Winterthur Der Landbote Dienstag, 1. Dezember 2015 5 Unter dem Pausenplatz endet die Flucht asylpolitik Heute ziehen die ersten Asylsuchenden in die Zivilschutzanlage beim Schulhaus Mattenbach ein. Dasselbe Konzept wandte die Stadt in den 90ern an – mit Erfolg. An diesem Dienstagmorgen treffen die ersten von rund 100 jungen Asylsuchenden beim Schulhaus Mattenbach ein. Nachdem sie die vergitterte Eingangsrampe und die dicke Betontür hinter sich gelassen haben, erhalten sie von ORS-Mitarbeitern Bettdecken und Hygieneartikel. Die private Firma betreibt das eilig ins Leben gerufene Durchgangszentrum. Den offiziellen Auftrag des Kantons erhielt sie erst vergangene Woche. Aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen werden derzeit zusätzlich zu den bestehenden Asylstrukturen neue kantonale Zentren eingerichtet – eines davon in Winterthur. 24 Stunden pro Tag wird mindestens ein ORS-Mitarbeiter zusammen mit den Flüchtlingen im Bunker sein. Das improvisierte Büro der Sozialarbeiter liegt zwischen der Eingangsschleuse und dem Waschraum. Gleich daneben sind die offenen Schlafräume mit dreistöckigen Betten, der Dusch- und WC-Raum, eine Sitzecke sowie der Küchen- und Essraum. Es hätte für noch einmal 100 Flüchtlinge Platz Die Zivilschutzanlage ist spartanisch eingerichtet, daran hat sich auch bei den gestrigen Vorbereitungsarbeiten nichts geändert. Vor Ort waren am Montag vor allem Gebäudetechniker und Elektroniker. Ein Fust-Mitarbeiter montierte eine Satellitenschüssel. Von Zeit zu Zeit kamen Menschen aus der Nachbarschaft vorbei, stellten Fragen und äusserten Sorgen. Die Nutzung ist laut den Behörden auf sechs Monate begrenzt. Eine Verlängerung sei aber nicht ausgeschlossen. Klar ist: Neben den nun geöffneten Räumen existiert im Untergrund des Schulhauses Mattenbach eine nochmals so grosse Bunkerfläche. Sie würde mindestens 100 weiteren Flüchtlingen Platz bieten. Gegenüber dem «Landboten» betonte die ORS am Freitag, kurz nachdem der Standort bekannt geworden war, man habe Erfahrung mit dem Betrieb von Durchgangsheimen auf Schulgeländen. Diese Erfahrung hat auch die Stadt Winterthur. Von Sri Lanka, Bosnien und Kosovo nach Oberi Bereits in den 1990er-Jahren quartierte die Stadt mehrmals Flüchtlinge in der Zivilschutzanlage beim Schulhaus Wallrüti ein. Zuerst waren es vor allem Jugendliche aus Sri Lanka, die wegen des Bürgerkriegs geflohen waren und eine Zeit lang in den Bunkern neben dem grossen Sportplatz lebten. Später waren es bosnische Familien. 1999 kam die grösste Gruppe. Dutzende Familien aus Kosovo wurden im Wallrüti untergebracht. Die Flüchtlingszahlen stiegen damals in so kurzer Zeit dermassen stark, dass in der Stadt auch weitere Liegenschaften für Asylsuchende geöffnet wurden. Peter Balsiger erinnert sich gut an diese Zeit. Der Schulleiter war damals Lehrer und Schulhausvorsteher im Wallrüti. «Es war für die Schule und alle Beteiligten eine intensive Zeit», erzählt Balsiger. «Am Anfang überwog die Skepsis, wir hatten keine Ahnung, was kommen würde.» Die Befürchtung, dass die Flüchtlinge den Schulbetrieb stören könnten, habe sich aber nicht erfüllt. «Alle hiel- Eindrücke aus dem improvisierten Durchgangsheim unterhalb des Schulhauses Mattenbach. Bilder Stadt Winterthur Winterthurs neue Nationalrätin sang «ein bisschen» mit bei der Landeshymne paRlaMENt SP-Politikerin Mattea Meyer wurde gestern im Bundeshaus vereidigt. «Würdevoll» sei es gewesen, «aber natürlich auch formell». Aufstehen, warten und dann den Satz sagen: «Ich gelobe es.» Dies tat gestern Nachmittag in Bern die neue Nationalrätin aus Winterthur – damit war Mattea Meyer offiziell vereidigt. Zu Beginn der ersten Sessionswoche können die Parlamentarier wählen, ob sie einen gemeinsamen Schwur leisten wollen («vor Gott, dem Allmächtigen», mit drei Fingern in der Höhe) oder ein Gelübde (die säkulare Variante). Die Trennlinie verläuft recht genau zwischen dem bürgerlichen (religiös) und dem linken Lager (säkular), wie Meyer festgestellt hat. «Es ist eindrücklich, das als Ge- wählte zu