St. Hubertus 2/2010 - MESTER Fuchs

Reviergang
Baujagd
Reines Handwerk
Die Baujagdsaison neigt sich dem Ende und es war wie eh und je. Denn nur wer bei der Bodenjagd unbeirrt einfache Grundregeln beherzigt, dem
schenkt St. Hubertus reiche Beute.
H
Hohe Fuchsbesätze in den meisten
Regionen – gebietsweise sogar seuchenauslösend – in Verbindung mit gesetzlichen Vorgaben, die die Fallenjagd
ständig unattraktiver machen, sind in
Europa prekär. Die Klimaerwärmung
ist in aller Munde. Schneereiche Winter mit nächtlichem Schusslicht werden
zunehmend selten. Glücklich schätzen
können sich Waidmänner, welche die
ebenso spannende wie hegerisch wirksame Baujagd mit dem Erdhund beherrschen.
Noch in den 1980er-Jahren wurde
Baujagd nur von einer relativ kleinen
Gruppe hartgesottener Jäger im kleinen
Kreise ausgeübt. Das hat sich mittlerweile geändert. Einerseits verfügen viele
Reviere über Kunstbaue, die sich, wenn
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Text: Dipl.- Forsting. Michael Mester; Fotos: Burkhard Winnsmann-Steins (4)
sie ganz bestimmte Kriterien erfüllen,
schnell und problemlos bejagen lassen,
im Gegensatz zu der nicht selten zeitaufwändigen Naturbaubejagung. Andererseits hat man es in manchen Regionen
zugelassen, dass die Niederwildbesätze
in bedenkliche Besatztiefen abgerutscht
sind und somit die traditionellen Treibjagden sich kaum noch lohnen. Als
Ersatztätigkeitsfeld, bedingt durch die
viel zu hohen Raubwilddichten, muss
immer häufiger die Baujagd herhalten.
Je mehr Jäger dabei beteiligt sind, desto
entscheidender ist die korrekte Verhaltensweise am Bau.
Weniger Jäger sind mehr
Klassisch betreibt man die Baujagd
alleine, zu zweit oder zu dritt. Müssen
hingegen viele Jäger beteiligt werden,
nähert sich nur der Bauhundführer der
Bauanlage. Alle anderen Jäger stehen
in mindestens 50 und mehr Metern
Abstand und sichern die zu erwartenden Fluchtziele des Fuchses. Hierbei
darf die Windrichtung nicht außer Acht
gelassen werden. Lohnende Naturbaue
innerhalb von Dickungen mit meist
minimalem Schussfeld können so auch
bejagt werden.
Ankündigungen wie: „Achtung Fuchs“
sind zu unterlassen! Oft steckt mehr als
ein roter Freibeuter und alle anderen
wären gewarnt, so dass diese dem Hund
unnötig gefährlich werden können.
Der Schussknall am Bau alarmiert
Reineke kaum, ein menschliches Wort
St. Hubertus
2/2010
Reviergang
Bild linke Seite: Reineke springt mit einem weiten Satz über den Graben. Wenn er über den Acker weiter flüchtet, werden ihn die Schrote des Jägers ereilen.
Bild oben: Zu hoch und zu weit hinten fassen die Schrote den Fuchs. Außerdem ist der Erdhund sehr dicht hinter dem Fuchs, Abpraller könnten auch ihn treffen.
hingegen sehr. Jäger, die einer derartigen Fuchsankündigung bedürfen, um
Strecke zu machen, erfreuen wir lieber
mit Einladungen zu anderen Jagdarten.
Möglicherweise fehlt es ihnen an der
nötigen Passion. Passion heißt für mich:
Wir haben es am Bau mit aufmerksamen, ausdauernden, disziplinierten,
geduldigen, nervenstarken, jagdhandwerklich versierten, treffsicheren und
wetterunempfindlichen Jägern zu tun,
die Totenstille bewahren, egal was passiert.
Nur einer hat die Leitung
Da die Baujagdsaison sich dem Ende
nähert, wird den meisten Baujägern die
jetzige Saison noch bestens in Erinnerung sein. Ist immer alles glatt gelaufen oder traten Probleme auf? Wenn ja,
hätten diese vermieden werden können?
Wäre allen Baujagdbeteiligten klar, dass
die Gesundheit des eingesetzten Bauhundes Priorität hat und sich alle anderen Wünsche der Teilnehmer diesem
Ziel unterzuordnen haben, so könnte in
der Regel erfolgreich gesprengt werden.
