Case Study - Save the Children

Case Study
Samira* (9 ), Halim* (8), Salih* (3), Mutter Asifa* (30) - Berlin
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Freigegeben am 5. Januar 2016 von Britt Kalla, Save the Children Deutschland. Verfasst von
Diane Nakschbandi am 21. Dezember 2015.
Kind/Erwachsender:
Samira* (9), Halim* (8), Salih* (3), Mutter Asifa* (30) aus Syrien
Thema:
Flucht, Vertreibung, Notfall, Schutz, Syrien, Krieg
Die Fotos sind honorarfrei nur zu verwenden unter Copyright: Save the Children.
Zusammenfassung:
Halims* Mutter ist mit den drei Geschwistern alleine nach Deutschland geflohen. Sie kommen aus
einer Gegend in Syrien, in der seit Anfang des Krieges durchgehend gekämpft wurde. Entsprechend
verzehrter wirken die Vier im Vergleich zu den meisten anderen Familien, die an der Eröffnung des
Kinderfreundlichen Raums in der Notunterkunft am ehemaligen Flughafen Tempelhof teilnehmen.
Nach ihrer Ankunft vor drei Monaten in Deutschland haben sie erst in einer Turnhalle gelebt, bevor
sie nach Tempelhof umzogen.
Halim* mit seinen eigenen Worten:
„Ich bin in Deutschland zufrieden.“ (Anm. d. Red.: Es ist deutlich, dass er höflich ist, weil er mich als
„Gastgeberin“ (weil Deutsche) nicht beleidigen möchte, aber im Laufe des Gesprächs gesteht er,
dass er sich in Tempelhof nicht wohlfühlt).
„Ich habe hier keine Freunde. Das Essen schmeckt nicht, in dieser riesigen Halle fühle ich mich nicht
wohl, aber unsere Box ist okay. Aber ich möchte lieber irgendwo nur mit meiner Familie wohnen. Vor
allem aber vermisse ich meine Schule! Gerne würde ich hier in die Schule gehen, mein Lieblingsfach
ist Englisch und ich möchte später Arzt werden.“
Über den Kinderfreundlichen Raum:
„Endlich gibt es hier so einen Raum, außerhalb gibt es keine Spielmöglichkeiten, aber hier drin ist
alles so schön.“
„Ich habe am 1. Januar Geburtstag und ich wünschte mir so sehr eine Feier! Aber dafür hatten wir
schon in Syrien kein Geld.“
„Ich habe mich auf Deutschland gefreut, weil ich gehört habe, dass es in Deutschland schöner sei
und auch kein Krieg. Das mit dem Krieg stimmt ja auch, und ja, es ist auch ein bisschen schöner…“
(Anm. d. Red.: Er bricht den Satz ab, die Übersetzerin bestätigt, dass er ihr vorher erzählt hat, wie
unglücklich er hier ist und seine Traurigkeit ist ihm anzusehen.)
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Case Study
“Ich liebe Fußball!”
Samira* mit ihren eigenen Worten:
„Ich vermisse die Schule in Syrien sehr, ich kann aber schon auf Deutsch bis 10 zählen.“ (Macht es
stolz vor, Anm. d. Red.) „Mein jüngerer Bruder kennt schon das deutsche Alphabet. Ich möchte gerne
Lehrerin für Arabisch und Musik werden.“
„Ich bin hier nicht so glücklich, weil ich meine Freunde in Syrien vermisse, hier habe ich noch keine.“
„Der Kinderraum ist wunderschön!“
Auf die Frage nach ihrer Schramme über dem Auge sagt ihre Mutter: „Sie ist ein wahrer Wirbelwind.
Sie hatte gestern einen Fahrradunfall. Es ist so gut, dass es endlich diesen Platz (den
Kinderfreundlichen Raum, Anm. d. Red.) gibt.“
Asifas* Geschichte in ihren eigenen Worten:
„Ich fühle mich in Deutschland insofern sicherer, weil hier kein Krieg herrscht, aber ich bin eine von
insgesamt zwei Frauen in Tempelhof (wahrscheinlich im Hangar, Anm. d. Red.), die alleine ohne
männliche Begleitung ist, und das ist sehr schwierig für mich. Ich kann mich hier nicht gut alleine
bewegen. Und die Tatsache, dass hier so viele Männer sind, schüchtert mich ein. Ich möchte meine
Kinder gerne in die Schule schicken, weil sie das brauchen. Man hat mir auch gesagt, dass das
irgendwann im Januar auch möglich sein wird, aber die Schule ist weit weg und ich kann sie nicht
bringen, weil ich als Frau doch nicht alleine durch die halbe Stadt fahren kann. Ich habe auch Angst,
meine Kinder alleine zu schicken. Das macht mich ratlos.“
„Ich habe selbst keine Ausbildung. Meine Ausbildung zur Friseuse, die ich in Syrien begonnen hatte,
musste ich wegen des Kriegs abbrechen. Ich mache mir große Sorgen, wie es für mich und meine
Kinder weitergeht.
