Wissen als wichtigste Ressource im IT

© James Thew – fotolia.com
TECHNOLOGIE
IT-Betrieb und Big Data
Wissen als wichtigste Ressource im IT-Betrieb
Das Konzept der IT-Fabrik wird von vielen IT-Abteilungen bereits umgesetzt. Unterstützt werden
die Experten durch den Einsatz von Big Data-Technologien, um so das IT-Management und den
automatisierten IT-Betrieb weiter zu verbessern.
In den IT-Abteilungen finden sich vielfach noch manufakturähnliche und manuelle Betriebsmodelle. Das Ziel der ITVerantwortlichen ist jedoch klar: Sie planen den vollautomatisierten, agilen und fehlerfreien IT-Betrieb. Ein Treiber hierfür
sind die Fachabteilungen mit ihren immer neuen Anforderungen. Dort spüren die Mitarbeiter, dass ihnen der globale
Wettbewerb im Nacken sitzt und so versuchen sie, mit opti-
mierten IT-Systemen den wandelnden Marktbedingungen und
Kundenbedürfnissen zu begegnen. Neue IT-Services möchten
die Fachbereiche daher fehlerfrei und hochverfügbar in
kürzester Zeit geliefert bekommen.
Die IT-Abteilung muss sich heute bei der Leistungserbringung
mit der Produktionsindustrie messen lassen und bekommt gerne
die hoch effiziente Automobilbranche als Vorbild genannt.
MATERNA MONITOR 43 03/2015
TECHNOLOGIE
Beinahe jeder hat schon einmal ein Auto bestellt und kennt die
voll automatisierten Fertigungsstraßen. Der Schlüssel zu einer
erfolgreichen IT-Fabrik führt also über die Automatisierung.
Damit verbunden ist eine Standardisierung von IT-Prozessen
und Technologien. Schließlich wusste schon Henry Ford, wie
einfach es ist, ein Standardprodukt in hohen Stückzahlen herzustellen. „Sie können das T-Modell in jeder Farbe bestellen,
Hauptsache sie ist schwarz“, ist ein viel zitierter Ausspruch des
Erfinders der Fließbandproduktion.
Das Zitat ist zugleich aber auch Grundlage einer häufigen
Ausrede, warum genau diese Automatisierung in der IT nicht
funktioniert: Eine so starke Standardisierung sei bei den
vielfältigen Anforderungen gar nicht möglich und eine vollständige Automatisierung ist schlicht nicht machbar. Dabei
wird vergessen, dass wir gerade im Automobilbereich trotz
Standardisierung durch die Plattformstrategie eine schier unglaubliche Vielfalt an Produktvariationen erleben. Es lassen
sich sogar nach der Bestellung noch kurzfristige Änderungen
in die Produktion übernehmen, ohne dass die Automatisierung
ins Stocken gerät.
Diese Plattformstrategie gibt es auch in der IT: Hier heißt sie
service-orientierte Architektur (SOA). Die SOA bietet durch
standardisierte Technologiebausteine und Servicekomponenten
die Option, vielfältige Anforderungen der Fachbereiche schnell
und einfach umzusetzen. Die Bereitstellung von IT-Services
scheint tatsächlich den Weg der Produktionsindustrie zu nehmen, um ähnlich schnell und flexibel Ergebnisse zu liefern.
Über den Autor
Wer kümmert sich um den IT-Betrieb?
Doch wie ist es mit dem Betrieb solcher IT-Services bestellt:
Ist dieser auch Teil einer IT-Fabrik oder werden sich Dienstleistungszentren, ähnlich wie Werkstätten, um die operative
Umsetzung kümmern? Bei einer ersten Betrachtung scheint
gerade der IT-Betrieb nicht so perfekt zum Vorbild der Produktionsindustrie zu passen.
Für die Lieferkette neuer Services ist die IT-Fabrik unabdingbar, aber der Betrieb von IT ist eher vergleichbar mit Dienstleistern. Die wichtigste Ressource ist hier nicht die Automatisierungsstraße, sondern das Fachwissen der IT-Experten.
Natürlich helfen automatisierte Fehlerbehebungsprozesse
dabei, immer wiederkehrende Probleme schnell und sicher zu
beheben. Darüber hinaus unterstützen automatisierte Prozesse
für den Systemstart bei fehlerfreien Wiederanlaufverfahren.
Dennoch treten gerade im Betrieb, in der Fehlerbehebung
und bei Änderungen immer wieder Situationen auf, für deren
Behebung Wissen und Erfahrung notwendig sind. Es liegt
auf der Hand, dass sich IT-Probleme deutlich schneller lösen
lassen, wenn das benötigte Fachwissen jederzeit und überall
zugänglich ist. Das heißt, sowohl am Arbeitsplatz des IT-Mitarbeiters als auch bei Kunden oder Kollegen. Hilfreich wäre
es außerdem, wenn der Techniker sofort wüsste, wo er bei der
Fehlerbehebung ansetzen muss, anstatt erst eine zeitraubende
Fehlersuche starten zu müssen.
Auch wenn es banal klingt: Es gäbe deutlich weniger IT-Probleme, wenn Techniker genau wüssten, welche Abhängigkeiten
von IT-Systemen untereinander bestehen und welche individuellen Besonderheiten bei einem System zu beachten sind.
Die steigende Komplexität durch die ständig wachsende Vielzahl von Systemen und Applikationstechnologien erschwert
die Standardisierung von Betrieb und Fehlerbehebung erheblich. Daher rückt immer mehr das Wissen in den Vordergrund,
wo das benötigte Know-how zu finden ist.
