W W UND IMMATERIALGÜTERRECHT tung und Auswahl der codierten Elemente – vgl OGH 26. 8. 2008, 4 Ob 111/08 i, Lageplan, ecolex 2009/ 121 [Schumacher]) manifestiert, die individuell eigenartig ist und sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebt. Diese erforderliche Eigentümlichkeit bzw Individualität werden Landkarten oftmals nicht aufweisen (vgl auch Dürager, Kartographische Werke – verkannte Kunst oder eine Lose Sammlung von Geodaten? ipCompetence Vol 14 [2015] 12 mwN). Der urheberrechtliche Schutz würde sich zudem in der Regel lediglich auf die konkrete Ausgestaltung und Auswahl, nicht aber auf die in der Landkarte enthaltenen technischen Daten beziehen. In seiner E betont der EuGH zunächst neuerlich, dass sich der Schutz von Datenbanken sowohl auf analoge als auch auf digitale Datenbanken erstrecke und weit zu verstehen sei. Im Detail befasst er sich mit dem Thema, dass sich bei analogen topografischen Landkarten das zu berücksichtigende trennbare Element aus zwei Daten zusammensetze, nämlich zum einen aus dem „geografischen Koordinatenpunkt“, dh einem Zahlencode, der einem bestimmten Koordinatenpunkt im zweidimensionalen Gitternetz entspricht, und zum anderen aus der „Signatur“, dh einem Zahlencode, den der Kartenhersteller für Einzelelemente wie zB Kirchen verwendet. Verlag Esterbauer (und auch die EK) argumentierten, dass sich der Informationswert dieser Daten nach ihrer Herauslösung aus der topografischen Landkarte annähernd auf null reduziere. So lasse im genannten Beispiel die an einem bestimmten geografischen Koordinatenpunkt angebrachte Signatur „Kirche“ ohne weitere Offenbarung der Lage der Kirche keine Rückschlüsse darauf zu, dass sich die Kirche in einer bestimmten Stadt oder in einem bestimmten Dorf befinde. In Rz 23 stellt der EuGH aber klar, dass eine A GELEITET VON W. MAZAL bloße Verminderung des Informationswerts herausgelöster Elemente nicht dazu führe, dass sie nicht mehr als „unabhängige Elemente“ iSv Art 1 Abs 2 DatenbankRL zu qualifizieren seien, sofern sie einen selbständigen Informationswert behielten, was nicht aus Sicht des typischen Nutzers der betreffenden Sammlung, sondern aus Sicht eines jeden Dritten zu beurteilen sei, der sich für das herausgelöste Element interessiert (wie etwa Kunden des die Daten verwendenden Unternehmens). Die E bringt Licht in die bereits länger schwelende Diskussion (s Dittrich in Kucsko, urheber.recht [2008] 633 f mwN) über die Frage, inwieweit topografische Landkarten Schutz als Datenbank genießen können. Es mag zunächst etwas befremdlich erscheinen, dass auch analoge Landkarten (so wie sie seit tausenden Jahren von Menschen hergestellt werden) im 21. Jahrhundert als „Datenbanken“ anzusehen sind. Eine topografische Landkarte ist aber in der Regel nichts anderes als eine Sammlung und logische Verknüpfung von Daten (Koordinaten und Signaturen), zu deren Herstellung typischerweise wesentliche Investitionen erforderlich sind. Im Ergebnis scheint es daher durchaus angebracht, wesentliche Investitionen in die Herstellung einer topografischen Landkarte auch unabhängig von einem möglichen (jedenfalls beschränkten) urheberrechtlichen Schutz der konkreten Umsetzung über das Regime des Datenbankschutzes abzusichern. Dies auch vor dem Hintergrund, dass „einfache Datenbanken“ (die keinen urheberrechtlichen, sondern lediglich den Sui-generisSchutz genießen) ohnedies lediglich eine begrenzte Schutzdauer von 15 Jahren aufweisen (§ 76 d Abs 4 UrhG). Michael Woller Dr. Michael Woller, LL. M., MBA, ist Rechtsanwalt der Schönherr Rechtsanwälte GmbH. Die neue All-In-Transparenz-Regel Pauschalentgeltvereinbarungen sollen transparenter werden: Ab 1. 