belegen es: Zarte 17 Jahre
alt war er, als er zum ersten Mal
im Cockpit eines Flugzeuges sass.
«Mein Traum war es, Militärpilot
zu werden», erklärt Walter Schneider, Hobbypilot und Luftfahrtversicherungs-Spezialist bei
der Allianz Suisse. Um diesem Ziel näher zu
kommen, meldete er sich noch während seiner Lehre als Kaufmann für die fliegerische
Vorschulung VFS an. «Schweizweit haben sich
dazumal über 2000 Personen gemeldet. Aber
nur 10 Prozent davon wurden für den Erstkurs
selektioniert, ich inklusive», erzählt er mit
stolzgeschwellter Brust. Während des 14-tägigen Kurses wurde ein Kandidat nach dem anderen eliminiert. «Am Schluss waren wir noch
120 Pilotenanwärter, die den zweiten Kurs besuchen durften»
Am 21. Juli 1960 war es dann soweit: Schneiders erster Flug mit dem Fluglehrer. Vier Tage
später sass er bereits alleine am Steuer. Vermerk im Flugbuch: «Erster Alleinflug. Heckrad
weg.» Der Berner Oberländer lacht: «Ich
dachte, das sei nun das Ende meiner Flugkarriere.» Dabei traf ihn gar keine Schuld:
Der junge Pilot landete sehr genau auf der
Graspiste auf dem Flugplatz Bern. Dummerweise geriet er aber mit dem Heckrad in ein
Mäuseloch, woraufhin das Rad abspickte. «Als
dann der Fluglehrer zu mir kam und mir gratulierte, wusste ich, dass ich nichts falsch gemacht hatte.»
Ein Jahr später machte Walter Schneider
das Flugbrevet. Militärpilot ist er aber trotzdem nicht geworden. Ein Gehörschaden, der
während der Rekrutenschule im fliegerärztlichen Institut festgestellt wurde, stand seinem
Glück im Weg. Die Enttäuschung darüber
kann er noch heute – 54 Jahre später – nicht
verbergen, wenn er darüber spricht: «Ich hatte
alles darauf gesetzt, jüngster Militärpilot in der
Schweizer Armee zu werden.» Dafür hatte er
sogar die RS vorverschoben, was damals nicht
einfach war. «Aber meine Hörkraft lag in gewissen Bereichen 3,5 Dezibel unter der Mindestanforderung der Schweizer Armee, und
da es genügend andere Kandidaten für die Militärfliegerei gab, wurde ich in die Bodentruppe in Payerne eingeteilt. Als Flieger-Gefreiter beendete ich dann meine Dienstzeit mit
Helikoptern.»
Computer statt Militärflugzeug
Selbst wenn er den Mindestanforderungen
des Militärs nicht genügte: Pilot war Walter
Schneider trotzdem, und zwar in seiner Freizeit. Beruflich verschlug es den damals 19-Jährigen nach einem kurzen Abstecher in die Ge-
meindeverwaltung Köniz zu IBM Schweiz
nach Bern, wo er nach einem internen Nachstudium als Systems Engineer tätig war. «Ich
schrieb damals Computerprogramme. Unter
anderem auch für die Eidgenössische Volkszählung 1960», erinnert er sich. Zu dieser Zeit
wurden die Lochkarten durch elektronische
Speichermedien wie Magnetbänder abgelöst.
«Durch mein Programm konnten die Lochkarten nicht nur gelesen, sondern auch gleich auf
deren Richtigkeit geprüft werden.» Nach ein
paar Jahren wechselte Schneider in den Verkauf. «Ich war der jüngste Verkäufer auf IBMDatenverarbeitung. Darin war ich so gut, dass
ich vier Jahre nacheinander ein Zertifikat
dafür erhielt, dass ich stets mehr als 100 Prozent der Zielvorgaben erreicht habe», erzählt
er, währendem er die Zertifikate aus seinem
Sammelordner hervorkramt. «Deshalb durfte
ich auch nach Amerika zum IBM-Mutterkonzern reisen.»
