WIRTSCHAFT 27 Neuö Zürcör Zäitung Dienstag, 9. Februar 2016 Leasing-Regel bringt Airlines ins Schwitzen Die internationale Rechnungslegung bringt ausserbilanzielle Verpflichtungen ans Licht Viele grosse Unternehmen müssen bald praktisch alle Leasingverträge in die Bilanz aufnehmen. Das dürfte die Eigenkapitalquoten zum Teil deutlich schmälern. Betroffen sind vor allem Fluggesellschaften und Detailhändler. CHRISTOPH G. SCHMUTZ Firmen zeigen in ihrer Bilanz nicht alle Verpflichtungen. Der Grossteil davon liegt wie bei einem Eisberg weitgehend unsichtbar unter Wasser. Was nach einer Verschwörungstheorie klingt, das traf lange Zeit zumindest teilweise auf die Verbuchung von Leasingverträgen zu. Sowohl nach amerikanischen Regeln (US-GAAP) als auch nach internationalen Normen (IFRS) war es etwa Airlines erlaubt, ihre geleasten Flugzeuge unter bestimmten Bedingungen nicht zu bilanzieren. Das konnte dazu führen, dass man die tatsächlichen Schulden einer Firma in der Aussenperspektive tendenziell unterschätzte. Damit soll nun aber Schluss sein. Alles in die Bilanz Anfang Jahr hat das für die IFRS verantwortliche Gremium IASB einen neuen Standard zu Leasinggeschäften veröffentlicht. Er zwingt Unternehmen, alle geleasten Vermögenswerte mit einem Wert von über 5000 $ und mit einer Vertragsdauer von mehr als einem Jahr in die Bücher aufzunehmen. Gleichzeitig ist eine entsprechende Verbindlichkeit zu verbuchen. Zuvor hatte es für sogenannte «operative Leasingverträge» ausgereicht, lediglich die monatlichen Zahlungen in der Erfolgsrechnung als operative Kosten auszuweisen. Immerhin mussten gleichzeitig zusätzlich die Mindestzahlungen aus unkündbaren Verträgen im Anhang offengelegt werden. Das amerikanische Pendant des IASB, das FASB, dürfte seinerseits demnächst mit einer vergleichbaren Bestimmung nachziehen. Die Schweizer Norm Swiss GAAP FER (SGF) bleibt bei der alten, an IFRS angelehnten Praxis. Ab 2019, wenn die neue IFRS-Regel in Kraft tritt, dürften also die Bilanzen gewisser Unternehmen deutlich umfangreicher werden. Insgesamt schätzt das IASB aufgrund einer Auswahl von 30 000 kotierten Unternehmen, dass rund 87% von total 3,3 Bio. $ an künftigen Leasingverpflichtungen per Ende Seilbahnen mit Durchhänger Massiver Einbruch im Tessin (sda) V Nach einem schneearmen Dezem- ber auch noch ein sehr milder Januar: Die erste Hälfte der Wintersaison fällt für die Schweizer Seilbahnen denkbar schlecht aus. Im Vergleich zum Vorjahr gab es 7% weniger Gäste und einen Umsatzrückgang von 12,8%. Zwar herrschten dank künstlicher Beschneiung an vielen Schneesportorten gute Pistenbedingungen, teilten Seilbahnen Schweiz am Montag mit. Doch das frühlingshafte Wetter in den Niederungen habe bisher keine richtige Winterstimmung aufkommen lassen. Und das trübe auch die Lust auf Wintersport. Am meisten betroffen vom Schneemangel war bisher das Tessin. Die dortigen Bergbahnen verzeichneten 90,5% weniger Gäste und damit einen Umsatzrückgang um 72,1%. Spürbar sei auch der Einfluss des hohen Frankenkurses, hiess es weiter. Darunter litten vor allem die Bündner Bahnen, die besonders stark auf Gäste aus dem Euro-Raum ausgerichtet seien. Die Bahnen mussten im Vergleich zum letzten Jahr einen Besucherrückgang von 15,3% und einen Umsatzeinbruch von 18,8% hinnehmen. Nur ein Bruchteil der Leasingverbindlichkeiten von Firmen erscheinen bis jetzt in der Bilanz Künftige Leasingzahlungen