Warum musste der Ärzteverein den Betrieb der Notfallpraxen

Warum musste der Ärzteverein den Betrieb der
Notfallpraxen einstellen?
Viele verstehen nicht, warum der Ärzteverein den Betrieb seiner Notfallpraxen (NFP)
zum 31.1.2016 eingestellt hat. Immerhin haben sie doch 17 Jahre lang eine
hervorragende ortsnahe Notfallversorgung im Südkreis Mettmann gesichert, waren
frequentiert und wurden von Kindern und Erwachsenen sehr gut angenommen.
Wir erklären Ihnen, warum der Ärzteverein keine Wahl hatte.
Kurzfassung:
Nach einer von der KV behaupteten Umsatzsteuerpflicht der Vereinstätigkeit,
die nach Auskunft der maßgeblichen Steuerberater gar nicht besteht, verteuert
die Einschaltung von Vereinen den Betrieb der NFP um 19% gegenüber dem
Betrieb durch die KV selbst oder deren GMG. Und zwar in jedem Fall,
unabhängig davon, ob Umsatzsteuerpflicht tatsächlich besteht oder nicht.
Dadurch muss bei vereinsbetriebenen NFP die von den beteiligten Ärzten zu
zahlende Umlage um diese 19% angehoben werden, was bei KV-betriebenen
NFP nicht der Fall ist. Über 5 Jahre gerechnet (Zeitspanne bis zur endgültigen
Klärung der Frage) macht das allein im Bereich unserer beiden NFP einen
Betrag von 190.000 € aus, den unsere Ärzte mehr zahlen müssten, wenn der
Verein die NFP weiter betreiben würde.
Langfassung mit Details:
Ein Zitat aus dem Protokoll der Vorstandssitzung des Vereins vom 24.3.2015: "Herr
Meuser berichtet über eine dubiose Einladung des KV-Vorstandes für Mittwoch den
25.03.2015. Bisher war nicht zu erfahren, was dort besprochen werden soll."
Zu der Sitzung am 25.03.2015 waren von der KV die Vorstände von sieben Vereinen
geladen, die Notfallpraxen betreiben. Der Vorsitzende der KV
hatte auch Vertreter einer Steuerberatungs-Sozietät hinzugebeten. Diese
eröffneten den Vereinsvorständen, die Zahlungen, die die KV an die Vereine zur
Deckung der laufenden Kosten der NFP leisteten, seinen nach ihrer Ansicht
umsatzsteuerpflichtig. Die Vereine hätten daher der KV Mehrwertsteuer berechnen
und diese ans Finanzamt abführen müssen.
Die Vereinsvorsitzenden entgegneten, mit den Steuerberatern der Vereine sei
das Thema längst besprochen. Die Vereine seien umsatzsteuerfrei nach § 4, Abs. 1
Nr. 14d UStG; das sei auch mit den betreffenden Finanzämtern längst geklärt. Die
Düsseldorfer Notfallpraxis könne z.B. schriftlich belegen, dass die
Oberfinanzdirektion bereits 1991 eine Umsatzsteuerpflichtigkeit für die dortige
Notfallpraxis verneint hat.
Unbeeindruckt davon hielt die Steuerberatungskanzlei der KV daran fest, dass
Umsatzsteuer hätte berechnet und abgeführt werden müssen. Die Nichtabführung
habe nicht nur Nachzahlungen für viele Jahre zu Folge, sondern könne auch zur
Strafverfolgung des KV-Vorstands und der Vereinsvorstände führen, die wegen des
langen Zeitraums der "Hinterziehung" zu Freiheitsstrafen führen könnten. Deshalb
habe sich der KV-Vorstand zu einer Selbstanzeige entschlossen, die nur dann
strafbefreiend sei, wenn alle bedeutsamen Tatsachen genannt würden. Deshalb rate
man den Vereinsvorständen dringend dazu, sich der Selbstanzeige anzuschließen.
