Fragen und Antworten zur Mediation

Fragen und Antworten zur Mediation
Wir haben erfahrene Mediatorinnen und Mediatoren interviewt:
Was sind die Voraussetzungen
für eine erfolgreiche Mediation?
Wie läuft eine Mediation
konkret ab? Und vieles mehr..
Unsere Gesprächspartner waren
Andrea Grünke (Coach und Mediatorin in Berlin), Petra Padberg
(Coach und Mediatorin in Berlin)
und Bernhard Böhm (Mediator in
Leipzig).
Befürchten Sie, dass Mediation für Führungskräfte ein Zeichen von Schwäche ist?
Im Gegenteil: Beteiligte Führungskräfte haben die Erfahrung gemacht, dass die
Mediation den Aufbau von Vertrauen erleichtert und die Akzeptanz ihrer Führungsrolle gestärkt hat. Eine Mediation soll Konfliktparteien die Möglichkeit bieten, in
einem strukturierten Verfahren mit Unterstützung eines allparteilich agierenden
Dritten den Konflikt einvernehmlich beizulegen.
1. Was sind aus Ihrer Sicht unabdingbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche
Mediation in Bezug auf die Konfliktpartner (Medianden) und den (originären)
Auftraggeber?
Andrea Grünke: In Mediationsverfahren innerhalb von Organisationen ist eine sorgfältige Auftragsklärung mit Auftraggebern und Medianden wesentliche Grundlage für den
weiteren positiven Verlauf. Aus meiner Erfahrung ist es wichtig, bestehende Konflikte
sorgfältig daraufhin zu analysieren, ob Mediation die richtige Methode zur Bearbeitung
ist. Oft gibt es auch unterschiedliche Wahrnehmungen dazu, wer die Beteiligten eines
Konflikts sind. Zur Klärung dieser Fragen anzuregen, ist eine wichtige Unterstützungsleitung der/des Mediatorin/Mediators.
Schließlich sollen die Ziele der Mediation einen Bezug zur Effektivität der Organisation
aufweisen; die Bereitschaft der Medianden sich unter dieser Voraussetzung auf einen
Mediationsprozess einzulassen, muss geprüft werden.
Bernhard Böhm: Gerade bei Mediationen innerhalb der Verwaltung habe ich häufig einerseits mit Auftraggebern (z.B. Vorgesetzten) und andererseits mit „eigentlichen“ Medianden, den „Geschickten“ zu tun. Dies ist eine Gratwanderung. Einerseits möchte ich den
Auftraggeber nicht auf seine „formale“ Rolle reduzieren. Denn er setzt den äußeren
Rahmen der Mediation und kann einen wichtigen Beitrag zur Motivation der Medianden
leisten. Andererseits brauchen die Medianden Freiräume und Vertraulichkeit, um in der
Mediation arbeiten zu können. Daher ist für mich sowohl eine Vertrauensbasis zum Auftraggeber als auch zu den Medianden wichtig. Das Verhältnis muss so tragfähig sein, dass
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ich nicht nur in der Auftragsklärung auch kritische Fragen besprechen kann, ohne die
Sorge haben zu müssen, dass mir mein „Mandat“ entzogen wird.
Petra Padberg: Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen:
„Wer nicht genug Vertrauen hat, dem wird man nicht vertrauen. Ich vertraue den Menschen, die vertrauensvoll sind, und ich vertraue den Menschen, die nicht vertrauensvoll
sind, denn so mehre ich das Vertrauen (Lao Tse: Spruch 17 und 49)."
2. Wann lehnen Sie den Auftrag zu einer Mediation ab? Und wann brechen
Sie eine bereits begonnene Mediation ab? Können Sie ggf. bitte konkrete
Beispiele – natürlich unter Wahrung des Gebots der Vertraulichkeit –
nennen?