„Wenn wir wüssten, was wir wissen“
Dr. Kai-Uwe Winter leitet bei Materna das HP Competence Center. Der studierte Biologe ist seit 2009 bei
Materna als Solutions-Architekt für Service-Management-Projekte auf Basis von HP-Lösungen beschäftigt.
03/2015 44 MATERNA MONITOR
So lautet ein erstes Fazit: Der einfache Zugang und die
schnelle Nutzbarkeit von Wissen machen den Unterschied
im IT-Betrieb. Wer schon einmal eine Dokumentation gesucht hat, aber nicht den exakten Ablageort kennt, wird das
Dilemma kennen: In vielen Unternehmen existieren verteilte
Wikis, SharePoints und Dateisystemstrukturen, auf denen
Wissen gespeichert wird. Bestenfalls gibt es Beauftragte, die
sich um diese Wissensablagen kümmern. Oft aber veralten
die Beiträge sehr schnell und es entstehen parallele Ordnerstrukturen, weil Artikel nicht gefunden wurden. Damit
werden die Suchen immer aufwendiger und die Strukturen
immer undurchsichtiger. Zudem wird Wissen nur in den
seltensten Fällen in Artikeln aufbereitet, um strukturiert abgelegt werden zu können. Das meiste Know-how findet sich
in den E-Mail-Postfächern der Mitarbeiter, in Chats oder in
Messenger-Postings.
© James Thew – fotolia.com
Aufräumen mit Big Data
Einen Ausweg bieten Big Data-Technologien für IT-Management und IT-Betrieb, die eine sehr einfache Suche über nur
eine einzige Suchzeile ermöglich. Anwender können mit
dieser Suchtechnologie auch ohne komplizierte Operatoren
und Suchstrings arbeiten und erhalten dennoch Zugriff auf
alle Wissensdatenbanken, Filesysteme und sonstige Ablagen.
Vorbilder wie Amazon und Google zeigen, wie das Prinzip
funktioniert.
Das Wissen ist vielfältig gespeichert und liegt in unstrukturierten Daten wie Chats, E-Mails, Videos, Bildern und ähnliche Kommunikationsformen vor. Mit Big Data-Lösungen
wie HP Autonomy und HP Vertica verarbeiten Unternehmen
diese Datenberge und liefern dem Mitarbeiter passgenaue
Ergebnisse. Inzwischen sind IT-Management-Systeme verfügbar, die mittels dieser Big Data-Technologien die Suchen
nicht nur in Tickets und Wissensbibliotheken ermöglichen,
sondern auch in Social Media-Plattformen sowie in SharePoint, Wikis, Dateisystemen und E-Mails. Das gesamte
Unternehmenswissen wird so über nur noch eine Suchzeile
zugänglich gemacht. Moderne Lösungen schlagen schon
während des Eintippens des Suchbegriffs erste Ergebnisse
vor. So kann der Anwender die Suche schnell und effizient
verfeinern.
Mittels Ratings, die aus sozialen Netzwerken und anderen
Internet-Angeboten bekannt sind, wird das Wissen ständig
neu bewertet. Veraltetes Wissen sortiert sich automatisch
über das Ranking in der Suchergebnisliste aus.
Big Data-Technologien in IT-Service-Management-Systemen, wie z. B. HP Service Anywhere und das Modul Smart
Analytics des HP Service Managers, helfen, das Wissen
weiter auszubauen. So speichert das System jede Suche und
überführt die Ergebnisse in die Analyse, sodass das Wissen
des Gesamtsystems praktisch arbeitsbegleitend erweitert
wird. Die Suchanfragen der Mitarbeiter werden in Themenblöcken zusammengefasst und über Drilldown-fähige
Dashboards dem Wissensmanagement angezeigt. So können
Wissensartikel zu immer wieder auftretenden Suchen and
Anfragen themengerecht erstellt werden.
Bei herkömmlichen Business Intelligence-Lösungen wurde
früher die Wichtigkeit von Themenkomplexen von den Wissensmanagern manuell definiert. Die modernen Big DataSysteme stellen diese Themenkomplexe selbstständig her.
Indem sie alle zur Verfügung stehenden Daten wie Suchen
oder Fragen der Mitarbeiter ständig neu analysieren, lässt
sich der aktuelle Wissensbedarf themengerecht und grafisch
darstellen. Auf Basis dieser Ergebnisse sind Mitarbeiter in
der Lage, weiterführende Artikel oder Videos mit Praxistipps
zu aktuell nachgefragten Themen zu generieren. Das Wissen
im Unternehmen wird dadurch aktueller und orientiert sich
am tatsächlichen Bedarf.
Mit diesem Verfahren kann der CIO die Fehlerrate im ITBetrieb reduzieren, da zu geplanten Änderungen kontextsensitiv das aktuelle Wissen dargestellt wird. Auftretende Fehler
lassen sich viel schneller beheben, wenn themengerecht und
in Echtzeit das gesamte Unternehmenswissen zur Verfügung
steht. Viele Anfragen können auch im Self-Service behoben
werden, wenn noch während des Tippens der Problembeschreibung mögliche Lösungen eingeblendet werden.
Die Zukunft der IT benötigt also zwei Standbeine: Zum einen
wird eine automatisierte Lieferung von Services benötigt, die
über standardisierte Servicebausteine die geforderte Vielfältigkeit liefert. Zum anderen sollte bei der Umsetzung dieser
Services das im Unternehmen vorhandene Fachwissen zur
Verfügung stehen. Hierbei helfen intuitive Suchtechnologien,
kontextsensitive Wissensvorschläge und Echtzeitanalysen aus
Foren und Social Media-Plattformen.
MATERNA MONITOR 45 03/2015