1. 2016 müssen sie das Grundgehalt für die Normalarbeitszeit betraglich ausweisen, sonst gilt für die Deckungsprüfung ein – fiktives – branchen- und ortsübliches Ist-Grundgehalt. RALF PESCHEK A. Einleitung Am 10. 12. 2015 hat das Parlament das Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015 beschlossen. Ein wesentlicher Bestandteil ist eine neue Transparenz-Regel, mit welcher insb die sog „All-In-Vereinbarungen“ erfasst werden sollen, mit denen sämtliche Arbeitsleistungen abgegolten werden. Die Besonderheit dieser All-In-Vereinbarungen besteht darin, dass nur ein Gesamtentgelt für sämtliche Arbeitsleistungen vereinbart wird und nicht zwischen Grundlohn und Mehrleistungsentgelt für die Überstunden etc unterschieden wird. In der Judikatur werden diese All-In-Vereinbarungen als zulässig angesehen.1) Die Prüfung, ob die tatsächlich erbrachten Überstunden in dem 6 ecolex 2016 Gesamtentgelt der All-In-Vereinbarung erfasst sind, wird „Deckungsprüfung“ genannt. Die Judikatur verwendet für diese Deckungsprüfung die Differenz zwischen dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt für die Normalarbeitszeit als Grundlohn sowie dem tat- Dr. Ralf Peschek ist Partner bei Wolf Theiss Rechtsanwälte und leitet die Arbeitsrechtsabteilung. Er freut sich über Korrespondenz: [email protected] 1) Das gilt sowohl für Vereinbarungen, die für die gesamte Arbeitszeit ein einheitliches Entgelt festsetzen, als auch für Vereinbarungen, die nur die Überstundenvergütung pauschalieren, OGH 29. 3. 2012, 9 ObA 160/11 m. Vgl auch RIS-Justiz RS0051519 mwN zur OGH-Judikatur. A sächlich gewährten Gesamtentgelt.2) Nur wenn im Durchschnitt3) mehr Überstunden geleistet werden als von der All-In-Vereinbarung abgedeckt sind, sind diese nach der Judikatur eigens abzugelten. Da (auch nach meiner Erfahrung) in sehr vielen All-In-Vereinbarungen der Grundlohn für die Normalarbeitszeit nicht ausgewiesen ist, können die Mitarbeiter eigene Berechnungen für die Deckungsprüfung oft nur schwer anstellen. Dieses Problem hat der Gesetzgeber aufgegriffen: Um die Mitarbeiter vor Überraschungen aus All-In-Vereinbarungen zu bewahren und aus Gründen des Gesundheitsschutzes wurde dringender Handlungsbedarf gesehen.4) Als Gegenmaßnahme wurde festgelegt, dass der Grundlohn für die Normalarbeitszeit als Betrag schriftlich ausgewiesen werden muss und eine Konsequenz für die Nichteinhaltung dieser Ausweispflicht festgelegt wurde. Diese Konsequenz besteht darin, dass der Mitarbeiter dann bei der Deckungsprüfung einen Anspruch auf den branchen- und ortsüblichen Normalstundenlohn der am Arbeitsort vergleichbaren Mitarbeiter von vergleichbaren Arbeitgebern hat (vgl § 2 g AVRAG). Dieses – fiktive – „Ist-Grundgehalt“ bzw „Ist-Grundlohn“5) ist der Berechnung der Überstundenentlohnung bei der Deckungsprüfung zugrunde zu legen. Das gilt nicht nur für klassische All-In-Vereinbarungen, sondern auch für andere Pauschalentgeltvereinbarungen! Es ist aber bereits jetzt klar