Schlafapnoe und ambulante Anästhesie- geht das?

Schlafapnoe
und ambulante Anästhesiegeht das?
Dr. med. Björn Buttgereit
BAG Narkose im Norden GbR
Königsweg 14
24103 Kiel
www.narkose-im-norden.de
Schlafapnoe und ambulante
Anästhesie?
Offenlegung finanzieller Interessen des Autors, für den o. g. Vortrag
□
P- Produkt:
Finanzielles Interesse bei der Ausrüstung, dem beschriebenen
Verfahren und/oder dem beschriebenen Produkt (z. B.
Forschungsunterstützungen, Referentenhonorare,
Reisekostenunterstützungen, Stipendien etc.)
□
I – Investor:
Finanzielles Interesse an Firmen, die eine beschriebene
Ausrüstung, ein Verfahren oder Produkte liefern (z. B. Aktienbesitz,
Anteilseigner etc.)
□
B - Berater:
Kommerzielle Vergütung oder Unterstützung des Autors in den
letzten drei Jahren in Form von Beratungsverträgen (Mitgliedschaft
in Gremien, Beiräten, Aufsichtsräten etc.)

K - Keine:
Keine Interessenskonflikte; keine kommerzielle Unterstützung der
vorgelegten Arbeit in irgendeiner Form
Aufbau des Vortrags
• Allgemeine Einführung
• Überblick über das
Krankheitsbild
• Prä• Intra• und postoperatives
Management
• Ambulante Anästhesie bei
OSA
Obstruktive Schlaf-Apnoe (OSA)
• Häufigste im Schlaf auftretende Atemstörung
• Kollaps/Obstruktion der oberen Atemwege
– Vorwiegend während der REM-Phase
– Negativer Atemwegsdruck durch
– fortbestehende Atemanstrengung
– Folge: Apnoe/Hypopnoe durch
Atemflusslimitation
• Hypoxie
• Hyperkapnie
Obstruktive Schlaf-Apnoe (OSA)
– Aber: erhaltener zentraler Atemstimulus
– Sympathikusstimulation
– Anstieg von systemischen und pulmonalen RR
– Reflektorische Bradykardie, dann Tachykardie
– Arousal
• Zunahme des oropharyngealen Muskeltonus
• Ende der Obstruktion
Schlafapnoe-Syndrom
• OSA + kardiozirkulatorische/zentralnervöse
Begleitsymptome =Schlafapnoesyndrom
Kardiozirkulatorisch:
•
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•
•
•
•
Arterieller Hypertonus
Pulmonaler Hypertonus
Herzinsuffizienz
Rhythmusstörungen
KHK
Schlaganfall
Zentralnervös:
Häufiges Aufwachen
Aufwachen unter Husten
Tagesschläfrigkeit
Fatigue trotz ausreichender
Schlafdauer
• Morgendliche Kopfschmerzen
•
•
•
•
Prävalenz
• 3-5% in der Allgemeinbevölkerung (Männer
4%, Frauen 2%)
• Ca. 4 Millionen Betroffene in Deutschland
• 10 mal höhere Prävalenz im chirurgischen
Krankengut (24-41%)
• Bei >80% keine Diagnose zum Zeitpunkt der
Prämedikation
Prävalenz
• In selektierten Kollektiven deutlich erhöhte
Prävalenz
– Hypertoniker 38%
– Adipositas per magna 50%
– Therapierefraktäre Hypertonie 83%
• Ohne Therapie 5-Jahres-Überlebensrate 78%,
mit CPAP 96%!
Prädisposition
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•
•
Übergewicht (wichtigster Risiko-Faktor)
Männliches Geschlecht
Alter
Anomalien der kraniofazialen Anatomie
Nikotin/Alkohol
Gravidität
Seltenes (Akromegalie, Hypothyreose,
polyzystisches Ovarialsyndrom)
Folgen und Risiken perioperativ
• Häufigere perioperative Komplikationen
• Mehr intensivmedizinische Betreuung
• Erhöhte Krankenhausverweildauer
„Frühphase“ vs. „Spätphase“
Folgen und Risiken perioperativ
• Sog. „Frühphase“
= direkt postoperativ:
