Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 1 Kostenlos zum Mitnehmen Spuren M AGAZIN DER 27 Nr. Dezember 2015 D ÜRENER G ESCHICHTSWERKSTATT E .V. zugleich Mitteilungen aus dem m usStadtmuseum eum Düren „Das Bier wurde mit der Gießkanne geholt“ Aus dem Leben der Dürener Gärtnerfamilie Crefeld S. 3 Lebensmittelfälschungen im Ersten Weltkrieg S. 6 »Ein Barrierebaum ist ein Gedankenstrich« S. 13 »Jetz widd Platt jekallt!« Mundartabend im Stadtmuseum S. 15 Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 2 2 Nummer 27 · Dezember 2015 Von BERND HAHNE Als ganzes Stück mit einem Spezialtransport nach Kommern verfrachtet: Das QUELLEFertighaus aus dem Jahr 1965. INHALT 2 Neues aus der »Szene« 3 „Das Bier wurde mit der Gießkanne geholt“ 6 Lebensmittelfälschungen im Ersten Weltkrieg 10 200 Jahre Preußen am Rhein – Danke, Berlin?! 13 „Ein Barrierebaum ist ein Gedankenstrich“ 15 „Jetz widd Platt jekallt!“ 16 Stadtmuseum: Angebot erneut ausgeweitet 19 Düren-Süd – einst und jetzt Spuren Neues aus der »Szene« ■ »Marktplatz Rheinland Nr. 2« Die zweite Ausgabe des neuen Magazins zur gleichnamigen neuen Baugruppe im LVRFreilichtmuseum Kommern ist erschienen. Sie behandelt das kürzlich „eingeweihte“ original QUELLE-Fertighaus, das als ganze Einheit mit einem Spezialtransport von seinem bisherigen Standort nahe Köln nach Kommern transportiert wurde. Daneben gibt das 80 Seiten starke Heft interessante Einblicke in die Wohnkultur der 1960er Jahre. Mehr Infos unter: http://www.marktplatzrheinland.lvr.de/de/startseite/startseite.html ■ Kreisjahrbuch 2016 Das vor kurzem erschienene „Jahrbuch für den Kreis Düren 2016“ bietet auch in dieser Ausgabe wieder einiges für historisch Interessierte. So wird das Rahmenthema „Flucht, Vertreibung, Migration“ durch eine Reihe von Beiträgen geschichtlich eingeordnet; u.a. wird daran erinnert, dass auch aus dem Kreis Düren Menschen schon wegen rassischer Verfolgung fliehen mussten. Weitere Aufsätze behandeln den 500. Geburtstag Wilhelms V., die Koslarer Schöffenfamilie de Nickel, die versunkene Synagoge in Müddersheim, den Archäologen Ferdinand Schmidt, die Suche nach Spuren von Augustus in der Euregio und erinnern an den 60. Todestag der Dürener Schauspielerin Sybille Schmitz. Das Buch im Umfang von 208 Seiten ist für 11 € im Buchhandel erhältlich. ■ Städtischer Veranstaltungskalender Ansätze dazu hat es schon viele gegeben, jetzt hat der neue Kulturbetriebsleiter der Stadt Düren, Dieter Powitz, endlich Nägel mit Köpfen gemacht: Seit Januar gibt es einen gemeinsamen, monatlich aktuellen Veranstaltungskalender der Kulturinstitute in der Stadt Düren. Eine ausführliche Terminliste ist darin ebenso zu finden wie redaktionelle Beiträge zu einzelnen Angeboten. Das Faltblatt liegt jeweils einen Monat vorher an zahlreichen Stellen in der Stadt Düren kostenlos zum Mitnehmen aus. ■ Kindertransporte Ein mehr als bewegendes Buch hat jetzt der Geschichtsverein Drove-Boich-Thum als insgesamt 18. Veröffentlichung herausgebracht. Über Umwege waren Klaus Schnitzler und Karl-Josef Nolden über 300 Briefe an die 1939 mit einem Kindertransport nach England gelangte, damals 14-jährige Droverin Helga Leiser übergeben worden, die von ihren Eltern, Verwandten und Bekannten stammen. Sie sind ein einmaliges Zeugnis der zunehmenden Bedrängnis, der unsere jüdischen Mitbürger ausgesetzt waren, aber auch der tiefen Liebe zu der an Einsamkeit verzweifelnden Helga. Das 136 Seiten starke Buch ist zum Preis von 15,95 € im Buchhandel erhältlich. ■ Amtsgericht Auf gut 200 DIN A4-Seiten breitet HeinzPeter Müller, seit 1978 in Diensten der Justiz, die Geschichte des Dürener Amtsgerichtes aus. Das reich bebilderte Werk, als Band 34 der „Beiträge zur Geschichte des Dürener Landes“ vom Dürener Geschichtsverein herausgegeben, spart auch die dunklen Kapitel der Dürener Justizgeschichte nicht aus. Es ist zum Preis von 19,50 € im Buchhandel erhältlich. ■ Möbelkenner gesucht Nicht selten erhalten wir für das Stadtmuseum auch einzelne Möbelstücke oder ganze Zimmer angeboten. Für uns ist es sehr schwierig, neben der evtl. stadthistorischen Bedeutung den Wert solcher Angebote einzuschätzen. Wir wären sehr dankbar, wenn sich jemand mit entsprechenden Kenntnissen bereit erklären könnte, uns dabei mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Impressum ■ Herausgeber: Trägerverein Stadtmuseum Düren e.V. und Dürener Geschichtswerkstatt e.V., Cyriakusstr. 33, 52355 Düren, www.geschichtswerkstatt-dueren.de ■ Redaktion: Bernd Hahne M.A., Ludger Dowe, Anne Krings M.A. ■ Herstellung: Schloemer & Partner GmbH, Düren Mit freundlicher Unterstützung der Sparkasse Düren Alle Ausgaben der „Spuren“ sind digital im Internet unter www.geschichtswerkstattdueren.de abrufbar. Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 3 Spuren Nummer 27 · Dezember 2015 „Das Bier wurde mit der Gießkanne geholt“ 3 Von CHRISTEL KREUTZER Aus dem Leben der Dürener Gärtnerfamilie Crefeld Wenn man am Paradiesplatz wohnt, dann liegt das Gärtnern wohl nahe. Immerhin befand sich hier in der frühen Neuzeit in unmittelbarer Nähe bis zu seiner Zerstörung 1543 das Wilhelmitenkloster „Zum Paradies“.1 Die Eheleute Margarete (Jg. 1928) und Wilhelm Crefeld (Jg. 1926), wohnhaft am Paradiesplatz 1B, erzählen von ihrer Familie, die seit mehreren Generationen den Gärtnerberuf in Düren ausgeübt und sich hier einen „kleinen Garten Eden“ geschaffen hat. Wilhelm Crefelds Großvater, ebenfalls ein Wilhelm, besaß bereits im 19. Jahrhundert einen eigenen Gärtnereibetrieb in Norddüren in der Schulstr. 402, in dem dann auch sein Vater Josef (Jg. 1886) sein Handwerk erlernte. Im Ersten Weltkrieg diente er wie viele Dürener als Soldat beim Infanterieregiment 161. Ein Foto aus dieser Zeit zeigt ihn in Zivil mit Kameraden in geselliger Runde. Sichtet man die Adressbücher der Stadt Düren unter dem Stichwort „Gärtner“, so fällt die hohe Zahl der Beschäftigten in diesem Beruf auf. Die Zahl der Gärtner stieg von 38 im Jahr 1889 auf über 60 um 1900, für das Jahr 1912 werden sogar 80 Gärtner in der damaligen „Stadt der Millionäre“ aufgeführt. Neben dem Ausbau städtischer Grünanlagen, Alleen und Parkanlagen belegen im privaten Bereich persönliche Aufzeichnungen der Unternehmerfamilien wie Schoeller oder Hoesch, wie aufwändig die Privatgärten ausgestattet waren. So gehörten zur Walzmühlenvilla des Felix Heinrich Schoeller oder der Villa von Hugo Albert Schoeller eigene stattliche Gewächshäuser. In jungen Jahren eröffnete Josef in der Eisenbahnstraße 48 das Geschäft „Moderne Binderei“ mit einem vielfältigen Angebot an Blumen, Kränzen und Gestecken (s. Titelfoto). Im Schaufenster mit Jugendstilschriftzug wird mit der Berufsbezeichnung „Kunstgärtner“ geworben. Das war der damals übliche Titel für Gärtner und betont den ästhetischen Aspekt des Berufs.3 Der Garten wird Schmuckstück mit wohlgeformten, dekorativen Blumenbeeten, die den Ornamenten großbürgerlicher Häuser gleichen. Die Blume wird um 1900 als Gestaltungselement zur Massenware für gehobene Ansprüche – insbesondere in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs, so auch in den sogenannten goldenen Jahren Dürens von 1871 bis 1914. Auch im Vereinswesen der Stadt spiegelte sich der Gartenboom wider: Um 1900 gab es z.B. den Gartenbauverein, den Gärtnerverein Flora (Lokal: Lorenz Klinkenberg), 1912 den Ortsverein Düren des Deutschen Handelsgärtnerverbandes oder die Ortsgruppe Düren des Deutschen Privatgärtnerverbandes. 