Darm-Hirn-Achse: Fettsäuren-Diät gegen Multiple Sklerose

Presseinformation
Darm-Hirn-Achse: Fettsäuren-Diät gegen Multiple Sklerose
Düsseldorf, 25. September 2015 – Fettsäuren in der Nahrung von MS-Modellmäusen verändern
die Zusammensetzung von Immunzellen, die an der Entstehung und dem Verlauf der Multiplen
Sklerose beteiligt sind. Aktuell sind Wissenschaftler der neurologischen Universitätskliniken in
Bochum und Erlangen diesen Zusammenhängen und dem Einfluss der Mikroflora des
menschlichen Darms auf die Entstehung der Multiplen Sklerose auf der Spur. Prof. Dr. med. Ralf
Linker aus Erlangen: „Nach unseren Ergebnissen, nach denen höhere Kochsalzgehalte in der
Nahrung die Multiple Sklerose befördern, fokussieren wir uns jetzt auf den Einfluss von
langkettigen Fettsäuren aus der Nahrung.“ Die Ergebnisse werden in Kürze in der renommierten
Zeitschrift „Immunity“ veröffentlicht. „Wir denken bereits an die Supplementierung von
kurzkettigen Fettsäuren, mit der die medikamentöse Therapie der Multiplen Sklerose unterstützt
werden kann“, berichtet der Neurologe Prof. Dr. Aiden Haghikia von der Neurologischen
Universitätsklinik in Bochum heute auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
(DGN) in Düsseldorf.
Der menschliche Darm mit seiner bakteriellen Besiedlung, dem so genannten Mikrobiom, erfährt in
der neurologischen Forschung derzeit große Aufmerksamkeit, insbesondere seine Rolle bei der
Entstehung neurologischer Erkrankungen. Auch im Rahmen von chronisch-entzündlichen
Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose (MS) mehren sich die wissenschaftlichen
Hinweise dafür, dass das Mikrobiom des Darms einen erheblichen Einfluss auf die
Krankheitsentstehung nehmen könnte. Dabei unterliegt die Interaktion, die zwischen dem Inhalt
des Darms und dem ortsständigen Immunsystem stattfindet, unterschiedlichen Einflussfaktoren:
der Zusammensetzung der Darmbakterien, ihren Stoffwechselprodukten und natürlich den
Nährstoffen. Kaum ein Umweltfaktor hat sich in den letzten Jahrzehnten dabei so sehr gewandelt,
wie die Ernährung in den industrialisierten Nationen. So konnte die Erlanger Arbeitsgruppe um
Professor Linker bereits zeigen, dass der zunehmende Gehalt von Kochsalz in der Ernährung eine
proentzündliche Wirkung bei MS entfalten kann [1].
Fokus auf Fettsäuren
In einer engen Kooperation zwischen den Neurologischen Kliniken der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen und der Ruhr-Universität Bochum (St. Josef-Hospital) wird nun die Rolle von
Fettsäuren für die Entstehung von autoreaktiven Zellen bei MS untersucht. Bereits Ende der
1970er-Jahre rückten die Fettsäuren ins Visier der Forscher: Skandinavische Wissenschaftler
machten die Beobachtung, dass in küstennahen Regionen die MS weniger häufig auftritt. Es
entstanden die Theorie, dass Fischkonsum einen protektiven Effekt haben müsste, sowie die These,
dass Fischöl eine therapeutische Wirkung haben könnte. Dies ließ sich allerdings in nachfolgenden
Studien nicht weiter erhärten. Im Unterschied zu diesen früheren Arbeiten setzt sich die aktuelle
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 25. September 2015
Forschungsarbeit mit der unterschiedlichen Länge des Kohlenstoffgerüstes von gesättigten
Fettsäuren und ihrem Einfluss auf entzündliche TH17-Zellen und regulatorische T-Zellen des
Immunsystems in der Darmwand auseinander und kommt zu interessanten Ergebnissen, die in
Kürze in der renommierten Fachzeitschrift „Immunity“ publiziert werden [2]. Die Ergebnisse
könnten durchaus Anwendung in der Unterstützung der MS-Therapie finden.
Kurzkettige Fettsäuren: Add-on zur MS-Therapie
Regulatorische T-Zellen sind dafür zuständig, sowohl überschießende Entzündungsreaktionen, z. B.
im Rahmen von Infektionen, als auch autoreaktive Zellen zu unterdrücken, die körpereigenes
Gewebe schädigen. Die heutige Vorstellung vom immunologischen Pathomechanismus der MS und
anderer Autoimmunerkrankungen beinhaltet ein Ungleichgewicht zwischen geschwächten
regulatorischen und autoimmun-entzündlichen Immunmechanismen. Die überwiegende Mehrheit
zugelassener Therapien für diese Indikationen zielt auf eine Schwächung bzw. Blockierung der proentzündlichen Komponente des Immunsystems ab. Eine Stärkung der regulatorischen
Komponenten, z. B. mittels Propionat als Zusatz zu den etablierten Immunmodulatoren- bzw.
supressoren könnte einen synergistischen Effekt erzeugen. Die ersten Daten zum humanen Einsatz
von Propionat bei Kontroll-Probanden bestätigen die experimentellen Untersuchungen der
Neurologen aus Erlangen und Bochum. Propionat ist von der EU-Nahrungsmittelkontrolle und der
FDA als Nahrungszusatzmittel als unbedenklich eingestuft. Die gewonnenen Erkenntnisse will die
Arbeitsgruppe in Bochum und Erlangen nun für die Entwicklung von innovativen diätetischen Addon-Maßnahmen als Ergänzung zu den bekannten Immuntherapeutika nutzen.
Referenzen
[1] Haghikia A. et al., Immunity (2015), in press
[2] Kleinewietfeld M. et al., Nature (2013)
Bitte beachten Sie: Für die Ergebnissen der Publikation in Immunity besteht eine Sperrfrist bis zur OnlineVeröffentlichung durch die Zeitschrift!
Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
Prof. Dr. Aiden Haghikia
Oberarzt der Neurologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum
St. Josef-Hospital Bochum, Gudrunstr. 56, D-44791 Bochum
Tel.: +49 234 5092411
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Ralf Linker
Geschäftsführender Oberarzt der Neurologischen Klinik der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen
Schwabachanlage 6, D-91054 Erlangen
Tel.: +49 9131 8532187
E-Mail: [email protected]
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 25. September 2015
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Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der
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Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 25. September 2015