30 Im Blickpunkt Wie sich die Tradition der wohl ältesten Bäckerei Seekirchens am Wallersee fortsetzt: Chronik, Status und Zukunft des „Unterbäck“ Berthold Forstner, immer strahlendes Energiebündel. Fotos: Forstner Das um- und angebaute Betriebs- und Geschäftsgebäude. Jene Tage, an welchen Berthold Forstner, Bäcker- und Konditormeister in Seekirchen am Wallersee, übers Jahr gesehen einmal übler Laune sein mag, kann man vermutlich an einer Hand abzählen. Forstner scheint mir die Inkarnation der Frohnatur zu sein, denn – egal welches Thema man im Verlaufe eines Gespräches gerade anschneidet – jede seiner Äußerungen wird von einem breiten, strahlenden Lächeln begleitet. Das hebt den Sympathiewert des Mittdreißigers schon beim ersten Kontakt ganz ungemein. Die Historie des von ihm 2001 übernommenen Betriebes ist ebenso lange, wie die darin verstrickten Konstellationen seiner Familie kompliziert sind. Weshalb ich diesen Zusammenhängen für all jene, die sich darin vertiefen wollen, mehr als es die nachfolgenden kurzen Erklärungen zulassen, eine eigene Rubrik auf der rechten Seite gewidmet habe. Der im 10.000 Einwohner zählenden Städtchen Seekirchen noch bis heute geläufige Name Hörl scheint in dieser Chronik seit über 300 Jahren auf, wobei sechs der Söhne in unmittelbarer Reihenfolge den Vornamen Ignaz trugen. Der Bruder von Forstners Großmutter, sein Großonkel Walter Reichl, adoptierter Hörl, und dessen Frau Berta blieben kinderlos; ein Umstand, dem es Berthold Forstner verdankt, heute Inhaber der Bäckerei-Café-Konditorei Hörl, vulgo „Unterbäck“, zu sein. • Der aus St. Marien in Oberösterreich stammende und – wie aus der Chronik zu entnehmen – mit der dort etablierten Bäckerei des Patrick Reichl (BACKWERK 2/2010) familiär verbundene Forstner sollte ursprünglich den elterlichen Betrieb, eine Mühle, übernehmen. Noch während seiner Schulzeit, in der HTL für Lebensmitteltechnologie in Wels, eröffnete er seinem Vater aber seinen Wunsch, nach der Matura eine Bäckerlehre machen zu wollen. Die Mühle fiele dann einem seiner beiden jüngeren Brüder zu. Forstners Vater war zu dieser Zeit noch recht jung und so war auch der Großvater noch in der Mühle tätig. Generationssignifikante Auffassungsunterschiede waren somit an der Tagesordnung. Ein Grund mehr, warum sich Berthold Forstner entschlossen hatte, sich selbst eine eigene Existenz zu schaffen. „Die nächsten 20 Jahre hätte ich als Sowiesoallesbesserwisser nichts zu vermelden gehabt“, erinnert sich Forstner lachend. Nun begann er eine zweijährige, weil verkürzte Lehre in der Bäckerei Knott in Linz und hier besuchte er auch die Berufsschule. Durch den Nachweis einer zweijährigen, einschlägigen Berufstätigkeit konnte er zur Meisterprüfung, die er auch bestand, antreten. Zu dieser Zeit jedoch ahnte Forstner noch nichts von den Überlegungen, die seine Großtante dereinst und kurz vor ihrer Pensionierung in seine Richtung anstellen sollte. Ein näherer als in den Sommerferien zeitweiliger, da aber guter Kontakt zu Berta Hörl bestand nicht und so war Forstner nicht wenig erstaunt, als er das Angebot erhielt, in Seekirchen arbeiten und später die dort bestehende Bäckerei übernehmen zu können. Es sollte noch einige Zeit vergehen, bis er 1998 mit Iris, seiner frisch angetrauten Frau, nach Seekirchen übersiedelte. „In der Hochzeitsnacht!