Andrea Grünke: Da der vertrauensvolle Kontakt zwischen Medianden und Mediator/in
die Grundlage für eine gelungene Konfliktklärung setzt, würde ich einen Auftrag ablehnen, wenn von einer Seite Zweifel in Bezug auf meine Professionalität und Rolle als Mediatorin bestünden. Selbstverständlich würde ich auch ablehnen, wenn ich für mich persönlich meinen würde, nicht neutral sein zu können.
Mediation setzt voraus, dass die Medianden in der Lage sind, mit Blick in die Zukunft, Lösungen zu erarbeiten. Der Blick zurück in die Vergangenheit kann notwendig sein, allerdings nur soweit dieser zur Konfliktklärung beiträgt: Mediation ist keine Therapie! Im
Verlauf einer meiner Mediationen hat sich gezeigt, dass ein Mediand auch mit meiner
Unterstützung nicht in der Lage war, seine Interessen zu vertreten und therapeutische
Hilfe benötigte. Dies führte zu einem Abbruch der Mediation.
Petra Padberg: Wenn ich den Eindruck habe,
- dass nicht alle am Konfliktbeteiligten am Tisch sitzen,
- wenn die Beteiligten geschickt werden, der Vorgesetzte sich dadurch von der
Verantwortung entbunden sieht, weil er eine erforderliche Entscheidung delegiert,
- wenn eine Partei zwischen den Sitzungen fremdgesteuert wird („graue Eminenz“),
- wenn eine Partei suchtabhängig ist,
- wenn eine Partei vorgibt, sich auf den Prozess einzulassen, es aber realiter nicht tut.
Bernhard Böhm: Dass von meiner Seite eine Mediation abgebrochen wird, kommt äußerst selten vor. Dies hängt damit zusammen, woran der Erfolg einer Mediation gemessen wird. Eine Mediation kann auch dann zur „Klarheit“ beitragen, wenn sie nicht in einer
zehnseitigen, schriftlichen Vereinbarung mündet. Entscheidend ist für mich daher, ob die
Medianden selbst noch einen Mehrwert in der Mediation erkennen. Denn keiner soll gegen seinen Willen bis zum „bitteren“ Ende „totmediiert“ werden.
In der Auftragsphase wiederum bildet für mich das Verhältnis zum Auftraggeber eine
wichtige Basis. Habe ich hier den Eindruck, dass wir keine offene, auch kritische Kommunikation- und Vertrauensbasis finden, lehne ich einen Auftrag ab. Ich möchte nicht in die
„Beraterfalle“ treten. Das ist für mich keine Einbahnstraße. Aber auch der Auftraggeber
muss ein gutes „Gefühl“ haben.
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3. Welches sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Wirkfaktoren, die gute
Mediationen ausmachen und von weniger guten unterscheiden?
Andrea Grünke: Es ist für mich ein sehr besonderer Moment, wenn ich miterleben darf,
dass die Medianden sich wieder einander zuwenden und Vieles möglich wird, was keine
Seite zuvor noch für erreichbar gehalten hätte. Oft werde ich angesprochen, wenn Konflikte bereits hoch eskaliert sind und eine langjährige Historie vorliegt. In solchen Situationen, die in der Regel mit starken Verletzungen auf beiden Seiten verbunden sind, kann
eine Mediation nach meiner Erfahrung zwar keine „Wunder“ bewirken - aber den ersten
sinnvollen Schritt aufeinander zu bedeuten. Sind die Medianden bereit, einen Neuanfang
zu wagen, so kann nach meiner Erfahrung im positiven Sinne der „Knoten“ tatsächlich
„platzen“, und Verständigung wird wieder möglich.
Bernhard Böhm: Für mich ist wichtig, dass die Mediation nicht nur ein konkretes Problem löst, sondern die Medianden darüber hinaus auch künftige Konflikte – die zum Arbeitsalltag einfach dazu gehören – gemeinsam bearbeiten können. So gesehen gehört für
mich ein gewisses „Training“ für den späteren Alltag zur Mediation. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass in der Kommunikation ein großes Potential liegt. Ich habe nicht den
Anspruch, dass Medianden nach der Mediation „andere Menschen“ sind. Ganz frei von
eigenen Ansprüchen und Zielen bin ich aber als Mediator natürlich nicht. Ich denke, das
ist auch gut so. Daher freue ich mich durchaus, wenn die Mediation Impulse setzt und die
Medianden auch über „Eigenes“ nachdenken, also etwas über sich lernen. Denn der
Schlüssel für gute Konfliktlösung liegt nicht beim anderen, sondern bei einem selbst.