– Resteffekte Opioide, Sedativa, Muskelrelaxantien
– Langwirksame Benzodiazepine (Tranxilium: HWZ >
50 Stunden!)
– Abschwächung des Tonus der
Hypopharynxmuskulatur Kollapsneigung
– Unterdrückung des REM-Schlafes
Folgen und Risiken perioperativ
• Sog. „Spätphase“:
=zweite Hälfte der ersten postoperativen
Woche:
– REM-Rebound
• Dysregulation des vegetativen Nervensystems
• Tonusverlust der Oropharynx-Muskulatur
• Reduzierte Atemantwort auf Hypoxie/Hyperkapnie
Kategorisierung:
Apnoe/Hypopnoe-Index (AHI)
• Anhand Anzahl der respiratorischen Ereignisse
pro Stunde Schlaf:
– Mild 5-14
– Moderat 15-30 (per Def. OSAS auch ohne BegleitSymptome)
– Schwer >30
Apnoe: Komplette Unterbrechung des Atemflusses > 10 sec.
Hypopnoe: Flusslimitation auf <50% d. Ausgangswertes und SaO2-Abfall
>4%
Management: Präoperativ
• Präoperative Identifikation des OSA-Patienten
verringert perioperatives Risiko
• Screening
– Polysomnographie (??)
– Polygraphie(?)
– STOP-BANG-SCORE
– ASA-Score
• Bei OSA-Verdacht wie bei OSA verfahren!
STOP-BANG
STOP
Snoring
Schnarchen
Schnarchen Sie?
Tiredness
(Tages-)Müdigkeit
Fühlen Sie sich tagsüber häufig müde oder
erschöpft?
Obseverved
Apnea
Apnoe (beobachtet)
Wurden bei Ihnen während des Schlafes
Atemaussetzer beobachtet?
Pressure
Bluthochdruck
Haben Sie Bluthochdruck oder sind Sie
wegen Bluthochdruck in Behandlung?
BMI
Body Mass Index
>35kg/m2
Age
Alter
>50 Jahre
Neck
Halsumfang
>40 cm
Gender
Geschlecht
Männlich
BANG
< 3 Fragen „ja“: Geringes OSA-Risiko; ≥ 5 Fragen „ja“: Hohes OSA_Risiko
ASA-Score
OSA-Schwere (AHI
oder klinisch)
Invasivität OP
Postop. Opioide
keine
0
Mild
1
Moderat
2
Schwer
3
Oberflächliche OP in LA/ RA ohne Sed.
0
Oberflächliche OP, moderate Sedierung/AN, per. SPA
1
Periphere OP unter AN oder Atemwege moderate Sed.
2
Große OP oder Atemwegs-OP unter AN
3
Keine
0
Niedrige Dosierung
1
Hohe Dosierung
3
>3 Punkte=möglicherweise erhöhtes Risiko
>4 Punkte=signifikant erhöhtes Risiko, ambulante OP nicht indiziert
Präoperative Optimierung
• Präoperativ CPAP (Stabilisierung und
Verkleinerung des Zungenvolumens)
• Protrusions-Schiene
• Gewichtsreduktion
Prämedikation
• Verzicht auf Benzodiazepine/Sedativa
– Ggf. einsetzbar unter Überwachung
– Cave: Hypercarbie bei guter Sättigung?
– Alpha-2-Agonisten evtl. von Vorteil
• Zumindest keine erhöhte Inzidenz respiratorischer
Komplikationen
• Präoperativ begonnene CPAP-Therapie
fortsetzen
Intraoperatives Management
• Atemweg:
– Erhöhte Inzidenz erschwerter
• Ventilation (!)
• Laryngoskopie
• Intubation
Eine Allgemeinanästhesie mit einem definitiven
Atemweg ist einer tiefen Sedierung ohne
Atemwegssicherung vorzuziehen
Anästhetika
• Allgemeinanästhesie
– Inhalative > intravenöse Anästhetika
– Kurzwirksame Medikamente ohne
Kumulationsneigung (Remifentanil!!)
