Predigt zu Lukas 21,25-33, 2. Advent, 7. Dezember 2015

Predigt zu Lukas 21,25-33, 2. Advent, 7. Dezember 2015,
Martinskirche, Pfarrerin Regina Reuter-Aller
25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird
den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres,
26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen
sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.
27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer
Kraft und Herrlichkeit. 28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt
eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an:
30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe
ist. 31 So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes
nahe ist.
32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht.
33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.
Liebe Gemeinde,
Hand auf’s Herz, wer rechnet denn ernsthaft mit der Wiederkunft Jesu?
Im Glaubensbekenntnis sagen wir im 2. Artikel von Jesus Christus: … aufgefahren in den
Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen zu
richten die Lebenden und die Toten. Aber verdirbt uns dieses Thema nicht die schöne
Adventsstimmung mit Weihnachtsmarkt und Glühweinduft, Musik und Kerzenschein?
Wenn ich ehrlich sein soll: mir geht es mit der Wiederkunft Christi ähnlich wie mit der
Wiedervereinigung. Dass die beiden Teile unseres Landes noch meinen Lebzeiten wieder
eins werden, - damit hatte ich wie wohl die meisten Menschen in unserem Land auch nicht
gerechnet. Ich gehörte auch zu denen, die dachten: es wird wohl immer so weitergehen, wie
es eben ist, mal besser, mal schlechter. Und dann kam er doch, der Sommer 1989 mit den
die Menschenmassen in der Prager Botschaft und am 9. November der Tag der
Maueröffnung. Was da geschah war so weder vorhersehbar noch berechenbar.
Wenn ich recht verstehe, geht es dem Evangelisten Lukas auch gar nicht um Zahlen und
Daten und konkrete Berechnungen. Unser Predigtabschnitt ist nicht voller Zahlen. Aber er ist
sondern voller Zeichen und Bilder.
Da ist zunächst das Bild einer aus den Fugen geratenen Welt und von Menschen, die in
ihren existenziellen Ängsten buchstäblich eingeklemmt sind zwischen der Bedrohung, die
sich am Himmel zusammenbraut und den Erschütterungen, die das Meer aufwallen lässt. Die
Welt droht im Chaos zu versinken. Ich brauche das nicht weiter auszumalen. Jeder und jede
weiß genügend Beispiele für welche Orte der Welt diese Beschreibung zutrifft. Und jede und
jeder weiß wahrscheinlich auch um verzagte und verzweifelte Menschen oder weiß aus
eigener Erfahrung, wie das ist, vor Angst schier zu vergehen.
Aber bestand nicht schon immer die Gefahr, sich von solchen Zuständen bannen zu lassen?
Vor einigen Jahren wurde das Wort von der „German Angst“, der Deutschen Angst“ geprägt.
Wir Deutsche hätten einen besonders starken Hang dazu, Entwicklungen und Dinge
ausschließlich negativ zu deuten und uns davon total einnehmen zu lassen. Auch in den
letzten Tagen ging die Rede vom Untergang immerhin des Abendlandes umher, weil in
Thüringen ein Ministerpräsident gewählt wurde, der der PDS angehört.
Spekulationen und Berechnungen über das Ende der Welt und den Zeitpunkt der
Wiederkunft Jesu gab es in den letzten 2000 Jahren genug. Sie haben die unterschiedlichsten
Blüten getrieben. Immer wieder gerieten Menschen in Hysterie, als stünde der
Weltuntergang kurz bevor, bloß will es eine Sonnenfinsternis gab oder ein
Jahrtausendwechsel anstand. Ereignisse wie Naturkatastrophen, denen man hilflos
gegenüber stand, Kriege oder die Pest im Mittelalter nährten die Furcht vor dem Ende.