Eines Tages erhielt der ehrgeizige junge
Mann aufgrund seiner fliegerischen Fähigkeiten das Angebot, sich bei der Swissair als Linienflug-Pilot zu bewerben. Er nahm die Formulare mit nach Hause. «Zum Wohle meiner
noch jungen Familie füllte ich diese aber nicht
aus», erklärt er seinen Entscheid. Stattdessen
wechselte Schneider nach neun Jahren IBM zu
«Indor Tee und Kaffee» in Gümlingen, beteiligte sich mit 4 Prozent an der Firma und war
zunächst als Prokurist, später als Direktor tätig.
Neuen Mut gefasst
Während seiner Zeit bei Indor Tee und Kaffee
spezialisierte sich Walter Schneider aufs Präzisionsmotorfliegen. 1973 kam dann der Glücksmoment, als er mit einem Kollegen Schweizer
Meister im Zuverlässigkeitsmotorflug wurde.
«Mein Partner flog, ich navigierte», präzisiert
er die Zusammenarbeit im Cockpit. Ein Jahr
später gewann er mit einem anderen Partner
– einem Generalagenten der Helvetia Unfall –
erneut eine Medaille, diesmal die silberne.
«Dadurch bauten sich Stück für Stück meine
Komplexe ab, die ich durch mein Ausscheiden
aus dem Militärflugprogramm eingefahren
hatte. Ich erkannte, dass ich mich auch in
anderen Bereichen messen kann», fährt
Schneider fort. 1983 wurde er übrigens, um
es vorwegzunehmen, Schweizer Meister im
Einzel-Zuverlässigkeitsmotorflug. Für ihn eine
weitere Bestätigung, dass sein Talent zum
Fliegen überdurchschnittlich war.
Aber zurück zur Silbermedaille: Schneiders
Kollege, mit dem er besagten Vize-SchweizerMeistertitel errang, verstarb zwei Jahre später
an den Folgen von Krebs. Vor seinem Tod bat
dieser ihn, seine Allbranchen-General- →
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agentur in Thun zu übernehmen.
Schneider, der sich nach neun Jahren Indor
Tee und Kaffee gerade erst selbstständig gemacht hatte und als Betriebsberater durchstarten wollte, zögerte zunächst. «Als er mich
aber inständig darum
bat, sein ‹Erbe› weiterzuführen, gab ich ihm
mein
Versprechen,
mich zu bewerben»,
weiss Walter Schneider noch genau.
Als er dann tatsächlich zum Unternehmer-Generalagenten
gewählt wurde, zeigte
sich schnell, dass er sein Hobby, das Fliegen,
hervorragend mit seiner neuen Tätigkeit kombinieren konnte und versicherte sogleich die
Motorfluggruppe Thun. «Schon damals war
die Luftfahrt ein Randbereich, in dem es nicht
viele Versicherungs-Kenner gab», hält er fest.
Ein gelungener Einstieg also für den Hobbypiloten, der sich dank seinem Wissen und seinem Ehrgeiz zur Koryphäe in Sachen Luftfahrtversicherungen in der Schweiz mauserte.
Auch sein Arbeitgeber entwickelte sich: Aus
Helvetia Unfall wurde Elvia, aus Elvia wurde
Allianz Suisse.
der Fall. Das Modellflugzeug geriet ins Trudeln und erschlug jemanden auf einer Zuschauerbank. «Das Opfer war 40 Jahre alt und
hatte Familie. Rechnen Sie selbst.» Zum Paket
für Modellflieger gehören neben der Haftpflicht
auch
der
Rechtsschutz und zum
Teil die Kaskoversicherung. Bei manntragenden Luftfahrzeugen funktioniert die
Versicherung indes –
anders als bei den
Modellflugzeugen –
ähnlich wie bei Motorfahrzeugen:
Jedes
Luftfahrzeug hat ein Kennzeichen und darf
nur geflogen werden, wenn beim Bundesamt
für Zivilluftfahrt BAZL ein Versicherungsbeweis hinterlegt ist.
