Die Glocke, 9. Mai 2015 Seite 1/2 ·. ···· Die Welt der Wirtschaft, Teil 4 Afrika Kreis ···~··············~···~·--····-~·-·~-·-·--~--··~~· - ein Kontinent mit Potenzial Warendorf/Kreis Gü- tersloh (gl). In den vergangenen Monaten gerieten die Länder Afrikas und hier insbesondere die Länder südlich der Sahara (Subsahara) zunehmend negativ in die Schlagzeilen. Die Ebola-Epidemie und die fürchterlichen Uber- griffe der Terrorgruppe Boko Haram warfen ein grelles Licht auf diesen Kontinent. Die Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa strömen, verstärken diesen negativen Eindruck noch. Afrika wird in diesem Zusammenhang häufig als ein einheitliches Gebiet betrachtet. Dabei wird vergessen, dass sich der Kontinent aus insgesamt 54 unabhängigen Staaten zusammensetzt, in denen mehr als 1200 unterschiedliche Sprachen und Dialekte gesprochen werden. Das Gleiche gilt für die Religion: Afrika ist ein bunter Teppich unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Ein Afrika gibt es also nicht. Bei einer derartig großen Vielfalt von Staaten, Menschen und Kulturen fällt es der Wirtschaft schwer, dort Fuß zu fassen. Die auch heute in vielen Bereichen noch stammesabhängigen Lebensformen verhindern den Aufbau einer eigenen Wirtschaft oder gar Industrie. Auch die Exporteure aus dem Ausland haben Probleme, mit dieser Vielfalt fertig zu werden. Nach Afrika wurden 2014 aus Deutschland laut vorläufiger Exportstatistik Waren im Wert von gut 22,6 Milliarden Euro exportiert - ein Plus von 3,7 Prozent zum Vorjahr. Das waren aber trotzdem nur 2 Prozent aller Ausfuhren. Dennoch wurde in den vergangenen Jahren das Potenzial des afrikanischen Kontinents deutlich. Das liegt vor allem daran, dass neben Gold und Diamanten (Südafrika) in vielen anderen Staaten auch Erdöl, Eisen und wertvolle Metalle gefunden werden. Nigeria nimmt in der Ausbeutung seiner Bodenschätze eine Vorreiterrolle ein. Riesige Investitionen haben dazu geführt, dass Nigeria 2014 erstmalig das wirtschaftsstärkste Land Afrikas ge\vorden ist und Südafrika auf den zweiten Platz verwiesen hat. Neben diesen Positiventwicklungen gibt es aber auch Länder wie Somalia und Simbabwe, die ihre Kredite beim Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht bedienen konnten und somit wirtschaftlich geächtet sind. Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang auch die immer größere Rolle Chinas in Afrika. Die chinesische Wirtschaftspolitik hat in den vergangenen Jahren dem Kontinent viel Aufmerksamkeit geschenkt. Große Infrastrukturprojekte wie eine Eisenbahnlinie in Nigeria haben dem chinesischen Maschinenbau einen Marktvorsprung verschafft, den die deutsche Industrie langsam aufzuholen beginnt. Die Entwicklung in Afrika steht auch im Fokus der deutschen Entwicklungshilfe und Wirtschaftspolitik. Viele öffentliche Projekte und Initiativen unterstreichen die Wichtigkeit des Kontinents. V OMA-Präsident als Gastautor Kreis Warendorf I Kreis Gü- tersloh (gl). Dr. Reinhold Festge, Präsident des Verbandes Deutscher Anlagenund Maschinenbauer {VDMA), Vizepräsident des Bundesver- bandes Deut- scher Industrie {BDI} sowie Un- ternehmer aus Oelde (Haver & Boecker), hat für „Die Glocke" eine vierteilige Serie ver- fasst, in der er aus seiner Sicht die wirtschaftlichen Beziehungen der Staaten beleuchtet. OTeil L Europa und Russland OTeil 2: Amerika DTeil 3: Bries-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) D