DAS ANTIKE GRIECHISCHE THEATER Tragödien und Komödien der griechischen Klassik haben ihre erste – und meist einzige Aufführung – im Rahmen religiöser Feiern erlebt. Und die Athener feierten gerne und oft. Übers ganze Jahr verteilt gab es für das Volk von der Politik geförderte Festlichkeiten inklusive des Fleischs der Opfertiere. Also quasi BROT UND SPIELE, um das Volk ruhig zu stellen. Dem Gemeinwesen als Ganzem diente dabei die KOMÖDIE (hauptsächlich JAN/FEB: Lenäen) als Ventil für angestauten politischen Unmut; und die TRAGÖDIE (hauptsächlich MÄR/APR: Dionysien) als Mittel der Selbstreinigung. Zugleich wurden die Dionysien zur Selbstdarstellung der Polis verwendet: äußerst prunkvoll ausgestattete Spiele aus dem Überschuss der Stadtkasse wurden geboten. DIONYSIEN Ob Frauen an den Dionysien teilnahmen ist bis heute nicht geklärt. Sklaven hatten als Begleitung ihrer Herren zutritt. Alle Zuschauer kamen bekränzt und in Festtagskleidung. Man brachte sich Essen und Wein mit. Es herrschte eine ausgelassen Stimmung; es gibt Berichte über häufigen Szenenapplaus und sachkundige Zwischenrufe. Die Schauspielerleistungen wurden streng kritisiert, sogar Prügel wurde angedroht. - - - Unter Perikles gab es sogar ein Ausgleichsgeld vom Staat für den Verdienstausfall während der Dionysien. Erst im 4. Jahrhundert breitete sich das Theater über die ganze griechische Welt aus. Dabei lockerte und löste sich letztlich die Bindung an das Kultische und an die Polis. Das Theater wurde entpolitisiert und weltlich. So überlebte es in der griechischen Antike noch bis ins 1. Jahrhundert v.Chr. – aber es entstand nichts mehr von wirklicher Bedeutung. GRIECHISCHES THEATER 1. Zuerst musste der „ARCHON“ benannt werden, der für die Durchführung des Festes verantwortliche Beamte. Der suchte zuerst aus allen Bewerbern 3 Dichter für den Wettbewerb, den Agon, aus. Dann suchte er Sponsoren unter den Bürgern, die die Finanzierung der Inszenierungen übernahmen. Da dies mit Ehre und gesellschaftlichem Aufstieg verbunden war, meldeten sich viele Freiwillige. Entweder aus den Freiwilligen oder eben verordnet wurde der „CHOREGE“ bestimmt; ursprünglich nur den Chorführer meinend, wurde der Begriff bald auch für den Mäzen des Chores verwendet, der die Ausstattung (Kostüme, Masken, Lebensunterhalt)der Chorsänger, der „CHOREUTEN“ finanzierte. In der Tragödie waren dies 12 (15), in der Komödie 24 Darsteller. Autor und Chorege wurden durch Los einander zugeordnet. Den Chor suchte sich der Chorege aus den Bürgern aus: es war Pflicht bei Auswahl teilzunehmen. (Andernfalls drohte eine hohe Geldstrafe.) [ Analogie im amerikanischen Geschworenengericht] Der Autor übernahm in der Regel Regie und Hauptrolle. 2. Bevor der Wettkampf begann, versicherte man sich durch einen symbolischen Akt der Anwesenheit des Dionysos: nach Einbruch der Dunkelheit wurde des Dionysos Kultbild, das man zuvor aus einem Dorf in der Umgebung geholt hatte, mit einem Fackelzug zum Heiligtum in der Nähe des Theaters gebracht. Am Morgen des 1. Festtages fand eine Opferprozession mit hölzernen Phalloi statt; am Nachmittag fanden Wettkämpfe der Männerchöre im Vortrag des Dithyrambus statt. 3. Die nächsten 4 Tage standen ganz im Zeichen des Theaters: am 1. Tag kamen 5 (später nur noch 3) Komödien am 2., 3. und 4. Tag je eine Tragödien-Trilogie inklusive Satyrspiel zur Aufführung. Vor Beginn wurde jeweils ein Ferkel geschlachtet und sein Blut versprengt: = Entsühnung des Spielortes und der versammelten Zuschauer. Dann wurden durch Losentscheid aus den Vertretern der Stadtbezirke die Schiedsrichter für den Wettkampf bestimmt, die am Ende des Agons über Sieg und Platz des Gezeigten bestimmten. Ausgezeichnet wurden die Chöre, der Siegerautor sowie aber auch alle angetretenen Dramatiker. Ihre Namen wurden in Stein gehauen – und somit uns, der Nachwelt, z.T. überliefert. 4. Am Tag nach den Dionysien hielt man eine Volksversammlung ab, in der über alles diskutiert wurde und u.U. Änderungsbeschlüsse für die nächsten Dionysien gefasst wurden. 