Tausende Nadelstiche, der Eitelkeit zuliebe

Mittwoch, 28. Mai 2014 | Nordwestschweiz
Leben & Wissen
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Tausende Nadelstiche, der Eitelkeit zuliebe
Schönheitsoperation Männer nehmen Geheimratsecken nicht mehr hin: Eine Haartransplantation verhilft zu vollem Haar
Obschon Müller sein lichtes
Haupthaar mit Humor nimmt, gibt
es auch schlechte Tage. «Wenn ich
glaube, von hinten betrachtet zu
werden, greife ich mir mit der flachen Hand an den Hinterkopf.» Irgendwann wird er sich von einem
Coiffeur einen millimeterkurzen
Haarschnitt verpassen lassen. Dafür
muss sich der Leidensdruck aber
noch erhöhen.
VON RAMONA THOMMEN
Wayne Rooney hat es getan, der deutsche Fussballtrainer Jürgen Klopp
ebenfalls – und jetzt hat sich auch
der einstige Schweizer Fussballstar
Ludovic Magnin unters Messer gelegt. Oder besser: unter die Nadel.
Die drei liessen sich ihre Haare transplantieren. Backstreet-Boys-Sänger AJ
McLean postete auf seinem Instagram-Account gar Vorher-nachherFotos nach seiner Transplantation.
Im Zeitalter von Schönheits-OPs und
Photoshop steht man(n) dazu, dass
die befriedigte Eitelkeit ein Teil des
persönlichen Wohlbefindens ist.
Schwindendes Haupthaar ist für
viele Männer ein Graus, gilt es in unserer Gesellschaft doch als Zeichen des
Alterns. Zwar, so sagt das Ludovic Magnin im «Blick», habe seine Halbglatze
sein
Selbstvertrauen
nicht
geschwächt, vielmehr sei ihm einfach
seine Frisur zu langweilig geworden.
Teure Haarpracht
Vor einem halben Jahr liess er sich
deshalb Haare vom Hinterkopf auf die
Stirn transplantieren. Dabei werden
noch vorhandene Haare mit einer
Hohlnadel einzeln ausgestanzt und
wieder in die Haut eingepflanzt, um eine neue Haarlinie zu bilden. Die Haare, so versprechen es seriöse Anbieter,
sollen so ein Leben lang nachwachsen.
Der mindestens achtstündige Eingriff
Von der Glatze zum Teppich: John Travolta vor ...
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... und nach der missglückten OP.
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Weg mit den Geheimratsecken ...
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... Wayne Rooney hat wieder volles Haar.
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«Wenn das Haar zum
Gehen programmiert ist,
dann geht es.»
Hanspeter Graber,
Haar-Spezialist
kostet zwischen 4500 und 6500 Franken, je nach Zahl der Haarfollikel, die
transplantiert werden. Obschon Hanspeter Graber, Geschäftsführer von
«Hair-Esthetic» in Zürich, sagt, dass mit
dieser Methode bereits 20-jährigen
Männern geholfen werden könne, ist
der Eingriff für diese zu kostspielig.
Häufig greifen Männer deshalb zu
Tinkturen und Tabletten. Auch Sascha
Müller*. Das schüttere Haar passt so
gar nicht zum 20-Jährigen. Noch kann
er die lichten Stellen mit Styling verdecken. Aber nicht mehr lange. Seit anderthalb Jahren benutzt er Alpecin,
das Haarwuchsmittel aus der Werbung. «Der Werbespruch ‹fühlbar
mehr Haare› stimmt natürlich», sagt
Müller. «Aber nur, weil ich mir seither
jeden Morgen in die Haare greife, um
zu checken, ob es mehr geworden
sind.» Bisher sei das nicht der Fall.
