Der Fremde Jesus

Predigt – „Der Fremde Jesus“ – Holger Holtz
Evangelium nach Johannes 3:
1 Einer der führenden Männer des jüdischen Volkes, ein Pharisäer
namens Nikodemus, 2 suchte Jesus einmal bei Nacht auf. Rabbi«, sagte
er zu ihm, »wir wissen, dass du ein Lehrer bist, den Gott gesandt hat.
Denn niemand kann solche Wunder tun wie du, wenn Gott nicht mit ihm
ist.« 3 Jesus entgegnete: »Ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem
geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.« – 4 »Wie kann ein
Mensch, wenn er alt geworden ist, noch einmal geboren werden?«,
wandte Nikodemus ein. »Er kann doch nicht in den Leib seiner Mutter
zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!« 5 Jesus
erwiderte: »Ich sage dir eins: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist
geboren wird, kann er nicht ins Reich Gottes hineinkommen.
6 Natürliches Leben bringt natürliches Leben hervor; geistliches Leben
wird aus dem Geist geboren. 7 Darum sei nicht erstaunt, wenn ich dir
sage: Ihr müsst von neuem geboren werden. 8 Der Wind weht, wo er
will. Du hörst zwar sein Rauschen, aber woher er kommt und wohin er
geht, weißt du nicht. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren
ist.«
9 »Wie ist so etwas möglich?«, fragte Nikodemus. 10 Jesus antwortete:
»Du bist ein anerkannter Lehrer Israels und weißt das nicht? 11 Amen,
ich versichere dir: Wir sprechen über Dinge, die wir kennen, und
bezeugen das, was wir gesehen haben. Aber keiner von euch ist bereit,
auf unsere Aussage zu hören. 12 Wenn ich zu euch über die irdischen
Dinge rede und ihr mir nicht glaubt, wie werdet ihr mir dann glauben,
wenn ich über die himmlischen Dinge mit euch rede?«
13 Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen als nur der eine, der
vom Himmel herabgekommen ist, der Menschensohn. 14 Mose richtete
in der Wüste den Pfahl mit der bronzenen Schlange auf. Genauso muss
auch der Menschensohn erhöht werden, 15 damit alle, die sich im
Glauben ihm zuwenden, durch ihn ewiges Leben bekommen.
1
Predigt – „Der Fremde Jesus“ – Holger Holtz
Es gibt dieses bekannte Lied: „Damit aus Fremden Freunde werden,
kommst du als Mensch in unsere Zeit.“ In Strophe drei geht es weiter:
„Du zeigst den neuen Weg des Friedens; das sei uns Auftrag und
Gebot“. (Rolf Schweizer) – eins der neueren Lieder, die ganz gut zu
dem passen, was zwischen Jesus und einem Mann namens Nikodemus
passiert
Zwei Fremde begegnen sich. In der Nacht. Gespräche lassen sich in der
Nacht gut führen. Mehr oder weniger ernst zu nehmende Studien sagen:
Ehepaare planen das meiste, wenn sie im Bett liegen! Offensichtlich hat
solche Zeit Vorteile: in der Nacht sehe ich nicht so viel, konzentriere
mich mehr auf einzelnes, werde ich nicht so abgelenkt.
1. Der fremde Jesus
Jesus ist in diesem Gespräch der Fremde. Nicht der Vertraute. Es ist
kein Gespräch unter alten Freunden, was da stattfindet. Jesus – der
Fremde.
Sein Reden ist fremd. Sein Hiersein ist Fremd. Das JohannesEvangelium beginnt mir den Worten: „Er, der das Wort ist, wurde ein
Mensch von Fleisch und Blut und lebte unter uns“ Das klingt fremd.
2
Predigt – „Der Fremde Jesus“ – Holger Holtz
Die griechische Formulierung lautet sogar noch fremder: er schlug ein
Zelt unter uns auf. Er baute kein Haus, errichtete kein Reich, richtete
sich nicht mit Ikea ein… Im Zelt wohnte er. Der Fremde Jesus.
Für viele Christinnen und Christen heute ist Jesus fremd. Er ist von
außen eingepflanzt. Wie eine Blumenrabatte im Garten in Stein umfasst
und abgegrenzt. Welche Blume blüht schon, wenn Eiszeit ist.
Ich habe in der vergangenen Woche einige Menschen besucht, die in
diesem Jahr ausgetreten sind. Ich identifiziere einen einzigen Grund
warum sie ausgetreten sind: Beziehungslosigkeit. Jesus – interessiert
nicht. Kirche – schon gar nicht. Keiner ist ausgetreten, weil wir nicht
richtig predigen würden. Eigenen Besitz nicht teilen wollen und
missverstandene Informationen der Sparkasse zur Abgeltungssteuer
geben dann den Anlass zum Einwohnermeldeamt zu gehen.
Der fremde Jesus. Wenn ich die Beziehung zu ihm verlieren, dann
bleibt mir am Ende nur noch – ich. Und dann dreht sich das Rad des
Egoismus. Und je schneller es sich dreht, desto distanzierter werde ich
dem Fremden gegenüber. Es ist ein Kreislauf.
Bei einer von sechs habe ich es bis ins Wohnzimmer geschafft. Bei den
anderen blieb es ein Türgespräch, ein Zaungespräch oder ein Gespräch
mit einem Fenster im 4. Stock.
