4000 Kilometer in 18 Tagen - AK

Lübbecker
Kreiszeitung
Guten Morgen
Vogelhaus
Das neue Vogelhaus ist eine
Pracht. Und so wurde tütenweise
Vogelfutter gekauft, damit das Federvieh auch fleißig das neue Kunstwerk ansteuert. Am ersten Tag waren aber kaum Vögel zu sehen. Umso verwunderter war er, dass am
Abend trotzdem alle im Haus ausgelegten Sonnenblumenkerne weg
waren. Am zweiten Tag dann das
gleiche Schauspiel: Kaum Vögel zu
sehen, aber das neue Futter erneut
aufgebraucht. Am dritten Tag dann
traute er seinen Augen nicht: In dem
Vogelhaus hockte ein dickes Eichhörnchen und genoss das Vogelfutter in vollen Zügen. Jetzt weiß er
auch, wo die ganzen Sonnenblumkerne geblieben sind. Aus reiner
Höflichkeit hat er dem Eichhörnchen
zwar keinen Vogel gezeigt. Aber fest
steht: Dieses Eichhörnchen hat auf
jeden Fall eine Meise.
Stefan B i e s t m a n n
Duo bestiehlt
Rentner (73)
Lübbecke (WB). Ein 73-jähriger Rentner aus Lübbecke ist am
Dienstag das Opfer eines Trickbetrugs geworden. Nach Polizeiangaben stahlen ihm zwei junge Frauen
(etwa 20 Jahre alt) das Geld aus
dem Portemonnaie.
Das Duo hatte sich am Dienstagmorgen in Höhe des Friedhofes an
der Gehlenbecker Straße postiert.
Als der 73-Jährige vorbeikam,
sprachen sie ihn an und baten um
eine Spende für behinderte Kinder.
Der Rentner zückte seine Börse
und gab den Frauen etwas Geld.
Die bedankten sich überschwänglich und rückten ihrem Wohltäter
näher auf den Leib. Erst, als der
Mann wieder zu Hause war, stellte
er fest, dass plötzlich Geld verschwunden war. Daraufhin erstattete er Anzeige bei der Polizei.
Die kennt die Masche der Betrügerinnen. Immer wieder würden
sie im Kreisgebiet auftauchen und
die Hilfsbereitschaft gerade von älteren Menschen gezielt ausnutzen.
Die Polizei warnt vor dem erneuten Auftreten der angeblichen
Spendensammlerinnen. Wer verdächtige Personen sieht, sollte umgehend über den Notruf 110 die
Polizei informieren.
Einer geht
durch die Stadt
. . . und hört es in Lübbecke mal
wieder krachen. Könnten die eifrigen Böllerzünder so nett sein und
sich bitte bis Silvester, 24 Uhr, gedulden, fragt ein trommelfell-geschädigter
EINER
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Der Kniefall von Lesbos: Dieses Foto hat Mohammed Ghunaim nach der Schlauchboot-Fahrt auf die Insel gemacht. Zu sehen ist auch, wie ein Helfer zwei Kinder an Land bringt.
4000 Kilometer in 18 Tagen
Über Lesbos und den Balkan: Journalist Mohammad Ghunaim (25) ist aus Syrien nach Deutschland geflohen
Von Philipp B ü l t e r
B ö r n i n g h a u s e n (WB).
Mohammad Ghunaim sitzt am
Schreibtisch. Auf dem Globus
zeigt er die 4000 Kilometer
lange Route, die ihn nach
Deutschland geführt hat. Vor
drei Monaten flüchtete er aus
Syrien – vor Bomben, Terror
und Perspektivlosigkeit. Der
25-jährige Journalist hat seine
Reise von Damaskus über den
Balkan bis nach Börninghausen mit Bildern dokumentiert.
Waffen und Gewalt
Seine Motivation zur Flucht sei
vor allem eins gewesen: »Angst«,
sagt Ghunaim. Angst vor dem IS,
vor Waffen und Gewalt. »In Syrien
hat sich durch den Krieg alles verändert. Unsere Heimat wird es
sehr schwer haben. Ich sehe die
Ereignisse dort als einen kleinen
Weltkrieg, denn es sind viele Parteien involviert. Das Leben dort ist
sehr hart«, sagt Mohammed Ghunaim. Er beschloss, aus dem Chaos
zu fliehen: »Meine Eltern wissen,
dass ich mir immer sehr genaue
Pläne mache, und dass ich vernünftig bin. Es war aber trotzdem
sehr schwer, ihnen von meinen
Plänen zu erzählen.«
Leben vor dem Krieg
Ghunaim hatte in Damaskus studiert und seinen Bachelor im Fach
Medien, PR und Werbung erworben. Für das »Syrian Arab Red
Crescent« (SARC), das Pendant des
Deutschen Roten Kreuzes in Syrien, war Ghunaim journalistisch
Der Daumen auf Damaskus, der Zeigefinger in Deutschland: Mohammed Ghunaim hat 4000 Kilometer zurückgelegt.
Foto: Kai Wessel
als Informationsmanager tätig.
Trotz seines festen Jobs verdiente
er nur 150 US-Dollar im Monat. Zu
wenig. Es reichte nicht, um auch
noch seine Eltern Hatem (55) und
Amal (50) finanziell zu unterstützen. »Mein Vater ist Bäcker. Er
wurde krank und verlor seinen
Job. Meine Mutter ist Lehrerin,
doch auch in diesem Beruf verdient man in Syrien nur wenig
Geld«, erzählt Ghunaim. In der
persischen Sprache bedeutet der
Vorname seiner Mutter Hoffnung.