1 DIONYSOS THEATER VON ATHEN am Südhang der Akropolis „ORCHESTRA“: Das Publikum saß zunächst am Berghang, der später ausgehöhlt und mit steinernen Sitzbänken ausgestattet wurde. Der kreisrunde Aktionsraum des Chores; in der Mitte der Altar des Dionysos. GRIECHISCHES THEATER „THEATRON“: 2 „SKENE“: „LOGEION“: In der Tangente der Orchestra; in der Frühzeit aus Holz, später aus Stein errichtetes Gebäude, das als Umkleideraum und Requisitenkammer benutzt wurde. Durch Aischylos wurde auch die Fassade dieses Gebäudes in das Spiel mit einbezogen. Der schmale Streifen zwischen Skene und Orchestra; diente den Einzelakteuren als Spielfläche; später um einige Stufen gegenüber der Orchestra erhöht. R+L Seitenflügel als Begrenzung. Im 5. Jahrhundert wurde das Skenengebäude aufgestockt, das Dach diente für Göttererscheinungen. Die Orchestra rückte näher an den Hang, so dass das Theatron steiler ausgebaut werden musste. Es fasste ca. 14.000 Menschen; die oberste Sitzreihe war ca. 100m von der Orchestra entfernt. Trotzdem war für jeden Zuschauer jedes gesprochene Wort optimal verständlich: durch die muschelförmige Höhlung wurde der Schall konzentriert und z. T. durch die Skene und die mit geschliffenen Muschelplatten ausgelegte Orchestra zusätzlich reflektiert und verstärkt. Abb.: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2e/DionysiusTheater.jpg Nach dem Schema des DIONYSOS-Theaters in Athen war auch das besterhaltene gr. Theater angelegt, das Theater von Epidauros1 Polykleitos war es, der sowohl dieses Theater als auch den Rundbau errichtete. 3. Jh. 2. Jh. 1 in 12 Sektoren (im Fels) in 22 Sektoren (Aufschüttung) 6500 Personen 12000 Personen Diazoma: An Nahtstelle zw. alter u. neuer Cavea. Die Flügel der neuen Cavea sind um je 1 Sektor zurückgesetzt. Prohedrie i.d. untersten Reihe (Sessel mit Rückenlehne) für Ehrengäste. Sitzflächen niedriger (für Kissen). Vertiefung für Füße. Akustik: Trotz 22 m Höhe hervorragend Orchestra: 20,30 m im Durchmesser. Gestampfte Erde. Sockel des Dionysosaltars (θςμέλη). Parodoi: durch unterschiedl. breite Tore begrenzt; die schmalen führten über Rampen a.d. Bühne (Teil der Skene). Skene: langgestreckte Stoa (4 Innensäulen) mit zwei quadratischen Räumen an ihren Enden. Von ihr drei Treppen auf die erhöhte Bühne (Spielfläche). Die Spielfläche ist 22 m lang und 2,17 m breit, Sockel mit 14 ionischen Halbsäulen. GRIECHISCHES THEATER 34 Sitzreihen 55 Sitzreihen http://www.gottwein.de/Hell2000/epid003.php 3 ἡ ὀπσήζηπα - Orchestra: Tanzplatz des Chores ἡ θςμέλη - Thymele: Runder Altar des Dionysos in der Mitte der Orchestra ὁ εὔπιπορ - Wassergraben, Kanal ἡ κάθοδορ - Abstieg, Abgang ηὸ κοῖλον, ηὸ θέαηπον - Höhlung, Zuschauerraum (Cavea) ηὸ κάηω κοῖλον - unterer Teil des Koilons ηὸ διάζωμα - Gürtel: Umgang zwischen dem κάηω κοῖλον und dem ἐπιθέαηπον ηὸ ἐπιθέαηπον - das obere Koilon (ηὸ ἄνω κοῖλον) αἱ κεπκίδερ - die keilförmigen Sitzabteilungen des Koilons (cunei) αἱ κλίμακερ - die Treppen im κοῖλον ἡ πποεδπία - Vorsitz: Sitze der Ehrengäste ἡ πάποδορ - seitlicher Zugang für den Einzug (πάποδορ) und Auszug (ἔξοδορ) des Chores ὁ πςλών, ῶνορ - großes seitliches Tor ηὸ πποζκήνιον - vorderer Teil der Bühne (als Säulenhalle) (proscenium) ηὸ λογεῖον - Redeplatz vor dem πποζκήνιον, von wo die Schauspieler (ὁ ὑποκπιηήρ) jeweils redeten ηὸ παπαζκήνιον - Raum an den beiden Bühneseiten (Ankleideräume) ἡ ζκηνή - rückwärtiges Bühnengebäude GRIECHISCHES THEATER 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 4 BÜHNENBILD UND BÜHNENAUSSTATTUNG - SKENOGRAPHIE: In Aristoteles POETIK steht, dass Sophokles sich als erster die Skene mit Mitteln der Malerei gestalten ließ. - EKKYKLEMA: eine niedere Plattform, die aus der Mitteltür der Skene herausgerollt wurde, um durch lebende Bilder Mordszenen, die im Innern stattfanden, zu imaginieren. - MECHANÉ: eine kranartige Vorrichtung, um eine Figur, die von weit her zum Ort der Handlung kam, oder einen Deus ex machina auf die Bühne zu bringen. KOSTÜME - GRUNDKOSTÜM: (Tragödie) Das Chiton, das auch im Alltag