Da es nach 18 Uhr war und die Selbstanzeige am Folgetag morgens abgegeben
werden solle, blieben nur wenige Stunden, bei der Steuerkanzlei den Beitritt zu
der Selbstanzeige zu unterschreiben. Eine Kontaktierung der Steuerberater der
Vereine war nicht möglich. Deshalb haben die geladenen Vereinsvertreter, obwohl
sie eine Steuerpflicht verneinten, vorsichtshalber eine Erklärung "als möglicherweise
beteiligte Dritte" abgegeben, da sie eine Steuerpflicht nicht ausschließen könnten.
Die Vereinsvorstände empfanden das Vorgehen der KV als Nötigung.
Die Selbstanzeige des KV-Vorstands wurde dann am Folgetag morgens bei den
Finanzämtern der Vereine per Boten abgegeben. Die Finanzbehörde hat in der Folge
die Großbetriebsprüfung mit der Frage befasst, ob die Leistungen der NotfallpraxisVereine ihren Mitgliedern gegenüber umsatzsteuerpflichtig seien oder nicht. Die
Großbetriebsprüfung hat dazu die Steuerberater verschiedener Notfallpraxen
aufgesucht und die Frage erörtert, auch unseren Steuerberater. Das Ergebnis war,
dass die Großbetriebsprüfung keine Umsatzsteuerpflicht erkennt, die Leistungen
seien nach dem vorgenannten Paragraphen umsatzsteuerfrei, so wie unser
Steuerberater das auch dargelegt habe. Eine Straftat unseres Vereinsvorstands
sehe er keinesfalls.
Einen endgültigen Bescheid über die Steuerfreiheit werde es aber kurzfristig nicht
geben. Das Thema beträfe ja nicht nur in NRW, sondern auch die anderen
Bundesländer. Möglicherweise werde das Thema mit einem Erlass des
Bundesfinanzministeriums erledigt, vielleicht werde noch eine Bund-LänderArbeitsgruppe eingerichtet. Insgesamt könnten mehrere Jahre ins Land gehen.
Am 1.4.2015 begann dann die KV, die monatlichen Abschlagszahlungen an die
Vereine mit Umsatz(Mehrwert)steuer auszuzahlen. Die KV zieht ja von den Ärzten,
die in einer NFP Dienst tun, eine Umlage zur Deckung der NFP-Kosten ein.
Diese Beträge verwahrt die KV auf einem Verrechnungskonto und zahlt sie in
monatlichen Raten an den Betreiber der NFP aus. Haupt-Kostenblock sind dabei die
Lohn- und Gehaltskosten der Arzthelferinnen. Plötzlich bekamen wir ab April
2015 also nicht mehr monatlich 17.000 € für den Betrieb der NFP Hilden und
Langenfeld, sondern 20.230 € (17.000 € + 19% Umsatzsteuer).
Was sollten wir mit der erhaltenen Umsatzsteuer machen, die wir nicht berechnet
hatten, nicht berechnen mussten und die wir auch nicht wollen. Behalten wir das
Geld, könnte man uns später bezichtigen, an uns gezahlte Umsatzsteuer nicht
abgeführt zu haben. Wenn wir das Geld ans Finanzamt abführen, bestätigen wir
damit nicht die Steuerpflichtigkeit des Vereins? Die nach unserer und der Meinung
unseres Steuerberaters und sogar der Großbetriebsprüfung gar nicht besteht. Wir
haben auf Rat unseres Steuerberaters die Umsatzsteuer an die KV zurück
überwiesen. Dieses Spielchen wiederholte sich seitdem jeden Monat: Die KV zahlte
20.230 €, wir überwiesen 3.230 € zurück.