Daher kann eine Mediation auch dann ein „Erfolg“ sein, wenn sie kein konkretes Ergebnis
im Sinne einer Vereinbarung nach sich zieht. Und – auch das habe ich erlebt – kann eine
Mediation trotzt konkretem Ergebnis unbefriedigend sein.
Petra Padberg: Vertraulichkeit, Vertrauen, Wertschätzung, Humor, gute Atmosphäre,
strukturierte Verfahren, Zerlegen von Komplexität (Päckchen schnüren, bilaterale Konflikte vorab klären), Perspektivwechsel, Störungen haben Vorrang, Trennung von Sachund Beziehungsebene, Lösungsorientierung mit Blick in die Zukunft, Qualitätssicherung
durch Nachbetreuung und Evaluierung
4. Bitte berichten Sie uns von einer erfolgreichen Mediation.
Wie sind Sie konkret vorgegangen?
Andrea Grünke: Ein Auftraggeber hatte mich angesprochen, dass in zwei Teams, die
über eine gemeinsame Arbeitsschnittstelle verfügen, die Zusammenarbeit nicht richtig
funktioniere und Zielvorgaben dadurch nicht erreicht würden. Nach meinen Vorgesprächen mit einzelnen Mitarbeitern der Bereiche hatte sich herausgestellt, dass vor allem ein
langjährig bestehender Konflikt zwischen den verantwortlichen Führungskräften der
Teams Auslöser für die schlechte Zusammenarbeit der Kollegen an der Schnittstelle gewesen war.
Der Konflikt zwischen beiden Führungskräften war bereits so hoch eskaliert, dass diese
keinerlei Kommunikation mehr miteinander pflegten. Der gemeinsame Chef führte ein
klärendes Gespräch mit den Herren, woraufhin sich beide zur Teilnahme an einer Mediation bereit erklärten. Nach Einzelgesprächen und Klärung der Vorgehensweise in der
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Mediation kam es zum ersten gemeinsamen Treffen seit langer Zeit. In der Mediation
wurde klar, dass beide Personen vollkommen andere Vorstellungen von guter Zusammenarbeit an den Schnittstellen hatten. Eine Führungskraft war der Meinung, dass es Job
der Mitarbeiter sei, sich zu verständigen und er sich da nicht einmische. Die andere Führungskraft hatte die „Nicht-Kommunikation“ als Missachtung seiner Person wahrgenommen. Nachdem diese unterschiedlichen Sichtweisen einander transparent waren,
vereinbarten die beiden regelmäßige Treffen zur Absprache von Schnittstellenthemen.
Ein halbes Jahr später zeigte sich im Nachgespräch, dass die Vereinbarung eingehalten
wurde und sich die Beziehung der beiden normalisiert hatte. Die Rückmeldung der
Teammitglieder war, dass die Zusammenarbeit auch auf dieser Ebene wieder gut funktionierte.
Bernhard Böhm: Eine gute Mediation beginnt für mich bereits in der Auftragsklärung.
Hier wird das Fundament gelegt. Eine tragfähige Arbeitsbeziehung ist immens wichtig.
Dazu gehören Vertrauen und Authentizität. Eine solche gute Basis verzeiht bzw. verkraftet auch den einen oder anderen „handwerklichen“ Schnitzer.
Im nächsten Schritt- und das finde ich nach all den Jahren immer noch faszinierend steht nicht die Suche nach „Gemeinsamkeiten“. Für mich vermitteln auch sich „reichende“ Hände einen völlig falschen Eindruck von Mediation.