Auch Hanspeter Graber hält nicht
viel von den angepriesenen Mitteln:
«Wenn das Haar zum Gehen programmiert ist, dann geht es.» Medikamente wie Finasterid – ein Steroid
– oder Minoxidil können den Verlust
zwar verzögern, sind aber verschreibungspflichtig und haben starke Ne-
benwirkungen. Auch wasserfeste
Haarfasersprays, die die Kopfhaut abdunkeln, helfen nur bedingt.
Die Natur ist schuld
Haarausfall ist genetisch bedingt.
Jeder Mensch verliert täglich bis zu
100 Haare. Normalerweise bleiben
die Haarwurzeln bestehen. Bei erblich bedingtem Haarausfall sind die
Wurzeln ebenfalls noch intakt, die
Wachstumsphase der Haare ist aber
derart verkürzt, dass die Haare kaum
noch sichtbar sind. Die verantwortlichen Gene kommen zu 60 bis 70 Prozent von der Mutter.
Kahl ist sexy
Dabei gilt heuer auch der kahl geschorene Kopf als sexy. Schauspieler
Jason Statham avancierte damit im
Film «The Transporter» zum Sexsymbol, R. E. M.-Frontmann Michael Stipe
ist mit Haupthaar unvorstellbar und
Bruce Willis wäre auf der Leinwand
wohl nur halb so heldenhaft, würden
die abgefeuerten Kugeln sein Haar
zum Wehen bringen.
Selbst wer sich eine Transplantation
leisten kann, darf nicht unbedingt mit
einem schönen Ergebnis rechnen. Diese Erfahrung machten der ehemalige
Ministerpräsident Italiens, Silvio Berlusconi, und Schauspieler John Travolta: Tanzte sich Letzterer vor mehr als
30 Jahren dank dem Musicalfilm
«Grease» noch mit einer schwarzen
Tolle in die Herzen junger Mädchen,
wird er heute nur noch für seine Frisur
belächelt. Teppichähnlich legt sie sich
über sein Haupt, sein Haar wirkt unnatürlich, angeklebt. Gemäss verschiedener amerikanischer Blogs soll er nicht
nur mit einer Transplantation nachgeholfen haben, sondern das schlechte
Ergebnis auch mit Perücken und Haarteilen zu kaschieren versuchen. Die
Experten sind sich einig: Da hat jemand ziemlich gepfuscht, die Haarlinie falsch gelegt – und auch nicht auf
die Wuchsrichtung des verbliebenen
natürlichen Haares geschaut.
Bei anderen Stars scheint es funktioniert zu haben. Die Schauspieler Kevin Spacey, Matthew McConaughey
und Tom Hanks tauchten alle plötzlich
mit deutlich geringeren Geheimratsecken auf, dazu äussern wollte sich
aber keiner. Auch der deutsche Comedian Mario Barth präsentierte bei einem Auftritt plötzlich eine nie gesehene Haarfülle. Von einer Journalistin
darauf angesprochen, brach er das Interview ab und verliess den Raum.
So uneitel, wie sich viele Männer geben, scheinen sie also doch nicht zu
sein. Diesen Eindruck hat auch Gubler
von seinen Kunden. Und sogar Ludovic
Magnin gestand, dass er seine neuen
Haare derzeit permanent im Spiegel
betrachten müsse.
* Name von der Redaktion geändert.
Das sind die skurrilsten neuen Arten
Biologie Eine durchsichtige
Schnecke ohne Augen oder ein
Pilz, der dem niederländischen
Königshaus gewidmet wurde:
Forscher haben wieder ihre
Liste der skurrilsten neuen Arten veröffentlicht.
VON CHRISTINA HORSTEN
Eine transparente Mini-Krabbe, eine
Zwergwespe namens Tinkerbella und
ein Gecko mit einem blattähnlichen
Schwanz gehören zu den zehn skurrilsten Entdeckungen im Tier- und
Pflanzenreich. Das Institut für Artenforschung der State University of
New York (IISE) veröffentlicht jährlich eine Liste mit bizarren Spezies.