Teil 4: Afrika Kontinent mit vielen Gesichtern: Afrika besteht aus 54 unabhängigen Staaten. Der deutschen Wirtschaft fällt es schwer, dort Fuß zu fassen, obwohl der Kontinent ein großes Potenzial bietet. Das Bild zeigt junge Menschen in Daressalam in Tansania, die den Bundespräsidenten Joachim Gauck bei einem Staatsbesuch Anfang Mai begrüßten. Bild: dpa 1 Gastkommentar ---·- H.I Zu einer neuen Entwicklungshilfepolitik Den Markt entwickeln Von DR. REINHOLD FESTGE Über viele Jahrzehnte hat sich unsere Entwicklungshilfepolitik für Afrika darauf beschränkt, Hunger und Krankheit zu bekämpfen. Die Hilfeleistungen, die sicherlich notwendig waren, zielten darauf ab, Uberlebenshilfe zu geben. Diese Politik der Trockenmilchrationen ist heute nicht mehr zeitgemäß- und weicht zum Glück auch zunehmend einer Politik der Hilfe zur Selbsthilfe. Genauso wenig ist es richtig, die Finanzierung für afrikanische Projekte nur deshalb einzuschränken, weil einige wenige afrikanische Länder ihren Zahlungsverp:fiichtungen gegenüber dem Internationalen Währungsfonds nicht nachgekommen sind. Die deutschen Mittelständler können nicht mehr wie bisher allein auf eigenes Risiko ihre Geschäftskontakte aufbauen und die Projekte abwickeln. Sie brauchen dringend eine positive Begleitung durch die Politik. Dabei ist es Picht notwendig, Geschenke zu verteilen. Es geht vielmehr um die Absicherung von nicht durch Lieferanten beeinfl.ussbare Risiken. Leider ist auch die kürzlich erfolgte Verbesserung der Hermes-Bedingungen nicht zielführend. Die neuen Bedingungen gelten nur für eine staatliche Beteiligung im Abnehmerland. Der deutsche Mittelstand im Maschinenbau möchte aber nicht mit oft korrupten Regierungen Geschäfte machen, sondern hat seine Stärke in der Zusammenarbeit mit lokai len Unternehmen, die im Idealfall auch mittelständisch " strukturiert sind. Wollen wir den Markt Afrika zur Sicherung unseres Wohlstandes entwickeln, brauchen wir dringend eine neue Afrikapolitik. Diese darf nicht dem Sozialhilfegedanken verpflichtet sein, sondern muss das Ziel verfolgen, dass in Afrika der dort vorhandene Reichtum an Energie und Rohstoffen durch lokale Unternehmen verarbeitet werden kann. Es ist also eine Wirtschaftspolitik und keine Entwicklungshilfepolitik vonnöten. Wenn wir nicht wollen, dass Afrikaner zu Tausenden als Wirtschaftsflüchtlinge in unser Land strömen, müssen wir Bildung, Wissen und Produkte nach Afrika exportieren, um vor Ort Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu schaffen. Wir Deutschen haben in Afrika einen hervorragenden ~ Ruf. Gleichzeitig sind wir geschätzt für unsere guten Produkte und unser hervorragendes Berufsbildungssystem. Wir können selbstbewusst llllSere Stärken vertreten. Wir brauchen uns keinen Markt zu kaufen, wie es die Chinesen tun. Es sind alle Voraussetzungen erfüllt, die es uns ermöglichen, Partner und nicht nur Lieferant unserer Kunden in Afrika zu werden. Packen wir es an! -- Die Glocke, 9. Mai 2015 Seite 2/2 ~-··~--„ Glocke" -Serie Afrika bietet Firmen Chancen Kreis Warendorf/Kreis Gütersloh (gl). Afrika ist ein Kontinent mit vielen Gesichtern. Dr. Reinhold Festge, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, beleuchtet in seinem vierten und letzten Gastbeitrag für die „Glocke" die Chancen, die der Kontinent Unternehmern bietet. Zeitgeschehen 1 Hintergrund 1 Der deutsche Mittelstand hat seine Chancen in Afrika aus Expertensicht noch zu wenig