festzuhalten, dass die gesetzliche Ausfallsregel für dieses neue Ist-Grundgehalt nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Grundlohn für die Normalarbeitszeit im Arbeitsvertrag oder dem Dienstzettel nicht ausgewiesen ist. Die Arbeitsvertragsparteien bzw der Arbeitgeber haben es also in der Hand, diese Rechtsfolge zu vermeiden. B. Der Regelungsmechanismus im Detail In § 2 AVRAG wurde die Verpflichtung zum schriftlichen Ausweis des Entgelts in Abs 2 Z 9 wie folgt geändert: „(2) Der Dienstzettel hat folgende Angaben zu enthalten: . . . 9. die betragsmäßige Höhe des Grundgehalts oder -lohns,6) weitere Entgeltbestandteile wie zB Sonderzahlungen, Fälligkeit des Entgelts,“ Aufrecht blieb die Möglichkeit, die Verpflichtung zur Ausstellung eines Dienstzettels durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag zu erfüllen (§ 2 Abs 7 AVRAG). In § 2 Abs 5 AVRAG wurde für § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG weiters festgelegt, dass für die Angaben zum Grundgehalt der Verweis auf Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht mehr ausreicht. Diese Ausnahme von der allgemeinen Verweismöglichkeit wurde in § 2 Abs 6 AVRAG (neue Fassung) durch eine Gegenausnahme ergänzt: „(6) Jede Änderung der Angaben gemäß Abs 2 und 3 ist dem Arbeitnehmer unverzüglich, spätestens jedoch einen Monat nach ihrer Wirksamkeit schriftlich mitzuteilen, es sei denn, die Änderung 1. erfolgte durch Änderung von Gesetzen oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, auf die gemäß Abs 5 verwiesen wurde oder die den Grundgehalt oder -lohn betreffen oder 2. ergibt sich unmittelbar aus der dienstzeitabhängigen Vorrückung in der selben Verwendungs oder Berufsgruppe der anzuwendenden Norm der kollektiven Rechtsgestaltung.“ Die Neufassung von § 2 Abs 2 Z 9, Abs 5 und 6 AVRAG tritt sofort mit der Kundmachung in Kraft. Diese Verpflichtung zum Ausweis des Grundlohns als Betrag wurde in § 2 g AVRAG abgestützt, welcher eine Sanktion für die Nichtenthaltung vorsieht: „Entgelt bei Pauschalentgeltvereinbarungen § 2 g. Enthält der Arbeitsvertrag oder der Dienstzettel das Entgelt als Gesamtsumme, die Grundgehalt oder -lohn und andere Entgeltbestandteile einschließt, ohne den Grundgehalt oder -lohn im Sinne des § 2 Abs 2 Z 9 betragsmäßig anzuführen, hat dieser/diese Arbeitnehmer/in zwingend Anspruch auf den Grundgehalt oder -lohn einschließlich der branchen- und ortsüblichen Überzahlungen, der am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmer/innen von vergleichbaren Arbeitgeber/innen gebührt (Ist-Grundgehalt, Ist-Grundlohn). Der IstGrundgehalt oder Ist-Grundlohn ist der Berechnung der abzugeltenden Entgeltbestandteile zugrunde zu legen, soweit der Kollektivvertrag in Bezug auf die Berechnung von Entgeltbestandteilen nicht Abweichendes vorsieht, das zwingenden gesetzlichen Bestimmungen nicht entgegenstehen darf.“ § 2 g AVRAG gilt für alle Pauschalentgeltvereinbarungen, die nach dem 1. 1. 