Kapitel 6

INSTITUTIONENGESCHICHTE
(RÖMISCHES P RIVATRECHT)
SOMMERSEMESTER 2015
PROF. DR . JOHANNES PLATSC HEK
VI.
1. Eigentumsprozess im Legisaktionenverfahren – legis actio sacramento in rem
Kaser, RPR § 27.2-5
Gai. 4,16
„Wenn dinglich geklagt wurde, wurden bewegliche Sachen und sich selbst bewegende,
vorausgesetzt, dass sie zum Gerichtsort (in ius) gebracht oder geführt werden konnten, vor
Gericht (in iure) auf folgende Weise unter Berufung auf das Eigentum herausverlangt: Wer die
Sache für sich beanspruchte, hielt eine Rute; sodann ergriff er die Sache selbst, zum Beispiel
einen Sklaven, und sagte:
HVNC EGO HOMINEM
'ICH ERKLÄRE, DASS DIESER SKLAVE
EX IVRE QVIRITIVM
NACH DEM RECHT DER QUIRITEN
MEVM ESSE AIO;
MIR GEHÖRT.
SECVNDVM SVAM CAVSAM,
GEMÄSS SEINER CAVSA,
SICVT DIXI,
WIE ICH GESAGT HABE,
ECCE TIBI,VINDICTAM INPOSVI,
― SIEHE! ― HABE ICH IHM HIERMIT DEN
STAB AUFGELEGT',
und zugleich legte er dem Sklaven die Rute auf.
Der Gegner sagte und tat dasselbe in entsprechender Weise. Nachdem sie beide vindiziert
hatten, sagte der Prätor:
MITTITE AMBO HOMINEM,
'LASST BEIDE DEN SKLAVEN LOS!',
und sie ließen ihn los. Derjenige, der als erster vindiziert hatte, fragte den anderen:
POSTVLO, ANNE DICAS, QVA EX CAVSA
'ICH VERLANGE, DASS DU ERKLÄRST,
VINDICAVERIS?
AUS WELCHER CAVSA DU VINDIZIERT
HAST.'
Jener entgegnete:
IVS FECI, SICVT VINDICTAM INPOSVI.
'ICH HABE RECHTENS GEHANDELT,
INDEM ICH DEN STAB AUFGELEGT
HABE.'
Dann sagte derjenige, der als erster vindiziert hatte:
QVANDO TV INIVRIA VINDICAVISTI,
'DA DU ZU UNRECHT VINDIZIERT
QVINGENTIS ASSIBVS SACRAMENTO TE
HAST, FORDERE ICH DICH MIT EINEM
PROVOCO.
EINSATZ VON 500 AS HERAUS.'
Auch der Gegner sagte entsprechend:
adversarius quoque dicebat similiter:
'UND ICH DICH.'
ET EGO TE.
(…) Hierauf folgte dasselbe Verfahren wie bei einer Klage gegen die Person."
2. in iure cessio
Kaser, RPR § 24.9
Gai. 2,24
„Die Abtretung in iure geht folgendermaßen vor sich:
Vor einem Beamten des römischen Volkes, etwa dem Stadtprätor oder dem Provinzstatthalter
ergreift derjenige, dem die Sache in iure abgetreten werden soll, die Sache und spricht:
HVNC EGO HOMINEM
'ICH ERKLÄRE, DASS DIESER SKLAVE
EX IVRE QVIRITIVM
NACH DEM RECHT DER QUIRITEN
MEVM ESSE AIO.
MIR GEHÖRT.'
Nachdem dieser vindiziert hat, fragt der Prätor denjenigen, der abtritt, ob er gegenvindiziert;
dieser verneint oder schweigt; daraufhin spricht (der Prätor) die Sache demjenigen zu, der
vindiziert hat; +und das heißt legis actio+.“
LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN
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3. mancipatio
Kaser, RPR § 24.6-8
* Gai. 1,119
„Die Manzipation ist aber, wie wir oben bereits gesagt haben, eine Art nachgebildeten Verkaufs:
auch dies ist ureigenes Recht der römischen Bürger. Das Geschäft gestaltet sich folgendermaßen:
unter Hinzuziehung von nicht weniger als fünf mündigen römischen Bürgern als Zeugen sowie
einer weiteren Person derselben Rechtsstellung, der eine eherne Waage halten muss und
libripens ("Waaghalter") genannt wird, fasst derjenige, der zum Manzipium erhält, die Sache an
und sagt:
HVNC EGO HOMINEM
'ICH ERKLÄRE, DASS DIESER SKLAVE
EX IVRE QVIRITIVM
NACH DEM RECHT DER QUIRITEN
MEVM ESSE AIO
MIR GEHÖRT,
ET MIHI EMPTVS ESTO
UND ER SOLL MIR GEKAUFT SEIN MIT
HOC AERE ET AENEAQVE LIBRA.