(Selbstverständlich dürfen auch niemals
die Mitjäger gefährdet werden.) Dazu
2/2010
St. Hubertus
gehört, dass man sinnvollerweise einen
routinierten Bauhundführer am Bau die
Jagd leiten lässt.
Jeder Bau wird grundsätzlich gegen
den Wind auf Katzensohlen, das heißt,
so leise wie möglich und wenn es geht,
ohne jegliche Bodenerschütterung
angegangen. Es reicht vollkommen aus,
wenn man sich dem Bau auf etwa zehn
bis 15 Meter nähert. Die Stände werden
so eingenommen, dass der Fuchs aus
keiner Röhre einen der Schützen eräugen kann. Auch wenn der Wind leicht
dreht, müssen die Stände so gewählt
werden, dass niemals Witterung auf
einer der Röhren steht. Ab jetzt darf
ohne Aufforderung niemand seinen
Stand verlassen und allenfalls ist Zeichensprache zugelassen.
Der Fuchs wird nur beschossen, wenn
er auch tatsächlich den Baubereich verlässt. Blitzschnelles von Röhre zu Röhre
Springen Reinekes eignet sich so gut wie
nie, um einen augenblicklich tödlichen
Treffer zu landen. Sofortiges Hochreißen der Flinte hat schon so manchen
roten Freibeuter veranlasst, blitzschnell
wieder einzufahren. Immer Ruhe
bewahren und möglichst auf +/- 25 m
mit grober Garbe und mindestens 3,2
mm Schroten schießen. Feinere Schrote
versagen zu oft bei gesprengten Füchsen, die spitz weg flüchten.
Keine weiteren Hunde
Fremde Hunde und schon gar keine,
die nicht absolut standruhig sind, haben
am Bau nichts verloren. Der spursichere große Hund wartet im in der Nähe
abgestellten Auto. Er kann einem angebleiten Rotrock mit wenigen Momenten
Verzögerung immer noch nachgesandt
werden. Ist dieser inzwischen in einen
anderen Bau eingefahren, so steckt der
nur leicht angebleite Fuchs verblüffend
locker und lässt sich schnell wieder
sprengen. Der schwer getroffene Fuchs
steckt sich in der nächsten attraktiven
Deckung und kann vom großen Hund
abgetan werden. Wir stellen sicher, dass
der große Hund unsern Bauhund nicht
gefährden kann. Eingespielte Spezialgespanne bestehend aus großem Hund
und Bauhund sind sehr selten und werden hier nicht näher beschrieben.
Bei großen Naturbauanlagen kann
der Fuchs oft erheblichen Vorsprung
vor dem Bauhund herausarbeiten, insbesondere wenn mehrere Füchse ➤
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Reviergang
Falsch: Der große Hund gehört nur mit an den Bau, wenn er absolut standruhig und gehorsam ist. Geschnallt wird er auch dann erst, wenn der Bauhundeführer es erlaubt.
stecken. Während der Bauhund an
einem ganz bestimmten Fuchs arbeitet,
möchte sich ein anderer Fuchs klammheimlich absetzen, indem er besonders
kritisch und ausgiebig in der Ausfahrt
verhoffend prüft, ob draußen die Luft
auch wirklich rein ist. Äugt ein solcher
Fuchs aus der Röhre, darf bei allen
Schützen nicht die kleinste Bewegung
erfolgen. Nie den Fuchs in der Ein- oder
Ausfahrt beschießen. Erstens kann bei
einem solchen Schuss der heraneilende Bauhund in der Röhre ebenfalls
getroffen werden. Zweitens würde der
von unten nachrückende Bauhund den
erlegten Fuchs instinktiv in die Tiefe des
Baues ziehen.
Ausnahme: Zwei Hunde im Bau
Bei Naturbauanlagen, die mindestens
zehn Röhren aufweisen, können ausnahmsweise auch zwei Hunde gleichzeitig zum Einsatz kommen. Aber nur,
wenn diese verträgliche Zwingergenossen
sind, beispielsweise aggressionsfrei aus
einem Napf fressen und sich keinesfalls
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gegenseitig attackieren, um selbst besser
oder zuerst ans Raubwild zu gelangen.
Auch dann, wenn die Jäger absolut
korrekt vorgehen, kann es trotzdem vorkommen, dass der Fuchs nicht springt.