– Muskelrelaxantien
• Kurzwirksam
• Wirkung überprüfen (Relaxometer)
• Ggf. antagonisieren
Vorgehensweise Allgemeinanästhesie
• Einleitung:
– Schnelle Entsättigung:
• Oberkörper-Hochlagerung und HELP (head elevated
laryngoscopy position)
• Ausgiebige Präoxygenierung mit CPAP/PEEP
• Erwartung schwieriger Atemweg
• Kurzwirksame Relaxantien / Relaxometrie /
Antagonisten
• Wach-Extubation in (halb-)sitzender Position
Vorgehensweise Regionalanästhesie
• Kapnometrie auch bei Lokal/Regionalanästhesie
bereits bei „leichter“ Sedierung
• Bei tiefer Sedierung Nutzung von
Protrusionsschiene/CPAP
• Regionalanästhesie (ohne Sedierung und
Opioide) > Allgemeinnarkose
• Vorteil RM-naher Regionalanästhesie kontrovers
diskutiert, v.a. bei Abdominaleingriffen
Postoperatives Management
• Analgesie
– Vermeidung/Minimierung Opioidgebrauch
•
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•
•
•
•
Individualisiert und titriert wenn notwendig
Keine Basalinfusion bei PCA
Lokalanästhesie
Co-Analgetika: Dexamethason, Ketanest (?), Clonidin
Nicht-Opioid-Analgetika
Kühlung
Hochlagerung
Postoperatives Management
• Oxygenierung
– Supplementierende O2-Gabe bis basale
präoperative Sättigung erreicht wird
– Ggf. CPAP
– Rückenlage vermeiden!
• Atemanaleptika ?
– Modafinil (Vigil®), Armodafinil (Nuvigil®) (keine
allgemeine Empfehlung, keine europ. Zulassung)
Monitoring
– Individualisierte Überwachungsstrategie
– Abhängig von Art und Invasivität des Eingriffs
– Bis keine erhöhten Risiken mehr erkennbar (kein
weiterer Opioidbedarf, frei wählbare
Schlafposition, adäquate Qxygenierung, CPAP)
– SaO2-Monitoring „bis der Patient eigenständig
und schlafend in der Lage ist, eine
Sauerstoffsättigung über 90 % zu halten“
– ASA: 3h bzw. 7h „längere Überwachung“
Ambulante Anästhesie bei OSA?
• Voraussetzungen des OP-Centrums:
– Ausstattung? (Kooperation mit Klinik, CPAP, VideoLaryngoskop)
– Empfehlung: Vorhaltung eines Standards und
Ausstattung für schwierigen Atemweg
– Ausreichend lang besetzter Aufwachraum
Ambulante Anästhesie bei OSA?
• Patientenauswahl:
– OSA-Schweregrad
– OSA adäquat therapiert?
– Bestmögliche Kontrolle von Begleiterkrankungen
– Atemweg (Instrumentarium? CPAP?)
– Alter
– Sozialanamnese
Ambulante Anästhesie bei OSA?
• Eingriffsspezifische Bedenken:
– Art des Eingriffes?
– Atemwegs-OP? (UVPP? Nasen-OP mit
Tamponade?)
– Anästhesie-Verfahren?
– Postoperativer Opioid-Bedarf
Ambulante Anästhesie bei OSA?
• Organisation
– Erste Position im Programm
– Eingriff mit Möglichkeit der postoperativen CPAPNutzung
– Kein Eingriff an den Atemwegen in AN (???)
– Überwachung länger als bei Patienten ohne OSA
– Verlängerung der Überwachung bei
Atemwegsobstruktion oder Desaturierung unter
Raumluft in „nicht-stimulierender“ Umgebung
Ambulante Anästhesie bei OSA
Così fan tutte?
Führen Sie bei Patienten mit gesichertem oder klinischem Verdacht auf OSAS unter
folgenden Bedingungen eine ambulante Operation durch?
LA mit
Sedierung
RA ohne
Sedierung
AA, OP außerhalb AW
AA, OP an
Atemwegen
Ambulant tätig 78%
91%
89%
39%
Stat. Tätig
51%
70%
44%
10%
Signifikanz
p=0,007
p=0,145
p<0,001
p<0,001
Saur, P. et al. (2012) Ambulante Anästhesie bei Patienten mit obstruktivem
Schlafapnoesyndrom. Ergebnisse einer deutschlandweiten Umfrage. Anaesthesist
61:14-24
Fazit:
• Ambulante Anästhesie bei OSA ist möglich
– Screening
– Geeigneter Patient
– Geeignete OP
– Geeignetes Zentrum
– Geeignete Narkose
– Geeignete postoperative Betreuung
... und wenn alle es auch wollen!