Schätzung, Geschäftsjahr 2014, Stichprobe von 30000 kotierten Unternehmen, Verbindlichkeiten nicht diskontiert, 100% = 3,3 Bio. $ Nicht in der Bilanz 87% In der Bilanz 13% Fluggesellschaften und Detailhändler am stärksten betroffen Anteil nicht in der Bilanz ausgewiesener Leasingverbindlichkeiten im Verhältnis zur Bilanzsumme 1, in % Auswirkungen je nach Firma ziemlich unterschiedlich Branche Nicht bilanzierte Leasingverträge im Verhältnis zur Bilanzsumme In %, linke Skala Fluggesellschaften Detailhändler Reisen und Freizeit Transport Telekommunikation Energie Medien Durchschnitt Grosshändler Informationstechnologie Gesundheitswesen Andere Anstieg der operativen Gewinnmarge In Prozentpunkten, rechte Skala 70 60 50 40 30 20 10 0 0 1 5 10 15 20 7 6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 25 4 5 6 7 8 9 Fluggesellschaften 1–10 10 Schätzung, Verbindlichkeiten diskontiert. NZZ-Infografik/lea. QUELLE: IASB 2014 nicht in den Bilanzen ausgewiesen wurden (vgl. Grafik). Berücksichtigt man den Zeitwert des Geldes, entspricht das einer Summe von 2,2 Bio. $, die künftig in den Bilanzen auftauchen und die Eigenkapitalquoten der betroffenen Unternehmen schmälern wird. Gemäss einer Analyse der gut 1000 Unternehmen, die für rund drei Viertel der nicht bilanzierten Verbindlichkeiten verantwortlich sind, sind insbesondere Fluggesellschaften und Detailhändler sowie Unternehmen aus den Bereichen Transport, Reisen und Logistik betroffen. Vergleicht man die neu zu bilanzierenden Werte mit der Bilanzsumme per Ende 2014, kommen Unternehmen aus diesen Branchen auf Anteilswerte von durchschnittlich 12% bis 23%. Viel Leasing bei Air Berlin Der Lufthansa-Konzern, zu dem auch die Schweizer Tochterfirma Swiss gehört, erwartet nur geringfügige Auswirkungen. Man besitze die meisten Flugzeuge selber und halte nur einen kleineren Teil im Rahmen eines «Operating Lease». Aufgrund der Zahlen für das Geschäftsjahr 2014 dürfte sich die Bilanz der Lufthansa-Gruppe grob geschätzt wohl nur im einstelligen Prozentbereich vergrössern. Damit befände sich das Unternehmen unter den weniger stark betroffenen Airlines. Gemäss einer Analyse des IASB von zehn verschiedenen Fluggesellschaften variieren die als Anteil an der Bilanzsumme 2014 gemessenen ausserbilanziellen Verpflichtungen zwischen 5% und 66%. Im Vergleich mit Lufthansa dürfte sich Air Berlin am entgegengesetzten Ende des Spektrums wiederfinden. Die nicht diskontierten künftigen Mindestzahlungen aus unkündbaren Leasingverträgen mit einer Laufzeit von über einem Jahr beliefen sich Ende 2014 auf 2,4 Mrd. €, was mehr war als die gesamte von Air Berlin ausgewiesene Bilanzsumme von 1,8 Mrd. €. Die grössten Schweizer Detailhändler sind von der Änderung kaum betroffen. Marktführer Migros hat per Anfang 2015 vom Rechnungslegungsstandard IFRS zum Schweizer Regelwerk SGF gewechselt, das wie erwähnt keine systematische Bilanzierung sämtlicher Leasinggeschäfte kennt. Konkurrent Coop wendet ebenfalls SGF an. Wie umfangreich Leasing gerade im Detailhandel genutzt wird, zeigen die Beispiele von H&M und Inditex. Insbesondere der schwedische Kleiderhändler wird gerne für sein Geschäftsmodell gelobt, das wenig kapitalintensiv sei und eine attraktive Verzinsung des eingesetzten Kapitals von um die 50% erlaubt. Das dürfte etwas anders aussehen, wenn künftig die Leasingverbindlichkeiten umfassend berücksichtigt werden. Die nicht erfassten künftigen