1923 heiratete Josef Crefeld die Schneiderin Maria Lauterbach aus der Bergstraße 72. Die Lauterbachs waren im Gegensatz zur Familie Crefeld ganz dem Bahnwesen verhaftet. Die Männer arbeiteten z.B. als Lokführer. Bis in die 1930er Jahre war Josef Crefeld als Gärtner in der Villa Louis Draemann in der Tivolistraße 7 angestellt und wohnte dort mit seiner Familie im Kutscherhaus. Die repräsentative Villa lag neben der Villa von Leopold Vereinsleben in Düren um 1900, Josef Crefeld in der Mitte Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 4 4 Nummer 27 · Dezember 2015 Spuren oben angesprochen, an der großzügigen Gartenanlage mit großer, runder Freitreppe und groß angelegtem Vorgarten. Im Haus arbeitete eine größere Anzahl von Bediensteten, die alles aufs Feinste zu richten wussten. Dort war Josef Crefeld angestellt, bis das Grundstück 1934 an den Gerlingkonzern verkauft und das Anwesen bedauerlicherweise abgerissen wurde. In den 1930er Jahren begann er auch, den Bereich der Friedhofsgärtnerei mit zu übernehmen. „Früher wurde das Bier für die Belegschaft noch mit der Gießkanne in der Gaststätte Heller am Stadtpark geholt“, erinnert sich Wilhelm Crefeld. Hochzeitsfoto von Josef Crefeld und Maria geb. Lauterbach Der Betrieb in der Tivolistraße Dienstpersonal in der Villa Draemann in der Tivolistraße Peill und war 1896 von dem Architekten Karl Wilhelm Schleicher erbaut worden.4 Als Inhaber der renommierten Tuchfabrik „Draemann und Peill“ in Birkesdorf drückte sich der Status der Unternehmerfamilie nicht nur im Bauwerk aus, sondern zeigte sich auch, wie bereits Schließlich pachtete Josef Crefeld im Jahr 1936 das Grundstück Tivolistr. 26 von Dr. Walther Schoeller, dem Eigentümer der Zuckerfabrik, und errichtete dort eine Gärtnerei. Heute befindet sich an dieser Stelle das Ärztehaus in der Tivolistraße. Später übernahm sein Sohn Wilhelm den Betrieb und heiratete 1955 Margarete, geb. Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 5 Spuren Nummer 27 · Dezember 2015 5 Wilhelm und Margarete Crefeld Kromm, aus Jakobwüllesheim, die auf keinen Fall einen Bauern aus dem Dorf als Mann haben wollte. Sie zog es in die Stadt. Zuerst arbeitete sie beim Geheimrat Eduard Prym von Becherer als Büroangestellte, bis sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Wilhelm den Gärtnereibetrieb führte. Aufzucht und Pflege der kleinen Pflänzchen waren immer sehr arbeitsintensiv. Aber Margarete Crefeld erfreute sich letztlich am Gedeihen der Stauden, Alpenveilchen, Schnittblumen, Gemüsepflanzen, einem Sortiment für die Grabpflege usw. 1968 wurde das Vierfamilienhaus 1B gebaut und der Betrieb von der Blumengärtnerei auf den Schwerpunkt Landschaftspflege mit ca. fünf bis sechs Angestellten umgestellt. Auftraggeber waren dann öffentliche Einrichtungen, z.B. das Grünflächenamt der Stadt Düren, der gemeinnützige Bauverein, die Wohnungsbaugenossenschaften und die Bahn mit ihren Grünanlagen. Das Unternehmen war außer in Düren auch für andere Städte wie Eschweiler oder Bedburg tätig. Seit der Gründung des Gärtnereibetriebes hatten sich die wirtschaftlichen Faktoren grundlegend geändert. Dienstleistungen anzubieten war da die wirtschaftlichere Lösung. Die Tochter der Familie Crefeld lebt heute in Süddeutschland und hat die Familientradition nicht mehr fortgeführt. Margarete Crefeld hat nicht nur gärtnerisches Talent, sondern dichtet auch gern. Daher sei ihr zum Abschluss der Anfang eines Gedichts von Arno Holz gewidmet, das uns noch einmal in die Zeit der Jugendstilbinderei ihres Vorfahren Josef Crefeld zurückversetzt: Versunkener Garten Hinter harten Plagen, hinter rauhen Klagen, hinter hohen Mauern, hinter mir, glückbesonnt, glückumstrahlt, glückdurchwonnt, trostlabend liegt ein, träumt ein, lacht ein Paradies! Hinter dem Wohnhaus der Crefelds befindet sich heute immer noch ein schmucker, liebevoll gepflegter Garten mit ausgesuchten Blumen. 1 2 3 4 Wilhelm Heinrichs: Orden und ihre Niederlassungen in Düren. Düren 2003, S. 29 ff. Vgl. Adressbuch der Stadt Düren von 1897, S. 12. In der zeitgenössischen Literatur ist von Handels- und Kunstgärtnern die Rede. Vgl. Wilhelm Heinrichs: Villen und Wohnhäuser im alten Düren, 2. Aufl. Aachen 1997, S. 77. Raumschmuck im Jugendstil, aus: Die moderne Binderei in ihrem ganzen Umfange, Leipzig 1910 Die Crefelds in den 1960er Jahren Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 6 6 Von BERND HAHNE Nummer 27 · Dezember 2015 Spuren Lebensmittelfälschungen im Ersten Weltkrieg Schon recht bald nach Abklingen der patriotischen Begeisterung zu Beginn des Ersten Weltkrieges schoben sich Diskussionen um die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln in den Vordergrund. Im Januar 1915, als das ganze Ausmaß der unzureichenden Ernte sichtbar wurde, ergriff die Reichsregierung erste Bewirtschaftungsmaßnahmen, begleitet von ausführlichen Erörterungen von vielen Seiten, wie solche Maßnahmen am besten auszusehen hätten. Im März 1915 wurde – nachdem viele andere Städte dies bereits getan hatten – auch in Düren die Brotkarte eingeführt, Beginn einer schnell um sich greifenden Rationierung nahezu aller wichtigen Nahrungs- und Bedarfsartikel. Nicht nur die mäßige Ernte,1 auch die durch Einberufung fehlenden Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und die durch die englische Blockade ausbleibenden Futtermittel2 verschärften die Lage. So machte sich schon im Frühjahr 1915 in vielen Bereichen akuter Mangel bemerkbar.3 Im fortschreitenden Jahresverlauf wechselten (kurzfristig) ausreichende Versorgung einzelner Nahrungsmittel und wachsende Knappheit fast aller anderen Lebensmittel einander ab, so weit, dass nach einer amtlichen Empfehlung zum Weihnachtsfest 1915 nur Weihnachtsbäume von max. 1,50 m Höhe gekauft werden sollten, weil sie nur eine kleine Menge Kerzen – Fettmangel! – tragen könnten.4 Geradezu zwangsläufig brachten diese Zustände auch allerhand „einfallsreiche“ Geschäftsleute auf den Plan, die diesen Mangel durch mehr oder weniger „geniale“ Erfindungen zumindest erträglich machen, vor allem aber daran tüchtig verdienen wollten. In den Zeitungen erschienen zunehmend Anzeigen für Ersatzstoffe, teils schon bekannte, wie etwa Margarine, teils vollkommen neue Kreationen. So bot sich den Lesern der „Dürener Zeitung“ am 6. März 1916 eine quer über die Seite platzierte Anzeige folgenden Inhalts:5 Salatöl-Ersatz „Famos“ Verfahren Apotheker Wiedenmeyer ist im Gebrauch vorzüglich, vollkommen gesundheitsunschädlich. Interessenten wollen sich an die Fabrikanten für Rheinland Klevinghaus & Horst chemische Fabrik Düren (Rhld.) Telefon Nr. 1746, wenden Proben à 1 Liter werden für Mk. 1.25 abgegeben. die in den folgenden Ausgaben wiederholt wurde. Bis, ja bis am 16. März folgende polizei-offizielle „Warnung“ erschien:6 Warnung! Unter der Bezeichnung „Salatölersatz“ wird hier in Düren gefärbtes Wasser mit geringem Zusatz von Pflanzenschleim zu unverhältnismäßig hohem Preis verkauft. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Bezeichnung „Salatöl“ für Ware, welche überhaupt keine öl- oder fettartigen Stoffe enthält, täuschend und deshalb unzulässig ist. Gegen die Verkäufer wird strafrechtlich eingeschritten. Als „Salattunke“ oder unter einer ähnlichen Bezeichnung dürfen die bezeichneten Gemische dagegen wohl feilgeboten werden, soweit lediglich ein dem Wert der Ware angemessener Preis gefordert wird. Düren, den 16. März 1916. Die Polizeiverwaltung. Der Oberbürgermeister. I. V.: Kern. Diese Praktiken veranlassten die Berliner Regierung schließlich zu einer offiziellen Stellungnahme:7 Warnung vor Butter- und Salatöl-Ersatz. Der Kriegsausschuß für Oele und Fette erläßt abermals eine eindringliche Warnung an das kaufende Publikum, sich nicht durch sog. Butter- und Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 7 Spuren Salatöl-Ersatz-Angebote betrügen zu lassen. Es heißt da: Infolge der Knappheit an Fetten und Speiseölen sind im Laufe der letzten Wochen Erzeugnisse auf den Markt gebracht worden, die sich Salatöl-Ersatz, Butter-Ersatz, Aufstrich-Mittel, Alldarin u. a. benennen. Eingehende Untersuchungen sämtlicher Mittel haben ergeben, daß bei allem von einem Ersatz nicht die Rede sein kann, daß sie vielmehr als Nährmittel vollständig wertlos sind. […] Dabei beschränkten sich diese Fälschungsversuche beileibe nicht auf die oben genannten Produkte. Ein anderes, wahrhaft dreistes Beispiel vermeldeten die Blätter am 30. Juni 1916 aus Bonn:8 Die Bäckerei von Michael Rott am Stiftsplatze ist polizeilich geschlossen worden, weil das dort hergestellte Brot erhebliche Zusätze von Strohmehl, Holzmehl und Gips enthielt. Verbraucherschutz Schon am 1. Januar 1881 hatte die Stadt Düren eine städtische Anstalt zur Untersuchung von Nahrungsmitteln etc. errichtet, welche unter der Leitung einer von der Stadtverordneten-Versammlung gewählten sachverständigen Commission (steht), in welcher Herr Beigeordneter Zimmermann den Vorsitz führt und Herr Apotheker Dr. Nic. Caspary das Amt eines vereideten Chemikers der Anstalt übernommen hat.9 Die Berichte dieses Instituts hatten sich aber oft auf mehr oder weniger „harmlose“ Streckungen von Milch oder anderen Grundnahrungsmitteln mit Wasser beschränkt. Bis ins 20. Jahrhundert hinein machte dagegen das Dürener Brunnenwasser größere Sorgen.10 Noch in seinem Jahresbericht für 1914 hatte der Leiter dieses Amtes, Dr. Scherpe, zum Thema professionelle Lebensmittelfälschungen keine nennswerten Aussagen gemacht.11 Ein Jahr später klang das schon ganz anders. Der Jahresbericht für 1915 enthält Ergebnisse, die auf die Verfälschung der Nahrungsmittel und die Uebervorteilung des Publikums ein mehr als bedenkliches Licht werfen. Namentlich Waren, die für unsere Krieger bestimmt sind, haben geradezu eine gewissenlose Verteuerung und Verschlechterung erfahren, so daß der Bericht für die Käufer in vieler Beziehung als Warnung dienen möge.12 Wegen der teilweise unglaublichen Ergebnisse, aber auch der bisweilen sarkastischen Formulierungen sei der Bericht hier auszugsweise im Original wiedergegeben: Die Anzahl der untersuchten Proben betrug 1878 und teilen sich in a) Nahrungsmittel 1820, b) sonstige Untersuchungen auf dem Gebiete der Gesundheitspflege usw. 21, c) techni- Nummer 27 · Dezember 2015 sche Untersuchungen 37. Die Anzahl der erstatteten Gutachten und Berichte betrug 193. Gelegentlich der Probenahme, sowie auf besonderes Ersuchen fanden statt 1415 Besichtigungen in 217 Ortschaften in 1415 Geschäften. [Milch] […] Milch, die bis zu 57 Prozent entrahmt war, mußte als gefälscht beanstandet werden. An ein Krankenhaus und Reservelazarett gelieferte Milch erwies sich in zahlreichen Fällen durch gleichzeitige Wässerung und Entrahmung gefälscht. […] Am Ende des Berichtsjahres kam, wohl bedingt durch die große Milchknappheit in vermehrtem Maße kondensierte Milch in den Verkehr. Von den untersuchten Marken erwiesen sich fünf als Magermilch. […] Alle beanstandeten Marken kamen außerdem auch zu einem gleichen oder noch höherem Preise in den Verkehr, wie er für kondensierte Vollmilch zu gleicher Zeit bezahlt wurde. Feldpost mäßig verpacktes Milchpulver hatte seine Löslichkeit zum größten Teil verloren und wurde zu einem unverhältnismäßig hohen Preise verkauft. Dasselbe gilt von den untersuchten Milchtabletten. […] Fälschungen der Butter mit Fremdfetten wurden nicht nachgewiesen. Dagegen hatte Butter häufig einen zu hohen Wassergehalt. […] Auffallend war im Berichtsjahre bei Margarinemarken verschiedener Firmen der höhere Wassergehalt. Der festgestellte Höchstgehalt betrug 22,6 Proz. 2 Stichproben einer größeren Sendung Schweineschmalz, die die hiesige Stadtverwaltung von einer anderen Stadtverwaltung gekauft hatte, erwiesen sich als stark gefälscht mit Baumwollsaatöl. […] Während Kunstspeisefett in früheren Jahren im Berichtsbezirke überhaupt nicht geführt wurde, wird es bei der herrschenden Fettknappheit in zahlreichen Geschäften verkauft. […] Häufig wurde geringwertiger schwarzer Pfeffer im Handel angetroffen, dem durch Ueberziehen von Kalk oder Ton der Anschein von teurem weißem Pfeffer gegeben war. […] Als „Honig“, „Feinster Honig“ und „Garantiert erstklassiger Schleuderhonig, das unver- 7 Lange Schlangen vor den Geschäften (hier: München) gab es auch in Düren, auch wenn davon bisher eine bildliche Überlieferung fehlt. Foto: dpa, SZ v. 11.8.2014 Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 8 8 Zahlreiche Publikationen beschäftigten sich mit dem Thema Preiswucher, Fälschungen und Schleichhandel. Anzeigen aus der Dürener Zeitung vom 5.4.1916 Nummer 27 · Dezember 2015 Spuren fälschte Naturprodukt der Biene“ verkaufter Honig erwies sich teils ganz als Kunsthonig, teils mit Kunsthonig gefälscht. Feldpostmäßig verpackter Rum- und KognakVerschnitt erwiesen sich teils als Kunstprodukte, teils hatten sie einen zu geringen Alkoholgehalt. Rumverschnitt mußte des häufigeren wegen des geringen, kaum nachweisbaren Gehalts an Rum beanstandet werden. In den Grogwürfeln Marke „Südpol“ war Rum überhaupt nicht nachzuweisen. Der Alkoholgehalt eines Würfels betrug 0,5 Gramm. Ein Liter Rum würde sich demnach auf nicht weniger als 95,75 Mk. stellen. Ein damit nach Vorschrift hergestellter Grog schmeckte stark nach Leim, und damit ist auch die Ware gekennzeichnet. Der Empfänger und Käufer ist geleimt. Eine Schachtel „Rum-Granaten“, die zum Preise von 1 Mk. verkauft wurde, enthielt nur einen Kaffeelöffel voll Rum, vorausgesetzt, daß der ermittelte Alkoholgehalt auch wirklich auf Rum zurückzuführen ist. Nach Angabe auf der Schachtel soll deren Inhalt als Zusatz dienen zu 6-12 Liter Tee. Danach würden auf ein Liter Tee nur 20-40 Tropfen Rum kommen. Der Preis eines Liters Rum berechnet sich hier auf 80 Mk., den ermittelten Alkoholgehalt entsprechend auf Rum umgerechnet. […] Ein Kaffee war stark mit Sojabohnen verfälscht. Ein Geschäftsangestellter hatte aus den bekannten Paketen von Dellwerks Soja die Sojabohnen herausgelesen und von dem so erzielten, reinen Kaffee Proben zum Verkauf in Bekanntenkreisen angeboten. Er lieferte alsdann jeweils bei der ersten Lieferung reinen Kaffee, sobald aber auf seinen Rat größere Mengen bestellt wurden, das Gemisch von Sojabohnen und Kaffee. Von den in Form von sogenannten Liebesgaben im Handel befindlichen Kaffeepräparaten bestanden: 1. Idealkaffee Marke „Pif“ zum größten Teil aus künstlich gelb gefärbtem Trockenmilchpulver und Zucker. Kaffee konnte darin nicht nachgewiesen werden. 