Die «Top Ten» wurden aus 18 000
neuen Arten ausgewählt, die im vergangenen Jahr beschrieben worden
waren, wie das Institut mitteilte.
Weitere zehn Millionen Tier- und
Pflanzenarten – fünfmal mehr als be-
reits bekannt – warten nach Angaben
der Wissenschafter weltweit noch
auf ihre Entdeckung.
Die transparente Mini-Krabbe (Liropus minusculus) entdeckten Forscher
in einer Höhle auf der Insel Santa Catalina vor Südkalifornien. Die Männchen sind gerade einmal 3,3 Millimeter lang, die Weibchen sogar nur 2,1.
Die Haut der Tiere, die nur sehr weit
entfernt mit den als Delikatesse geltenden Krabben verwandt sind, ist
durchsichtig, was ihnen ein gespenstisches Aussehen verleiht.
Sehr selten und kaum zu finden
Den Gecko Saltuarius eximius entdeckten Wissenschafter in Australien. Mit seinem bräunlich-weiss gefleckten Äusseren und seinem platten Schwanz, der einem Blatt ähnelt,
passt sich das Tier perfekt seiner Umgebung an und ist extrem schwer zu
finden.
Er lebt im Regenwald oder in steinigen Gebieten, gilt den Wissenschaftern zufolge als «Nachteule»
ziniert. «Es sind wunderschöne Bestien, würde ich sagen.»
Gespenstisch: Liropus minusculus,
die transparente Mini-Krabbe. HO
und scheint sehr selten zu sein. Der
Gecko habe eine «beunruhigende
Ähnlichkeit zu einem erfundenen
Monster», sagte der Biologe Antonio
Valdecasas vom Naturmuseum in Madrid, der dem elfköpfigen Auswahlgremium vorsass. Trotzdem hätten
gerade der Gecko und die durchsichtige Mini-Krabbe ihn am meisten fas-
Nach Peter Pans Fee benannt
Den schönsten Namen der «Top
Ten» hat wohl eine Zwergwespe abbekommen: Tinkerbella nana heisst
das nur 250 Mikrometer grosse Insekt, das zu den kleinsten der Welt
gehört, nach der Fee aus dem Kindermärchen «Peter Pan». Auf Deutsch
wird die Figur meist mit «Glöckchen»
oder «Naseweis» übersetzt. Wissenschafter entdeckten das Mini-Wesen,
das wahrscheinlich nur eine Lebensdauer von wenigen Tagen hat, im
zentralamerikanischen Costa Rica.
Nur ein Einzeller, aber dafür ungewöhnlich gross: Der Tarnungskünstler Spiculosiphon oceana ist vier bis
fünf Zentimeter lang und wurde in
Unterwasserhöhlen vor der Küste
Spaniens entdeckt. Die Einzeller
sammeln Überreste von im Meer lebenden Schwämmen, bilden daraus
Hüllen und sehen dann fast selbst
aus wie ein Schwamm.
Andere Neuentdeckungen haben
ganz andere Ausmasse: Zwölf Meter
wird der Drachenbaum Dracaena kaweesakii gross. «Es ist schwer zu glauben, dass er so lange nicht bemerkt
wurde», kommentierten die Wissenschafter. Der Baum mit den schwertförmigen Blättern und den cremefarbenen Blüten wachse in Thailand
und möglicherweise in Burma. Allerdings gebe es von der Art insgesamt
wohl nur 2500 Stück.
Das waschbärähnliche Raubtier
Bassaricyon neblina, das im Nebelwald der kolumbianischen und ecuadorianischen Anden gefunden wurde, kann bis zu zwei Kilogramm
schwer werden. Seit rund 35 Jahren
ist den Forschern zufolge kein
fleischfressendes Tier mehr in der
westlichen Hemisphäre neu entdeckt
worden.
Auch auf der Liste steht der in Tunesien gefundene Pilz Penicillium vanoranjei, der sich orange färbt. Deswegen wurde er der niederländischen Königsfamilie gewidmet.