erleben.» In der Folge stimmen alle gemeinsam die Nationalhymne an – Meyer sang «ein bisschen», so sagt sie. Sie sei eben eine schlechte Sängerin. Cédric Wermuth zeigte ihr den Bancomaten Das Bundeshaus ist für die 28-jährige Genossin kein unbekanntes Terrain. Den Nationalratssaal erlebte sie schon vor elf Jahren von «Das Bundeshaus kannte ich schon. Das machte es leichter und nahm mir die Angst.» Mit ihren 28 Jahren ist Mattea Meyer die Zweitjüngste unter den Neuen im Nationalrat. Die Genfer Grüne Lisa Mazzone ist zwei Monate jünger. key Mattea Meyer, Nationalrätin (SP) innen, als sie an einer Jugendsession im Parlament teilnahm – «jetzt habe ich einen festen Platz». Dieser liegt ganz links, in der dritten Reihe, gleich neben dem von Cédric Wermuth. An einem Einführungsmorgen im November haben die Parlamentsdienste den 54 neuen Nationalräten bereits die Abläufe im Haus erklärt. Mattea Meyer wurde zusätzlich von Fraktionskollege Wermuth herumgeführt und liess sich von diesem zeigen, wo die Bancomaten und die Schliessfächer sind. Für Probleme im Alltag ist ihr überdies ein Götti aus der eigenen Partei zugeteilt. «Hoffentlich muss ich nicht alleine singen» Den ersten Tag im Parlament verbrachte auch der in Pfungen aufgewachsene SP-Mann Angelo Barrile (Bild) – allerdings auf der Besuchertribüne. Weil er für Ständerat Daniel Jositsch in den Nationalrat nachrutscht, die Beschwerdefrist der Ständeratswahl aber noch läuft, durfte Barrile gestern nicht mittun. Erst nächste Woche soll ten die Regeln ein, es gab eigentlich fast keine Reibungspunkte.» Heute evaluiert die Stadt den Standort Wallrüti als Durchgangsheim nicht mehr, die Räumlichkeiten seien für die aktuellen Bedürfnisse zu klein. Klar ist: Da der Kanton die Kontingente für die Gemeinden erhöht hat, muss Winterthur ab dem 1. Januar weitere 120 Unterkunftsplätze stellen. Mirko Plüss er sein Gelübde sprechen, dann allerdings allein. «Jetzt habe ich eine Vorschau erhalten und weiss, wie es geht», meint der 39-jährige Politiker. Seine nachträgliche Vereidigung dürfte im Schnellverfahren erfolgen. «Ich nehme an, dass ich nicht alleine die Landeshymne singen muss, jedenfalls hoffe ich es, auch für die anderen», scherzt er. Besonders im Rampenlicht stand gestern ein weiterer «Winterthurer» in Bern: SVP-Nationalrat Jürg Stahl (Bild oben). Mit 163 zu 18 Stimmen wurde der Brüttemer zum ersten Vizepräsidenten gewählt. Stahl sass von 1994 bis 2001 im Winterthurer Gemeinderat – siebenmal so lange wie Meyer, die schon nach einem Jahr in den Kantonsrat weiterzog. Auf seine Position als Nummer 2 hinter der nominell höchsten Schweizerin, Nationalratspräsidentin Christa Markwalder (FDP), scheint der 47-Jährige stolz zu sein. Auf seiner Internetseite verlieh er sich den Titel «Vizepräsident des Nationalrats» gestern jedenfalls schon, als die Wahl noch bevorstand. Christian Gurtner Rauchende Köpfe in Lokal polizEi Bei einer Kontrolle in einem Restaurant in der Altstadt bekamen 18 Gäste eine Busse, weil sie rauchten. Für den Wirt hatte es härtere Konsequenzen. Freitagabend, kurz nach 21.30 Uhr. Die Stadtpolizei kontrollierte mit mehreren Beamten ein Restaurant an der Technikumstrasse. Dabei ertappte sie 18 Gäste in flagranti beim Rauchen. «Wir hatten keinen konkreten Hinweis», sagt eine StapoSprecherin. «Aber bereits von draussen sah man, dass drinnen geraucht wurde.» Sämtliche rauchenden Gäste bekamen eine Ordnungsbusse von 80 Franken. Seit 2010 ist Rauchen in öffentlichen Räumen verboten. «Proteste gegen die Bussen gab es keine.» Vor den Stadtrichter Der Wirt wurde wegen Verstosses gegen das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen und das Gastgewerbegesetz verzeigt. Er muss sich vor dem Stadtrichter verantworten. Um welches Restaurant es sich handelt, gibt die Polizei nicht an. Die Betreiber des Orsini, des Ciel Bleu und des Bistros Alte Kaserne wussten von nichts, das Rössli war gestern geschlossen und im Sam-Sali Orient hiess es: «Kein Kommentar.» hit
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