Familiensystemik und Rückführungen

Familiensystemik und Rückführungen
Familiensystemische Realität– ihre Achtung als heilsame Kraft
Wir haben das Bedürfnis immer individueller durchs Leben zu gehen; dennoch sind wir
Lebensgesetzen unterworfen. So wie auf der körperlichen Ebene lebenswichtige
Körperprozesse wie Atmung und Herztätigkeit funktionieren müssen, so sollten für das
seelische Wohlbefinden gewisse Lebensgesetze funktionieren, um eine ungestörte
Entwicklung zu garantieren. Diese sind teilweise familiensystemischen Ursprungs. Die
wichtigsten sind die Bindung, der Ausgleich und die Ordnung. In den ersten
Lebensjahren ist neben der uneingeschränkten Liebe die Bindung die wichtigste
Qualität für die Entwicklung eines stabilen Fundamentes für das weitere Leben des
Kindes. Wird dies erschüttert, beeinflusst dies das weitere Leben des Kindes.
Familien sind Gemeinschaften. Unter familiensystemischen Gesichtspunkten nennen
wir sie Systeme. Systeme zeichnen sich durch eine eigene Charakteristik aus, die wir
als Energie, Raum, Aura, Ätherleib oder „Familienäther“ wahrnehmen. Kommen wir
erstmalig in eine neue Familie, spüren wir dies sofort. Es ist eben die andere
„Familien-Aura“, die uns umgibt. Es gibt Regeln, Überzeugungen, Tabus, die anders
sind, als wir sie kennen.
Jedes System unterliegt gewissen Gesetzen, so auch die Familie. Diese sind nicht
moralisch im herkömmlichen Sinne zu beurteilen sondern als familiensystemische
Tatsachen zu begreifen. So sprechen wir im familiensystemischen Zusammenhang
weniger von Schuld, weil sie zu sehr moralischen Charakter hat. Wir verwenden
eher das Wort Verstrickung, um aufzuzeigen, dass es einen Konflikt gibt, aber dabei
moralisch neutral zu bleiben.
Die wichtigsten Gesetzmässigkeiten sind:
Die Bindung – die stärkste Kraft, Urliebe
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Die Bindung ist das wichtigste Element der ersten Lebensjahre. Sie wird vom Kind
als Glück und Liebe erlebt, egal wie gut oder schlecht man sich um das Kind
kümmert. Das Kind „weiss“, dass es dazugehört (Urliebe). Die Bindung geht so tief,
dass es sogar bereit wäre, sein Glück und sein Leben der Bindung zuliebe zu opfern.
Der Ausgleich - Geben und Nehmen
Dies ist ein Punkt, der nicht unterschätzt werden sollte. Es ist das Bedürfnis nach
einem „Ausgleich von Gerechtigkeit“. Das bedeutet, dass in einer Partnerschaft das
Geben und Nehmen zum einen abgesprochen sein sollte, zum anderen so
ausgeglichen, dass es für beide stimmt. Wenn ein Paar eine Familie gründet, ist es
wichtig, dass die Eltern sich daraufhin verständigen, wer sich wann um das Kind
kümmert und wer hauptsächlich die finanzielle Seite abdeckt. Wenn die Frau z.B.
dem Mann die Berufsausbildung finanziert, sollte das Paar sich verständigen, wie
hierzu der Ausgleich geschaffen wird.
Wenn ein 65-jähriger Mann, eine knapp 30-jährige Frau zur Frau nimmt, haben wir
systemisch die Tatsache, dass der Mann einen grossen Teil seines Lebens schon
hinter sich hat, die Frau aber noch vor sich - eine grosse Gefahr, dass durch dieses
Ungleichgewicht, der wichtige Ausgleich in der Paarbeziehung nicht gelingt.
Ich sage nicht, dass solche Paarbeziehungen nicht gelingen. Man sollte sich aber der
Dynamik bewusst sein.
Zwischen Eltern und Kindern ist ein Ausgleich nicht möglich. Familiensystemisch
gesehen bleiben die Kinder ihren Eltern gegenüber immer in der „Schuld“. Das ist
natürlich nicht moralisch zu bewerten. Daher ist es wichtig, dass sich die Kinder,
wenn sie gross sind, von ihren Eltern lösen. Hier kann ein Ausgleich auf anderer
Ebene stattfinden: das, was die Kinder von ihren Eltern empfangen durften,
weiterzugeben, indem sie selber Kinder bekommen oder sich in intensiver Weise
einer Sache oder einem Projekt widmen.
Die Ordnung – Regeln im Zusammenleben
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Darunter verstehen wir Regeln, die das Zusammenleben in festen Bahnen lenken,
wie gemeinsame Normen und Rituale, Überzeugungen, Tabus, die für alle
verbindlich sind. Z.B. werden die Jahresfeste besonders gefeiert oder es gibt
bestimmte Angewohnheiten an den Wochenenden, oder es wird zum Essen gebetet
und gibt feste Essenzeiten usw. . So wird aus Beziehungen ein System mit Ordnung
und Struktur, eine besondere Herausforderung für neue Beziehungen.
