Faktenblatt «Energiestrategie 2050» AKW-‐Sicherheit Reduktion der Sicherheitsmargen von Alt-‐AKW -‐ Der Fall Beznau. Basierend auf einer neuen Studie von Yves Marignac, französischer Nuklearexperte, Direktor WISE-‐Paris. Ganze Studie herunterladen unter: www.energiestiftung.ch/sicherheitsmargen Die beim Bau erreichten Sicherheitsmargen bei Atomkraftwerken nehmen mit der Zeit ab. Diese Margen mit Investitionen in Nachrüstungen zu erhalten, wie die Betrei-‐ ber das versuchen, ist eine Illusion. Das zeigt die neue Studie des französischen Nu-‐ klearexperten Yves Marignac, der am Beispiel des AKW Beznau das Erodieren der Sicherheitsmarge eindrücklich darstellt. Empfehlung für KEG-‐Beratung: Die SES empfiehlt der UREK-‐N, das Langzeitbetriebskonzept im Kernenergiegesetz zu verankern. Die auch von der Aufsichtsbehörde ENSI verlangte Verbesserung der Sicherheitsmargen ist gerade bei alten AKW wichtig. Die Sicherheitsmargen werden immer kleiner Wie jede technische Anlage wird ein AKW mit der Zeit immer unzuverlässiger: Materialien verspröden und Komponenten fallen aus. Um das Risiko eines Unfalls trotz Alterung möglichst gering zu halten, wird beim Bau einer Anlage eine Sicherheitsmarge eingerechnet – sozusagen eine Extra-‐Sicherheits-‐Reser-‐ ve. Diese wird besonders bei Anlagen wie Beznau I und II (seit 46 bzw. 44 Jahren in Betrieb), die über ihre ursprünglich vorgesehene Laufzeit von 40 Jahren betrieben werden, rasch kleiner. Teure Nachrüstungen, wie sie die Axpo im Fall Beznau vornimmt, können den ursprünglichen Zustand der Anlage nicht wieder herstellen. Das bedeutet: Das Risiko eines Ausfalls und/oder Unfalls nimmt zu. Warum die Sicherheitsmarge immer kleiner wird (Illustration der Beispiele siehe Grafik) • Die Zuverlässigkeit einzelner Komponenten nimmt ab. (z.B. Versprödung im Reaktordruckbehälter, alte Kabel etc.) • Es ist unmöglich, gewisse zentrale Komponenten in Stand zu halten oder zu ersetzen. (z.B. das Herzstück der Anlage, der Reaktordruckbehälter) • Es ist unmöglich, gewisse zentrale Komponenten der Anlage zum Schutz gegen neue Gefahren zu modernisieren. (z.B. Stärkung der Gebäudehülle für grössere Flugzeuge) • Nachrüstungen werden zum Teil aus ökonomischen Gründen nicht getätigt. (z.B. Stärkung des Schutzes des Brennelementlagerbeckens) Gesetzliche Anforderung Realer Zustand AKW (nicht genau abschätzbar) • Nachrüstungen führen zu neuen Schwachstellen. (z.B. Bohrung durch die Sicherheitshüllen für Deckelwechsel) Weniger Sicherheit Sicherheitsmarge wird kleiner Gesetzliche Anforderungen nehmen mit der Zeit zu Mehr Sicherheit Realer Zustand eines AKW nimmt mit der Zeit ab Grafik 1 illustriert, weshalb die Sicherheitsmargen eines AKW mit der Zeit abnehmen. Einerseits werden die gesetzlichen Anforderungen durch neue Erfahrungen (wie z.B. Fukushima) mit der Zeit tendenziell schärfer, zumindest im internationalen Regelwerk. Andererseits nimmt der Zustand der Anlage trotz Nachrüstungen sukzessive ab. Quelle: Wise-‐Paris 2015. Wieso die Beurteilung der Sicherheitsmargen zunehmend ein Blindflug ist • Die Genauigkeit der Abschätzung des wahren Sicherheitszustands des Reaktors nimmt ab, weil die Erfahrung mit gealterten Anlagen fehlt. (Z.B. wurden die Anomalien im Reaktordruckbehälter in Belgien, resp. in Beznau per Zufall entdeckt) • Es