Denn Ziel der Mediation ist es aus meiner Sicht, dass die Medianden mit Hilfe des Mediators zunächst ihre eigenen Anliegen, Bedürfnisse, Ziele und Vorstellungen so artikulieren,
dass sie die „Gegenseite“ verstehen und respektieren kann. Auf dieser Basis kann dann
eine tragfähige und dauerhafte Lösung gefunden werden. Unterschiede können bestehen
bleiben. Sie machen eine Lösungsfindung manchmal sogar einfacher.
Wenn Medianden lernen, ihre Anliegen so zu formulieren, dass der Andere zuhören kann,
ist viel erreicht. In einigen Fällen löse ich mich daher von konkreten Themen und arbeite
stärker an der Kommunikation und Kommunikationsmustern. Wenn Medianden das Erlernte als hilfreich und praxistauglich erfahren, ist das für mich ein Erfolg der Mediation.
Petra Padberg: Vertrauensaufbau, Vertrauensaufbau, Vertrauensaufbau!
5. Mehrere Personen, vielleicht sogar aus unterschiedlichen Hierarchieebenen, erleben miteinander bzw. untereinander Konflikte. Mit wem
sprechen Sie idealerweise zuerst, wenn Sie eine Mediation vorbereiten
bzw. durchführen?
Andrea Grünke: In der Regel gibt es eine oder mehrere Personen, die sich mit dem
Wunsch der Konfliktklärung zuerst an die Führungskraft, den Personalbereich, den Personalrat, etc. wenden. Mit dieser Person/diesen Personen spreche ich - unabhängig von
der Hierarchie - als erstes. Dann werden nach Absprache die für die Auftragsklärung verantwortlichen Personen eingebunden.
Petra Padberg: Das kommt ganz darauf an. Mediation erkennt Hierarchie und ihre Konsequenzen in Bezug auf den Konflikt an und ist gleichzeitig bezüglich der Kommunikation während und innerhalb der Mediationssitzungen hierarchiefrei, das heißt die Mediatorin achtet unabhängig von Hierarchiefragen darauf, dass im Rahmen der Mediation alle
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Parteien gleiche Möglichkeiten haben, ihre Anliegen zu äußern und einzubringen. Sie
weiß, dass dies außerhalb der Mediation anders ist.
Dies vorausgeschickt, hängt es von der konkreten Konfliktsituation ab und manchmal hat
das bei mir zur Folge, dass ich dann auf der untersten Hierarchieebene anfange.
Bernhard Böhm: Als erstes spreche ich mit der obersten Führungskraft, der oder dem
(nicht nur formellen) AuftraggeberIn. Sie bzw. er setzt den Rahmen. Mit ihr bzw. ihm kläre ich zunächst Spielräume, lote Möglichkeiten aus, wie die Medianden motiviert werden
könnten, sich auf die Mediation einzulassen und welche Erwartungen sie oder er als Vorgesetzte an die Mediation stellt.
Anschließend präferiere ich einen gemeinsamen Auftakt mit allen Beteiligten. Manchmal
gehören hier auch weitere Personen dazu wie z.B. Vertreterinnen oder Vertreter aus dem
Personalrat. Sie haben eine wichtige Funktion als „Schirmherren“ der Mediation. Und mir
ist wichtig, dass der Auftrag, die Rollen und der Rahmen der Mediation transparent und
für alle nachvollziehbar vereinbart werden. Nicht ich, sondern der Auftraggeber bzw. die
Medianden sollen sagen, wieso Mediation für sie in der konkreten Situation der richtige
Weg sein könnte. Dies gelingt nicht, wenn ich mit Einzelgesprächen einsteige.
6. Worin unterscheiden sich - wenn überhaupt - Mediationen in der
Privatwirtschaft von denen, die Sie für die öffentliche Verwaltung durchführen?