«In meiner
freien Zeit kreuze ich
mit der Beech Musketeer
HB-EWE quer durch ganz
Europa.»
Bildung
macht
weltoffen
www.vbv.ch
Vom Modellflugzeug bis zum
Zeppelin
2006 hat der heute 73-Jährige die Leitung der
Generalagentur in Thun seinem Junior Fred
übergeben. Schneider selbst kümmert sich
seither ausschliesslich um das Luftfahrtversicherungsgeschäft. Zu seiner Kundschaft gehören Private, Verbände – wie zum Beispiel der
Schweizerische Modellflugverband SMV –,
Vereine, Flugplatzbesitzer und -betreiber,
Wartungsbetriebe, Flugsportgruppen wie
Gleitschirm- und Fallschirmflieger sowie gewerbliche Flugfirmen. «Aber auch Heissluftund Gasballone sowie Zeppeline laufen unter
dem Begriff Luftfahrt», präzisiert der Kenner.
Mitglieder des Modellflugverbandes SMV
sind automatisch bei Walter Schneider versichert. Für diese hat er ein spezielles Versicherungspaket im Angebot. Ein wichtiger Bestandteil dieses Pakets ist die Haftpflicht.
«Wenn jemandem zum Beispiel bei einer
Flugshow das Modellflugzeug abschmiert und
dabei ein Auto beschädigt oder einen Zuschauer verletzt, sind sämtliche Schäden, die
das Modell verursacht, versichert», beschreibt
der Spezialist. Die Deckungssumme beträgt 10
Millionen Franken. Schneider erklärt: «Stirbt
bei eben genanntem Beispiel jemand, wird es
schnell teuer.» Vor drei Jahren war genau dies
Berufsbildungsverband
der Versicherungswirtschaft
Laupenstrasse 10
Postfach 8625
3001 Bern
Telefon 031 328 26 26
[email protected]
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Koryphäe der Lüfte
Grosse Fluggesellschaften wie Swiss, Helvetic
Airways etc. gehen direkt an den Londoner
Versicherungs-Markt. Entsprechend ist das
Volumen für Luftfahrtversicherungen in der
Schweiz vorwiegend auf die «General Aviation» begrenzt. «Die Anzahl der Luftfahrzeuge
ist klein – entsprechend die Marktmöglichkeiten», erklärt Schneider. Darum entschied die
Allianz, neben der Allianz Suisse in Zürich
eine weitere Filiale aufzubauen, die Allianz
Global Corporate&Specialty AGCS. Diese ist
heute Partner von Schneiders Luftfahrtversicherungen. «Ich fungiere quasi als Brücke zwischen der Allianz Suisse und der AGCS», sagt
er und erklärt, dass derzeit ein sukzessiver
Luftfahrt-Versicherungs-Übergang zu AGCS
stattfindet.
In der Schweiz ist Walter Schneiders Spezial­agentur im Bereich Luftfahrtversicherungen
marktbeeinflussend. Er findet zwar Unterstützung in seinem Team, aber wenns kompliziert
wird, hält er die Feder in der Hand. Seine jahrelange Branchenerfahrung und seine Unabhängigkeit erlauben es ihm, den täglichen Arbeits-Stundenaufwand in Grenzen zu halten.
Ans Aufhören denkt er aber noch lange nicht.
Im Gegenteil: Er bildet sich noch immer ständig weiter. «Ich bin vermutlich einer der Senioren», schmunzelt er und zeigt auf seine CiceroMitgliedskarte, «aber eigentlich kann man ja
nur dazulernen.» Seine freie Zeit, die er nun
vermehrt hat, verbringt er übrigens nach wie
vor in luftiger Höhe und kreuzt mit seiner
Beech Musketeer HB-EWE, die er sich mit drei
anderen teilt, quer durch Europa. Die Anzahl
Einträge im mittlerweile fünften Flugbuch
wächst also immer noch wöchentlich.
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