2016 abgeschlossen werden. Dieser Anknüpfungspunkt an der Pauschalentgeltvereinbarung und nicht an den Arbeitsvertrag schlechthin schützt die Arbeitsvertragsparteien vor nicht bedachten Konsequenzen. Weil die anderen Transparenzregeln (§ 2 Abs 2 Z 9, Abs 5 und 6 neue Fassung AVRAG) mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft treten, macht es aber Sinn, die neue Grundlohntransparenz bereits ab sofort in den Arbeitsverträgen abzubilden. Aus diesem Gesetzestext ergeben sich aus meiner Sicht zwei zentrale Gesichtspunkte für die Praxis: Was ist bei der Festlegung des Grundlohns zu beachten? Zum anderen, was passiert bei einer Verletzung dieser Verpflichtung? C. Der Ausweis des neuen Grundlohns im Arbeitsvertrag oder im Dienstzettel Die gesetzlichen Neuregelungen bringen eines zum Ausdruck: All-In-Vereinbarungen oder andere Pauschalvereinbarungen für Überstunden oder Mehrdienstleistungen sind nicht verboten. Im Gegenteil, die Zulässigkeit wird durch die Neuregelungen ausdrücklich bestätigt. 2) Zuletzt OGH 29. 3. 2012, 9 ObA 160/11 m mwN, vgl auch RISJustiz RS0051519. 3) Als Beobachtungszeitraum für die Deckungsprüfung ist üblicherweise das Kalenderjahr anzusehen, vgl RIS-Justiz RS0064874. 4) Siehe ErläutRV 903 BlgNR 25. GP 4. 5) In der Folge wird nur mehr vom Ist-Grundgehalt gesprochen. 6) Die Hervorhebung kennzeichnet die wesentliche Änderung. e e 2016 69 A Der oberste Gesetzeszweck ist mE die vom Gesetzgeber gewünschte Transparenz für die Deckungsprüfung. Die Deckungsprüfung ist letztlich die Kontrollrechnung, ob die tatsächlich erbrachten Überstunden (Mehrleistungen) durch das vertraglich vereinbarte Entgelt abgedeckt sind. Solange die Parteien sich an die zwingenden Mindestentgeltnormen halten, spricht nichts dagegen, dass die Parteien auch die Regeln für die Transparenz festlegen. In der Regel wird sich der Grundlohn am kollektivvertraglichen Mindestgrundgehalt7) für den betroffenen Mitarbeiter ausrichten. Dies ergibt sich auch aus der Neuregelung des § 2 Abs 5 und 6 AVRAG. Es spricht jedoch nichts dagegen, dass die Parteien auch einen höheren Grundlohn als das kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt vereinbaren, weil es dabei ja letztlich um die vom Gesetzgeber gewünschte Transparenz geht und nicht um Mindestbeträge. Solange sich die Parteien im Rahmen der zwingenden Normen bewegen, spricht nichts gegen eine andere – transparente – Ausgestaltung der Deckungsprüfung durch einen willkürlich gewählten höheren Grundlohn. Dieser höhere Grundlohn ist ja auch günstiger für die Mitarbeiter, weil die Differenz zum Gesamtentgelt weniger groß ist und damit weniger Überstunden erfasst. Der Bezugspunkt für das Grundgehalt ist wohl grundsätzlich die Normalarbeitszeit. Das ergibt sich aus den erläuternden Bemerkungen8) sowie aus dem Gesetzeszweck, wonach Transparenz für die Deckungsprüfung geschaffen werden soll. Wenn das kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt als Grundlohn festgelegt wird, ist als Bezugspunkt die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit anzusetzen. Aus meiner Sicht spricht aber nichts dagegen, dass im Rahmen der zwingenden Normen auch andere Bezugspunkte festgelegt werden. So kann etwa ein höherer Grundlohn als das kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt zusätzlich zur Normalarbeitszeit auch bereits eine bestimmte Anzahl von Überstunden enthalten – der Mitarbeiter muss das natürlich nachvollziehen können. Es erscheint klar, dass die Festlegung im Arbeitsvertrag oder in einem Dienstzettel erfolgen kann. Wichtig ist die Schriftform. Dabei stellt sich die Frage, ob die Festlegung im Dienstzettel auch dann erfolgen