Durch die weltweite Vernetzung erfahren wir heute schnell, wenn sich irgendwo auf der
Welt ein Terrorakt, ein Erdbeben oder ein Vulkanausbruch ereignet hat. Die Ereignisse
scheinen sich zu häufen. Dann suchen die einen ihr Heil in Horoskopen oder bei Astrologen,
andere hoffen ihre Zuflucht bei selbst ernannten Rettern zu finden. Wo die Welt mit ihren
Ordnungen, sei es im Großen und Ganzen, sei es im ganz Persönlichen ins Wanken gerät,
treten schnell unseriöse Machtmenschen und falsche Propheten auf, die ihre Rezepte und
Lösungen anbieten und sich als Retter und Erlöser aufspielen. Erfüllt hat sich bislang keine
der Prophezeiungen. Im Gegenteil: Immer haben diese Wege nur Unheil und Verderben über
die Menschen gebracht. Wer sich so berechnend auf die Wiederkunft Jesu vorbereitet, geht
den falschen Weg und wird zwangläufig enttäuscht.
Was Lukas in seinem Evangelium zunächst benennt, die Zeichen am Himmel und das Toben
des Meeres, sind nicht das letzte Bild einer untergehenden Welt. Vor das verheerende
Unheil schieben sich starke Hoffnungszeichen. Die Menschen – und wir dürfen gewiss sein,
dass wohl alle, die vor Angst nicht mehr ein und aus wissen, gemeint sind – sehen den
Menschensohn auf einer Wolke kommen, ausgestattet mit Macht und Herrlichkeit.
Vor das Unheilsbild schiebt sich ein Trostbild. Der auf einer Wolke herannahende
Menschensohn ist ein Trostbild! Kein Drohbild! Er bringt nicht Vernichtung. Er bringt
Erlösung.
Seinem Kommen gilt die Aufforderung: Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure
Erlösung naht.
Sein Kommen ermutigt zu einem Blick- und Haltungswechsel. Seinem Kommen dürfen wir
hoffnungsfroh entgegensehen. Wir wissen doch, wer er ist. Es wird der wiederkommen, von
dem Maria sang in ihrem Lied: Er hat große Dinge an mir getan. … Er übt Gewalt mit seinem
Arm und zerstört, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron
und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer
ausgehen. Vgl. Lk 1,46-55
Es wird der wiederkommen, der sagt: Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. Vgl. Lk
6, 20-23
Es ist der, die Geplagten und Gebeugten und in sich Verbogenen aufrichtet, so wie jene Frau
nach qualvollen 18 Jahren. (Hinweis auf die vorhin gehörte Schriftlesung) Vgl. Lk 13,10-13.
Es ist der gekreuzigte und auferstandene und in den Himmel aufgenommene Herr, der
wiederkommen wird.
Seine Wiederkunft brauchen nur die zu fürchten, die um ihre eigene Macht und ihren
Besitzstand fürchten. Nur die Mächtigen, die wollen, dass immer alles so weitergeht und für
sie noch besser wird wie bisher. Nur solche, die keine Veränderung zum Guten wollen, keine
persönliche und soziale Befreiung, keine Erneuerung von Leib und Seele, kein Ende der
Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen, keine Errichtung von Gerechtigkeit und Frieden.
Alle anderen und besonders die Armen und Elenden dürfen sich freuen und brauchen nicht
resignieren. Es wird nicht immer alles so weitergehen. Eine Wandlung zum Guten hin wird
kommen. Die Erlösung von allem Bösen.
Wenn man sich in der Welt umschaut, liebe Gemeinde, will man das kaum mehr glauben.