“, versichert mir Forstner. Für den vorerst zweifachen Kindersegen Florian (14) und Christian (13) dürfte das aber – ist man so vermessen, ein wenig nachzurechnen – nicht ausschlaggebend gewesen sein. Und Nesthäkchen Anna Valentina gesellte sich vor fünf Jahren hinzu. • Dann 2001, mit der Währungsumstellung auf den Euro, übernahmen die Forstners den Betrieb, der einer von vier ortsansässigen Bäckereien ist. Mithin ein Grund, weshalb sich der Bäckermeister den Verkauf seiner Produkte betreffend auf die Stadt Salzburg und deren Umland und im Im Blickpunkt Besonderen auf deren Gastronomiebetriebe konzentrierte. Heute macht der damit erreichte Anteil 40 % seines Umsatzes aus. Seine Kunden, natürlich auch jene des Direktverkaufes, schätzen – neben den anderen Backwaren – insbesondere seine überaus wohlschmeckenden Semmeln und Salzstangerl, die Forstner, parallel zu „üblichem“ – weil rationell über Kopfmaschine, Semmelanlage und Stikkenofen erzeugtem – Gebäck als Dampfl mit einer eineinhalbstündigen Stockgare und am Herd gebacken herstellt. Forstner verwendet vorwiegend regionale Rohstoffe: das Mehl kommt von den Brüdern, die das Getreide aus ihrer Region ernten; anderes wiederum kommt aus der Landwirtschaft, der seine Frau entstammt. „Voller Ringschluss“ nennt Iris Forstner, die im Betrieb für Verkauf, Personal und Administration zuständig ist, dies. • „Als wir hier begannen“, erzählt Forstner, „standen wir – trotz des ‚alten Hauses‘, das wir übernommen hatten – unter Beobachtung. Unter jener der Mitbewerber ebenso, wie unter jener der Bewohner. Wir waren hier nicht aufgewachsen, hatten mit niemandem die Schulbank gedrückt und die Jugendzeit verbracht, waren also ‚Zuag’reiste‘, wie sie im Buche stehen. Eine Zeit, in der ich mich intensiv mit Rezepten aus alten Büchern und mit der Entwicklung neuer Rezepte beschäftigte, um mich unsere Erzeugnisse betreffend zu differenzieren, statt bei den Kollegen mitzumischen.“ Vielleicht entstand auch in dieser Zeit Forstners besondere Hingabe für das Konditorgewerbe. Jedenfalls absolvierte er 2007 dessen Meisterprüfung mit Auszeichnung. Auch die Erzeugnisse, die der getrennt liegenden Feinbackstube entstammen, können sich sehen lassen und weisen viele innovative, sich vom Üblichen abhebende, süße Gustostückerln auf. Schon die Großtante hatte diesbezügliche Stammkunden, welche es neu zu überzeugen, dann zu halten und schließlich zu vermehren galt. Das ist unserem Bäcker- und Konditormeister zweifelsfrei gelungen, wirft 31 Auszug aus der Chronik des „Unterbäck“ Der Name leitet sich von der Lage der beiden traditionsreichen Bäckerhäuser im Markt Seekirchen ab. Ein Hörl im Obermarkt und ein Hörl im Untermarkt – der „Unterbäck“. Der Ursprung der Bäckerei geht bis in das Jahr 1670 zurück. Damals gab es zwei Brüder Hörl: Der eine blieb im elterlichen Betrieb und der andere heiratete zum Unterbäck. Die lange Bäckertradition in diesem Haus geht bis auf jene Zeit zurück. Damals wurden die „Backensgerechte“ verliehen. 1670 wird – offiziell – die Bäckerei-Gerechtsame verliehen. 1697 Magdalena Kapeller als Erbtochter, die 1699 den Jakob Hörl vom alten Bäckerhaus, Markt 79, ehelichte. 1707 Zweitehe mit Maria Eisenrichter, Metzgerstochter aus Wasserburg/Inn. 1726 Drittehe mit Barbara Zellner von Zell. 1727 Ein „Austragstübl“ wird bewilligt. 1733 Sohn Simon Hörl und Juliane Mödlhamer vom Hofwirt. 1747 Gantkauf: Anton Brudl und Gertrud, Eugenbacher Bäckersleute. 1748 Kauf: Kajetan Hörl vom alten Bäckerhaus Markt 79 und Franziska Poller vom Ursprunger Wirt. 1786 Sohn des Kajetan: Ignaz Hörl u. Anna Maria Huber vom Wirt in Werfen. 1797 Zweitehe mit Barbara Huber, Schwester der Maria. 1812 Sohn Ignaz Hörl und Margarethe Gmachl vom Wirt in Seeham. 1844 Sohn Ignaz Hörl und Ehrentrud Doll von der Schaufelmühle. 1869 Sohn Ignaz Hörl und Maria Faberger, ledige Zimmermannstochter aus Sankt Georgen im Attergau; beide Bäcker- und Postmeisterleute. Sohn Ignaz Hörl, getraut mit Franziska Mairhuber vom Wagnermeister in Neumarkt (1901). 1924 Sohn Ignaz Hörl und Elise Zagler vom Markt 65; gleichzeitig Maria Hörl und Stefan Reichl 1928 getraut in Sankt Marien, OÖ. Die Eltern der Maria Hörl waren Josef Hörl, Unterbäck-Sohn von hier und Aloisia Schmoll (getraut 1904). Es folgt der Sohn des Stefan Reichl und der Maria Hörl. 1961 Walter Reichl, adoptierter Hörl, und Berta Hörl aus Oberhofen. 