kann, wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht. Aus meiner Sicht spricht dagegen nichts, solange die gewünschte Transparenz für die Deckungsprüfung eintritt. Aus meiner Sicht spricht auch nichts dagegen, im Arbeitsvertrag bereits zu vereinbaren, dass als Grundlohn das kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt festgelegt wird und der Betrag9) dann durch den Dienstzettel ausgewiesen wird. Der Dienstzettel (als Wissenserklärung) muss sich natürlich an die vertraglichen Vereinbarungen halten. Es erscheint aus Sicht des Praktikers empfehlenswert, den gewünschten Grundlohn ausdrücklich als Grundlohn iSd § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG oder § 2 g AVRAG auszuweisen. Aber auch wenn das nicht geschieht, sollte es kein Problem geben, wenn die vom Gesetzgeber gewünschte Transparenz für die Deckungsprüfung besteht. Im Rahmen der Pauschalentgeltvereinbarung können natürlich weiterhin andere Entgeltbestandteile (Prä7 ecolex 2016 mien, Boni etc) zur Abdeckung von Mehrleistungen und Überstunden vorgesehen werden. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Verpflichtung zur Aktualisierung des Grundlohns in Schriftform hinzuweisen. Jede Veränderung des Betrags des Grundlohns ist dem Mitarbeiter unverzüglich – in Praxis wohl durch einen Dienstzettel – mitzuteilen. Wenn der Grundlohn das kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt ist, dann genügt es, auf den Kollektivvertrag zu verweisen, wenn sich die Änderung durch eine unmittelbare Einwirkung bzw Änderung des Kollektivvertrags ergibt (zB die inflationsbedingte jährliche Erhöhungen des Mindestgrundgehalts) oder wenn eine dienstzeitabhängige Vorrückung in derselben Verwendungs- oder Berufsgruppe die Änderung des Grundlohns ergibt (zB durch Biennalsprünge). Wenn sich die Änderung des Grundlohns allerdings durch einen Wechsel von einer Verwendungsgruppe in die andere (zB durch eine Beförderung) ergibt, dann ist der Verweis nicht genug und es muss der neue Grundlohn betragsmäßig ausgewiesen werden (vgl § 2 Abs 6 iVm Abs 5 AVRAG). Es muss überlegt werden, zu welchem Zeitpunkt die Verpflichtung zum betraglichen Ausweis des Grundlohns erfüllt werden muss. Grundsätzlich wohl bei Einführung einer All-In-Vereinbarung. Es lässt sich aber aus dem Transparenz-Prinzip ableiten, dass die Verpflichtung wohl auch dann erfüllt ist, wenn die Transparenz rechtzeitig für eine vorzunehmende Deckungsprüfung besteht. Wenn etwa ein Mitarbeiter niemals Überstunden erbringt, so wird das Verletzen der Transparenzverpflichtungen keine Sanktionen auslösen müssen. Ähnliches gilt wohl auch dann, wenn ein ursprünglich unrichtiger Betrag des Grundlohns nunmehr richtig ausgewiesen wird oder bei ursprünglicher Unmöglichkeit des Ausweisens des Betrags dieser Betrag nachträglich gesetzeskonform ausgewiesen wird. Der Ausweis kann im Arbeitsvertrag bzw in Praxis wohl häufiger durch einen Dienstzettel erfolgen. Entscheidend ist mE letztlich, ob es für den Mitarbeiter auf transparente Weise möglich ist, den Grundlohn betraglich rechtzeitig zu erfassen und für seine Deckungsprüfung zu verwenden. D. Die Konsequenzen der Verletzung Wenn das Grundgehalt im Arbeitsvertrag oder dem Dienstzettel nicht als Betrag angeführt worden ist (s oben), dann kommt § 2 g AVRAG zum Tragen. Gemäß dem Wortlaut dieser Sanktionsbestimmung