ist unmöglich, alle Komponenten zu kontrollieren. (In einem AKW hat es z.B. 1000 km Kabel) Die Grenzen der Nachrüstungen Um dieser Minderung der Sicherheitsmarge entgegen zu wirken, kann die Atomaufsichtsbehörde Massnahmen einleiten: Verschärfte Kontrollen, zu-‐ sätzliche Untersuchungen, Nachrüstungen von Komponenten etc. Nachrüs-‐ tungen erlauben es, die Sicherheitsmarge wieder etwas zu erhöhen. Doch sie vermögen in keinem Fall den ursprünglichen Zustand einer Anlage wieder herzustellen. Zudem ist oft unklar, wie sicher der reale Zustand nach einer Nachrüstung ist. Die Folgen einer Nachrüstung werden bei der Sicherheits-‐ beurteilung eines AKW vielfach nur abschätzungsweise berücksichtigt. So führt zum Beispiel in Beznau die Öffnung des Reaktordruckbehälters für den Aus-‐ tausch des Deckels zu einer Schwächung der Sicherheitsbehälter (siehe Grafik). Sicherheitsmarge nimmt ab Beispiel Beznau I Sicherheitsgebäude nicht verstärkt trotz grösserer Flugzeuge als bei Inbetriebnahme Reaktordruckbehälter geschwächt - spröder - 1000 Anomalien Sicherheitsbehälter geschwächt - Durchbohrung für Deckelwechsel - Korrosionsschäden Brennelementbecken nicht nachgerüstet liegt ausserhalb des Sicherheitsbehälters: ist seit Fukushima als Gefahr annerkannt Sicherheitsmarge Sicherheitsmarge Sicherheitsmarge Sicherheitsmarge Die ursprünglich eingeplante Sicherheitsmarge wird mit dem Alter und trotz Nachrüstungen immer kleiner. Grafik 2 zeigt eine Auswahl der grössten Sicherheitsdefizite des AKW Beznau I, die zur Minderung der Sicherheitsmarge beitragen. Gewisse Defizite entstehen durch Materialermüdung, andere durch nicht aktuelle Sicherheitszustände, insbesondere bei der Gebäudehülledicke. Weitere Defizite sind im Zuge von Nachrüstungen entstanden, wie etwa die Schwächung des Sicherheitsbehälters durch den Deckel-‐ austausch. Sicherheitsniveau nimmt ab – es braucht mehr Kontrolle Auch mit zusätzlichen Bemühungen seitens der Atomaufsicht und der Betreiber ist es nicht möglich, das ursprüngliche Sicherheitsniveau zu halten. Mit zuneh-‐ mendem Alter sind verschärfte Kontrollen nötig, die Komplexität nimmt expo-‐ nentiell zu. Mit einem gesetzlich geregelten Langzeitbetriebskonzept kann die Aufsichts-‐ behörde ENSI diesen Defiziten bei Alt-‐Anlagen und damit der Minderung der Sicherheitsmarge besser entgegen wirken. Die heute vorgesehenen Kontroll-‐ mechanismen (Periodische Sicherheitsüberprüfung alle 10 Jahre) reichen nicht aus. Es braucht eine vorausschauende Sicherheitskultur mit höheren Sicher-‐ heitsmargen. Das ENSI selbst fordert ein Langzeitbetriebskonzept, wie die Aufsichtsbehörde der UREK bereits 2014 mitgeteilt hat: «Ein solches Langzeitbetriebskonzept stellt einen Gewinn für die Sicherheit der Schweizer Kernkraftwerke dar. Es sorgt dafür, dass gewährleistet ist, dass die Betreiber der Kernkraftwerke tatsächlich weiterhin rechtzeitig alle nötigen Nachrüstungen tätigen und so bis zum letzten Betriebstag über die nötigen Sicherheitsmargen verfügen.» Die SES engagiert sich seit 1976 für eine intelligen-‐ te, umwelt-‐ und menschengerechte Energiepolitik. Diese orientiert sich an der 2000-‐Watt-‐Gesell-‐ schaft. Die SES setzt sich für den effizienten Ein-‐ satz von Energie und die Förderung und Nutzung
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