Staub- und schadstoffarm zünden

Aus
17/18-2015 S. 26 © VDI Verlag GmbH, Düsseldorf 2015
Staub- und schadstoffarm zünden
Biomasse: Beim Anzünden von Holzpellets in
Öfen und Heizkesseln entstehen viel Feinstäube
und giftige Abgaskomponenten. Ein neues
Regelsystem für die Zufuhr von Verbrennungsluft kann diese Emissionen verringern.
VDI nachrichten, Düsseldorf, 24. 4. 15, swe
Neue Pelletöfen und Pelletheizkessel dürfen seit 2010 nicht mehr als 0,04 g
Staub/m3 emittieren. Eine Möglichkeit,
diesen Wert einzuhalten, sind Staubfilter.
„Intelligenter ist jedoch, Staub und unverbrannte giftige Gaskomponenten
gleich bei deren Entstehung zu minimieren“, meint Heinz Kohler, Physiker und
Materialwissenschaftler am Institut für
Sensorik und Informationssysteme (Isis)
an der Hochschule Karlsruhe.
Was Kohler anregt, ist möglich. Das
Sensorikteam des Instituts hat bereits
2009 eine Luftzufuhrregelung entwickelt,
die die Verbrennung in der Zündphase so
verbessert, dass weniger Feinstaub, Kohlenmonoxid (CO) und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) entstehen und frei werden.
Das Technologie Lizenz Büro (TLB) in
Karlsruhe hat diese Luftzufuhrregelung
2010 für das Isis beim Europäischen Patentamt zum Patent angemeldet. Das
TLB, das baden-württembergische Hochschulen und Firmen beim Patentieren
unterstützt, erwartet die Patenterteilung
dieses Jahr.
„Ist es heiß und überall ausreichend
Sauerstoff vorhanden, verbrennt Holz
vollständig – bis auf die mineralischen
Bestandteile“, sagt Kohler. Pelletöfen und
-heizkessel arbeiten daher in der stationären Brennphase bei etwa 900 °C recht
emissionsarm. Problematisch sei das etwa 15-minütige Aufheizen. „Die Öfen
emittieren in dieser Zeit viel mit Organik
beladene Feinstäube und giftige Gaskomponenten“, erklärt der Forscher.
Das muss nicht sein. Das Team baute
einen Pelletheizkessel mit Unterstützung
des Herstellers – der Ritter Energie- und
Umwelttechnik im badischen Karlsbad –
so um, dass die Luftzufuhr in Brenn- und
Pelletöfen und -heizkessel
- Pelletproduktion in Deutschland: 2,1 Mio. t.
Die Produktionskapazität liegt bei 3,2 Mio. t.
- Pelletverbrauch in Deutschland:1,8 Mio. t
- Pelletöfen und -heizkessel: In Deutschland
gibt es rund 358 000 Pelletanlagen – 231 000
Heizkessel, 116 500 Öfen und 10 500 Großanlagen. Rund 36 500 Anlagen wurden 2014
neu installiert.
swe
Quelle: DEPV, Stand 2014
Abgasmessung am Ofenrohr: Sensorexperte Heinz Kohler kann mit drei Sensoren in
Pelletöfen und -heizkesseln für eine sauberere Verbrennung sorgen. Foto: TLB GmbH
So ausgerüstete Öfen oder Kessel sind
Nachbrennzone durch zwei Gebläse flexinoch nicht erhältlich, doch Kohler ist zubel regelbar ist. Stand der Technik ist bis
versichtlich, Hersteller zu finden, die die
heute, dass solche Öfen und Kessel mit eiLuftzufuhrregelung einsetzen wollen. Es
ner Luftzufuhr ausgestattet sind, die die
gehe um einen zukunftsträchtigen Markt:
Luft ungeregelt starr zwischen beiden ZoRund 358 000 Pelletöfen und -heizkessel
nen verteilt.
liefern hierzulande Wärme für Häuser
Der Clou für die Regelbarkeit sind zwei
und Wohnblocks. Für verkraftbar hält
Sensoren. Einer misst stetig die RestsauKohler die voraussichtlichen Mehrausgaerstoffkonzentration im Abgasrohr, der
ben. „Wir gehen davon aus, dass die Kosandere kontinuierlich die Temperatur in
ten für die Sensorik auf unter 100 € geder Nachbrennzone. Ein Datenerfassenkt werden können.“
sungssystem erhält die Sensorsignale, die
Kohler will auch Scheitholz in Kaminanschließend ein Mikroprozessor ausöfen, Kesseln und Kachelwertet. Die von der Arofeneinsätzen emissionsbeitsgruppe entwickelte
ärmer verbrennen. Bei
Regelungssoftware ver- Luftzufuhrregelung
diesen Feuerungsstätten
gleicht die optimale macht Pelletöfen
ist der Stand der Technik
Temperatur und Sauerschadstoffärmer
ein anderer: Da Scheite
stoffkonzentration mit
nicht kontinuierlich in
den Istwerten.
Brennzonen eingebracht werden, ist die
„Mit dem Prozessor lässt sich die LuftVerbrennungstechnik komplexer. Moderzufuhr zu jedem Zeitpunkt über die Anne Holzscheitöfen und -kessel sind daher
steuerung der Gebläse optimal einstelbereits oft schon mit Sensoren für Tempelen“, sagt Kohler. Enthält das Abgas zu
ratur und Restsauerstoffgehalt sowie eiwenig Sauerstoff, kann die Software verner automatischen Luftzufuhrregelung
anlassen, mehr Luft in die Nachbrennzoausgestattet.
ne zu blasen, damit Kohlenwasserstoffe
Eigene Experimente zeigten jedoch, so
vollständiger verbrennen. Ist die TempeKohler, dass sich mit einem dritten Senratur in der Nachbrennzone zu niedrig,
sor, der CO, Methan und PAK registriert,
kann sie bewirken, die Luftzufuhr in die
die Schadgasemissionen in allen Phasen
Brennzone zu erhöhen.
der Verbrennung weiter absenken lassen.
Wie gut diese Regelung funktioniert,
Das Problem sei, „dass ein robuster Senzeigte die Arbeitsgruppe an dem Rittersor, der mehrere Jahre stabil arbeitet,
Heizkessel mit einem dritten Sensor. Er
noch fehlt“.
registriert im Abgasrohr den Gehalt an
Doch auch hier entwickelt sich die
CO und nicht verbrannten KohlenwasserTechnik weiter. Kohler und sein Sensorikstoffen wie Methan und PAK.
team wollen jetzt einen Gassensorchip in
„Die Emissionen dieser Schadgase saneinem Kaminofen testen. Auch hier ist
ken während der Zündphase fast auf das
das Marktpotenzial einer optimierten
niedrige Niveau, das während der statioLuftregelungszufuhr enorm: In Deutschnären Brennphase registriert wird“, so
land gebe es etwa 900 000 ScheitholzheizKohler. Die Experimente belegten, dass
kessel sowie etwa 14 Mio. Einzelraumfeusich mit dem Regelungssystem deutlich
erstätten.
RALPH H. AHRENS
weniger Feinstäube bilden.