Zahlungen für Leasingverträge am Ende des Geschäftsjahres 2014 betrugen bei H&M 87% der Bilanzsumme. Der spanische Konkurrent Inditex kam auf durchschnittliche 21%. Kommen wie bei H&M zu einer Bilanzsumme von 100 Fr. nochmals 87 Fr. an Fremdkapital hinzu, wird die Eigenkapitalquote gehörig zusammengestaucht. Das ist insbesondere für notleidende Firmen ein äusserst unwillkommener Effekt. In der Schweiz hat sich der Kleiderhändler Charles Vögele diesbezüglich mit dem Wechsel im Jahr 2014 zu SGF aus der Schusslinie genommen. Betroffen sein wird dagegen der kotierte Kioskkonzern Valora. Die neue Regel werde wie bei anderen Unternehmen auch zu Änderungen auf verschiedenen Ebenen führen, lässt die DKSH kämpft mit Gegenwind Ertragskraft dank Neugeschäft auf hohem Niveau verteidigt Die DKSH-Gruppe ist 2015 in Asien nicht mit voll geblähten Segeln unterwegs gewesen. Der Verkauf des Uhrenherstellers Maurice Lacroix verzögert sich. WERNER ENZ Die in südostasiatischen Märkten und in Japan verankerte DKSH-Gruppe hat im vergangenen Jahr vorab im Segment Luxus- und Lifestyle-Produkte einige Rückschläge verkraften müssen. Dennoch gelang es, den Netto-Umsatz bereinigt um Akquisitionen und zu konstanten Wechselkursen um 4,4% zu steigern. Konzernchef Jörg Wolle sprach an der Jahrespressekonferenz von erheblichem Gegenwind in mehreren Absatzmärkten. Thailand enttäuschte. Allerdings wurden die Marktpositionen in Vietnam (3600 Mitarbeiter), in Burma (2100 Mitarbeiter) und in Kambodscha weiter ausgebaut. Kurzfristig vorsichtig zuversichtlich, langfristig uneingeschränkt optimistisch – mit dieser Wendung beschrieb Wolle die jetzige Markt- konstellation, die doch von einigen Unsicherheiten geprägt ist. Die Erhöhung der Dividende um 13% ist im jetzigen Umfeld sehr bemerkenswert. Zum in die Wege geleiteten, noch nicht vollzogenen Verkauf von Maurice Lacroix verlautete nichts Neues. DKSH hat den Ausstieg aus der Uhrenfabrikation angekündigt wie auch die Beendigung eines Joint Venture mit Zino Davi- DKSH in Zahlen Geldwerte in Mio. Fr. (IFRS) Nettoumsatz Ebit Konsumgüter Healthcare Spezial-Rohstoffe Technologie Reingewinn Ergebnis je Aktie (Fr.) Dividende Bargeldbestand (netto) Eigenkapital Eigenkapitalrendite (%) Mitarbeiter 2014 9 818 272,7 130,9 128,7 52,5 11,5 195,5 2.96 1.15 293 1 449 13,3 27 550 2015 10 051 270,2 29,7 215,0 51,4 20,1 199,6 3.11 1.30 469 1 540 13,4 28 340 j% 2 –1 –77 67 –2 75 2 5 13 60 6 – 3 Firma wenig konkret ausrichten, eine vorzeitige Anwendung sei nicht geplant. Ähnlich tönt es auch von Vertretern der Logistikbranche. Robert Erni, Finanzchef von Panalpina, meint dazu, man werde erst nach der Veröffentlichung der Jahreszahlen 2015 Simulationen durchführen, um die konkreten Auswirkungen zu beziffern. Ende 2014 waren bei Panalpina Zahlungen in der Höhe von 17% der Bilanzsumme ausstehend, bei Konkurrent Kühne + Nagel waren es 15%. Es ist allerdings zu beachten, dass bei der Verbuchung nicht die nominalen Zahlungen berücksichtigt werden, sondern dass die Verbindlichkeiten zu diskontieren sind, um den Zeitwert des Geldes abzubilden. Dadurch liegen die erwähnten groben Schätzungen tendenziell zu hoch. Mehr operativer Gewinn Neben der geringeren Eigenkapitalquote gibt es auch einen positiven Effekt, der für etwas Erleichterung sorgen dürfte bei Firmen, die intensiv Leasingverträge nutzen. Die in der Erfolgsrechnung bisher im operativen Aufwand erfassten