DIESEM ERZ UND MIT DER EHERNEN
WAAGE.'
Daraufhin schlägt er mit dem Erz an die Waage und gibt das Erz demjenigen, von dem er zum
Manzipium erhält, gewissermaßen als Kaufpreis.“
** I. 2,1,41 - Bedeutung der Kaufpreiszahlung
„Und wenn nun Sachen aufgrund einer Schenkung oder einer Mitgift oder aus irgendeinem
anderen Grund übergeben werden, wird das Eigentum unzweifelhaft übertragen.
Sachen jedoch, die verkauft und übergeben sind, erwirbt der Käufer nur dann, wenn er dem
Verkäufer den Kaufpreis gezahlt hat oder ihm in anderer Form Genüge getan hat, zB durch
Stellung eines Schuldübernehmers oder durch Pfandbestellung.
Dies wird zwar auch im Zwölftafelgesetz so bestimmt; doch sagt man mit Recht, dass es auch
nach ius gentium, das heißt nach natürlichem Recht gilt.
Wenn aber derjenige, der die Sache verkauft hat, dem Käufer den Kaufpreis kreditiert, muss man
sagen, dass die Sache sogleich Eigentum des Käufers wird.
*** Theoph. 2,1,41
„Dies wurde im Zwölftafelgesetz bestimmt, nichtsdestoweniger befinden wir, dass dieser
Rechtssatz IVRISGENTION ist.“
**** Gai. 2,18 - res mancipi/nec mancipi
„Es gibt aber einen großen Unterschied zwischen res mancipi und res nec mancipi. Denn die res
nec mancipi werden durch bloße Übergabe zum vollgültigen Eigentum eines anderen, wenn es
sich nur um körperliche Gegenstände handelt und sie deshalb der Übergabe zugänglich sind. (...)
Die res mancipi aber sind diejenigen, die (nur) durch Manzipation auf einen anderen übertragen
werden können; deshalb heißen sie ja auch res mancipi.“
***** Gai. 1,120 - Katalog der res mancipi
„Auf diese Weise werden sowohl Sklaven als auch freie Personen manzipiert. Auch Tiere, die zu
den res mancipi gehören, worunter Rinder, Pferde, Maulesel und Esel gerechnet werden, ebenso
Grundstücke in der Stadt wie auf dem Land, wenn sie - als in Italien gelegen - res mancipi sind,
pflegen in gleicher Weise manzipiert zu werden.“
LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN
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4. traditio
Kaser, RPR § 24.10-13
D. 39,5,25 (Iav. 6 ep.)
„Wenn ich dir eine Sache gegeben habe, damit du sie dem Titius in meinem Namen schenkst,
und du sie ihm in deinem Namen gegeben hast, ist sie dann sein Eigentum geworden?
Javolen hat folgendes Gutachten erteilt: Bei genauester rechtlicher Betrachtung ist sie nicht
Eigentum des Empfängers geworden und du haftest aus furtum.
Aber es ist angemessener, dass ich, wenn ich den Empfänger verklage, mithilfe der Einrede der
unzulässigen Rechtsausübung (exceptio doli) abgewiesen werde."
5. traditio einer res mancipi - Bonitarisches Eigentum
Kaser, RPR § 27.2-5
Gai. 2,40-42
„Wir müssen noch darauf hinweisen, dass es bei den Nichtrömern nur eine Art Eigentum gibt;
denn entweder ist jemand Eigentümer oder er wird nicht als solcher angesehen. Dieses Recht
galt früher auch beim römischen Volk: Entweder jemand war Eigentümer nach quiritischem
Recht oder er galt nicht als Eigentümer. Aber später kam es zu einer Zweiteilung des Eigentums,
so dass einer nach quiritischem Recht Eigentümer sein, ein anderer die Sache im Vermögen (in
bonis) haben konnte.
41. Denn wenn ich dir eine res mancipi weder manzipiert noch in iure abgetreten, sondern
lediglich übergeben habe, dann wird die Sache zwar Teil deines Vermögens, nach quiritischem
Recht aber bleibt sie mein, bis du sie ersitzt: Ist die Ersitzung einmal vollendet, so ist die Sache
nach vollem Recht dein, das heißt sie ist in deinem Vermögen und gehört dir nach quiritischem
Recht, als wäre sie manzipiert oder in iure abgetreten worden.
42. Die Ersitzung aber von beweglichen Sachen wird in Jahresfrist vollendet, die eines
Grundstücks oder Gebäudes aber in zwei Jahren; und so ist es im Zwölftafelgesetz geregelt.“