kommt sie dann zur Anwendung, wenn der Arbeitsvertrag oder der Dienstzettel das Entgelt als „Gesamtsumme“ nennt. Damit ist wohl auf jeden Fall gemeint, dass All-In-Vereinbarungen erfasst sein sollen. Es lässt sich aber festhalten, dass wohl jede Pauschalentgeltvereinbarung betroffen sein könnte, welche für den Mitarbeiter keine transparente Deckungsprüfung möglich macht, weil der Grundlohn nicht betraglich ausgewiesen ist. 7) Bezogen auf die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit. 8) Siehe ErläutRV 903 BlgNR 25. GP 1. 9) Der Hinweis auf den Bruttobetrag reicht aus. A T § 2 g AVRAG bedeutet, dass statt des im Arbeitsvertrag oder dem Dienstzettel betragsmäßig angeführten Grundgehalts das gesetzliche Ist-Grundgehalt des § 2 g AVRAG zur Anwendung kommt: Der Arbeitnehmer hat einen zwingenden Anspruch auf das Grundgehalt einschließlich der branchenund ortsüblichen Bezahlungen für am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern bei vergleichbaren Arbeitgebern. Der Gesetzgeber nennt dieses – fiktive – Grundgehalt „Ist-Grundgehalt“. Dieses Ist-Grundgehalt ist der Berechnung der abzugeltenden Entgeltbestandteile zugrunde zu legen. Festzuhalten ist, dass durch dieses neue IstGrundgehalt die Deckungsprüfung, wie sie bisher von der Judikatur vorgenommen wurde, mE nicht verändert wurde. Lediglich der Maßstab hat sich verändert. Für die Deckungsprüfung ist dann nicht mehr das kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt heranzuziehen, wie es die Judikatur bisher getan hat,10) sondern das neue fiktive Ist-Grundgehalt. Dieses Ist-Grundgehalt legt die Berechnungsgröße für die Differenz zum tatsächlich gewährten (Gesamt) Entgelt fest, mit welcher die Deckungsprüfung für die tatsächlich geleisteten Überstunden durchgeführt werden kann. Für die Ermittlung des neuen Ist-Grundgehalts sind drei Anknüpfungspunkte vorgeschrieben: erstens die branchen- und ortsüblichen Überzahlungen, zweitens die am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmer sowie drittens die vergleichbaren Arbeitgeber. Diese Entgeltbestimmungsregel erscheint fair, allerdings ist die Ermittlung des neuen Ist-Grundgehalts in der Praxis für einen durchschnittlichen Mitarbeiter wohl kaum möglich. Es wird idR ein Sachverständigengutachten notwendig sein, um diese Entgeltbestimmung durchzuführen. Aus meiner Sicht ist diese Entgeltbestimmung für den Mitarbeiter nicht transparent. Es ist zu befürchten, dass in der Praxis Mitarbeiter während des aufrechten Arbeitsverhältnisses diese Entgeltbestimmung nicht heranziehen werden. Möglicherweise wird das die Bedeutung dieser Entgeltbestimmungsmethode auf Streitigkeiten bei der Beendigung des Dienstverhältnisses beschränken. Den Gerichten bzw den einschlägigen Sachverständigen wurde jedenfalls keine leichte Aufgabe gestellt. Es sind sogar Fälle denkbar, dass das neue Ist-Grundgehalt gar nicht feststellbar ist, etwa weil keine statistischen Daten verfügbar sind oder weil vergleichbaren Arbeitnehmer oder vergleichbare Arbeitgeber fehlen. Möglicherweise müssen die Gerichte dann auf § 273 ZPO zurückgreifen. Da es aber den Arbeitsvertragsparteien bzw dem Arbeitgeber freisteht, diese Rechtsunsicherheit zu vermeiden, indem sie das Transparenzgebot erfüllen und den Grundlohn betragsmäßig ausweisen, erscheint die oben ausgeführte