LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8597 05.05.2015 Kleine Anfrage 3395 der Abgeordneten Ralf Witzel und Thomas Nückel FDP Steuerliche Absetzbarkeit von beruflich bedingten Zeitungsabos bei Journalisten – Warum erschwert der Finanzminister den Erhalt von Qualitätsjournalismus in Zeiten des Umbruchs bei einer zunehmenden Anzahl freier Journalisten? Im Printmedienbereich gibt es aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und eines anderen Nutzerverhaltens seit einigen Jahren einen großen Umbruch. Rückläufige Abonnentenzahlen und damit sinkende Auflagen einerseits und drastisch sinkende Einnahmen durch Anzeigen andererseits setzen sogar viele etablierte Verlage dauerhaft unter Druck. Die Bekanntgabe von Stellenstreichungen und Verkäufen ganzer Zeitungstitel bis hin zur völligen Einstellung von Publikationen sind leider nichts Ungewöhnliches mehr. Auch das Medienland NordrheinWestfalen ist von diesem Umbruch betroffen, in dem viele der wichtigsten Verlagshäuser Deutschlands ansässig sind. Die kontinuierlichen Stellenreduzierungen im Bereich der Printmedien haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich viele Redakteure selbständig gemacht haben und ihre Arbeit als freie Journalisten fortsetzen. Laut des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) ordnete die Arbeitsagentur im Jahr 2011 dem publizistischen und journalistischen Berufsfeld 160.000 Erwerbstätige zu, davon sind 68.300 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und 68.000 freie Erwerbstätige gewesen. Schon im Jahr 2011 haben die freiberuflich Tätigen also rund die Hälfte aller berufstätigen Journalisten ausgemacht. Die Arbeitsumgebungen von angestellten und freien Journalisten unterscheiden sich jedoch beträchtlich, da letztere nicht auf die Infrastruktur zurückgreifen können, die ein Verlag für die Mitglieder seiner Redaktionen bereithält. Die angestellten Journalisten haben innerhalb ihrer Verlagsumgebung nämlich Zugriff auf zahlreiche Tageszeitungen, Nachrichtenmagazine und Fachzeitschriften sowie E-Paper, um die Berichterstattung über aktuelle politische, rechtliche und wirtschaftliche Entwicklungen in Konkurrenzpublikationen zu verfolgen und zusätzliche Informationen für die eigene journalistische Arbeit zu gewinnen. Davon profitieren letztlich auch die eigenen Leser, die sich durch die umfassende Information eine fundierte Meinung bilden können, ohne selber unterschiedliche Zeitungen zu lesen. Datum des Originals: 04.05.2015/Ausgegeben: 05.05.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8597 Die wachsende Anzahl freier Journalisten verfügt nicht über eine vergleichbare Informationsinfrastruktur wie die angestellten Journalisten in den Redaktionen. Um denselben aktuellen Informationsstand wie letztere zu erreichen, müssen freie Journalisten zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften in Eigenregie im Abonnement beziehen. Diese Abonnements werden aber leider von der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung zunehmend als nicht-abzugsfähige Aufwendungen der privaten Lebensführung im Sinne von §12, Absatz 1 EStG behandelt. Oft wird in diesem Kontext auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 30. September 2010 verwiesen, das den Fall eines Redakteurs zum Entscheidungsgegenstand hat, der mehrere Zeitungen und Nachrichtenmagazine bezog (5 K 3976/08 E). Nach Auffassung von Finanzverwaltung und des Bundesfinanzhofs sind allgemeinbildende Zeitungen grundsätzlich vom Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug ausgeschlossen, da keine klare Trennung in eine berufliche und private Nutzung möglich sei (BFH-Urteil vom 7. April 2005, VI B 168/04, BFH/NV 2005 S. 1300). Keine Rubrik oder Seite einer Zeitung enthalte ausschließlich berufliche, sondern stets auch privat nützliche Informationen. Diese Zeitungen befriedigten die Information über das allgemeine Tagesgeschehen als Grundbedürfnis und seien somit durch das steuerliche Existenzminimum abgegolten. Die Anerkennung von Fachzeitschriften als Werbungskosten ist im Vergleich zu Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen grundsätzlich möglich, aber schwierig. Bei Fachzeitschriften müsste in "ausreichend konkreter Form" nachgewiesen werden, dass die Zeitschriften vor allem aus beruflichen Gründen gelesen werden, zum Beispiel müsste der Schwerpunkt auf der Vermittlung von Fachwissen liegen und die Vermittlung selbst sollte nicht laienhaft sein (FG Münster, Urteil vom 21. Juli 2014, Aktenzeichen 5 K 2767/13 E). Es ist schwer nachvollziehbar, warum bei Journalisten davon ausgegangen wird, dass diese beim Bezug mehrerer Zeitungstitel überwiegend ihr privates Informationsinteresse erfüllen. Für andere Berufsgruppen wie beispielsweise Abgeordnete gilt diese Pauschalvermutung auch nicht. Im Gegenteil: Dort besteht die Möglichkeit, Abonnements über die erste Zeitung hinaus als Werbungskosten abzusetzen. Die ausschließliche berufliche Notwendigkeit der Zeitungslektüre wird pauschal unterstellt. Der Finanzminister sollte daher eine angemessene Neuregelung in Angriff nehmen, die zukünftig die nachvollziehbaren Anliegen freiberuflich tätiger Journalisten umsetzt. Wir fragen daher die Landesregierung: 1. Wie ist die unterschiedliche Behandlung von Journalisten im Vergleich zu anderen Berufsgruppen bei der Geltendmachung von Zeitungsabonnements als Werbungskosten sachlich zu erklären und zu rechtfertigen? 2. Warum sollen die persönlichen Ausgaben eines Journalisten, die dieser zur Information und Qualitätssteigerung seiner Publikationen tätigt und daher beruflich bedingt sind, aus Sicht des Finanzministers auch weiterhin nicht als persönliche Werbungskosten abzugsfähig sein? 3. Aus welchen einzelnen Gründen werden die offensichtlichen und teils gravierenden Veränderungen in der Medienbranche, die objektiv seit der letzten Rechtsprechung auf Bundesebene stattgefunden haben, nicht bei der aktuellen Anwendung des Steuerrechts sachgerecht berücksichtigt? 2 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8597 4. Aus welchen einzelnen Gründen negiert der Finanzminister bislang bei der Behandlung von Steuersachverhalten die besondere berufliche Situation der freien Journalisten, die anders als bei Festanstellungen gerade auf die Errichtung einer umfassenden eigenen Informationsinfrastruktur existenziell angewiesen sind? 5. Mit welchem nachprüfbaren Erfolg ergreift die Landesregierung jeweils außerhalb des Steuerrechts andere Maßnahmen zur Vielfaltssicherung im Medienbereich? Ralf Witzel Thomas Nückel 3
© Copyright 2024 ExpyDoc