Professor Dr. Bernd Heinrich Stand: 1. Oktober 2015 Vorlesung Strafrecht - Besonderer Teil - Arbeitsblatt Nr. 37 Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten, § 266b StGB I. Rechtsgut: – – Vermögen des Kartenausstellers. Funktionsfähigkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (str.). II. Hintergrund: § 266b StGB soll Strafbarkeitslücken decken, die beim Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten durch den an sich berechtigten Karteninhaber auftreten (nicht anwendbar ist § 266b StGB in den Fällen, in denen ein Nichtberechtigter mit einer fremden Scheck- oder Kreditkarte Verfügungen vornimmt). – Betrug, § 263 StGB, greift nicht, da sich derjenige Vertragshändler, der sich vom Täter „mittels Karte bezahlen“ lässt, in der Regel keine Gedanken über dessen Zahlungsfähigkeit macht: auf Grund seines Vertrages mit dem Kartenaussteller bekommt er das Geld auf jeden Fall. Es fehlt also an einem betrugsrelevanten Irrtum. – Untreue, § 266 StGB, scheidet aus, weil der Karteninhaber keine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Kartenaussteller hat. III. Struktur und systematische Stellung – § 266b StGB ist ein untreueähnliches Delikt, allerdings ist keine Vermögensbetreuungspflicht erforderlich. – § 266b ist ein echtes Sonderdelikt. Täter kann nur der berechtigte Karteninhaber sein. – Konkurrenzen: wer mit der Mindermeinung neben § 266b StGB noch § 263 StGB oder § 266 StGB anwendet, muss diese auf Konkurrenzebene zurücktreten lassen (Spezialität). IV. Der Tatbestand des § 266b StGB 1. Tathandlung: Missbrauch der eingeräumten Möglichkeit, einen anderen (= den Kartenaussteller) zu einer Zahlung zu veranlassen. – Dies gilt insbesondere im „klassischen“ Fall des 3-Partner-Systems: Täter (= Karteninhaber, Käufer) – Vertragspartner (= Geldempfänger, Verkäufer) – Kreditinstitut (= Kartenaussteller). Hier garantiert das Kreditinstitut dem Verkäufer Zahlungen bis zu einer gewissen Höhe, auch wenn das Konto des Karteninhabers keine Deckung mehr aufweist. – Umstritten ist die Geltung im 2-Partner-System: Der Täter kann mittels einer Kundenkreditkarte bei einem bestimmten Unternehmen bargeldlos einkaufen und erteilt diesem eine Einzugsermächtigung für sein Konto bei der Bank. Sofern dieses aber keine Deckung mehr aufweist, geht der Kartenaussteller leer aus (da er mit der Bank keinen Garantievertrag geschlossen hat). – Nach der h.M. scheidet hier § 266b StGB aus, da der Täter niemanden zu einer Zahlung „veranlassen“ kann. Es kommt allerdings Betrug, § 263 StGB, in Betracht. – Wird die Scheck- und Kreditkarte nicht in ihrer Funktion als Scheckkarte, sondern als Codekarte zum Abheben von Geld benutzt, so greift nach h.M. nicht § 266b StGB, sondern § 263a I 3. Var. StGB ein. 2. Tatmittel: a) Scheckkarte: insbesondere die auf Grund der Vereinbarung der europäischen Kreditwirtschaft einheitlich gestalteten „Eurocheque-Karten“ mit einer bestimmten Garantiefunktion (seit 2002 aufgehoben). b) Kreditkarte: Von einer Kreditkartenfirma ausgestellte Karte mit Garantiefunktion, die einen bargeldlosen Einkauf bei den Vertragshändlern des Kreditkartenunternehmers ermöglicht (str. bei EC/Maestro-Karten). 3. Eintritt eines (Vermögens-)Schadens (vgl. die Ausführungen beim Betrug, § 263 StGB, Arbeitsblatt BT Nr. 28). Literatur / Lehrbücher: Literatur / Aufsätze: Literatur/Fälle: Rechtsprechung: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf-B. Heinrich, § 23 II; Eisele, BT 2, § 33; Krey/Hellmann/Heinrich, BT 2, § 16 III; Rengier, BT I, § 19; Wessels/Hillenkamp, BT 2, § 21 II. Altenhain, Der strafbare Mißbrauch kartengestützter elektronischer Zahlungssysteme, JZ 1997, 752; Baier, Konsequenzen für das Strafrecht bei Abschaffung des Euroscheckverkehrs, ZRP 2001, 454; Eisele/Fad, Strafrechtliche Verantwortlichkeit beim Missbrauch kartengestützter Zahlungssysteme, JURA 2002, 305; Geppert, Ein heikles Problem zum neuen § 266b StGB, JURA 1987, 162; Heger, Zur Strafbarkeit der Fälschung von Maestro-Karten, wistra 2010, 281; Hilgendorf, Grundfälle zum Computerstrafrecht, JuS 1997, 130; Löhning, Unberechtigte Bargeldabhebung mit eurocheque-Karte und Geheimnummer an defekten Geldautomaten, JR 1999, 362; Ranft, Der Kreditkartenmißbrauch (§ 266b Alt. 2), JuS 1988, 673. Thoss, Unerlaubte Kreditschöpfung, JA 2000, 671. BGHSt 24, 386 – Scheckkarte (Strafbarkeit des Scheckkartenmissbrauchs vor Einführung des § 266b StGB); BGHSt 33, 244 – Kreditkarten (Strafbarkeit des Kreditkartenmissbrauchs vor Einführung des § 266b StGB); BGHSt 38, 281 – Kundenkarte (Missbrauch im „Zwei-Partner-System“); BGHSt 47, 160 – Geldautomat (Scheckkartenmissbrauch des berechtigten Karteninhabers); BGH NStZ 1992, 278 – Spielschulden (Unberechtigte Weitergabe einer Kreditkarte an Dritte); BGH NStZ 1992, 278 – Spielschulden (Unberechtigte Weitergabe einer Kreditkarte an einen Dritten); BGH NStZ 1993, 283 – Kreditkarten (Konkurrenzen § 263 StGB – § 266b StGB).
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