Das Gewissen - die innere Stimme
Das Gewissen ist die innere Stimme eines Systems. Es ist der Gleichgewichtssinn in
Beziehungen. Es „wacht“ gewissermassen über die Bindung, den Ausgleich und die
Ordnung, d.h. es wacht, was dem Dazugehörigkeitsgefühl fördert oder schadet. So
dienen das gute und das schlechte Gewissen dem Ziel, unsere Bindung an unsere
Wurzeln zu sichern, mithilfe des Ausgleichs und der Ordnung.
Bedeutung für die Familie
Wir alle werden in unsere Familie hinein geboren. Wir haben Eltern, Grosseltern,
Geschwister, völlig gleichgültig, ob wir in dieser Gemeinschaft heranwachsen oder
nicht. Für die familiensystemische Dynamik ist es unerheblich, ob die Eltern sich
getrennt haben oder wir die Eltern gar nicht kennen.
Früher oder später wird jeder die enorme Kraft, die von unserer Herkunftsfamilie
ausgeht, spüren. Kinder, die ihre Eltern nie kennengelernt haben, auch wenn ihnen
dies verschwiegen wurde, werden irgendwann eine Sehnsucht in sich entdecken.
Diese ist in uns sehr tief und fest verankert. Es ist die intensive Bindung an unseren
Ursprung, die wir unbewusst und irgendwann immer bewusster wahrnehmen, auch
wenn diese Bindung nie leben durfte. Daher hat jeder von uns das Recht, seine
leiblichen Eltern kennenzulernen bzw. möglichst viel über sie zu erfahren.
Alle Menschen, die ich mit solch grundlegenden Fragestellungen begleiten durfte,
haben es als wohltuende befreiende und für ihr Leben selbstverständliche Haltung
erfahren, ihren leiblichen Eltern einen besonderen Platz in ihrem Herzen zu geben,
auch wenn diese sie vernachlässigt, missbraucht haben oder kriminell geworden
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sind. In einigen Fällen fiel es den Menschen wie Schuppen von den Augen, wenn ich
dieses Thema angesprochen habe. Denn sie spürten über Jahre eine grosse
Sehnsucht oder Leere, die sie sich nicht erklären konnten. Sie erlebten, dass sie
grosse Schwierigkeiten hatten, sich in eine Beziehung einzulassen oder hatten
Suchtprobleme.
Es scheint für unser Leben von existentieller Bedeutung zu sein, unseren
Ursprüngen voll und ganz zuzustimmen, in dem Sinn, dass wir ganz zustimmen,
dass unsere Eltern unsere Eltern sind.
Für Kinder, die bei Pflege- oder Adoptiveltern aufgewachsen sind, ist es wichtig,
diese beiden Realitäten zuzulassen und zu akzeptieren. Adoptiveltern können nicht
die leiblichen Eltern sein. Sie leisten Hervorragendes und geben diesen Kindern ein
Zuhause. Sie sind aber die Adoptiveltern, nicht die Eltern und stehen
familiensystemisch gesehen am 2. Platz . Auch das ist nicht zu bewerten; der 1. Platz
ist nicht besser als der 2. Nur unter dieser Berücksichtigung können Adoptivkinder
am besten heranwachsen und die leiblichen Eltern in ihrer Würde bleiben. Es muss
gar keine persönliche Beziehung zu ihnen existieren – relevant ist der Umgang. Es
ist daher wichtig, dass die Adoptiveltern im Alltag den leiblichen Eltern ihres
anvertrauten Kindes einen Platz einräumen.
Unsere Seele „weiss“ sowieso um diese Zusammenhänge, das bedeutet, dass wir in
unserem Unterbewusstsein um die Konflikte oder Verstrickungen wissen. Durch
eine klassische Familienaufstellung mit Stellvertretern oder mit Figuren kann man
die Dynamik, die in der Ursprungsfamilie herrscht, darstellen.
Wenn wir auf diese Weise Verstrickungen aufdecken, können wir versuchen, wieder
eine familiensystemische Ordnung herzustellen. Mit Verstrickung ist hier gemeint,
dass das System an einer oder mehreren Stellen aus dem Gleichgewicht geraten ist,
weil z.B. ein Familienangehöriger durch eine schlimme Tat, die er begangen hat, aus
dem System geworfen wurde. Oder bei einer Trennung, wurde der Vater aus dem
System gejagt und im Alltag wird nicht mehr oder nur schlecht über ihn gesprochen.
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Dieses Ungleichgewicht im Familiensystem wirkt sich auf alle Mitglieder dieses
Systems aus. Oftmals fühlen sich Kinder oder Enkel unbewusst dafür verantwortlich,
dieses System wieder in das Gleichgewicht zu bringen, d.h. den Ausgestossenen
wieder ins System zu holen.