1965 Abriss des alten Hauses und Errichtung des bis heute bestehenden Gebäudes in drei Bauetappen. 1970 Die ersten Semmelanlagen wurden gekauft und waren eine sensationelle Erneuerung. 1980 Witwe Berta Hörl führt den Betrieb alleine fort. 2001 Berthold Forstner, Großneffe des Walter Hörl (von der Witwe Berta Hörl adoptiert) und Iris Forstner aus St. Marien, OÖ. Hohe Aufmerksamkeit erregt die perfekte Fassaden- und Auslagengestaltung. 32 Im Blickpunkt Vorbildlich der Thekenbereich. Fotos: Forstner Mindestens ebenso einladend, auch das Café. man einen Blick in die entsprechende Vitrine seines Ladens im vor zirka eineinhalb Jahren gesamt umgebauten und neu gestalteten Haus. Mit Bedacht darauf, die reizvolle Struktur weitgehend zu belassen sowie alte und schöne, somit wertvolle Elemente zu integrieren, ist dies auch hervorragend gelungen. „Warum nur Wert auf ein schönes Ambiente etwa seines Wohnzimmers legen, wenn man doch weit mehr Zeit in der Firma verbringt?“, wirft Forstner ein Thema auf, das mich interessiert – das Thema Zeit. Jene, die ihm neben all seinen Aufgaben bleibt. Für ihn, philosophiert er, sei die Zeit das Maß aller Dinge. „Du mit deiner Zeit...“, belächelt ihn des Öfteren auch der Freundeskreis, den er sich in den Jahren, seit er in der stetig wachsenden Gemeinde Seekirchen lebt, geschaffen hat. „Carpe diem“, lautet sein Motto auch hinsichtlich seiner Freizeit, auf welche ich ihn anspreche und erfahre: „Neben Mountainbike- und Rad fahren im Sommer, Ski fahren im Winter und Kekserlbacken im Dezember“, scherzt Forstner, „bleibt Zeit natürlich auch für die Familie.“ Als wir von Frau Forstner ein kurzes „Ha!“ vernehmen, vielleicht war’s aber auch ein „Haa?“ – so genau lässt sich das nicht wirklich sagen – beeilt sich ihr Mann, schmunzelnd hinzuzufügen: „Ich sagte ja auch, wenn Zeit bleibt!“ Der Humor, zeitweise auch der etwas ironische, im gesamten Verlauf unseres Gespräches bleibt jedenfalls nicht auf der Strecke. Nun will ich aber noch in Erfahrung bringen, welche Zukunftspläne das Paar hat. • Im Grunde soll der 25 Mitarbeiter beschäftigende Betrieb nicht übermäßig expandieren, jedenfalls strebt man den Status eines Filialisten nicht an. Die nächsten fünf Jahre gilt es, zu konsolidieren, um dann – mit gesichertem Stand – weiter zu investieren. Eventuell einmal mag es einen zweiten Verkaufsstandort geben; man wird sehen. Fix geplant jedoch ist ein Holzofen, der in Bälde in Betrieb genommen werden und der auch dem Schaubacken dienen soll. Bei der – soweit für mich ersichtlichen – besonnenen wirtschaftlichen Vorgangsweise Berthold und Iris Forstners, scheint mir deren Zukunft und auch die ihres Nachwuchses gesichert zu sein. • Wir sitzen für unser Gespräch auf der über dem Betrieb befindlichen Terrasse und zum Ende hin werfe ich einen Blick auf die Uhr. Es war eine ebenso heitere wie auch lange Plauderei und ein recht gemütliches Verweilen bis ein paar Minuten vor 18:00 Uhr. Kurz darauf begleitet mich Berthold Forstner die Stiege hinunter und bis zum Ausgang im angrenzenden Garten. Ich biege ums Eck, um noch rasch und ungesehen ins Geschäft zu gelangen – in der Hoffnung, noch das eine oder andere Naschwerk, das mich Stunden zuvor noch anlachte, jetzt heimlich erwerben zu können. Pech gehabt! Zwar ist noch offen, aber die Vitrinen sind leider bereits leer und die Verkäuferin ist beim Aufräumen. Schade! Gerne hätte ich dies oder jenes, das ich anderswo so noch nirgends gesehen hatte, mitgenommen. Aber wer weiß, ob dies nicht angesichts meines südlich der Oberweite gelegenen Umfanges nicht doch sein Gutes hat, mutmaßt Ihr mws
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