3
Predigt – „Der Fremde Jesus“ – Holger Holtz
Der fremde Jesus.
Auch wenn ich ihn in meinem Leben glaube, kann er mir fremd werden.
Auch wenn Gott in meinem Leben eine Rolle spielt – Gott kann mir
fremd werden.
Wie reagieren Sie auf „Fremdes“ in Ihrem Leben? Alles, was fremd
ist, wirkt auf mich abstoßend und faszinierend zugleich. Fremdes
fordert mich heraus. Eigene Grenzen überwinden.
2. Der vetraute Nikodemus
Nikodemus macht das. Er überwindet Grenzen. Nikodemus gehört zu
den leitenden Pharisäern in Jerusalem. Zu dem hohen Rat. Ein
gestandener Mann, mitten im Leben. Mit festen Standpunkten, einem
guten Job in leitender Funktion.
Eigentlich müsste er nicht. Aber er macht es. Er geht zum dem
Fremden. Er traut sich. Nicht so, wie seinesgleichen es öfter macht.
Jesus mit kritischen Fragen auf die Probe stellen, um ihn zu überführen.
Nikodemus fragt.
Was fasziniert ihn an Jesus? Was bringt ihn dazu, sich auf dem Weg zu
machen?
4
Predigt – „Der Fremde Jesus“ – Holger Holtz
Ist es die Skepsis?- Ist Jesus wirklich der, der er vorgibt zu sein? Viele
spielen sich als Gurus auf und verleiten andere nur. Ist Gott wirklich mit
ihm und wenn ja – was will Jesus hier? Was ist sein Auftrag?
Ist es die Hoffnung? - Mir geht es zwar gut. Aber irgendwo habe ich das
Gefühl fehlt mir was. Ich brauche irgendwie einen Rückenwind in
meinem Leben. Neuen Mut. Neue Kraft. Jenseits der Gesetze und
Verordnungen der Nikodemus-Welt.
Was ist die Motivation hinter Nikodemus, die ihn in der Nacht zu Jesus
bringt? Skepsis, Hoffnung – ich finde mich in Nikodemus wieder. Er ist
mein Glauben so nah..
3. Aus Fremden werden Freunde
Jesus ist fremd in dieser Welt. Von Gott hier hineingesetzt. Er passt
nicht. Er passt nicht in die Gier der Menschen. Er passt nicht in das
Machtdenken der Menschen. Er passt nicht in das politische System der
Menschen. Er passt nicht in das Wirtschaftssystem der Menschen.
Er – Jesus, der Fremde – darf nicht passen! Sich nicht anpassen! Er
muss der Fremde sein und bleiben, damit wir ihn nicht aus den Augen
verlieren. Er muss mir in meinem Leben auffallen.
5
Predigt – „Der Fremde Jesus“ – Holger Holtz
Er muss mir auffallen – nicht untergehen. Dafür muss ich sorgen, dass
ist meine Aufgabe in meinem Glaubensleben. Durchs Losung-Lesen,
durch in den Gottesdienst gehen, durch Gespräche mit anderen, durch
das „Liken“ von christlichen Facebook-Seiten… ja! Er soll mir überall
begegnen, wo ich bin. Das muss ich machen. Dafür muss ich sorgen.
Nikodemus sorgt genau dafür in seinem Leben. Er macht es einfach. Er
redet mit Jesus. Er versteht kein Wort. Der Fremde redet fremde
Gedanken. Nikodemus versteht es nicht, aber er spürt die Liebe. Den
Geist Gottes. Ganz neu. Es ist kein Zufall, dass in diesem Gespräch der
wohl berühmteste Satz von Jesus fällt: „Denn also hat Gott die Welt
geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn
glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Deshalb können wir den fremden Jesus lieben und ihn in unser Leben
nehmen. Verstehen werden wir ihn erst, wenn wir eines Tages vor ihm
stehen werden. Aber dieser Fremde ist Gottes Geschenk an uns. Es ist
gefährlich, ihn anzunehmen und dann mit derselben Farbe meiner
Tapeten anzumalen. Damit er nicht mehr auffällt. Das war in
Nikodemus Leben so passiert. Unter allen Gesetzen und Verordnungen
fiel Gottes Geist nicht mehr auf.
6
Predigt – „Der Fremde Jesus“ – Holger Holtz
Das fasziniert mich an Jesus: Er ist kein Chamäleon, dass nach meiner
Nase tanzt. Er ist Gott. Er will mich wachrütteln. Er will, dass der Geist
Gottes in deinem Leben weht – wie ein Wind der über deinen schön
geordneten Schreibtisch manchmal fegen muss, damit du dich neu
ordnest.
Wie Nikodemus verstehe ich ihn nicht immer. Ich weiß nicht warum
keiner von den Menschen, die ich besucht habe, sich haben ansprechen
und einladen lassen – obwohl ich dafür gebetet habe. Aber Gott hat mir
sehr viele wichtige Erkenntnisse durch diese Begegnungen geschenkt.
Die wichtigsten zum Schluss:
-
Verliere nie die Beziehung zu Jesus Christus in deinem Leben.
-
Du brauchst das Fremde zum Leben.
-
Freue dich jeden Tag, dass du mit meiner Skepsis und deiner
Hoffnung zu Jesus gehen kannst.
Ich will nicht nur mich selbst haben.
Amen.
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