Bernhard Böhm: Die Konflikte sind durchaus vergleichbar. Die Menschen sind sich doch
ähnlich – ob in der Privatwirtschaft oder in Unternehmen. In der öffentlichen Verwaltung erlebe ich aber durchaus ein hohes Maß an Offenheit für die Mediation. Die Rahmenbedingungen mögen vielleicht etwas formaler sein. So kommen eine Versetzung,
Abordnung oder gar Kündigung meist nicht oder nur selten in Betracht. Letztere wird
auch in der Privatwirtschaft nur selten ausgesprochen. Dennoch sehe ich diesen vermeintlich starren Rahmen als Chance für Mediation, wenn andere Wege ausscheiden.
Und in der öffentlichen Verwaltung – hier sehe ich tatsächlich einen Unterschied zur privaten Wirtschaft – wird das Postulat der Freiwilligkeit sehr ernst genommen. Eine „Anordnung“ der Mediation erlebe ich eher einmal in der Privatwirtschaft, in der öffentlichen
Verwaltung so gut wie nie.
Andrea Grünke: Aus meiner Sicht gibt es keine Unterschiede. Die Themenkomplexe und
persönlichen Befindlichkeiten sind weitgehend deckungsgleich. Typisch sind immer wieder Konfliktsituationen zwischen Führungskräften, die sich auch auf die Leistungsfähigkeit der Teams übertragen.
Vielfach sind es auch Konflikte zwischen Teammitgliedern, die schon sehr lange ungelöst
„schwelen“ und so hoch eskaliert sind, dass diese die Effektivität und Arbeitsatmosphäre
des gesamten Teams stark beeinträchtigten. Nicht nur auf Mitarbeiterebene kommt dies
vor, sondern oft auch in Führungsteams. Die negative Auswirkung auf die Organisation
ist hier besonders stark.
Zusammenfassend: dort wo Menschen zusammenarbeiten, können Konflikte eskalieren.
Mediation hilft den Menschen trotzdem wieder ins Gespräch zu kommen und Lösungen
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zu finden, die es einerseits möglich machen, wieder gerne zur Arbeit zu gehen und andererseits die gemeinsamen Aufgaben besser zu erfüllen.
Petra Padberg: Meine Erfahrung ist, dass sich die Hierarchien in der Privatwirtschaft und
in der öffentlichen Verwaltung unterscheiden. In der Privatwirtschaft sind die Hierarchien nicht so formalistisch - jedenfalls ab einer bestimmten Ebene - und damit nicht so
streng, mit der Folge, dass man sie sie leichter durchbrechen kann. In der öffentlichen
Verwaltung bedarf es oft mehr Einsicht in organisationale Zusammenhänge, so muss
man die Hierarchie insbesondere in Bezug auf Umsetzung von Lösungsoptionen (Machbarkeit) mehr berücksichtigen.
7. Sie arbeiten für uns als Mediator(in). Wie sind Sie dazu gekommen, sich
für Mediation zu interessieren und nun als Mediator(in) zu arbeiten?
Bernhard Böhm: Für mich war es eine persönliche Entscheidung und „Liebe auf den ersten Blick.“ Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich das erste Mal etwas über
Mediation gelesen habe. Es war Ende der 90iger Jahre. Die Idee der Mediation hat mich
sofort begeistert. Anders als viele Kollegen habe ich dann bereits zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit den Weg als Mediator eingeschlagen. Das war gerade am Anfang ein
gewagter Weg, war die Mediation doch nicht so bekannt wie heute. Die Mediation bietet
unglaublich viele Facetten, Entwicklungsmöglichkeiten und Geschichten. Ich musste daher bis heute nicht „fremdgehen“. Dennoch hoffe ich, mir eine Offenheit für andere Methoden zu bewahren.
Andrea Grünke: In meinem juristischen Referendariat bin ich Ende der 80er-Jahre mit
dem Thema Mediation in Berührung gekommen. Damals gab es in Deutschland erste Ansätze, Mediation im Rahmen von Scheidungsverfahren und Jugendstrafverfahren zu
praktizieren. In Trennungssituationen etwa ist es für Eltern notwendig, zu besprechen,
wie sie künftig mit Erziehungs- und Organisationsfragen der gemeinsamen Kinder umgehen werden. Mediation habe ich dabei als eine sinnvolle Ergänzung des klassisch juristischen Spektrums schätzen gelernt.