Leasingzahlungen werden künftig in einen Zins- und einen Abschreibungsteil aufgetrennt. Dadurch werden die Kosten bildlich gesprochen in der Erfolgsrechnung «nach unten geschoben». Somit ändert sich beim Reingewinn zwar nichts, doch der ebenfalls etwa von Investoren vielbeachtete operative Gewinn – zum Beispiel vor Abschreibungen, Wertberichtigungen, Zinsen und Steuern, Ebitda – verbessert sich wegen der «wegfallenden» Kosten. Mit der Veröffentlichung des neuen Leasingstandards kommt ein Projekt zum Abschluss, das vor knapp zehn Jahren gestartet worden ist und durchaus umstritten war. Sowohl der erste als auch der zweite Entwurf seien von den Anwendern als zu kompliziert, zu detailliert und zu aufwendig abgelehnt worden, sagt Thomas Wicki, IFRS-Spezialist bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. Die nun vorliegende Version sei bedeutend einfacher. Die Macher der IFRS wollten damit die Transparenz und die Vergleichbarkeit der Firmen untereinander verbessern. Die «alte» Behandlung von Leasingverträgen sei zudem zunehmend in die Kritik geraten. Gemäss dem IASB haben unter anderem in Not geratene Detailhändler zum Teil extensiv von der ausserbilanziellen Finanzierung von Vermögenswerten wie etwa den Verkaufsläden Gebrauch gemacht. Wende beim Tanktourismus Erdölabsatz in der Schweiz steigt doff; erfolgswirksam wurden 58,7 Mio. Fr. verbucht. Ohne diese Belastung wäre der Ebit der Geschäftseinheit Konsumgüter um einen Drittel auf 88,4 Mio. Fr. gesunken. Der Zufall wollte es, dass in derselben Periode zwei Pharma-Eigenmarken mit einem Gewinn von 64,5 Mio. Fr. in China veräussert werden konnten. Auch ohne diesen Sondererlös steigerte die Einheit Healthcare den Ebit um 17% auf 150,5 Mio. Fr. Healthcare war wiederum das Zugpferd im Konzern, was sich auch in dessen Umsatzdynamik (+10%) spiegelte. Die Geschäftseinheit Spezial-Rohstoffe wurde durch den Zukauf des Distributors Andreas Jennow verstärkt. Gewinne aus der Absicherung von Währungsschwankungen flossen am Ebit vorbei in den Gewinn vor Steuern, das heisst, die ausgewiesene Ebit-Zahl (von 51,4 Mio. Fr.) reflektierte das Erreichte nicht vollumfänglich. Der Turnaround der Einheit Technologie kam nach einem früher vollzogenen Managementwechsel voran, und es gelang, in Japan und in China mehr Präzisions- und Textilmaschinen abzusetzen. «Reflexe», Seite 36 gvm. V Im vergangenen Jahr sind in der Schweiz gut 10,0 (i. V. 9,7) Mio. t Erdölprodukte abgesetzt worden, 3% mehr als im Vorjahr. Laut Zahlen der ErdölVereinigung hat der zweistellig wachsende Absatz von Brennstoffen (+15,8% auf 3,2 Mio. t) den rückläufigen Verkauf von Benzin mehr als kompensiert. Zum einen hat die Zahl der Heiztage nach einem milden Vorwinter um 10,5% zugenommen, zum anderen haben die Konsumenten gegen Ende 2015 ihre Tanks gefüllt, bevor die erneute Erhöhung der CO2-Abgabe in Kraft getreten ist. Ende Jahr belief sich die Füllgrad im Durchschnitt auf mehr als 60%. Obwohl der Fahrzeugbestand um 1,8% zugenommen hat, ging der Absatz von Benzin und Diesel (–0,6%) zurück. Der besonders starke Rückgang beim Autobenzin wird mit dem stärkeren Franken erklärt. Dieser hatte zur Folge, dass es sich für ausländische Fahrzeuglenker seit Mitte Januar 2015 nicht mehr lohnte, in der Schweiz zu tanken. Stattdessen fahren nun die Schweizer Automobilisten vermehrt über die Grenze, um ihre Fahrzeuge aufzutanken.
© Copyright 2024 ExpyDoc