2. ProviantMilchkaffee Marke „Schützengraben“ war hauptsächlich Trockenmilch mit nur sehr wenig Kaffee und mit gebranntem Zucker künstlich gelb gefärbt. Der Preis ist ein unverhält- nismäßig hoher. Ein Pfund der Ware stellt sich auf 8 Mark. 3. Tutti-Gusti-Kaffee bestand zum größten Teil aus gemahlenen Zichorien. Das Pfund berechnet sich auf 10,42 Mk. […] Wegen Schalengehalts mußten Kakao und Schokolade beanstandet werden. So enthielt ein Kakao nicht weniger als 33 Prozent Schalen. Eine aus Holland stammende Schokolade war durch Mehlzusatz gefälscht. Eine sehr teure Liebesgabe sind Kakao-Tabletten Unsern Kriegern nur das Beste. Sie bestehen aus Kakao und Zucker. Das Pfund berechnet sich auf 6,67 Mark. Diese Analyse spiegelt die Situation – bei aller teils unfreiwilligen Komik – treffend wider: Von immer mehr Nahrungsmitteln war immer weniger erhältlich, der Griff nach Illusionen verständlich. Dabei war der Tiefpunkt, die absolute Ernährungs-Katastrophe, noch lange nicht erreicht. An diesen Verfälschungen beteiligten sich beileibe nicht nur die „Großen“:13 Aus Stadt und Kreis. Strafkammerverhandlung vom 22. September. Einer kaum glaublichen Nahrungsmittelfälschung hatte sich der zu Eggersheim im Kreise Düren wohnende Kleinhändler Max B. schuldig gemacht. Der Mann hatte kürzlich sogenanntes Gelee hergestellt und in den Handel gebracht, welches aus 93 Prozent Wasser, etwas versüßtem rotem Zeug (angeblich Himbeersyrup) und irgend einem Verdickungsmittel wie Gelatine be- Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 9 Spuren Nummer 27 · Dezember 2015 stand. Einen Genuß- oder Nähwert bot das Fabrikat absolut nicht; es ging schon nach wenigen Tagen in Gä[h]rung über und es bestand nach Angabe des ärztlichen Sachverständigen gar kein Zweifel darüber, daß das Gelee recht sehr geeignet war, die Gesundheit der Konsumenten im höchsten Grade zu gefährden. Der Angeklagte, welcher erst kürzlich wegen Verfälschung von Apfelkraut (dasselbe enthielt 76 Prozent Wasser) zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden ist, wollte das Rezept zur Herstellung des Gelees von einem unbekannten Holländer erhalten haben. Wegen der unerhörten Nahrungsmittelfälschung wurde der Kleinhändler zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt und ferner beschlossen, den Urteilstenor im Aachener Volksfreund und in der Dürener Zeitung auf Kosten des Angeklagten zu veröffentlichen. Wie so oft in Krisensituationen gedeihen Witz und Satire, quasi als Abwehrreaktion, besonders gut. Mit einem gelungenen Gedicht verarbeiteten die Dürener im März 1916 die Mangelsituation, das Schlangestehen – und die patriotischen Appelle zum Durchhalten:14 Wenn Du noch etwas Butter hast! Neues Dürener Volkslied. Wenn Du noch etwas Butter hast, So danke Gott und sei zufrieden, Nur wenigen im schönen Düren Ist dieses hohe Glück beschieden. Denn Butter ist ein selt’ner Schatz Von höchstem Wert in unsern Tagen; Er gibt dir Anseh’n, Ehr und Glanz Und überhebt dich vieler Plagen. Schau, wie des Volkes Menge dort In angstvoll drängendem Spaliere Frühmorgens lang vor Sieben schon Harrt an des Butterhändlers Türe. So mancher aber kehrt nach Haus Und ballt vor Wut die leeren Hände. Denn eh’ er an die Reihe kam, War, ach, der Vorrat schon zu Ende! Und hast du keine Butter mehr, So sollst du nicht gleich rebellieren, Denn sieh’, es gibt auch Schweineschmalz, Die K-Brot-Butterbrote zu beschmieren. Und hast du weder Schweineschmalz, Noch Margarine schlimmsten Falles, So greif getrost zum Pflaumenmus Und singe: „Deutschland über alles!“ Eine ausführliche Darstellung der Ernährungssituation in Düren während des Ersten Weltkriegs finden Sie in unserem demnächst erscheinenden Band „Heimatfront. Düren und der Erste Weltkrieg 1914-1918“. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Nach Aussage eines „Sachkundigen“ war die Weizen-Ernte in Westdeutschland so gering wie seit 1895 nicht mehr ausgefallen, vgl. „Zur Steuererklärung der Landwirte“, Dürener Zeitung v. 19.01.1915 So galt ein verschärfter Kampf der Behörden dem Bestreben der Landwirte, Brotgetreide und Kartoffeln als Viehfutter einzusetzen, die so natürlich für die menschliche Ernährung verloren gingen. Eine der größten Fehlleistungen der Kriegswirtschaft war der unter dem Eindruck der Futtermittelknappheit angeordnete „Schweinemord“, dem im Frühjahr 1915 Millionen Schweine über die normale Schlachtquote hinaus zum Opfer fielen, was wiederum zunächst die Fleischpreise ansteigen ließ und schließlich zu einer regelrechten Fleischknappheit führte. Vgl. u.a. Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich, Deutschland im Ersten Weltkrieg, Frankfurt a.M. 2013, S. 122. Vgl. „Seid sparsam mit Kerzen“, Dürener Zeitung v. 15.12.1915 Dürener Zeitung v. 06.03.1916 Dürener Zeitung v. 16.03.1916 Dürener Zeitung v. 15.04.1916 Dürener Zeitung v. 30.06.1916 VW 1880/81, S. 41. Vgl. die entsprechenden Stellen in den VW 1901ff. Vgl. Dürener Zeitung v. 25.02.1915. Dürener Zeitung v. 04.03.1916. Dürener Zeitung v. 23.09.1916. Dürener Zeitung v. 20.03.1916. 9 Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 10 10 Nummer 27 · Dezember 2015 Spuren 200 Jahre Preußen am Rhein – Danke, Berlin?! Zur Erinnerung an die Inbesitznahme der linksrheinischen Gebiete durch den preußischen König Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1815 haben die städtischen Kulturinstitute und das Stadtmuseum im August 2015 ein gemeinsames Themenprogramm gestartet, das bis ins Jahr 2016 hinein fortgesetzt wird. Was ist von der preußischen Herrschaft, außer einigen Straßennamen wie Hohenzollern-, Bismarck-, Scharnhorst- oder Moltkestraße, geblieben im Leben der Stadt? Referent: Dr. Karl-Wilhelm Nellessen Veranstalter: Kulturbetrieb Düren Ort: VHS Rur-Eifel Datum: Mittwoch, 13. Januar 2016, 19 Uhr Vortrag: Von Frankreich nach Preußen Letzte Veranstaltung des „Preußenprogramms“ im Jahr 2015 war ein „Preußisch-patriotischer Abend“ am 3. Dezember auf Schloss Burgau. Eine nicht ganz ernste Zusammenstellung aus Marschmusik, Texten und kölschen Karnevalsliedern des 19. Jahrhunderts sollte ein unterhaltsames Licht auf das nicht immer spannungsfreie Verhältnis der Rheinländer zu ihren preußischprotestantischen Landesherren werfen. Umrahmt von schmissiger Blasmusik des Bläserensembles Kartenbestellung: [email protected] Anmeldung VHS Rur-Eifel: Tel. 02421.252577 oder www.vhs-rur-eifel.de Kostenlose Karten Stadtbücherei: Tel. 02421.25-1361 oder www.kulturbetrieb.dueren.de/ stadtbuecherei der Musikschule unter Leitung von Renold Quade zitierte Heinz Küppers (li.) eine Reihe von Original-Texten wie das Inbesitznahmepatent Friedrich Wilhelms III. und die Dankadresse der Dürener, nach deren Lektüre Küppers nach eigenen Worten wegen des unglaublichen Pathos allerdings „erst einmal duschen musste“. Günter Schwanenberg aus Köln (Mitte) verzauberte mit wunderbaren historischen Liedern und seinen vergnüglichen Erläuterungen das Publikum im voll besetzten Rittersaal von Schloss Burgau. Politisch-gesellschaftlicher Umbruch in den Rheinprovinzen 1814/15 Der Hohenzollern-König musste sich auf dem Wiener Kongress damit abfinden, die Rheinlande zugeschoben zu erhalten. Das stellte den preußischen Staat vor die enorme Herausforderung, weit entlegene Territorien in sein Verwaltungs- und Rechtssystem zu integrieren. Dagegen verband das rheinische Bürgertum mit der Zugehörigkeit zum französischen Wirtschaftsraum Wohlstand und mit dem modernen französischen Recht die Idee gleicher und freier Bürger. Die neue Zollgrenze nach Westen und zu den altpreußischen Provinzen im Osten führte zum Zusammenbruch der rheinischen Wirtschaft und zu Massenarbeitslosigkeit. Die mentalen Unterschiede ließen forsch auftretende preußische Beamte und Offiziere als Wesen einer sozial rückständigen Welt und katholische Rheinländer als provokanten und schwer regierbaren Volksstamm erscheinen. Referent: Priv.-Dozent Dr. Matthias Pape Veranstalter: VHS Rur-Eifel Datum: Mittwoch, 24. Februar 2016, 19 Uhr Vortrag: Düren und Preußen – eine Episode? Autorenlesung: Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über Preußen Gemessen an der mehrhundertjährigen Geschichte der Stadt nimmt die Verbindung Dürens zu den Preußen eine relativ kurze Zeitspanne ein. Sie begann 1815 mit der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress und endete nach 132 Jahren durch das alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25.02.1947, von dem Historiker Friedrich Ebel als Leichenschändung bezeichnet. Von preußischen Tugenden und anderen Legenden Preußen: expansiv, militaristisch und rücksichtslos - oder sparsam und tugendhaft, bürokratisch und ordnungsliebend? Waren es „preußische Tugenden“, die dem Nationalsozialismus den Weg bereiteten? Hat Preußen Österreich aus dem Alten Reich gedrängt und war Berlin wirklich die verspätete Hauptstadt? Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 11 Spuren Schon der Blick der Zeitgenossen auf Preußen war klischeebehaftet. Die historische Wirklichkeit war häufig weniger mythenhaft, sondern widersprüchlich, vielschichtig und keineswegs geradlinig ... (Verlagstext) Referentin: Dr. Astrid von Schlachta, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere Geschichte der Universität Regensburg Veranstalter: Stadtbücherei Düren Datum: Donnerstag, 17. März 2016, 20 Uhr Vortrag: Preußen als „Hebamme“ der Evangelischen Gemeinde Düren Mit begleitender kleiner DokumentenAusstellung Referent: Dirk Siedler Datum: Mittwoch, 6. April 2016, 19.00 Uhr Ort: Saal des Evangelischen Gemeindezentrums Theateraufführung: Heinrich Mann, Der Untertan Diederich Heßling ist einer von vielen. Er weiß das. Und er will es nicht anders. Der Sohn eines Papierfabrikanten wird im kleinen Netzig groß und lernt schon als Kind, auch Situationen unangenehmster Art zu seinem eigenen Vorteil umzumünzen. Zugleich unterwirft er sich lustvoll jeder Obrigkeit – ob Vater, Lehrer oder Offizier. Er wird Student in Berlin, das ihm eigentlich zu groß ist und Angst macht. Er schließt sich den Korpsstudenten an, Berlin wird überschaubar. Er dient, macht seinen Doktor. Warum, weiß niemand außer ihm. Denn ohnehin steht fest: Er wird die väterliche Fabrik übernehmen. Und natürlich heiraten. Zum Glück: reich. Der Hochzeit folgen Kinder. Alle Pflichten sind erfüllt. Und nun? Nichts. Und niemand, den das interessiert, weil es allen ähnlich geht … Veranstalter: Theater Düren Datum: Montag, 18. April 2016, 20 Uhr Ensemble: Württembergische Landesbühne Esslingen Tickets: 15,40; 18,70; 24,50 € Nummer 27 · Dezember 2015 Ausstellung: Preußen in der Region Rhein-Erft-Rur Die Arbeitsgemeinschaft der Archive im Rhein-Erft-Kreis und das Stadt- und Kreisarchiv Düren widmen sich diesem Thema unter vielfältigen Aspekten in einer Ausstellung im Kundenzentrum der Sparkasse Düren. Sie wird im April 2016 eröffnet und bildet den Auftakt zur Wanderausstellung durch die Kommunen des Rhein-Erft-Kreises. Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft der Archive im Rhein-Erft-Kreis Ort: Kundenzentrum der Sparkasse Düren Eröffnung: April 2016 Theateraufführung: Georg Büchner, Woyzeck Im August 1824 wurde der Hilfsarbeiter Johann Christian Woyzeck auf dem Leipziger Marktplatz öffentlich hingerichtet. Drei Jahre zuvor hatte er seine Geliebte, die Witwe Johanna Christiane Woost, aus Eifersucht erstochen. Zahlreiche Gutachten äußerten Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit während der Tat. Dieser und andere Fälle dienten Georg Büchner 1836 als Vorlage bei der Arbeit an seinem heute weltbekannten Stück. Doch Büchner starb nur ein Jahr später, das Drama blieb Fragment. In seiner musikalischen Bearbeitung von Büchners Fragment knüpft Tom Waits an Woyzecks brutales Aufbegehren an. Die Lieder machen den Druck, unter dem die Figuren stehen, ihr Leiden, ihre Ängste und die tagtäglichen Bedrohungen, mit denen sie durchs Leben konfrontiert sind, erfahrbar. Widerständig schweben sie zwischen Aggression und Wehmut. Büchners Sprache findet in Waits‘ Musik ihre kongeniale sinnliche Entsprechung. Veranstalter: Theater Düren Datum: Dienstag, 3. Mai 2016, 20 Uhr Ensemble: Württembergische Landesbühne Esslingen Tickets: 15,40; 18,70; 24,50 € 11 Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 12 m usStadtmuseum eum Düren MITGLIEDSANTRAG Hiermit beantrage ich meine Mitgliedschaft im „Trägerverein Stadtmuseum Düren“ e.V. Mit meiner Unterschrift erkenne ich die Satzung des Vereins an und verpflichte mich, den gültigen Jahresbeitrag (Erw. 24 €, erm. 12 €, Familien 36 €) zu zahlen. Name: Vorname: Straße: PLZ, Wohnort: Tel.:* @ eMail:* Geb.-Datum:* * Diese Angaben sind freiwillig, erleichtern uns aber eine bessere Ansprache unserer Mitglieder Ort, Datum Unterschrift (bei Minderjährigen Unterschrift des Erziehungsberechtigten) Ja, ich möchte aktiv mitarbeiten (s. Rückseite). Bitte sprechen Sie mich an. EINZUGSERMÄCHTIGUNG Hiermit ermächtige ich den „Trägerverein Stadtmuseum Düren“ e.V., den jeweils gültigen Jahresbeitrag (Erw. 24,00 €, erm. 12 €, Familien 36 €) bis auf Widerruf von meinem Konto IBAN (Konto Nr.): bei: BIC: bei jeweiliger Fälligkeit* einzuziehen. Ort, Datum Unterschrift *Der Einzug erfolgt in der Regel nach Beitritt und zum 1.3. der Folgejahre. / Beitragssätze für Organisationen, Firmen etc. auf Anfrage Bitte ausgefüllt und unterschrieben in einem Fensterbriefumschlag an umseitige Adresse schicken I Stadtmuseum Düren Arnoldsweilerstr. 38 52351 Düren Tel. 1 21 59 25 I www.stadtmuseumdueren.de I [email protected] I AG Düren VR 2185 I anerkannt gemeinnützig I Sparda Bank: I Sparkasse Düren: IBAN BIC IBAN BIC DE68 3706 0590 0004 7484 50 GENODED1SPK DE90 3955 0110 1398 9976 74 SDUEDE33XXX Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 13 Spuren Nummer 27 · Dezember 2015 „Ein Barrierebaum ist ein Gedankenstrich“ Von den Freuden des Reisens vor 200 Jahren Wenn wir in den letzten Jahren teilweise heftig über eine Maut auf deutschen Autobahnen gestritten haben, so ist das beileibe auch für Deutschland keine neue Erfindung. Die ersten überregionalen Straßen, die diesen Namen verdienten, waren auch in unserer Region vor fast zweihundert Jahren gebührenpflichtig. Der Bau von Straßen, die nicht unmittelbar militärischen Zwecken dienten, war für die Staaten der damaligen Zeit von relativ untergeordneter Bedeutung.1 Handel und Gewerbe, die auf solche Verbindungen angewiesen waren, mussten sich weitgehend selbst helfen. So wurden für den Bau von Straßen Aktiengesellschaften gegründet, die Anteilscheine oft von den anliegenden Städten und Gemeinden erworben, die Refinanzierung erfolgte durch die Erhebung von Wegegebühren, deren Tarife allerdings staatlich festgesetzt wurden. 1822 wurde so die erste Aktienstraße nach Eschweiler eröffnet, 1834 folgte die (noch viel wichtigere) nach Köln. Die Gebühren, das sog. Chausseegeld, wurden an festen, mit Schranken versehenen Punkten erhoben, die es in Düren u.a. in Distelrath, am Muttergotteshäuschen, hinter der Johannes-Brücke und am Breuers Häuschen gab. Dem radikal-demokratischen Schriftsteller und Publizisten Karl Heinzen2 (1809-1880) verdanken wir eine anschauliche Schilderung des Reisens in der Kutsche und der vielfachen Unterbrechungen durch Barrieren:3 Ich zog es daher vor, die ehrwürdige Stadt Köln schon am nämlichen Abend zu verlassen, und miethete einen Wagen bis Düren, den einzigen Ort, wo ich in der Nacht unterzukommen und am anderen Morgen den Dampfwagen ruhig abwarten zu können hoffen durfte. Die Nacht war aus Dunkelheit, Nässe und Kälte zu gleichen Theilen zusammengesetzt. Der Zustand der Chaussee brachte als viertes Ingrediens noch die Langeweile hinzu, denn zur Zurücklegung einer Strecke von sieben Wegstunden brauchte ein flüchtiger Literat in einem Wagen mit zwei Pferden nicht weniger als sieben Zeitstunden. Wer an schlechter Verdauung leidet und Leibeserschütterung bedarf, dem empfehle ich die Chaussee von Düren nach Köln. Trotz diesem Zustand streckt Einem der Weg alle Nasen lang einen drohenden Barrierebaum entgegen, der bei Tage wie eine aufgehobene Zuchtruthe in die Luft ragt und bei Nacht wie ein Polizeistock die Passage verbietet. Die Barriereempfänger schienen gar nicht darauf gerichtet zu sein, daß in solcher Nacht ein Mensch sie incommodiren könne. Sie schliefen einen Schlaf von erstaunlicher Hartnäckigkeit, so daß der geduldige Kutscher, nachdem er fünf Minuten die Stärke ihrer Fensterscheiben versucht, seinem bescheidenen Aerger jedesmal in den Worten Luft machen mußte: „Donnerwetter, der Kerl schläft wie ein Dachs!