Der Grundgedanke von Mediation, dass in einem außergerichtlichen Verfahren eine für
alle Seiten zufriedenstellende Lösung von praktischen Lebensfragen gefunden wird, hatte mich als Juristin damals bereits fasziniert. Heute arbeite ich als Coach und Mediatorin
vor allem innerhalb von Organisationen und unterstütze Menschen im Arbeitsleben bei
der Bewältigung von sozialen Konflikten.
Petra Padberg: Ich war früher als Wirtschaftsanwältin Partnerin einer mittelständischen
Kanzlei. Eine systemische Coachingausbildung an der Humboldt-Universität in Berlin hat
meine Sichtweise auf viele Dinge verändert, so auch auf Rechtsstreitigkeiten. Mir wurde
u.a. bewusst, dass man diese auch auf eine andere als die herkömmliche klassische juristische Art lösen kann. Das hat mich veranlasst, eine Masterausbildung in Mediation in
Deutschland und den USA zu absolvieren.
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8. Was muss/sollte ein(e) gute(n) Mediator(in) für ihre/seine schwierige
Aufgabe mitbringen?
Andrea Grünke: Ein/e Mediator/in sollte Interesse an Menschen mitbringen: eine positive Grundhaltung dem Einzelnen gegenüber ist dabei aus meiner Sicht unabdingbar. Das
bedeutet auch, als Mediator/in das Vertrauen zu haben, dass Medianden grundsätzlich in
der Lage sind, verhärtete Positionen zu überwinden und individuelle Lösungen für ihre
Themen entwickeln können. Ein/e Mediator/in kann in festgefahrenen Situationen unterstützen, die Kommunikation wieder in Gang zu bringen.
Zentral ist, dass der/die Mediator/in für die Anliegen der Medianden gleichwertig da sein
kann, d.h. allparteilich ist. Die/der Mediator/in muss sich immer wieder kritisch überprüfen, ob er/sie diesem Anspruch in der konkreten Situation gerecht wird. Mit anderen vertrauensvolle Arbeitsbeziehungen aufbauen und sich in Menschen einfühlen zu können,
die sehr anders „ticken“ als ich selbst, sowie Konflikte als Chance zu begreifen, sind weitere Details, die einer/einem Mediator/in helfen, gute Arbeit zu machen.
Petra Padberg: Eine gute Mediatorin muss über ein gutes Zustandsmanagement verfügen, denn eine gute Verfassung beeinflusst ihre Aufmerksamkeits- und Handlungsfähigkeit sowie ihre Fähigkeit, komplexe Strukturen zu zerlegen. Ein positives wertschätzendes Menschenbild und Empathie erleichtern den Vertrauensaufbau mit den Medianden.
Aber auch Humor, Mut, gelegentlich auch provokativ zu intervenieren und mangelnde
Konfliktscheue sind neben einer guten Verfahrensherrschaft und der Verpflichtung ethischen Standards von großer Bedeutung.
Bernhard Böhm: Es fällt mir schwer von festen „Rastern“ auszugehen. Und wenn ich mir
den Kollegenkreis ansehe, gibt es doch sehr unterschiedliche „Typen“ an Mediatorinnen
und Mediatoren, die allesamt erfolgreiche und gute Arbeit leisten. So kenne ich „Rationalisten“ genauso wie „Harmoniker“ oder Kollegen, die Wert auf die Kommunikation legen
und für die der Weg das Ziel sein kann. Man könnte also etwas salopp sagen, dass jeder
Mediator die Medianden bekommt, die er oder sie „verdient“. Dahinter steckt natürlich
die ernsthafte Annahme, dass Medianden unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen an „ihren“ Mediator bzw. „ihre“ Mediatorin stellen.
Für mich persönlich ist das vermeintlich Einfachste das Wichtigste: „gut zuhören“ und
„gut fragen“ sowie eine offene, wertschätzende Haltung gegenüber Menschen, ihren Erfahrungen und Verhaltensweisen.
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