von Frau und Mann getragen wurde. http://de.wikipedia.org/wiki/Chiton - HIMATION: ein mantelartiger Umwurf - KOTHURN: ein weicher, schmiegsamer, meist aus einem Stück hergestellter Schaftstiefel, der keine ausgearbeitete Sohle hatte, und damit über den rechten und linken Fuß passte. Später wurden bis zu 30 cm dicke Sohlen drunter geklebt. [ Unterschiede der Kostüme der Komödie: fleischfarbenes Trikot, ausgestopfter Bauch und Hintern, kurzer Chiton, kaum bedeckter künstlicher Penis; entweder keine Schuhe oder leichte Sandalen.] GRIECHISCHES THEATER Eine rechteckige Stoffbahn, die mit Schulterspangen zusammengehalten und mit einem Gürtel in beliebiger Länge drapiert wurde. Für die Tragödie eine spezielle Form mit langen Ärmeln. Variationen durch Farbe und Ornamentik. 5 MASKEN Aus dem rituellen Kult kommend war das Außer-sich-sein, die Aufgabe der eigenen Persönlichkeit verlangt. Dazu benutzte man in Tragödie wie auch in Komödie Masken. Die Theatermasken der griechischen Antike bestanden aus Leinwand, die mit einer Art Kleister versteift und dann bemalt wurden. Männliche Masken: dunkler Teint Weibliche Masken: heller Teint Wie ein Visierhelm bedeckten sie den ganzen Kopf. Später wurde die Mundöffnung vergrößert. Noch später bekamen die Masken einen hohen Haaraufbau (ONKOS), der übermenschliche Würde, aber auch schreckenerregendes Aussehen verlieh. Es lässt sich nicht genau nachvollziehen, wann man begann die Masken nach Alter, Stand und Charakter zu differenzieren. Aber in Abbildungen zur Neuen Komödie in der hellenistischen Zeit sind solch differenzierte Masken zu sehen. Abb.: Masken der Komödien GRIECHISCHES THEATER Abb.: Masken der Tragödien 6 Abb.: DIONYSOS JUNGER MANN JUNGER MANN 2 2 geschichtliche Epoche vom Regierungsantritt Alexanders des Großen von Makedonien 336 v. Chr. bis zur Einverleibung Ägyptens, des letzten hellenistischen Reiches, in das Römische Reich 30 v. Chr. GRIECHISCHES THEATER Abb.: Terracotta-Figuren von Schauspielern in hellenistischen Komödien 7 GRIECHISCHES THEATER Abb.: Späte Masken 8 SPIEL Durch Aischylos 2. Schauspieler wurde es immer wichtiger, dass es ausschließliche Darsteller – die nicht mehr auch als Dramatiker und Regisseur fungierten – gab. Und der Wettkampf an sich führte damit auch schnell zu einer Professionalisierung, Flexibilisierung und Spezialisierung. Bereits angesprochen war, dass „tragische Schauspieler“ nie in Komödien auftraten und umgekehrt. Ebenso, dass Frauen (zunächst), aufgrund des religiösen Charakters, nicht als Akteure in Frage kamen. Die baldige Begrenzung auf drei Schauspieler beim vorgegebenen Umfang des dramatischen Personals der Stücke führte dazu, dass die Darsteller mehrere Rollen spielen mussten. Die Differenzierung wurde ihnen durch die angesprochenen Masken erleichtert. Anfänglich musste der Protagonist 3 Hauptrollen am Tag spielen; später wurde dies auf die 3 Solisten ausgeteilt. Sie genossen als „Diener des Gottes Dionysos“ beachtliche Privilegien: Befreiung vom Kriegsdienst und freies Geleit durch Feindesland, weshalb sie oft auch diplomatische Aufgaben übernahmen. Als im 4. Jahrhundert der Wettkampf der Schauspieler wichtiger wurde als der Wettkampf der Dichter bildeten sich natürlich auch STARS heraus. Was die Spielweise angeht, kann man nur vermuten. Wahrscheinlich wurde der Text in erster Linie nur verbal vermittelt. Denn die Höhepunkte der Stücke finden sich nicht in der Handlung sondern im gesprochenen Wort. Daher waren außergewöhnliche deklamatorische Leistungen bei den Darstellern von Nöten. Aber sie mussten auch gleichermaßen gut tanzen und singen können, denn Sprache, Musik und Tanz bildeten eine dramaturgische Einheit. Abb.: Frankfurt | Schauspiel | Die Orestie | Regie: GRIECHISCHES THEATER Abb.: Berlin | Deutsches Theater | Die Orestie | Regie: Michael Thalheimer 9 Abb.: Salzburger Festspiele| Die Orestie | Regie: Nicolas Stemann GRIECHISCHES THEATER Abb.: Gießen| Stadttheater | Die Orestie | Regie: Titus Georgi 1 0
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