Konsequenz bei allen Bedenken letztlich zumutbar und angemessen. Dadurch wird der vom Gesetzgeber wohl gewünschte Druck auf die eigentlich gewollte betragsmäßige Festlegung erzeugt. Das vom Gericht ermittelte Ist-Grundgehalt kann auch höher sein als das tatsächlich vereinbarte (Gesamt-)Entgelt. Die von den Vertragsparteien vereinbarte Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestgrundgehalts durch das (Gesamt-)Entgelt ist also niedriger als das – fiktive – Ist-Grundgehalt. ME bedeutet das aber nicht, dass nun das Entgelt des Mitarbeiters für die Normalarbeitszeit auf das Ist-Grundgehalt erhöht wird. Es gilt weiterhin das vertraglich vereinbarte Entgelt. Ein anderes Ergebnis würde den gesetzgeberischen Zweck weit überschreiten. Allerdings gibt es mangels Differenz zum vereinbarten (Gesamt-)Entgelt auch keinen Spielraum für eine Deckungsprüfung und die Abgeltung von Mehrleistungen. Jede Überschreitung der Normalarbeitszeit ist sofort entgeltpflichtig und ist auf der Grundlage des Ist-Grundgehalts zu ermitteln. Beim gezeigten Beispiel zeigt sich die Gefahr einer weiteren Konsequenz: Die Verletzung des Mindestentgelts für Überstunden durch Anwendung von § 2 g AVRAG kann wohl auch im Rahmen der Lohndumpingregeln zu einer verwaltungsstrafrechtlichen Sanktion gem § 7 i AVRAG führen. Der Wortlaut des § 7 i AVRAG würde diese Konsequenz erlauben. Das wäre natürlich ein sehr starkes Motiv für Arbeitgeber, bei der Verwendung von All-In-Vereinbarungen besondere Sorgfalt anzuwenden. Insb bei nur geringfügigen Überzahlungen des kollektivvertraglichen Mindestgrundgehalts ist aus meiner Sicht unbedingt zu empfehlen, das Grundgehalt betragsmäßig zu nennen, um das Risiko der Unterzahlung möglichst klein zu halten. Aus rechtspolitischer und verfassungsrechtlicher Sicht ist allerdings zu kritisieren, dass die für eine Verwaltungsstrafnorm zu fordernde Vorhersehbarkeit und Bestimmbarkeit aus meiner Sicht nicht gegeben ist. Es ist auch daran zu zweifeln, ob der Gesetzgeber Verletzungen des Transparenzgebots über den Umweg des Mindestentgeltschutzes im Rahmen des Lohndumpings wirklich mit einer Verwaltungsstrafrechtssanktion absichern wollte/musste. Es ist abzuwarten, ob das gesetzliche Transparenzgebot auch eine Auswirkung auf die Judikatur zu den Verfallsbestimmungen hat. Man könnte argumentieren, dass eine Verletzung des Transparenzgebots potenziell einschlägige Verfallsbestimmungen analog zu § 26 Abs 9 AZG beeinflusst, etwa wenn der Mitarbeiter die Deckungsprüfung nicht anstellen kann. Gegen eine analoge Anwendung sprechen allerdings die systematischen Unterschiede zwischen den Aufzeichnungspflichten des AZG (Verwaltungsstrafe!) und den neuen Ausweispflichten des AVRAG und der im Detail sehr unterschiedliche zivilrechtliche Sanktionsmechanismus als Ergebnis eines politischen Kompromisses im Gesetzwerdungsprozess. Die planwidrige Lücke ist dem Gesetzgeber also mE nicht zu unterstellen. Die in § 2 f festgelegte Pflicht zu einer schriftlichen, übersichtlichen, nachvollziehbaren und vollständigen Abrechnung des fälligen Entgelts hat mE keine Auswirkung auf die neuen Transparenzregeln. Es ist nicht vorgesehen, dass der Arbeitgeber etwa in jedem Monat eine Deckungsprüfung anstellen und ausweisen muss. 10) Vgl Nachweise in der Einleitung. e e 2016 71
© Copyright 2024 ExpyDoc