Harry Potter und die Muggel-Schreiber Die Geschichten aus Hogwarts sind zu Ende? Von wegen. Im Internet denken sich Fans aus, wie es weitergeht. Zum Beispiel Carina. Text: Kathrin Breer Anfang September hielten die Fans von Harry Potter kurz den Atem an. Die Autorin Joanne K. Rowling hatte im Internet geschrieben, dass nun Harrys Sohn in Hogwarts eingeschult wird. Was hatte das zu bedeuten? Wird es bald eine Fortsetzung der berühmten Zauberer-Romane geben? Darüber ist bislang nichts bekannt. Viele Fans wünschen sich aber mehr Geschichten aus Harrys Welt. Manche wollen nicht auf Joanne K. Rowling warten: Sie schreiben einfach selbst welche. So wie Carina, 17 Jahre. Sie schreibt über James und Lily Potter, die Eltern von Harry. »Die beiden sind meine Lieblingsfiguren. Ich finde es so süß, wie sie zusammengekommen sind!«, sagt sie. Deshalb verfasst sie Geschichten, die James und Lily erlebt haben könnten. »Fanfiction« werden solche Texte genannt, in denen Fans über ihre Stars schreiben (»fiction« ist Englisch und bedeutet so viel wie »ausgedacht«). Carina veröffentlicht ihre Texte auf der Seite www.fanfiktion.de im 34 erleben ZEIT LEO 6 ¬ 2015 Internet. Dort gibt es viele Geschichten über Harry Potter. Seine Welt gehört zu den beliebtesten Themen für Fanfiction. Manchen Schreibern gefällt es zum Beispiel nicht, wie die echten Harry-Potter-Bücher ausgegangen sind. Deswegen denken sie sich ein neues Ende aus. Andere, so wie Carina, machen Neben figuren zu den Helden ihrer Geschichten. Wieder andere lassen Figuren aus Star Wars bei Harry Potter auftreten. Jeder Autor kann schreiben, worüber er möchte. Es gibt sogar Fanfiction über Fußballspieler, YouTube-Stars oder Sänger. Wenn Carina an einem Text arbeitet, ni m m t si e i h r e n Laptop mit ins Bett und macht es sich gemütlich. Am liebsten schreibt sie abends, wenn es draußen dunkel ist. »Meistens höre ich Musik, die zu der »James Potter betrat den Gemeinschaftsraum der Gryffindors und steuerte direkt auf den Schlafsaal der Mädchen zu. Er sah nochmal über die Schulter und versicherte sich, dass niemand zusah, zog seinen Tarnumhang hervor und warf ihn sich über.« Aus Carinas Geschichte »Christmas Presents«, in der James Potter nach seinem Weihnachtsgeschenk von Lily sucht. »Mit einem leicht mulmigen Gefühl öffnete er die Tür. Der Boden war bedeckt mit Tintenfässern, Pergamenten, Kleidung und vielen weiteren Dingen. James meinte sogar die Hausaufgaben von gestern zu sehen. Er schüttelte fassungslos den Kopf.« Geschichte passt, dann habe ich die besten Ideen«, sagt sie. In ihrem Bücherregal stehen a l le Ha rr y- Potter-Bände neben einander. So lang wie die Geschichten von Joanne K. Rowling sind Ca rina s Texte aber nicht: Mal schreibt sie nur eine Kurzgeschichte, mal einen längeren Text mit acht Kapiteln. »Wenn ich anfange, steht in meinem Kopf schon fest, wie die Geschichte ausgehen soll«, sagt sie. Oft schreibt sie über Liebe und Freundschaft, manchmal auch über Aben teuer. Auf der Website wurden ihre Texte schon über 1300 Mal angeklickt. Illustration: Gunter Schwarzmaier Manche Leser hinterlassen dort auch Kommentare. »Schönes neues Kapitel! Mach weiter so!« steht dann unter Carinas Text. Oder: »Toll geschrieben, aber im Kapitel 7 ist ein Fehler, denn damals gab es bei den Zauberern keine Telefone.« Wer Fanfiction veröffentlicht, muss auch Kritik aushalten können. Carina kann das. Trotzdem sagt sie: »Ich bin immer ganz aufgeregt, wenn die ersten Nachrichten zu einer neuen Geschichte kommen.« Ihre ersten Fanfiction-Texte hat sie mit 14 Jahren verfasst. Auf der Website nennt sie sich Jily – eine Zusammensetzung aus James und Lily. Mittlerweile hat sie im Netz auch eine neue Freundin kennengelernt, die ebenfalls über Harry Potter schreibt. Wenn Carina nicht weiterkommt, holt sie sich Tipps von ihr. Die beiden telefonieren und schreiben sich regelmäßig bei WhatsApp. Getroffen haben sie sich noch nicht. Aber sie haben schon gemeinsam eine Geschichte geschrieben: immer abwechselnd ein Kapitel. Carina muss lachen, wenn sie davon erzählt: »Der Text hat uns hinterher überhaupt nicht gefallen, deshalb haben wir ihn dann doch nicht ins Internet gestellt.« Bevor sie ihre eigenen Geschichten veröffentlicht, schickt Carina sie an eine Testleserin. Die überprüft die Recht- schreibung. Nicht alle auf der Website geben sich so viel Mühe. Einige Texte sind voller Fehler. Andere sind nicht besonders spannend geschrieben oder passen überhaupt nicht »Er räumte schnell die zur Vorlage. Manche restlichen Indizien weg, die ber ühmten Autoren bewiesen, dass er hier war, haben deshalb verbo- und flüchtete sich unter Lilys ten, dass Fanfiction zu Bett, als schon die Tür ihren Figuren veröfaufging und Lilys beste fentlicht wird. Sie wolFreundin Marlene eintrat, len nicht, dass andere gefolgt von Lily selbst. ihre Ideen benutzen. Die beiden steuerten ihre Joanne K. Rowling, die Betten an und setzten Autorin von Harr y sich, während ihr Lachen Potter, sieht das anders. langsam verebbte.« Sie findet es gut, dass Fans eigene Texte schrei ben – solange die Geschichten für Kinder geeignet und zum Beispiel nicht zu brutal sind. Sie selbst hat gerade ein Drehbuch zu der Film reihe »Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind« verfasst, die ebenfalls in der Zaubererwelt spielt. Der erste Teil soll nächstes Jahr ins Kino kommen. So haben Potter-Fans noch etwas, worauf sie sich freuen können. Hier kannst Du Fanfiction lesen und schreiben: www.fanfiktion.de, www.myfanfiction.net, www.wattpad.com. Auf den Websites geben die Autoren selbst an, für welches Alter ihre Geschichten gedacht sind. Texte mit der Kennzeichnung P6 sind für Leser ab 6 Jahren geeignet. Für P12-Texte solltest Du mindestens 12 Jahre alt sein. 35
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