“ Und doch hatte der „Kerl“ im Grunde seiner Natur ganz Recht, denn es ist eine unnatürliche Einrichtung, die dem Menschen dreihundert fünf und sechzig mal im Jahre die Tag- und Nachtruhe raubt. […] Ein Barrierebaum ist ein Gedankenstrich, lange genug, um auf eine ganze Landstraße von Betrachtungen hinzuleiten. In Belgien ist, so weit ich mich umsehen und erkundigen konnte, kein Barrierebaum auf der Chaussee zu sehen, Barrieren, blos durch Aufschriften bezeichnet, sind alle verpachtet; der Pächter ist verpflichtet, an jedes Fuhrwerk heranzutreten, um das Geld in Empfang zu nehmen; der Fuhrmann kann ungestraft durchfahren, wenn auf dreimaligen Ruf der Empfänger nicht erscheint; er kann im Galopp vorbeifahren, wenn er das Geld dem Empfänger zuwirft, denn Chausseezettel gibt es dort nicht; er kann das Nämliche thun, wenn er demselben bekannt ist und ihm zuruft, daß er später zurückkommen werde. Kurz, die ganze Einrichtung trägt die Rücksicht auf das Volk an 13 Von ROSI PLÜCKEN Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 14 14 Der in Grevenbroich geborene Karl Heinzen musste wegen seiner kritischen Schriften 1844 nach Belgien fliehen, von wo er weiter in die USA auswanderte. Eine Barrieremarke aus jener Zeit von der Barriere No 6 in NeuLich (Stadtmuseum Düren) Nummer 27 · Dezember 2015 Spuren der Stirne. Keine unnöthige Schererei, kein Aufenthalt, keine Beschränkung. Dabei ist eine Chaussee eine gepflasterte, auf der man im schmutzigsten Wetter kaum die Sohlen benetzt. Auf dem Weg von der preußischen Gränze bis Verviers, wo ich allerlei statistische Betrachtungen über den Straßenkoth anstellte, habe ich nicht so viel davon gesehen, als auf zehn Ruthen der Dürener Chaussee oder als in einer einzigen Straße der heiligen Stadt Köln zu finden ist, wenn der Frühling die ersten Freudenthränen des Wiedersehens auf ihre gesegneten Häupter herabfallen läßt. […] Morgens gegen 6 Uhr sah ich endlich die dunklen Umrisse der romantischen Stadt Düren vor mir. Trotz meinem, „bis oben zugeknöpften gelb bräunlichen Winterüberrock“ war ich so erfroren, daß ich mich vierzehn Jahre zurück unter die Brücke einer zugefrornen Gracht zu Utrecht versetzt fühlte, wo ich damals nach meiner Rückkehr aus Batavia eine herrliche Winternacht zubrachte. Es wurde mir noch romatischer zu Muth, als ich aus den gespenstischen Umgebungen des Dürener Kirchhofs durch die dunkle, nasse Einsamkeit des Morgens zwei schwarzweiße Gestalten hervorschleichen sah, die mir Anfangs einen entsetzlichen Schauder von Kirchhofsgedanken einflößten, sich aber später unter der halberloschenen Laterne des Thoreinganges als zwei trauernde Weiber mit Betbüchern zu erkennen gaben. Sie waren christlich genug, mir als Führerinnen zum nächsten Gasthof zu dienen. Im Augenblick, als der Kutscher anhielt, erscholl aus der dämmerigen Luft herab plötzlich eine wunderbare Musik. Man sieht, die Romantik beginnt sich zu häufen. Es schlug nämlich auf dem Kirchthurm sechs Uhr, aber nicht in der geistlosen, monotonen Weise der gewöhnlichen Kirchthürme, sondern es schlug sechs Uhr mit Variationen. In Düren ruft die Zeit ihre Stunden durch ein Glockenspiel aus. Meine Utrechter Illusion wäre dadurch vollständig geworden, hätte nicht der Dürener Kirchthurm teutsch gesprochen oder gesungen. Er sang nicht weniger, als: „Heil dir im Siegeskranz“ – jenen erhebenden Nationalhymnus, dessen einzige Disharmonie darin besteht, daß das Feuer seiner Worte mit dem Feuer seiner Melodie in Kampf geräth. Mir schien übrigens der Gruß des Kirchthurms eine gute Vorbedeutung zu sein, und das „Heil dir im Siegeskranz“ konnte nicht geringeres bedeuten, als: du wirst mit heiler Haut über die Gränze kömmen. Mit diesem Vertrauen legte ich mich nieder. Nach zwei Stunden stand ich wieder auf, ohne ein Auge geschlossen zu haben, und zwar nicht vor Angst, wie groß dieselbe auch war, sondern vor Kälte. Die Dürener Chaussee und die geschlossenen Schlagbäume hatten mein Blut so lang gerinnen gemacht, daß selbst ein zweistündiger Aufenthalt in den Bettfedern es nicht wieder in Gang zu bringen vermochte. Und doch war diese Kälte romantischer, als die eventuelle Wärme des Kölner Vorarrests. Als ich aufgestanden war und im Gastzimmer erschien, sah mich der Wirth mit sehr großen, sehr mißtrauischen und sehr schlauen Augen an. In einer solchen Nacht, auf einer solchen Chaussee, eine solche Reise von Köln nach Düren zu machen, während die wohlfeile und schnelle Eisenbahn nebenherläuft, sodann von Düren, nach zweistündigem Aufenthalt im Bett, dennoch auf der Eisenbahn weiter zu reisen – das hat Etwas, das hat ein Mehreres, das hat Viel, das hat alles Mögliche zu bedeuten. Der Wirth strich um mich herum, wie ein Hund um ein einzukreisendes Wild, er maß mich, er fixirte mich, er – durchschaute mich. Endlich stand er mich, wie es in der Jägersprache heißt, trat dicht an mich heran und sprach: Er. Es ist kalt heute. Ich. Es ist nicht warm heute. Er. Haben Sie gut geschlafen? Ich. Ich habe nicht gut geschlafen. Er. Nicht gut geschlafen? Und doch eine so ermüdende Reise gemacht! Ich. Haben Sie Kaffee bestellt? Er. Er wird gleich da sein. Sie kommen von Köln? Ich. Ich komme von Köln. Er. Und sie gehen? Ich. Die Alten waren brave Leute. Sie pflegten die Fremden nicht eher nach dem Woher und Wohin? zu fragen, als bis sie sie einige Tage bewirthet hatten. Die Eisenbahn ist übrigens eine schöne Erfindung. Er. Um Vergebung, wie ist Ihr Name? Ich. (Durch die Nase gesprochen.) Ich heiße He.nzen. Er. Henzen? Hänzen? Ich. Wie Sie wollen. Er. Also Henzen? Oder vielleicht Heinzen? Ich. (Ihn groß ansehend.) Nein: Wackernagel. Er. Wie? Wackernagel? Sie sagten ja: Henzen! Ich. Was ich gesagt habe, war Ihnen ja Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 15 Spuren Nummer 27 · Dezember 2015 15 „Jetz widd Platt jekallt!“ Erster Mundartabend des Stadtmuseums wurde ein voller Erfolg Geboren wurde die Idee im Frühjahr 2015, als wir Hubert Paulus auf unserer „Couch“ zu Gast hatten. Viele Besucher bedauerten, dass er nicht mehr in Dürener Platt zum Besten gegeben hatte. Warum also nicht mal einen ganzen Abend in Mundart machen? Rolf Terkatz, eigentlich eher mit dem „Öcher Platt“ vertraut, griff den Gedanken auf und entwickelte ein Programm, das von den Anfängen der schriftlich niedergelegten Gedichte eines Joseph van der Giese über Josef Schregel bis zu den modernen Interpretationen eines Josef Heinrichs und eines Dieter Hermann Schmitz reichte. Vorgetragen wurden die Stücke von den unterschiedlichsten Akteuren: Neben Hubert Paulus waren dies Bernd Hahne, Josef Winthagen, Josefine Abel, Franz Josef Heinen, Ursula Fücker, Andrea Effing und Herbert Franken. Rolf Terkatz hatte dabei neben der Moderation auch die sehr anschauliche Präsentation von Fotos, Dokumenten und Informationen zu den jeweiligen Dichtern und den angesprochenen Themen übernommen. Dass Mundart, vielleicht viel mehr als die Hochsprache, geeignet ist, Gefühle und Stimnicht genug, drum wollte ich Ihnen noch einige Namen