»Das war für mich ein Ansporn,
denn ich wollte das Leben für uns
alle verbessern.«
Die erste Etappe
Von Damaskus aus machte er
sich auf den Weg, durchquerte den
Libanon auf dem Weg in die Türkei. »Ich hatte im Gepäck nur wenig Kleidung, ein Erste-Hilfe-Set,
Schul- und Universitätszeugnisse
und eine Bauchtasche mit Pass,
Papieren und Geld.« In Istanbul
traf Mohammed Ghunaim seinen
jüngeren Bruder Abdullah (21)
wieder, der bereits zwei Jahre zuvor sein Glück im Nachbarland gesucht hatte. »Wir haben uns kaum
wiedererkannt. Es war ein großes
Glück, ihn endlich wieder in die
Arme zu schließen.« Die Lebensbedingungen in der Türkei seien für
die Brüder schwierig gewesen.
»Abdullah verdiente etwa 20 Dollar für 16 Stunden Arbeit als Fischer. Wir mussten auf der Straße
schlafen. Uns ist schnell klar geworden, dass wir nach Europa
müssen, um unser Leben wirklich
zu verbessern.«
Das 1300-Dollar-Ticket
In der türkischen Küstenstadt Izmir kauften sich die Brüder für
1300 Dollar pro Person ein Ticket
für die Überfahrt über die Ägäis
auf die griechische Insel Lesbos.
Nach drei Nächten, in denen sie
versteckt in der Wildnis gekauert
und abgewartet hatten, gaben die
Schmuggler das Signal zum Aufbruch: Im Morgengrauen bestiegen Abdullah und Mohammed
Ghunaim ein kleines Boot, das sie
und 50 andere Menschen nach
Lesbos brachte. »An Bord waren
auch Frauen und Kinder, die große
Angst hatten und viel geweint haben. Für mich waren das die längsten 40 Minuten meines Lebens.«
Momente wie die Ankunft auf Lesbos hat Mohammed Ghunaim festgehalten. Mit seiner Videokamera
hat er unzählige Fotos und Videos
auf seiner Reise gemacht. »Ich
wollte dokumentieren, wie die
Flucht für viele tausend Menschen
wirklich aussieht.«
Die Balkan-Route
Über Athen fuhren die Brüder
weiter nach Mazedonien und Serbien, bis nach Kroatien. »Bis dahin
haben wir schon schlimme Verhältnisse in den Flüchtlingscamps
gesehen. Es gab wenig Essen und
viel Ärger«, sagt Mohammed Ghunaim. In Kroatien und Slowenien
habe er sich wie ein Verbrecher gefühlt: »Wir wurden stark bewacht.
Im Lagern fühlte es sich an wie in
einem Gefängnis. Wir haben versucht, die Lage zu organisieren.
Die Helfer waren überfordert und
haben sich über unsere Hilfe gefreut. Es geht darum, wie viel man
geben kann, und nicht darum, wie
viel man nimmt.«
Über Österreich (»In Wien habe
ich mich endlich wieder wie ein
richtiger Mensch gefühlt«) erreichten die Brüder das bayerische Passau – nur 18 Tage nach Mohammed Ghunaims Aufbruch in Damaskus. Mit dem Zug reisten die
Brüder weiter nach Köln. »Der Anblick des Doms hat uns sehr beeindruckt. Wir lagen uns in den Armen und haben gelacht wie kleine
Kinder«, sagt der 25-Jährige.
Von Köln ins Eggetal
In Köln trafen die Brüder durch
Zufall ihren Cousin Yamen (24),
der ebenfalls geflüchtet war. Sie
setzen ihre Reise zu dritt fort. Sie
kamen in Aufnahmezentren in
Dortmund, Selm und Moers. In
Münster wurden sie als Flüchtlinge
registriert. Anschließend verlegten
die Behörden die drei Syrer nach
Preußisch Oldendorf, zuletzt kamen sie in ein kleines Haus im Eggetal. Dank der Hilfe des Vereins
»Asyl Pro« konnten sie erste Kontakte knüpfen. Im Begegnungscafé
des Vereins berichtete das Trio von
seiner Flucht. »Die Deutschen, die
ich bislang kennengelernt habe,
sind sehr nett und hilfsbereit, sagt
Mohammed Ghunaim. Dafür empfänden er und seine Verwandten
große Dankbarkeit.
Zukunftspläne
Mohammed Ghunaim will sich in
Deutschland ein neues Leben aufbauen. Er lernt jeden Tag vier
Stunden Deutsch. »Sprache ist das
Entscheidende für mich«, sagt er.
»Mein deutscher Lieblingssatz ist
›Man lernt nie aus‹. Im Januar beginnt er als Freiwilliger beim DRK.
Er hofft auf eine Festanstellung.
Auch eine Arbeit als Journalist
kann er sich vorstellen. »Natürlich
vermissen Abdullah, Yamen und
ich unsere Familie. Wir halten
aber so gut es geht Kontakt.« Besonders oft denkt Mohammed
Ghunaim an seine Mutter Amal. Er
hofft darauf, sie und seinen Vater
eines Tages wiederzusehen.
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Mohammed Ghunaim im Flüchtlings-Camp in Slowenien: 1500 Menschen warten unter freiem Himmel auf ihre Registrierung.
Am Bahnhof: Die Gruppe mit Mohammed Ghunaim (links) und seinem
Bruder Abdullah (vorne rechts) wartet auf den Zug nach Kroatien.
Ghunaim ist in Wien angekommen, hinten der Stephansdom.