Ich möchte aber unbedingt gerne in Deutschland bleiben und bin auf der Suche nach einer
Organisation, die sich speziell um allein stehende Mütter kümmert.“
„Meine beiden älteren Kinder waren in Syrien in der Schule, 1. und 2. Klasse. Sie waren je ein Jahr
hinterher, weil wir bereits innerhalb Syriens fliehen mussten. So konnten die Kinder nicht
kontinuierlich zur Schule gehen, weil die Schule ständig bombardiert wurde.“
„Neulich hatte ich das Angebot, einen Deutschkurs zu machen, aber das konnte ich nicht
wahrnehmen, denn solange die Kinder nicht untergebracht sind, kann ich sie ja nicht einfach alleine
lassen. Ich muss darauf warten, dass sie zur Schule und Kita gehen.“
„Ich finde das Asylverfahren sehr kompliziert und verstehe immer nur die Hälfte und weiß eigentlich
nicht, wie weit ich im Prozess bin. Es ist niemand da, der mir dabei hilft.“
„Ich bin sehr froh, dass es den Kinderfreundlichen Raum jetzt gibt, denn vorher gab es hier nichts für
die Kinder, sie waren nicht ausgelastet.“**
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Case Study
*Die Namen wurden zum Schutz der Betroffenen geändert.
**Die Notunterkunft in Tempelhof besteht seit Ende Oktober 2015 und wird hinsichtlich der
Infrastruktur ständig erweitert.
Das Interview führte Diane Nakschbandi.
Informationen zum Setting:
Das Interview fand während der Eröffnung des ersten „Kinderfreundlichen Raumes“ in Deutschland
am 21.12.2015 statt. An ihr nahmen etwa 100 Kinder teil. Seitdem ist der Kinderfreundliche Raum für
Mädchen und Jungen zwischen 0 und 13 Jahren täglich in der Zeit von 10 bis 12:30 Uhr und von
13:30 bis 17 Uhr geöffnet. Er befindet sich in einem Hangar im ehemaligen Berliner Flughafen
Tempelhof, der als Notaufnahme dient und in dem derzeit (Stand Dez. 2015) über 2000 Menschen
untergebracht sind, ca. 40% davon sind Kinder. Zum Zeitpunkt des Interviews waren die Duschen
noch im Bau, so dass die Menschen mit Bussen ins nahe gelegene Schwimmbad am Columbiadamm
gefahren wurden, um dort zu duschen. Die Infrastruktur in den Hangars wird ständig erweitert.
Kinderfreundliche Räume (Child Friendly Spaces, CFS):
Ein CFS ist internationaler Standard, um in Krisenregionen Kindern einen Schutzraum zu bieten. Mit
Hilfe eines strukturierten Tagesablaufs und geschultem Personal erleben Kinder hier wieder ein Stück
Normalität in einem Alltag, in dem sonst nichts mehr ist, wie es einmal war. Sie können spielen,
lernen und kreativ sein – und sie fi nden Erwachsene, die ihnen zuhören. Wenn nötig, vermitteln die
Mitarbeiter weitergehende psychosoziale Hilfe. Die Betreuung und die strikten KinderschutzStandards schützen die Mädchen und Jungen darüber hinaus vor zusätzlichen Risiken wie
Missbrauch und Übergriffen, die in den großen, oft überfüllten Unterkünften auftreten können.
Save the Children
Save the Children ist die weltweit größte unabhängige Kinderrechtsorganisation und in 120 Ländern
aktiv. Seitdem 2014 über 1 Mio. Menschen aus den verschiedenen Krisenländern versucht haben,
sich in Europa in Sicherheit zu bringen, hat Save the Children seine Flüchtlingshilfe entlang der
gesamten Route ausgebaut. Auch in Deutschland leistet das Kinderhilfswerk vielfältige
Flüchtlingsarbeit.
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