als Zugabe in den Kauf geben. Dies beruhigte den Mann. Der Sprung von dem Namen Heinzen zu dem Namen Wackernagel war so groß, daß der verduzte Menschenkenner ganz richtig berechnete: ich stehe mich doch besser, wenn ich die viel kleinere Differenz zwi- mungen in all ihren Nuancen auszudrücken, konnten die Zuhörer an diesem Abend live erleben. Ernteten die deftig-humoristischen Gedichte von Schregel und Heinrichs schallendes Gelächter, so wurde die Stimmung bei Gottschalks Rundgang um den alten Markt in Düren, illustriert von den Zeichnungen von Carl Weingartz, doch eher nachdenklich. Köstlich wiederum der Vortrag von Josefine Abel über den allwöchentlichen Badetag. Einen ganz anderen Zungenschlag brachte Bernd Hahne mit zwei Beiträgen aus seiner Zeit als Mitglied des Ensembles der Dürener SkunkSitzung herein. Ein Highlight des Abends stellten ohne Zweifel die musikalischen Beiträge der Dürener Heimatrocker „Schweess Fööss“ dar, die ganz „unplugged“ zeigten, was Mundartmusik weit jenseits des Karnevals zu bieten hat. Sie kamen jedenfalls nicht ohne Zugabe davon. Wegen des großen Zuspruchs des Publikums wird es im Jahr 2016 mit Sicherheit eine Fortsetzung geben. schen Heinzen und Henzen übersehe und mich mit dem letzteren Namen begnüge. Nachdem H.nzen (durch die Nase gesprochen) seine Zeche bezahlt, verfügte er sich in den Bahnhof. Der Zug von Köln langte an und – o Romantik! – ohne Polizeicommissar. 1 2 3 Vgl. dazu auch: Dürens Goldene Jahre 1871-1914, S. 156ff. Vgl. zu Heinzen den entsprechenden Wikipedia-Artikel Auszug aus: Karl Heinzen, Mehr als zwanzig Bogen, Darmstadt 1845, S. 206-210 Von BERND HAHNE Rund 125 Besucher hatten sichtlich Spaß an den dargebotenen Liedern, Gedichten und Anekdoten Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 16 16 Nummer 27 · Dezember 2015 Spuren Stadtmuseum: Angebot erneut ausgeweitet Von ANNE KRINGS Weil uns die Ideen einfach nicht ausgehen wollen, haben wir auch in den vergangenen Monaten wieder einiges auf den Weg gebracht – wenn auch längst nicht alles, was wir uns vorgenommen hatten. Ausstellungen Auch in diesem Jahr stellten die Dürener Kulturinstitute in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum ein Themenprogramm auf die Beine – „200 Jahre Preußen im Rheinland“. Stadtarchiv, Stadtbücherei und Co. erinnern dabei an den Beginn der preußischen Herrschaft in Düren vor genau 200 Jahren. Das Stadtmuseum beteiligt sich an diesem Programm mit der kleinen Ausstellung „Was bleibt von Preußen in Düren?“, die am 27. September eröffnet wurde. Die Ausstellung spürt in ausgewählten Themen, wie dem Bau der evangelischen Aufer- Oben: Helmut Bongarz und Leo Neustraßen beim Aufbau der „Preußen“-Ausstellung Mitte: Peter Peusquens, Joachim Barth und Josef Brauweiler prüfen eine Installation im neuen Gedenkraum zum 16. November 1944 (unten). stehungskirche, der Einführung der Schulpflicht oder dem Karnevalstreiben der Jecken, exemplarisch dem Wirken der Preußen in Düren nach. Dass sich Preußen und Dürener anfangs wohl wie in einer Zwangsehe fühlten, ist eine der Erkenntnisse der Schau. Große und kleine Objekte wie eine preußische Militäruniformjacke oder eine Pickelhaube führen die Besucher auf anschauliche Weise zurück in die Vergangenheit. Hörtexte gesprochen von Helga Hermanns, der „Stimme“ des Stadtmuseums, bieten vertiefende Informationen für besonders wissbegierige Besucher. Die Ausstellung ist noch bis Mai 2016 zu sehen. Im Stadtmuseum konnte zudem jüngst ein weiterer Ausstellungsraum eröffnet werden. Der bisherige Filmraum im Erdgeschoss, in dem kurze filmische Beiträge zu aktuellen Ausstellungen gezeigt wurden, beherbergt nun die Ausstellung über die Zerstörung Dürens am 16. November 1944. Objekte, Fotos und Dokumente zeichnen die Ereignisse rund um diesen für Düren schicksalhaften Tag nach. Dieser Raum soll als Gedenkraum dauerhaft bestehen bleiben. Damit stellt dieser Raum den Vorboten für ein neues Ausstellungskonzept dar, an dem momentan gefeilt wird. Denn langfristig soll das Prinzip der chronologisch aufeinander aufbauenden Ausstellungen durch ein Konzept aus Dauer- und Wechselausstellungen ersetzt werden. Eine umfangreiche Dauerausstellung soll die Geschichte Dürens von den Anfängen bis zur Gegenwart nachzeichnen und ergänzt werden durch themenbezogene Wechselausstellungen. Besuche Interessante Besucher fanden zudem in den vergangenen Monaten ihren Weg ins Stadtmuseum. Ute Schäfer (SPD), Kulturministerin des Landes NRW, besuchte am 17. August auf Einladung von Liesel Koschorreck das Stadtmuseum Düren. Der prominente Gast machte sich begleitet von Bernd Hahne ein Bild von den aktuellen Ausstellungen „Dürens Goldene Jahre (1871-1914)“ und „Heimatfront - Düren und der Erste Weltkrieg“, sowie von der ehrenamtlichen Arbeit Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:04 Seite 17 Spuren Nummer 27 · Dezember 2015 Exkursion der aktiven Mitglieder. Gerade für Letzteres fand die Ministerin viel Lob. So verabschiedete sich Ute Schäfer im Gästebuch mit den Worten „Herzlichen Dank für das große Engagement und alles Gute für die Zukunft“. Die Familie Alfons und Betty Ullmann, angesehene Bürger der Stadt Düren, wurden von den Nazis aus Holland, gemeinsam mit den Zwillingstöchtern, in den Tod deportiert. Einzig der Sohn Werner Friedrich konnte überleben, weil er rechtzeitig nach Argentinien ausgewandert war. Sein Enkel Claudio Rusansky besuchte am 13. August gemeinsam mit seiner Frau Iris die Stadt seiner Vorfahren, begleitet von Ludger Dowe und Bernd Hahne von der Geschichtswerkstatt. Am 8. Oktober machte der US-Amerikaner Egon Fromm, Sohn des Düreners Auswanderers Walter Fromm, auf einer Europareise Station in Düren und im Stadtmuseum. Fromm war mit seiner Frau Joan und Tochter Sharon Goldstein auf den Spuren seiner Familiengeschichte im Rheinland unterwegs. Hansjörg Dahmen, Ludger Dowe und Bernd Hahne von der Geschichtswerkstatt zeigten Egon Fromm im Stadtmuseum umfangreiche Unterlagen zu seiner Familie und führten die Gäste anschließend über den Neuen Jüdischen Friedhof, wo sie das Grab von Fromms Großvater Isaak besuchten. Anlässlich des Themenjahres „200 Jahre Preußen im Rheinland“ führte uns die Herbstexkursion am 24. Oktober nach Koblenz. Auf der Festung Ehrenbreitstein begaben wir uns unter der Obhut zweier ortskundiger Führer auf die Spuren preußischer Herrschaft am Rhein. Beeindruckt durchquerten die beiden Gruppen die imponierende Festungsanlage, von den Kasematten über Festungsgärten bis hin zum Schlosshof, wo sich ein einzigartiger Blick auf Rhein, Mosel und das Deutsche Eck bot. Ein gemeinsames Mittagessen im Restaurant Casino am Schlosshof rundete den ersten Teil der Exkursion ab. Anschließend konnten die Teilnehmer ihren individuellen Interessen nachgehen. Das weitläufige Festungsgelände lud zur weiteren Erkundung ein, ebenso wie der Besuch einer der zahlreichen Ausstellungen oder auch eine Seilbahnfahrt hinab auf die andere Rheinseite. Ein gelungener Tag an Rhein und Mosel! 