Fischerei am Vierwaldstättersee einst und jetzt

Eichiried
Agrargeschichte Vertiefungstext
POI 30
Fischerei am Vierwaldstättersee einst und jetzt
Die Fischerei ist neben der Jagd und der Sammelwirtschaft eine der ältesten menschlichen
Tätigkeiten zur Deckung des Nahrungsbedarfs. Auch bei der Nahrungsversorgung der
vormodernen Innerschweizer Bevölkerung in Stadt und Land spielte die Fischerei eine nicht zu
unterschätzende Rolle. In Mittelalter und Früher Neuzeit waren etwa ein Drittel aller Tage eines
Jahres Fastentage, an denen weder Fleisch, noch Eier- und Milchspeisen genossen werden
durften. Damit erhielt der Fisch auch auf dem Speisezettel der Bauernfamilie eine wichtige
Bedeutung.
Angesichts der breiten Nachfrage erstaunt es nicht, dass um die lukrativen herrschaftlichen
Fischrechte, sogenannte Fischenzen, oft und erbittert gestritten wurde. Die Fischenzen im
klösterlichen Besitz überliefern beträchtliche Fangerträge. So hatten die Fischer aus Stansstad
um 1200 an vier hohen Feiertagen pro Jahr je tausend Albeli (kleinwüchsige Felchen) an das
Kloster Engelberg zu liefern, dazu einmal jährlich dreissig Felchen und drei Hechte. Auf dem
Markt in Luzern boten die Fischer gemäss dem Bericht von Johann Leopold Cysat um 1661
jeweils freitags und samstags mehr als 20 verschiedene Fischarten an wie Aale, Alet, Albeli,
Balchen, Barsche, Brachsmen, Edelfische, Egli, Felchen, Forellen, Hasel, Hechte, Karpfen,
Lachse, Rotten, Schleien, Trischen und Weissfische. Um eine ausreichende und preisgünstige
Versorgung mit Fisch zu gewährleisten, mussten die Fischer ihren Fang auf dem lokalen Markt
anbieten, bevor sie ihn in andere Städte ausführen durften. Zwischenhandel war verboten.
Inwieweit der Fisch für die Bewohner der Seegemeinden eine alltägliche und frei zugängliche
Nahrung war, ist ungewiss. Zumindest zum Luzerner Teil des Vierwaldstättersees ist bekannt,
dass den Anstössern das Fischen mit der Rute entlang des Ufers untersagt war, weil hier die
Fischenzen der Klöster fast 200 Meter weit in den See reichten. Die Fischerei war gemäss
römischem Recht ein königliches Regal und im Mittelalter zumeist als Lehen an Klöster oder
weltliche Herren verliehen, welche zur Nutzung teils eigene Fischer beschäftigten oder die
Fischenzen an Berufsfischer verpachteten. Während der Uferbereich den Fischenzen der
Klöster und der Stadt Luzern unterlag, galt der offene See als Allmend und stand allen Fischern
zur gemeinsamen Nutzung offen.
Im 18. Jahrhundert ging der Fischbestand im Vierwaldstättersee zurück, wofür die Luzerner
Jagd- und Fischereiordnung von 1771 die vielen Müssiggänger verantwortlich machte, welche
in den Hungerjahren 1770/71 die fehlende Nahrung mit illegalem Fischfang zu kompensieren
suchten. Tatsächlich dürften jedoch wohl eher neue Fischfangtechniken und das Nichtbeachten
der Schonzeiten durch die Berufsfischer sowie die Störung der Fischlaichgründe durch das
Schneiden des Schilfs als Stallstreue für den Fischrückgang verantwortlich gewesen sein. In
Absprache mit den Fischern erliess die Obrigkeit Vorschriften wie Fangbeschränkungen,
Schonzeiten, Mindestfangmasse oder minimale Maschenweiten der Netze, um die
Fischbestände zu schonen. Unter dem Einfluss der französischen Revolution wurden die
Fischenzen als alte Feudalrechte 1798 abgeschafft. Die unmittelbare Folge war eine starke
Übernutzung der Fischgewässer, so dass man bereits 1803 die freie Fischerei aus
volkswirtschaftlichen Gründen wieder aufgab.
Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Fischerei vorwiegend von Netzfischern
betrieben, die nicht Berufsfischer im heutigen Sinn waren, sondern als Landwirte oder
Weinbauern die Fischerei meist im Nebenerwerb betrieben. Nach 1950 kam es schweizweit zu
einem Restrukturierungsprozess in der Netzfischerei. Die Zahl der Netzfischer reduzierte sich
von 1'132 im Jahr 1948 auf 310 im Jahr 2010. Anders als noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts
sind sie heute zum grössten Teil hauptberuflich tätig und verfügen über eine solide
Berufsausbildung. Am Vierwaldstättersee wird die Fischerei seit 1892 interkantonal geregelt
www.waldstätterweg.ch
Eisenbahnen und Bergbahnen in der Zentralschweiz
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und seit 1978 von einer Fischereikommission beaufsichtigt, der alle Kantone mit Seeanstoss
angehören. Heute leben ca. 30 Fischarten im Vierwaldstättersee, die sich natürlich fortpflanzen.
Literatur:

Roger Sablonier: Innerschweizer Gesellschaft im 14. Jahrhundert. In: Innerschweiz und
frühe Eidgenossenschaft. Jubiläumsschrift 700 Jahre Eidgenossenschaft. Olten 1990, S.
11–233.

Hans Wicki: Bevölkerung und Wirtschaft des Kantons Luzern im 18. Jahrhundert (Luzerner
historische Veröffentlichungen 9). Luzern 1979.

Vinzenz Winiker: Die Fischereirechte am Vierwaldstättersee (Abhandlungen zum
schweizerischen Recht X). Bern 1908.
Autorin: Erika Flückiger Strebel, 2015
© Albert Koechlin Stiftung, Luzern
www.waldstätterweg.ch
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