Jetzt schon zum Spaten zu greifen, um
dem Bauhund zur Hilfe zu kommen, ist
in aller Regel übereilt.
Nun ist es richtig, den Bauhund abzunehmen. Ein Fuchs, der sich durch den
Hund nicht zum Verlassen des Baues
bewegen lässt, kann oft durch Abnehmen des Hundes überlistet werden.
Der Bauhund wird zwischenzeitlich
im Rucksack untergebracht und der
Jäger wartet nun etwa 20 Minuten lang
absolut geräuschlos auf den Fuchs. Die
Angriffe des Hundes verleiden dem
Fuchs den bis dahin sicher geglaubten
Bau, den er in dieser anscheinend günstigen Situation oftmals verlässt. Das
Problem besteht nur darin, den passionierten Hund überhaupt abnehmen zu
können. Denn oft verschwindet dieser
zum „Verschnaufen“ an die Oberfläche gekommene Hund in der nächstliegenden Einfahrt, sobald er merkt,
dass ihn sein Führer vom Weiterjagen
abhalten will. Auch ansonsten gehorsame Hunde verhalten sich oft in dieser
Weise, solange der Fuchs noch im Bau
steckt. Braucht sich der Hundeführer
nur auf eine Röhre konzentrieren, wie
bei ausgereiften Kunstbauen, in der sein
Hund wieder verschwinden möchte,
bestehen erheblich bessere Aussichten,
des Hundes habhaft zu werden. Ist ein
solcher Versuch erst einmal fehlgeschlagen, sind Hund und Fuchs gleichermaßen gewarnt.
Der Hund wird vor jedem weiteren
Oberflächenaufenthalt prüfen, ob es
gefährlich wird und die Wahrscheinlichkeit, dass der Fuchs nach einem solchen
meist erschütterungs- und geräuschintensiven Bemühen noch springt, geht
am Naturbau gegen Null. Die Verteidigungsbereitschaft steigt und mit ihr die
Verletzungsgefahr der Kontrahenten.
Nicht gleich graben
Naturbaue sollten nur im Notfall gegraben werden. Dabei werden die Baue
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Richtig: Der Vollgebrauchshund dient lediglich dazu, den angebleiten Fuchs abzutun.
oft zerstört. Hund und Jäger können
verschüttet werden und der Erdhund
könnte sich auch an die Hilfe von oben
gewöhnen, so dass der Flieger anschließend zum Steher tendiert. Wer aus
eigener Erfahrung beurteilen kann, wie
aufwändig es ist, oft bis in die Nacht
hinein seinen Hund aus Naturbauen
auszugraben, zieht die Anlage von professionellen Kunstbauen vor.
Gute Bauhunde des mittelscharfen
Fliegertyps, zu denen auch ein Bodenjäger mit Sachverstand gehört, sind nicht
überall vorhanden. Deshalb kommt es
nicht selten dazu, dass Füchse im Naturbau verbleiben. Solche Füchse bemerken in der Regel den Abmarsch des
oder der Jäger auf dem Bau. Sie kombinieren, dass die durch den Erdhund
ausgelöste instinktiv übliche Fluchtreaktion gefährlicher ist, als sich im Bau
zu verstecken oder zu verteidigen. Die
Lernfähigkeit des Fuchses sollte besonders in diesem Punkt nicht unterschätzt
werden. Künftig wissen solche Füchse
stets um die Anwesenheit des Jägers am
Bau, sobald sich ein Erdhund nähert.
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Aber auch derart gewiefte Füchse können noch überlistet werden, dazu
in weiteren Berichten mehr.
Unser Autor
Unter dem Titel „Baujagdhandwerk“ ist ein Buch von Michael
Mester in Arbeit. Sie erhalten mit
diesem Beitrag schon heute einen
kleinen Auszug. Elf Jahre hat Mester
hunderte Kunstbaufüchse erfasst
und anschließend innerhalb einer
Diplomarbeit ausgewertet.
Zahlreiche Jägerschaftsvorsitzende
in neun europäischen Ländern
haben den Verfasser bereits
gebeten, ihre Jäger durch BaujagdFachvorträge und -Seminare oder
Revierberatungen zu unterstützen.
Kontakt: Dipl.-Forsting. Michael
Mester, Tel.: 0049 (0) 29 61/79 39
99 oder 0049 (0) 17 17 33 75 75.
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