17 Links oben: Claudio und Iris Rusansky am Grab ihres Vorfahren Isaak Ullmann auf dem Jüdischen Friedhof Düren Links unten: Hansjörg Dahmen (2. v.r.) erläutert Egon Fromm, seiner Frau Joan und Tochter Sharon Goldstein die im Stadtmuseum vorhandenen Unterlagen zu seiner Familie. Ferienveranstaltungen für Schüler In den Herbstferien 2015 bot das Stadtmuseum erstmals ein Ferienprogramm für Schüler an. Am 14. Oktober kamen 7 Schüler aus dem Dürener Kreisgebiet im Alter von 10-13 Jahren zu einer geführten Geocaching-Tour ins Stadtmuseum. Ihr rund zweistündiger Weg führte sie u.a. zur Bismarck-Figur im Heuss-Park, in den Adenauer-Park, zur Rückriem-Stele in der Schützenstraße. Zum Abschluss wartete auf jeden Teilnehmer eine kleine Schatztüte im Stadtmuseum. Darin waren neben Süßigkeiten und Kalendern für 2016 auch der Comic des Stadtmuseums „Leonhard und das Haupt der Anna“ zu finden. Wahrlich eine Reise wert waren Koblenz mit dem Deutschen Eck und die Festung Ehrenbreitstein, die u.a. eine sehr sehenswerte Dauerausstellung zur Entwicklung des preußischen Militärwesens enthält. Auf dem unteren Bild zu sehen ist ein Zimmer der in der Nachkriegszeit in der Festung eingerichteten Notwohnung. Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:05 Seite 18 18 Nummer 27 · Dezember 2015 Führungen Unter den zahlreichen Gruppen, die seit August unser Museum besuchten, seien zwei exemplarisch hervorgehoben. Am 21. und 28. Oktober besuchte ein Geschichtskurs des Rurtal-Gymnasiums aus der Oberstufe das Stadtmuseum, um in zwei Doppelstunden mit ausgewählten Quellen zum 2. Weltkrieg zu arbeiten. Kleine Gruppen beschäftigten sich mit den Themen „Kriegsalltag in Düren“, „Propagandamaßnahmen“ und „Zerstörung Dürens 1944“. V.a. die Zeitzeugenberichte von Irmgard Gerhards über das Alltagsleben im Krieg gingen den Schülern sehr nahe. Eine weitere interessante Gruppe besuchte im Rahmen des „Schoeller-Jugendtags“ das Stadtmuseum. Jugendliche und junge Erwachsene der verschiedenen Zweige der Familie Schoeller kamen am 24. Oktober ins Stadtmuseum, um der Stadtgeschichte in Verbindung mit der eigenen Familiengeschichte nachzuspüren. Christel Kreutzer und Andrea Effing boten dazu ein sehr engagiertes Programm, das im Vorfeld eigens für diese Gruppe entwickelt worden war. Das Stadtmuseum ist für derartige Gruppen und die Impulse, die sie für unsere Arbeit liefern, stets sehr dankbar. Spuren ren begeben sich die Spieler auf einen gedanklichen Spaziergang durch Düren. Dabei begegnen sie sowohl bekannten Stationen wie dem Rathaus am Kaiserplatz, dem Dürener Originale-Brunnen in der Wirtelstraße oder der Moschee, aber auch fast vergessenen Stationen wie der alten evangelischen Auferstehungskirche oder dem Stadttheater. Das Spiel richtet sich sowohl an die ganz Kleinen als auch an alteingesessene Dürener, die vieles aus alten Zeiten wiedererkennen werden. Das Spiel ist zum Preis von 19,90 € im Stadtmuseum erhältlich. Zudem wurde das Sortiment durch Geschenkgutscheine erweitert. Wer seinen Liebsten gerne eine Freude mit einer Führung im Stadtmuseum bzw. in der Stadt bereiten möchte, erhält einen entsprechenden Gutschein im Wert von 50 € im Museum. Bis zu 20 Personen können zu einer Führung mitgebracht werden. Termine werden individuell im Stadtmuseum abgesprochen. Einen Überblick über eine ganze Reihe an Themenführungen finden Sie auf unserer Homepage www.stadtmuseumdueren.de unter der Rubrik „Führungen“. Stadtfest Memory und Gutschein Ein bisschen Dürener Geschichte für zu Hause bietet das neue Memo-Spiel „Düren – einst und jetzt“. Mit 24 farbenfrohen Bildpaa- Auch in diesem Jahr war das Stadtmuseum mit einem Stand auf dem Stadtfest vertreten. Zum wiederholten Mal reiste das große Dürener Stadtmodell nach Wenzel Hollar, der ganze Stolz des Stadtmuseums, mit und zog wie gewohnt neugierige Passanten in seinen Bann. Aber auch Neues gab es zu sehen. So boten ausgewählte Ausstellungsobjekte aus der zu dem Zeitpunkt noch nicht eröffneten Preußen-Ausstellung einen ersten Eindruck auf das Kommende. Schließlich stellten sich die zahlreichen Arbeitsgruppen des Stadtmuseums auf einer Schauwand vor. Zudem boten sich wieder viele interessante Gespräche mit Besuchern des Fests. Auch im nächsten Jahr wird das Stadtmuseum zweifelsfrei auf dem Stadtfest vertreten sein. Nummer 2015_27.qxp_Nummer 2015_27 21.12.15 11:05 Seite 19 Spuren Nummer 27 · Dezember 2015 Düren-Süd – einst und jetzt Vortrag von Hartmut Böllert Kein Gebiet in der Stadt hat sich von Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute so verändert wie der Süden Dürens im Bereich der Pfarrgemeinde St. Josef. Anhand von alten Stadtplänen sowie historischen und aktuellen Fotos soll über die Entwicklung dieses Stadtteils informiert werden. Muttergotteshäuschen mit historischem Kreuzweg, Jesuitenhof, Agnesviertel, „Elefantenklo“, Kasernen, Kirche St. Josef, Schweizer Siedlung, Wohnbereich Düppelstraße sowie die Bebauung östlich und westlich der Euskirchener Straße sind neben der Entwicklung der Infrastruktur (Schulen, Industrie und Handel) Gegenstand des Vortrags. Mittwoch, 16. März 2016, 19 h Bürgerhaus Düren-Süd, Lütticher Straße Eintritt frei, Spenden für die weitere Arbeit im Stadtmuseum Düren sind willkommen. 19 Die nächsten Stadtrundgänge sind an drei Samstagen im April, Mai und Juni 2016. Die Ziele sind voraussichtlich: Dürener Stadtteile – Lendersdorf (Ralf Fackeldey), Dürener Stadtteile – Rölsdorf (Barbara Simons-Buttlar), Links und rechts der Paradiesstraße – Dürener Industrie (Bernd Hahne). Einzelheiten in den nächsten SPUREN! Tag des Offenen Denkmals Nach mehr als zweijähriger Restaurierung durch ehrenamtliche Mitarbeiter des Stadtmuseums konnte die Drehscheibe am Bahnhof am Tag des Offenen Denkmals am 13. September endlich feierlich eingeweiht werden. Unter den Augen und dem Applaus von mehr als einhundert Schaulustigen wurde die Drehscheibe nach Jahren des Stillstands schließlich in Gang gesetzt. Zahlreiche Vertreter von Presse und Politik wohnten diesem Spektakel bei und durften unter musikalischer Begleitung des Blasorchesters Birkesdorf eine Ehrenrunde auf der Drehscheibe drehen. Der WDR hatte anlässlich der Vollendung der Restaurierungsarbeiten einen Kurzbeitrag für die Lokalzeit gedreht, der am 11. September ausgestrahlt wurde. Noch sind die Arbeiten an der Drehscheibe jedoch nicht vollendet. Es bleibt zum Schutz vor Vandalismus ein Zaun zu errichten, für den noch Sponsoren gesucht werden. Vorträge Schließlich konnten auch im 2. Halbjahr wieder diverse Redner und Referenten für Vortrags- und Veranstaltungsabende gewonnen werden. Georg Mölich vom LVRInstitut für Landeskunde und Regionalgeschichte lieferte mit seinem Vortrag am 26. August den Startschuss für das Dürener Themenprogramm zum Preußenjahr 2015. Mit seinem spannenden Vortrag „Die Rheinlande und Preußen im 19. Jahrhundert“ beleuchtete Mölich überblicksartig die großen Entwicklungslinien preußischer Herrschaft am Rhein. Rund 70 Zuhörer lauschten gebannt diesem fachlichen Highlight. Ähnlich viele Besucher lockte Rosemarie Plücken am 22. Oktober mit ihrem genealogischen Vortrag über die „Mormonendatenbank“ Family Search ins Stadtmuseum. Aus ganz NRW und weiter strömten Fachleute und Hobby-Ahnenforscher zusammen, um sich mit den jüngsten Entwicklungen der Datenbank vertraut zu machen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass am 10. März mit Andreas Job ein weiterer genealogischer Fachvortrag im Stadtmuseum stattfinden wird (siehe Homepage, Rubrik „Veranstaltungen“). Und dann war wieder unser Sachverstand gefragt: Am 30. November führte der freie Journalist Gerd Michalek ein Interview mit Rolf Terkatz aus Anlass des 150. Geburtstages von Carl Georg Schillings. Der Beitrag wurde im Rahmen der Sendung „Westblick“ am 11. Dezember auf WDR 5 ausgestrahlt. Viel Prominenz war dabei, als sich die Drehscheibe am Dürener Bahnhof zum ersten Mal wieder drehte. Zu den flotten Klängen des Birkesdorfer Blasorchesters drehten Staatssekretär Thomas Rachel, Landrat Wolfgang Spelthahn, Bürgermeister Paul Larue und viele andere einige gemütliche Runden.
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