Was bedeutet das für unsere Mitglieder? Rechenbeispiel: Die Kosten der beiden
NFP betragen pro Arzt und Jahr 800 €. Zieht die KV von jedem Arzt im Jahr nicht nur
diese 800 € ein, sondern noch zusätzlich 152 € MwSt, so verteuert das die
Kosten jedes unserer Mitglieder um 19%. Insgesamt müssten die Ärzte innerhalb von
5 Jahren (der genannte realistische Zeitrahmen) über 190.000 € MWSt aufbringen,
die irgendwo in der KV auf einem Verrechnungskonto lägen. Wenn dann
nach 5 Jahren herauskäme, dass die Umsatzsteuerpflicht nicht besteht (wie
wir glauben), dann ginge dieses Geld nicht an die zurück, die es in den 5 Jahren
gezahlt haben, sondern es diente zur Kostenreduzierung der dann noch
bestehenden Notfallpraxen und käme so nur denen zugute, die in 5 Jahren noch
praktizieren. Und wenn nach den 5 Jahren der Staat doch eine Umsatzsteuerpflicht
behauptet (Geld kann er ja immer brauchen), wäre das Geld auch weg, ans
Finanzamt.
Nach zehn Monaten (vom Beginn der MwSt-Zahlung der KV im April 2015 und dem
Ende des Vereinsbetrieb der NFP im Januar 2016) liegen nun auf einem KVVerrechnungskonto 32.300 €. Zum Glück steigt diese Summe nicht, denn wir
bekommen keine Zahlungen der KV mehr. Bei anderen Vereinen zahlen die
beteiligten Ärzte effektiv jedes Quartal um 19% zu hohe Umlagen.
Jetzt kommt der Clou:
Die 190.000 € Umsatzsteuer fallen nicht an, wenn die KV selbst oder ihre
Tochter GMG die Notfallpraxen betreiben. KV und GMG sind nämlich als
Körperschaft öffentlichen Rechts bzw. deren Organschaft in Erfüllung
hoheitlicher Aufgaben sowieso umsatzsteuerfrei.
Werden also Notfallpraxen in Vereinshand betrieben, kosten sie die Ärzte (zumindest
in den nächsten etwa 5 Jahren) immer 19% mehr als von der KV selbst betriebene
Notfallpraxen. Als Vereinsvorstand haben wir uns hier die Frage gestellt, ob unsere
Mitglieder auf Dauer bereit sein werden, nur wegen der Führung der NFP durch den
Verein anstatt durch die KV, 19% mehr Umlage zu zahlen. Wir glaubten, sie wären
dazu nicht auf Dauer bereit.
Wenn die KV also zur Vergrößerung der eigenen Macht und zur Erringung des
Monopols in der ambulanten Notfallversorgung den Ärzten die Lust nehmen
wollte, selbst Notfallpraxen in Vereinshand zu betreiben, wäre die Behauptung
der Umsatzsteuerpflicht und die dadurch entstehende Verteuerung der
Vereins-NFP der absolut richtige Hebel.
Unter diesem Aspekt ist der Vorschlag der KV besonders dreist: wenn der Verein
einen Kooperationsvertrag mit der KV abschließen würde, könne er die Notfallpraxen
ja weiter betreiben. Ja, natürlich. Der Verein müsste im Kooperationsvertrag
unterschreiben, dass er seine Leistungen der KV mit Mehrwertsteuer in Rechnung
stellt. Dann müsste er die Mehrwertsteuer auch abführen und die 190.000 € nach 5
Jahren wären in jedem Fall weg. Beim Finanzamt. Denn eine berechnete
Umsatzsteuer gehört dem Finanzamt. Warum sollte der Vereinsvorstand seine
Mitglieder um diesen Betrag bringen, indem er einen Kooperationsvertrag mit der KV
unterschreibt?
Ein weiteres Risiko: Jederzeit könnte der Organisationsplan geändert werden,
so dass der Verein zwar die Notfallpraxen besäße, aber keine Einnahmen
mehr hätte, mit denen er deren laufenden Kosten bis zur Liquidierung der NFP
bestreiten könnte. Die Personalkosten hätte der Verein bis zum Ablauf der
Kündigungsfristen (bei langjährig Beschäftigten bis zu 6 Monate) weiter zu tragen,
auch die Mieten (Kündigungsfrist ein Jahr zum Jahresende).