Schon der Evangelist Lukas schickte darum die Menschen in die Natur um die Augen dort
aufzumachen. Den Feigenbaum kannte jeder. Es war der Baum, der unter den klimatischen
Bedingungen in Palästina anders als die anderen Bäume im Winter seine Blätter verlor, als
aussah wäre er tot. Dabei geht die Zeit der Winterstarre nur dem dann plötzlich
hereinbrechenden Sommer voraus. Bereits das erste Ausschlagen ist untrügliches Zeichen
dafür, dass der Sommer nahe ist. Deshalb stand seit alters her der Feigenbaum für die
Gewissheit, dass sich einmal alles endgültig zum Guten wendet. Der Feigenbaum ist Zeichen
des kommenden Segens, also das genaue Gegenbild zum Weltuntergang. „Seht auf und
erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“
Wer am Großen zu verzweifeln droht, geht gerne hinaus in die Natur, um auf andere
Gedanken zu kommen. Die Barbarazweige, die man am Barbaratag, am 4. Dez. schneidet,
damit sie an Weihnachten blühen, die Amarylliszwiebeln, die Christrosen und alles was auch
im Winter grünt und blüht, das Grün am Adventskranz, die Tannenbäume, alles kann helfen
um das Grau in Grau und Dunkel der Welt und der viell. eigenen Seele zu vertreiben, und
vom kleinen anscheinend Unscheinbaren auf das Große und Ganze zu schließen. All das
kann helfen, Glauben zu fassen und die Hoffnung nicht aufzugeben. Alles wird gut. An der
Natur kann man sich erfreuen, das hilft.
Lieber noch als solche Zeichen in der Natur sind mir die Worte Jesu und andere Worte der
biblischen Überlieferung. Wenn mir jemand diese Worte sagt oder wenn ich sie betrachte
und meditiere und darüber nachdenke, dann werden es für mich Worte, die mich direkt
ansprechen und aufsehen lassen und aufrichten. Nicht immer und wie wenn man bei einem
Automat auf’s Knöpfchen drückt. Aber doch immer wieder. Meine Worte werden nicht
vergehen, sagt Jesus.
Jesu Worte sind erlösende Worte. So verstehe ich sie jedenfalls. Jede und jeder hat vielleicht
seine Lieblingsworte.
Jesu Worte lösen und sie lösen etwas aus. Sie erlösen von dem, was bedrückt und bedrängt
und schwer auf dem Herzen liegt. Sie richten Menschen auf und machen sie heil. Sie machen
froh und frei; Sie motivieren auch selbst etwas zu tun, was dem Kommen des Reiches Gottes
entspricht. Dafür gibt es viele Möglichkeiten:
- Andere das Leben nicht unnötig schwer machen
- Auf’s aufrechnen von Schuld zu verzichten.
- Mich selbst von etwas befreien, z.B. von unguten Gewohnheiten.
- Mich fragen, wer auf mein Verzeihen wartet.
- oder auf einen Brief von mir, oder einen Besuch.
- Not lindern, Geld spenden.
- Fremde und Flüchtlinge willkommen heißen.
- Beten für andere.
Sage keiner, er oder sie könne nichts tun!
Ob das Thema der Wiederkunft Jesu die schöne Adventsstimmung verdirbt habe ich
eingangs der Predigt gefragt. Nein, das tut es nicht. Im Gegenteil. Es bringt die richtige
Stimmung in den Advent. Die freudevolle und hoffnungsfrohe Einstimmung auf SEIN
Kommen. Auf das Kommen Jesu Christi.
SEIN Kommen bedroht allenfalls diejenigen und diejenigen Kräfte, die Gott mit seiner Liebe
aus dieser Welt herausgedrängt haben wollen. Die aber, die nach ihm Ausschau halten und
ihn von Herzen erwarten werden sich freuen.
Hans-Dieter Hüsch schreibt in einem Psalm:
Mit fester Freude lauf ich durch die Gegend
Mal durch die Stadt
Mal meinen Fluss entlang.
Jesus kommt
Der Freund der Kinder und der Tiere
ich gehe völlig anders
Ich grüße freundlich
Möchte alle Welt berühren
Mach dich fein
Jesus kommt
Schmücke dein Gesicht
Schmücke dein Haus und deinen Garten
Mein Herz schlägt ungemein
Macht Sprünge
Mein Auge lacht und färbt sich voll
Mit Glück
Jesus kommt
Alles wird gut.*
Amen
EG 9,1+4-6 Nun jauchzet all ihr Frommen
*Hans Dieter Hüsch, Uwe Seidel: Ich steh unter Gottes Schutz. Psalmen für Alletage, 13.
Auflage 2014, tvd-Verlag Düsseldorf 1996, S. 124