genutzt. „Die Marktdynamik in Afrika wird deutlich zunehmen. Deutsche Unternehmen sind gut beraten, sich dort bald zu engagieren", sagte et\va der Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Christoph Kannengießer. Ghana, Marokko und Tansania gehörten wirtschaftlich zu den Aufsteigern der vergangenen drei Jahre, so das Ergebnis einer Studienreihe des Afrika-Vereins. An der Spitze der Rangliste stehen Südafrika und Nigeria. Auf Platz drei folgt Ghana. Wegen der Unsicherheiten im Land ist Ägypten von Rang drei auf die achte Position zuriickgefallen. „Die deutsche Wirtschaft ist zwar auch präsent, hält sich aber in Afrika bisher stärker zurück als in anderen Regionen der Welt", heißt es in dem Report. (dpa) Mit dualem System Ausbildung vor Ort verbessern Auf der Pressekonferenz anlässlich der Hannover Messe bestätigte der VDMA {Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) seine Wachstumsprognose für das Jahr 2015 mit real 2 Prozent. Damit liegt der deutsche Maschinenbau mit seinem Wachstum nur noch im Mittelfeld, weit hinter Indien, China und den USA. Mittel- und langfristig ist dieses Wachstum nicht ausreichend, um die Führun.gsrolle zu behaupten. Einen Wachstumsschub soll der Umbau der Wirtschaft unter dem Leitmotiv Industrie 4.0-die Digitalisierung der in- dustriellen Fertigungsprozesse bringen. Die deutsche Industrie muss sich zudem verstärkt um neue Märkte kümmern. Bisher hat sie um den afrikanischen Kontinent einen Bogen gemacht. Dies insbesondere deshalb, \Veil dort oft die notwendigen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind. Es zeichnet sich aber immer mehr ab, dass die Markt,eroberung Afrikas neue Wege und Strategien erfordert. Die in Deutschland produzierte Hightech-Industrie trifft in den afrikanischen Ländern auf eine Kundschaft, der es an professionel- ler Ausbildung mangelt. Premiumprodukte können sich gegen billigere Produkte jedoch nur durchsetzen, wenn sie ihre Vorteile auch durch Effizienz- und Qualitätsproduktion ausspielen können. Vor diesem Hintergrund hat der VDMA ein Projekt in Bearbeitung, das den Aufbau von Berufsschulen in den Ländern Kenia, Nigeria und Botswana zum Ziel hat. Das in Deutschland eingeführte und in der ganzen Welt geachtete duale System soll auch in Afrika helfen, die Professionalität der dort arbeitenden Menschen zu erhöhen. Im Rahmen des Projektes wird in enger Kooperation mit lokalen Unternehmen ein auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmtes Ausbildungsprogranun entwickelt. Die Initiatoren versprechen sich davon eine verbesserte Qualität in Produktion und Service. Bei dem Projekt in Nigeria ist das heimische Unternehmen Haver & Boecker zusammen mit seinem Großkunden Dangote beteiligt. Die Industriegruppe Dangote ist unter anderem ein führender Zementhersteller in Nigeria und in 16 weiteren afrikanischen Staaten. In Zu- kunft sollen zunehmend lokale Kräfte so ausgebildet werden, dass die Arbeiten mit eigenem Personal durchgefillut werden können. In Vorbereitung des Projekts hat Dr. Aliko Dangote eine Schule mit Internat bauen lassen, an der 750 Auszubildende in drei Jahrgängen unterwiesen werden können. „Wenn es uns gelingt, unserer eigenen Jugend eine Ausbildung und damit eine Perspektive zu geben, ist dies der beste Schutz gegen Armut und Boko Hararn", erläutert die sozial engagierte Tochter Halima von Dr. Aliko Dangote.
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