Dass diese Befürchtung keineswegs grundlos war, sehen wir aktuell, wo der KVVorsitzende einfach die NFP Hilden und den kinderärztlichen Teil der NFP
Langenfeld aus dem Orgaplan streicht und den Ärzten verbietet, dort noch Dienst zu
tun. Allein die Miete für die NFP Hilden belastet den Verein bis Ende der Mietzeit im
Dezember 2016 mit insgesamt über 11.000 €.
Im April 2015 hatten wir daher im Vorstand des Vereins beschlossen, dem Verein bei
dem vereinsfeindlich agierenden KV-Vorstand zu empfehlen, sich aus dem Betrieb
der NFP zurückzuziehen. Im Mai haben wir nach entsprechendem Beschluss unserer
Mitgliederversammlung das der KV mitgeteilt und ihr angeboten, sie möge die
NFP Hilden und Langenfeld künftig selbst betreiben.
Dass die KV nun den Ärzteverein als Sündenbock hinstellt, schlägt dem Fass
den Boden aus. Das nicht nur in dieser Hinsicht schikanöse Verhalten der KV dem
Verein gegenüber lässt sich an einem weiteren kleinen Beispiel zeigen:
Nach langem Hin und Her hatte die KV ihre GMG angewiesen, die Notfallpraxis
Langenfeld zu übernehmen. Mit der GMG (Tochtergesellschaft der KV zum Betrieb
von Notfallpraxen) hatten wir besprochen, dass diese unseren Mietvertrag
übernimmt, dazu den Telefonanschluss und die Softwarewartung der Praxis-EDV.
Das Inventar der NFP (Möbel, EDV, Drucker, Liegen, EKG usw.) wollte die GMG
dem Verein für den Rest-Buchwert von rund 6.900 € abkaufen. Wir sollten dafür eine
förmliche Rechnung mit MWSt-Ausweis stellen.
Wir boten an, auf der Rechnung zu vermerken, dass wir als Kleinunternehmer keine
MWSt. berechnen dürfen. Dann könnte niemand der KV Beihilfe zur Hinterziehung
von MWSt. vorwerfen und der Verein trüge allein das Risiko. Doch die KV hat auch
das abgelehnt und wollte uns zwingen, Umsatzsteuer zu berechnen, die wir dann
natürlich auch hätten abführen müssen. Die KV hat sogar beim Krankenhaus nach
ersatzweisen Räumlichkeiten zum Betrieb einer NFP gefragt, die sie dann mit teurem
Geld (natürlich der Ärzte) mit neuem Inventar hätte ausstatten müssen, nur um nicht
unsere Rechnung ohne Mehrwertsteuerausweis akzeptieren zu müssen. Aber das
Krankenhaus hat keine ersatzweisen Räume. So hat sich der Verein am Ende
genötigt gesehen, der GMG das Inventar zum Preis von 0 € (Null Euro) zu
überlassen, damit der nahtlose Weiterbetrieb der NFP Langenfeld gesichert war.
Davon, dass die KV die Kinderärztliche Notfallpraxis nicht fortführen würde, war uns
zu dem Zeitpunkt im Dezember 2015 noch nichts bekannt. Das hat die KV erst am
19. Januar 2016 beschlossen und der Kreisstelle am 20. Januar 2016 mitgeteilt.
Nun liegen die wesentlichen Gründe auf dem Tisch, weshalb der Verein den
Betrieb der Notfallpraxen nicht mehr in eigener Hand fortführen konnte und
die notwendigen Konsequenzen ziehen musste. Wir könnten noch einige
weitere Gründe benennen, was aber den Rahmen sprengen würde.
Dass sich im Ergebnis die ärztliche Notfall-Versorgung im Südkreis mit dem 1.
Februar deutlich verschlechtert hat - im Vergleich zur knapp siebzehnjährigen
Vereins-Ära – war abzusehen und hat sich schon heute, knapp eine Woche
später, klar bestätigt. Die Verantwortung dafür trägt allein der KV-Vorstand.
Langenfeld, am 07.02.2016
Ärzteverein Südkreis Mettmann e.V., www.arge-nfp.de
Hans-Peter Meuser, Vorsitzender
Zum Stadtbad 31
40764 Langenfeld
Tel. 02173-99490