Die wichtigsten Elemente in der familiensystemischen Arbeit sind wohl, dass uns
diese Zusammenhänge, denen jedes System ausgesetzt ist, bewusst werden. Die
Konsequenz ist, dass jedes Familienmitglied unabhängig jeglicher Streitereien oder
schwerer Vergehen an seinem Platz, der ihm zusteht, bleibt. So kann diese Person in
seiner Würde bleiben und das System Familie im Gleichgewicht.
Diese systemische Betrachtungsweise hat ihre Bedeutung auch in
Arbeitszusammenhängen wie z.B. Firmen, Schulen oder Spitäler. Immer mehr
Firmen lassen sich diesbezüglich beraten.
Rückführungen oder Regressionstherapie
80-90% unserer Handlungen vollziehen sich aufgrund von Informationen, die wir im
Unterbewusstsein abgespeichert haben. Durch Rückführungen sind wir heute in der
Lage, den Ursprung heutiger Konflikte oder uns störender Verhaltensweisen
aufzudecken, die oftmals als Information durchgemachter schwerer Erfahrungen im
Unterbewusstsein abgespeichert sind. Diese können wir dann auflösen, indem wir uns
dieses Zusammenhangs bewusst werden.
Seit einigen Jahrzehnten existiert eine Technik, die wir Rückführung oder
Reinkarnationstherapie nennen. Durch sie können wir einen Zugang zu unserem
Unterbewusstsein erhalten.
Begonnen hat diese Arbeit in den 60er Jahren, als Psychologen und
Psychotherapeuten feststellten, dass Bilder und Erfahrungen aus dem Unbewussten
von Klienten ihren Ursprung auch in einer anderen Zeit haben können. Durch viele
Forschungen und Rückführungssitzungen konnte bestätigt werden, dass es frühere
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Leben gibt und dass unsere Seele, gemachte Erfahrungen auch über mehrere Leben
hinweg abzuspeichern.
Je nach Erfahrungen können diese sich als Postulate in unserem Unterbewusstsein
festsetzen und unsere heutige Handlungsweise massiv beeinflussen.
Es ist wichtig zu wissen, dass weit mehr als 90% unseres Verhaltens durch
Informationen, die in unserem Unterbewusstsein abgespeichert sind, bedingt ist.
Wir können immer wieder erleben, dass wir in bestimmten Situationen in ähnlicher
Weise reagieren, auch wenn völlig unterschiedliche Menschen zugegen sind. So
nehmen wir wahr, dass wir z.B. in verschiedenen Partnerbeziehungen wiederholt in
ähnlichen Situationen dieselben Konflikte erleben. Das zieht sich offenbar wie ein
roter Faden durch unser Leben. Nur können wir uns oft keinerlei Grund oder
Ursache erklären.
In einer Rückführungssitzung liegt oder sitzt der Klient. Nach einem Vorgespräch
steigen wir mit einem bestimmten Thema ein und zu Anfang wird eine bestimmte
Frage oder ein Satz formuliert. Der Klient hat ab jetzt die Augen geschlossen. Nun
tauchen in der Regel Bilder auf und es zeigen sich Lebenssituationen, die der Klient
sehr genau beschreiben kann. Auch ist er in der Lage, die Umgebung, die Kleidung
und andere Merkmale zu schildern. Oftmals zeigt sich, dass er in einem anderen
Leben angekommen ist und kann meist benennen, in welchem Land und zu welcher
Zeit diese Bilder, die sich vor seinem inneren Auge zeigen, spielen. Der Klient ist bei
vollem Bewusstsein und nicht in Hypnose.
In einer solchen Sitzung gelingt es, Zusammenhänge zu erkennen und aufzulösen,
die sonst verborgen bleiben. Durch diese Arbeit wird deutlich, dass wir tiefgreifende
Erfahrungen oder Traumata auch aus anderen Leben mit in dieses nehmen. Diese
wirken heute in Form von Postulaten oder Glaubenssätzen weiter und bestimmen
unser Handeln, ohne dass wir uns mit unserem heutigen Bewusstsein dieser
Zusammenhänge bewusst werden.
Durch diese Methode wird uns deutlich, dass wir Erfahrungen in uns abspeichern
und diese in uns weiter existieren, selbst über mehrere Leben hinweg. Wir können
beispielsweise immer wieder erfahren, dass Kinder und Enkel von Menschen aus
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Kriegsgenerationen, deren schwere Erfahrungen auch in sich tragen, obwohl sie
diese persönlich nie erlebt haben.
Dipl. Psych. Erika Schäfer, Therapie-, Lehr- und Forschungszentrum Eisenbuch,
forscht seit vielen Jahren auf den Gebieten der familiensystemischen
Aufstellungsarbeit und Reinkarnationstherapie. Ihre grandiose Leitung ist es, diese
beiden Arbeitsweisen sehr fundiert zu lehren und anzuwenden und sie
insbesondere miteinander zu kombinieren. Das bedeutet, dass der Therapeut
während einer Aufstellung z.B. eine Rückführung durchführen kann. Erika Schäfer
hat in ihrem Buch „Reinkarnationstherapie mit Kindern“ detailliert die
Regressionstherapie auch unter historischen Aspekten beschrieben.
Dr. med. Michael J. Seefried
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